Urteil des BVerwG vom 08.01.2015

In Ungerechtfertigter Weise, Juristische Person, Eigenschaft, Zugang

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 36.14
OVG 13 A 1054/13
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Januar 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller und Hahn
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. April 2014 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 100 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin gehört dem Konzern der Deutsche Bahn AG an. Sie betreibt als
Rechtsnachfolgerin der DB Autozug GmbH den sog. Sylt Shuttle über den Hin-
denburgdamm mit eigenen Fahrzeugübergangseinrichtungen bzw. Verladesta-
tionen in Niebüll und in Westerland. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass
die Bundesnetzagentur ihre Rechtsvorgängerin mit Bescheid vom 14. Oktober
2010 unter Berufung auf § 14c Abs. 1 AEG dazu verpflichtet hat, für die Verla-
destationen in Niebüll und Westerland Nutzungsbedingungen für Serviceein-
richtungen aufzustellen und die Bundesnetzagentur darüber gemäß § 14d
Satz 1 Nr. 6 AEG zu unterrichten. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung
der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurück-
gewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die Klägerin
erstrebt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision.
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II
Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat
keinen Erfolg.
Eine grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die
angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und
bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Be-
deutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhal-
tung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des
Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht,
dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.
1. Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig zunächst die Frage:
„Sind Fahrzeugübergangseinrichtungen (sog. Verladesta-
tionen) als Serviceeinrichtungen im Sinne von § 2 Abs. 3c
AEG zu qualifizieren?“
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil
sie sich dem Oberverwaltungsgericht in dieser Allgemeinheit weder gestellt hat
noch stellen musste und deshalb auch in einem Revisionsverfahren nicht klä-
rungsfähig ist. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr einen durch besondere
Umstände geprägten Einzelfall entschieden, in dem es die Verladestationen
des von der Klägerin betriebenen Sylt Shuttles in Niebüll und in Westerland, die
die Klägerin selbst in ihrer Beschwerdebegründung wegen der ihnen zukom-
menden Funktion der Sache nach als einzigartig beschreibt, in Bezug auf die
Beförderung von Reisenden, die ein Kraftfahrzeug oder ein Motorrad mit sich
führen, funktionell als Personenbahnhöfe im Sinne von § 2 Abs. 3c Nr. 2 AEG
und im Hinblick auf die Beförderung von Fahrzeugen und sonstigen Gütern
funktionell als Güterbahnhöfe im Sinne von § 2 Abs. 3c Nr. 3 AEG qualifiziert
hat (UA S. 11 ff.).
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Unabhängig von dem Einzelfallcharakter der oberverwaltungsgerichtlichen Ent-
scheidung ist auch mit dem ihr zu Grunde liegenden Ansatz kein grundsätzli-
cher Klärungsbedarf verbunden. Dieser Ansatz geht dahin, dass für die in dem
Katalog des § 2 Abs. 3c AEG aufgeführten Serviceeinrichtungen ein weites Be-
griffsverständnis geboten und für die Zuordnung konkreter Einrichtungen zu
einzelnen Nummern des Katalogs auf deren Zweck und typische Betriebsabläu-
fe abzustellen ist. Übereinstimmend hiermit und deshalb keiner weiteren Klä-
rung bedürftig ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt, dass es sich
bei den Serviceeinrichtungen des § 2 Abs. 3c AEG um einen tendenziell weit zu
verstehenden Regelungsgegenstand mit vielfältigen Ausprägungen handelt
(vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2012 - 6 C 42.10 - Buchholz 442.09 § 14e
AEG Nr. 2 Rn. 26, 43). Diesem weiten Verständnis entspricht es, dass konkrete
Einrichtungen bzw. Teile von ihnen grundsätzlich auch mehreren Nummern des
in § 2 Abs. 3c AEG enthaltenen Katalogs zugeordnet werden können (vgl. auch
Fehling, in: Hermes/Sellner , Beck´scher AEG-Kommentar, 2. Aufl.
2014, § 2 Rn. 113).
2. Vor dem Hintergrund, den die Klägerin dadurch gekennzeichnet sieht, dass
die in Rede stehenden Verladestationen technisch wie betrieblich maßge-
schneiderte Einrichtungen darstellten, die allein dem Zweck dienten, ihr die Er-
bringung ihrer Verkehrsleistungen zu ermöglichen, und zu denen es eine Reihe
von vertretbaren Marktalternativen gebe, wirft die Klägerin als grundsätzlich
klärungsbedürftig weiter folgende Frage auf:
„Sind sie (die besagten Verladestationen) als solche Teil
der Eisenbahninfrastruktur im Sinne von § 2 Abs. 3 AEG,
für die eine Verpflichtung zur Aufstellung von Nutzungs-
bedingungen im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 EIBV be-
steht, oder gebieten das Unionsrecht (Art. 5 Abs. 1 Satz 2
der Richtlinie 2001/14/EG) und das Verfassungsrecht in
diesem Zusammenhang eine einschränkende Auslegung
des Begriffs der Eisenbahninfrastruktur, die derartige An-
lagen in bestimmten Fällen ausklammert, und zwar insbe-
sondere dann, wenn vertretbare Marktalternativen vor-
handen sind oder die Anlagen zur Drittnutzung aus eisen-
bahnbetrieblichen Gründen von vornherein nicht geeignet
sind?“
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Dieser Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Das Oberverwal-
tungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Ur-
teil vom 13. Juni 2012 - 6 C 42.10 - Buchholz 442.09 § 14e AEG Nr. 2 Rn. 43)
erkannt, dass Serviceeinrichtungen gemäß § 2 Abs. 3 AEG zu den Betriebsan-
lagen der Eisenbahnen und damit zur Eisenbahninfrastruktur gehören, so dass
nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EIBV für den Zugang zu ihnen Nutzungsbedingungen
aufzustellen sind. Die gestellte Frage spricht, von ihrem Bezug auf den Einzel-
fall und von gänzlich unbestimmten Bestandteilen („in bestimmten Fällen“) be-
freit, als Problem an, ob dies aus unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen
Gründen dann nicht gilt, wenn vertretbare Marktalternativen bestehen oder eine
Drittnutzung aus eisenbahnbetrieblichen Gründen von vornherein ausscheidet.
a) Auch in dieser Form fehlt es einem Teil der Frage an der erforderlichen Klä-
rungsfähigkeit, weil sie sich insoweit dem Oberverwaltungsgericht nicht gestellt
hat. So ist das Oberverwaltungsgericht nicht davon ausgegangen, dass die in
Rede stehenden Einrichtungen der Klägerin für eine Drittnutzung von vornhe-
rein nicht geeignet sind. Es hat im Gegenteil - von der Klägerin mit Verfahrens-
rügen nicht angegriffen - festgestellt, es könne keine Rede davon sein, dass
eine Nutzbarkeit für Wettbewerber schlechterdings ausgeschlossen ist (UA
S. 21). Auf weitere Tatsachenfeststellungen kommt es für die gestellte Frage
nicht an.
b) Für den Restbestand der Frage kann auf der Grundlage der Beschwerdebe-
gründung eine Klärungsbedürftigkeit nicht angenommen werden.
aa) Ein aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der für den vorliegenden Fall noch maßgebli-
chen Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die
Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die
Sicherheitsbescheinigung, ABl L 75 S. 29 (mit Wirkung vom 15. Dezember
2012 ersetzt durch die bis zum 16. Juni 2015 umzusetzende Richtlinie
2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November
2012 zur Schaffung eines einheitlichen Eisenbahnraums vgl.
Art. 64 bis 66 dieser Richtlinie) folgendes unionsrechtliches Gebot für eine ein-
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schränkende Auslegung des Begriffs der Eisenbahninfrastruktur und damit der
Verpflichtung zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen hat das Oberverwal-
tungsgericht mit zwei selbständig tragenden Begründungen verneint (UA
S. 18 f.): Die Vorschrift verhalte sich nicht zu dem eisenbahnrechtlichen Status
eines Unternehmens, sondern regele allein den einzelfallbezogenen Zugang zu
den Leistungen der Eisenbahnunternehmen unter Bestimmung der Reichweite
des Diskriminierungsverbots. Abgesehen davon habe die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2
der Richtlinie 2001/14/EG vorgesehene Berücksichtigung vertretbarer Alternati-
ven unter Marktbedingungen generell keinen Eingang in das deutsche Eisen-
bahnrecht gefunden, was unionsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
Dem erstgenannten Begründungsstrang tritt die Beschwerde im Wesentlichen
nur mit der Erwägung entgegen, es liefe auf eine Überregulierung bzw. eine
bloße Förmelei hinaus, wenn die Aufstellung von Nutzungsbedingungen gefor-
dert werde, obwohl Zugang wegen des Bestehens vertretbarer Marktalternati-
ven nicht gewährt werden müsse. Mit dieser Darlegung verfehlt die Klägerin
den Kern des berufungsgerichtlichen Ansatzes. Dieser besteht darin, dass
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/14/EG für die hier streitige Verpflichtung
zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen keine Bedeutung beigemessen wird,
da sich die Frage der Vertretbarkeit von Marktalternativen im Sinne der Vor-
schrift - ihre Relevanz nach nationalem Recht insoweit unterstellt - im weiteren
Verlauf in Abhängigkeit von dem jeweiligen Nutzungswunsch und dessen Zeit-
punkt unterschiedlich darstellen könne.
Die Tragfähigkeit des zweiten Begründungsstrangs des Oberverwaltungsge-
richts bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil diese Tragfähig-
keit entgegen der Ansicht der Klägerin in der Rechtsprechung des Senats be-
reits - bejahend - geklärt ist und sich aus dem Beschwerdevortrag keine Ge-
sichtspunkte ergeben, die sie als klärungsbedürftig geblieben oder wieder klä-
rungsbedürftig geworden erscheinen lassen könnten. Der Senat hat in seiner
Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, dass der nationale Gesetzge-
ber alle Serviceeinrichtungen nach § 2 Abs. 3c AEG der Eisenbahninfrastruktur
zugerechnet und dem Zugangsrecht aus § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG unterstellt hat,
ohne dabei den in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/14/EG enthaltenen
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einschränkenden Vorbehalt des Fehlens vertretbarer Alternativen unter Markt-
bedingungen zu übernehmen (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2012 - 6 C
42.10 - Buchholz 442.09 § 14e AEG Nr. 2 Rn. 42 f. mit Hinweis auf die Sonder-
regelung des § 10 Abs. 6 Nr. 2 EIBV für Wartungseinrichtungen, vgl. dazu:
BR-Drs. 249/05 S. 47). Der Senat hat sich zur Begründung zwar in ausdrückli-
cher Form nur auf das nationale Recht - vor allem auf dessen Systematik - be-
zogen, hätte die besagte Feststellung indes ersichtlich nicht treffen können,
wenn er Zweifel an deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht gehabt hätte (vgl.
insoweit bestätigend auch: BVerwG, Beschluss vom 21. März 2014 - 6 B
55.13 - N&R 2014, 245 Rn. 16). Hierfür bestand vor dem Hintergrund des zu-
rückhaltenden, weitergehende nationale Liberalisierungsschritte grundsätzlich
nicht ausschließenden Charakters der europäischen Eisenbahnregulierung (vgl.
dazu etwa: Kühling, N&R 2013, 139 <140, 145> sowie die Beispiele für über
den europäischen Standard hinausgehende Regelungen - auch - im geltenden
nationalen Recht bei: Lerche, N&R 2013, 27 <31, 33 und 34>) bereits auf
Grund des Wortlauts des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14/EG kein Anlass.
Der Begriff des Mindestzugangspakets, den Satz 1 der Vorschrift in Bezug auf
den Anhang II der Richtlinie gebraucht, steht auch im Hinblick auf Satz 2 der
Vorschrift der Annahme eines abschließenden Charakters der unionsrechtli-
chen Regelung entgegen. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich kein Ge-
sichtspunkt, der es rechtfertigen könnte, von dieser Einschätzung abzurücken.
Insbesondere wird nicht deutlich, weshalb der von der Klägerin unter Verweis
auf die Erwägungsgründe 17, 18 und 20 der Richtlinie 2001/14/EG benannte
Ausgleich zwischen den geschäftlichen Anforderungen und Flexibilitätserwar-
tungen der Betreiber der Infrastruktur und den Anforderungen der Nutzungsinte-
ressenten im Rahmen der bestehenden Regelungen des § 10 EIBV nicht mög-
lich sein sollte, sondern stattdessen zwingend eine Übernahme des unions-
rechtlichen Vorbehalts der vertretbaren Alternativen unter Marktbedingungen
verlangt haben könnte. Auch die Erwägungen zur Erforderlichkeit und Wirt-
schaftlichkeit von Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur erfordern diese
Übernahme nicht.
bb) Ein durch verfassungsrechtliche Vorgaben gefordertes eingeschränktes
Verständnis der Eisenbahninfrastruktur und damit der Verpflichtung zur Aufstel-
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lung von Nutzungsbedingungen in dem von der Klägerin befürworteten Sinn hat
das Oberverwaltungsgericht ebenfalls auf Grund zweier selbständiger Begrün-
dungsstränge verneint (UA S. 15 ff.): Auf die Grundrechte des Art. 14 Abs. 1
GG oder des Art. 12 Abs. 1 GG könne sich die Klägerin als vollständig in staat-
lichem Eigentum stehende juristische Person des Privatrechts nach Art. 19
Abs. 3 GG nicht berufen. Unabhängig davon bestehe jedenfalls eine verfas-
sungsmäßige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne
von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und damit auch - so ist das Oberverwaltungsge-
richt der Sache nach zu verstehen - eine verhältnismäßige Beschränkung des
Art. 12 Abs. 1 GG. Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber habe zur Sicherstel-
lung des in § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG genannten wettbewerblichen Ziels der Ei-
senbahnregulierung sämtliche Infrastruktureinrichtungen in verhältnismäßiger
Weise in die Pflicht zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen einbezogen. Aus
denselben Gründen werde die in Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG garantierte privat-
wirtschaftliche Unternehmensführung der Eisenbahnen des Bundes nicht in un-
gerechtfertigter Weise beeinträchtigt (vgl. zu dieser Begründung ausführlich
auch: OVG Münster, Urteil vom 18. Februar 2013 - 13 A 474/11 - N&R 2013,
167 <169 f.>).
Es bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um zu der Er-
kenntnis zu gelangen, dass die von der Klägerin befürwortete eingeschränkte
Definition der Eisenbahninfrastruktur verfassungsrechtlich jedenfalls im Ergeb-
nis nicht geboten ist. Dabei kann die Frage der Grundrechtsfähigkeit der zum
Konzern der Deutsche Bahn AG zählenden, der öffentlichen Hand gehörenden
Unternehmen, die das Bundesverwaltungsgericht angesichts ihrer in Art. 87e
Abs. 3 Satz 1 GG geregelten und von dem Allgemeinen Eisenbahngesetz vo-
rausgesetzten unternehmerischen Handlungs- und Organisationsfreiheit in sei-
ner Rechtsprechung bisher offen gelassen hat (BVerwG, Urteile vom 18. Mai
2010 - 3 C 21.09 - BVerwGE 137, 58 Rn. 20, vom 7. Dezember 2011 - 6 C
39.10 - BVerwGE 141, 243 Rn. 12 und vom 29. September 2011 - 6 C
17.10 - BVerwGE 140, 359 Rn. 21), weiter offen bleiben. Denn aus dem Sinn
und Zweck der eisenbahnrechtlichen Regulierung und der hierzu ergangenen
Rechtsprechung des Senats ergibt sich eindeutig, dass jedenfalls der zweite
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Begründungsstrang des Oberverwaltungsgerichts dem restriktiven Infrastruktur-
verständnis der Klägerin entgegensteht.
Die eisenbahnrechtliche Regulierung dient gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG der
Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf der
Schiene beim Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen und dem Betrieb
von Eisenbahninfrastrukturen. Im Rahmen dieses legitimen Ziels ist der Norm-
geber, was die Bewertung der Marktverhältnisse im Bereich der Eisenbahnin-
frastruktur und die einzusetzenden Regulierungsinstrumente anbetrifft, zu Pau-
schalierungen und Typisierungen befugt. Den Nutzungsbedingungen für Ser-
viceeinrichtungen hat er in diesem Rahmen die Funktion zugemessen, über alle
wesentlichen Voraussetzungen für den Zugang zu den Einrichtungen und die
dort angebotenen Leistungen zu informieren, dementsprechend Transparenz
herzustellen und dadurch die Voraussetzungen für einen diskriminierungsfreien
Zugang überhaupt erst zu schaffen (vgl. in diesem Sinn: BVerwG, Urteil vom
13. Juni 2012 - 6 C 42.10 - Buchholz 442.09 § 14e AEG Nr. 2 Rn. 22, 27; für
Schienennetznutzungsbedingungen: BVerwG, Urteil vom 29. September
2011 - 6 C 17.10 - BVerwGE 140, 359 Rn. 41, 64). Dieser Funktion der Nut-
zungsbedingungen entspricht eine Pflicht zur Aufstellung unabhängig von im
Einzelfall etwa bestehenden vertretbaren Alternativen unter Marktbedingungen.
Hierdurch werden weder etwaige Rechte der betroffenen Unternehmen aus
Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 12 Abs. 1 GG noch ihr durch Art. 87e Abs. 3 Satz 1
GG gewährleistetes privatwirtschaftliches Funktions- und Organisationskonzept
in unverhältnismäßiger Weise beschränkt.
3. Bezugnehmend auf die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts zur Aus-
übung des der Bundesnetzagentur von § 14c Abs. 1 AEG eingeräumten Er-
messens will die Klägerin ferner grundsätzlich geklärt wissen:
„Verstößt es gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz,
wenn die Bundesnetzagentur die Verpflichtung zur Auf-
stellung von Nutzungsbedingungen gemäß § 14c Abs. 1
AEG i.V.m. § 10 EIBV anordnet, obwohl die in Frage ste-
hende Einrichtung zur Nutzung durch Wettbewerber auf-
grund der Umstände des Einzelfalls nur eingeschränkt ge-
eignet ist und die Betreiberin in ihrer Eigenschaft als Ei-
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senbahnverkehrsunternehmen beeinträchtigt, das heißt ist
die Rechtspflicht zur Aufstellung von Nutzungsbedingun-
gen davon abhängig, ob und in welchem Umfang Ser-
viceeinrichtungen für dritte Eisenbahnverkehrsunterneh-
men nutzbar sind und zu Beeinträchtigungen des Ge-
schäftsbetriebs des Betreibers in seiner Eigenschaft als
Eisenbahnverkehrsunternehmen führen?“
Diese Frage ist einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren we-
der fähig noch bedürftig.
An der Klärungsfähigkeit fehlt es schon deshalb, weil die Klägerin in der Formu-
lierung ihrer Frage selbst auf die Umstände des Einzelfalls abstellt. Darüber
hinaus hat sich die Frage dem Oberverwaltungsgericht zutreffender Weise nicht
gestellt. Das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht - wie bereits er-
wähnt - festgestellt, dass die Nutzbarkeit der Einrichtungen der Klägerin für
Wettbewerber nicht schlechterdings ausgeschlossen ist. Zu den weiteren tat-
sächlichen Gegebenheiten, von denen die aufgeworfene Frage aus-
geht - Beeinträchtigung der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Eisenbahnver-
kehrsunternehmen und Umfang der Nutzbarkeit der Serviceeinrichtungen der
Klägerin für Wettbewerber - hat das Oberverwaltungsgericht keine Feststellun-
gen getroffen und musste dies auf Grund des insoweit eindeutigen und deshalb
nicht klärungsbedürftigen Inhalts des Infrastrukturzugangsrechts nicht tun.
Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläge-
rin die Verpflichtung zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen für Serviceein-
richtungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EIBV ungeachtet ihrer Eigenschaft
als - zugleich - Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturun-
ternehmen trifft (vgl. zur Unerheblichkeit dieses Doppelcharakters nur: Kramer,
in: Kunz , Eisenbahnrecht, Stand: März 2014, § 2 AEG Rn. 1; Fehling,
in: Hermes/Sellner , Beck´scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 2
Rn. 23). Es hat weiter zutreffend erkannt, dass es für die Aufstellungsverpflich-
tung auf etwaige nachgelagerte Nutzungskonflikte nicht ankommt, weil deren
Bewältigung Gegenstand des Koordinierungs- und Entscheidungsverfahrens
nach § 10 Abs. 2 bis 7 EIBV ist, wohingegen die Nutzungsbedingungen Wett-
bewerbern zunächst die Prüfung ermöglichen sollen, ob sich die Verfolgung
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eines Zugangsbegehrens überhaupt ökonomisch lohnt. Gerade die Erfüllung
eines derartigen Informationsbedürfnisses entspricht der bereits beschriebenen
Funktion der Nutzungsbedingungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni
2012 - 6 C 42.10 - Buchholz 442.09 § 14e AEG Nr. 2 Rn. 22).
4. Ebenfalls auf die Ermessensausübung nach § 14c Abs. 1 AEG bezogen, hält
die Klägerin weiterhin Folgendes für grundsätzlich bedeutsam:
„Verstößt es mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der
RL 2001/14/EG gegen den Verhältnismäßigkeitsgrund-
satz, wenn die Bundesnetzagentur die Verpflichtung zur
Aufstellung von Nutzungsbedingungen gemäß § 14c
Abs. 1 AEG i.V.m. § 10 EIBV anordnet, obwohl vertretbare
Marktalternativen bestehen?“
Es ergibt sich bereits aus den obigen Darlegungen (unter 2., b), aa)), dass die-
ser Frage mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung zu-
kommt. Im Übrigen unterläge es der Beurteilung des Gesetz- und Verord-
nungsgebers, ob in dem von der Klägerin angesprochenen Fall einer fortschrei-
tenden Etablierung von Wettbewerb im Eisenbahninfrastrukturbereich regulie-
rungsrechtliche Konsequenzen zu ziehen wären.
5. Schließlich sieht die Klägerin eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung in
Folgendem:
„Verstößt es gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz,
wenn die Bundesnetzagentur die Verpflichtung zur Auf-
stellung von Nutzungsbedingungen anordnet, obwohl das
betreffende Eisenbahnverkehrsunternehmen dadurch
nicht in seiner Eigenschaft als Betreiber von Anlagen,
sondern in seiner Eigenschaft als Eisenbahnverkehrsun-
ternehmen betroffen ist, da eine Zulassung Dritter not-
wendigerweise dazu führt, dass die Verkehrsdienstleis-
tung nicht mehr im bisherigen Umfang erbracht werden
kann?“
Auf die mangelnde Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit dieser Frage
kann ebenfalls bereits auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen ge-
schlossen werden. Auch ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das zugleich
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Eisenbahnverkehrsunternehmen ist, muss nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EIBV Nut-
zungsbedingungen für Serviceeinrichtungen aufstellen und ist wegen etwaiger
Nutzungskonflikte auf das Koordinierungs- und Entscheidungsverfahren nach
§ 10 Abs. 2 bis 7 EIBV verwiesen. Das Oberverwaltungsgericht hatte deshalb
keinen Anlass, Feststellungen darüber zu treffen, ob der Klägerin im Fall der
Zulassung von Wettbewerbern die Erbringung von Verkehrsleistungen noch im
bisherigen Umfang möglich wäre.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Wertes des Streitgegenstands beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52
Abs. 1 GKG.
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