Urteil des BVerwG vom 18.09.2014

DDR, Einziehung Von Vermögenswerten, Entschädigung, Juristische Person

BVerwGE: ja
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsrecht mit Ausnahme
der Klagen auf Feststellung der Entschädigungsberechtigung
Rechtsquelle/n:
DDR-EErfG § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2, §
1 Abs. 3 Nr. 2, § 3 Satz 2
VwGO § 60, § 93 Satz 2, § 139 Abs. 3 Satz 1 und 4
Titelzeile:
Entschädigung für mittelbare Schädigung in Form der
Wertminderung der Beteiligung eines ausländischen
Gesellschafters an einem Unternehmensträger
Stichwort/e:
Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist; Wiedereinsetzung;
Verfahrenstrennung; Trennung von Verfahren; Entschädigung;
Entschädigungsanspruch; Erfüllung; Anspruch auf Erfüllung; Anspruchserfüllung;
Entschädigungserfüllungsanspruch; Antragsberechtigter;
Entschädigungsberechtigter; Entschädigungsverpflichteter; Gesellschafter;
ausländischer Gesellschafter; ausländische juristische Person; Anteilsinhaber;
Beteiligung; inländische Beteiligung; ausländische Beteiligung; inländische
Anteile; ausländische Anteile; Rechtsnachfolger; Gesamtrechtsnachfolge;
unmittelbare Schädigung; mittelbare Schädigung; Enteignung; Teilenteignung;
Entziehung; besatzungsrechtlich; besatzungshoheitlich; Minderung des Wertes;
Wertminderung; Unternehmen; enteignetes Unternehmen; Unternehmensträger;
enteigneter Unternehmensträger; Vermögenswert; enteigneter Vermögenswert;
Freistellung; freigestellte Beteiligung; freigestellte ausländische Beteiligung;
Entschädigungsversprechen; verdichtetes Entschädigungsversprechen;
allgemeines Schutzversprechen; Rechtsfolgenverweisung; Höhe;
Entschädigungshöhe; Erhöhung des Entschädigungsbetrages; Einheitswert;
verwertbarer Einheitswert; Klageänderung.
Leitsatz/-sätze:
§ 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG verweist auf die Rechtsfolge des § 1 Abs.
2 Satz 1 DDR-EErfG. Demzufolge setzt der Anspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 2
Halbs. 1 DDR-EErfG nicht voraus, dass ein verdichtetes
Entschädigungsversprechen bestand und nicht erfüllt wurde.
Urteil des 5. Senats vom 18. September 2014 - BVerwG 5 C 18.13
I. VG Berlin vom 31. Januar 2013
Az: VG 29 K 25.13
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 5 C 18.13
VG 29 K 25.13
Verkündet
am
18. September 2014
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler und Dr. Fleuß
für Recht erkannt:
Die Revisionen der Klägerin, des Beklagten und der Bei-
geladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ber-
lin vom 31. Januar 2013, berichtigt durch Beschluss vom
7. März 2013, werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Kläge-
rin 22%, der Beklagte und die Beigeladene jeweils 39%.
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G r ü n d e :
I
Die Klägerin begehrt eine Entschädigung nach dem DDR-Entschädigungs-
erfüllungsgesetz für die Beteiligung einer ausländischen Gesellschaft an der
unter der Bezeichnung L. AG firmierenden Aktiengesellschaft.
Diese Aktiengesellschaft hatte ihren Sitz in B. Im Jahr 1934 betrug ihr Grundka-
pital 6 000 000 RM. An diesem Grundkapital waren die in der Schweiz lebende
Vera L., Tochter des jüdischen Gesellschafters Fritz W., und deren Ehemann
mit einem Aktienpaket in Höhe von nominell 597 000 RM beteiligt. Sie verkauf-
ten dieses sog. Schweizer Aktienpaket im Mai/Juni 1937 auf Veranlassung von
Fritz W. an das Bankhaus W. in Z., das noch im selben Jahr einen Anteil in Hö-
he von nominell 397 000 RM an die S. weiterveräußerte. Letztere übertrug den
von ihr erworbenen Anteil an die ClCA. Nach deren Auflösung ging der Anteil im
Jahr 1950 zunächst auf die französische Muttergesellschaft, die B. A. Q., und
anschließend im Wege der Fusion auf die S.E. Q. in C. bzw. E. Q. S.A. über.
Die letztgenannte Gesellschaft änderte im Juni 1997 ihre Firmenbezeichnung in
den Namen der Klägerin.
Bei Kriegsende gehörten zur L. AG neben dem Hauptbetrieb in B. ein Zweigbe-
trieb in N., eine weitere Tochtergesellschaft mit Vermögenswerten, eine Toch-
tergesellschaft in B. sowie diverse Zweigbetriebe und Niederlassungen in Bran-
denburg. Der unter dem 1. Dezember 1948 zum 1. Januar 1946 festgestellte
Einheitswert für das im Ostsektor Berlins und der sowjetischen Besatzungszone
belegene Vermögen betrug 2 848 000 RM.
Am 26. Dezember 1945 wurden aufgrund des Befehls Nr. 124 der Sowjetischen
Militär-Administration in Deutschland (SMAD) vom 30. Oktober 1945 sämtliche
in der sowjetischen Besatzungszone liegenden Vermögens- und Betriebsteile
der Aktiengesellschaft beschlagnahmt.
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Aufgrund des Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsver-
brecher und Naziaktivisten des Magistrats von Groß-Berlin vom 8. Februar
1949 in Verbindung mit dessen Durchführungsbeschluss vom gleichen Tage
wurde das Vermögen der L. AG eingezogen und in Volkseigentum überführt.
Die Veröffentlichung der Einziehung erfolgte in der Bekanntmachung vom
9. Februar 1949 (Liste 1) unter der laufenden Nummer … mit dem Klammerzu-
satz „deutsche Anteile enteignet".
In der Folgezeit wurde die L. AG mit dem VEB S. zusammengelegt, der nach
weiteren Zusammenlegungen mit anderen volkseigenen Betrieben im VEB G.
aufging. Der VEB G. wurde 1990 in einzelne Gesellschaften umgewandelt, die
nachfolgend von der Treuhand privatisiert und veräußert wurden.
In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts leiteten die Erbinnen nach Fritz W.
gegen das Bankhaus W. in Z. und die S. E. Q. in C. ein Rückerstattungsverfah-
ren ein. Mit Teilbeschluss vom 2. September 1952 stellte das Landgericht B.
fest, dass der Verkauf des sog. Schweizer Aktienpakets im Mai/Juni 1937 an
das Bankhaus W. verfolgungsbedingt erfolgt und daher nichtig sei. Im Be-
schwerdeverfahren nahmen die Erbinnen nach Fritz W. ausweislich des rechts-
kräftigen Beschlusses des Kammergerichts B. vom 14. November 1953 ihren
Rückerstattungsantrag zurück und verzichteten wirksam auf ihre Rechte aus
dem Teilbeschluss.
Am 15. Juni 2004 stellte die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigung nach
dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz (DDR-EErfG). Das Landesamt zur
Regelung offener Vermögensfragen lehnte den Antrag mit Bescheid vom
16. November 2009 ab. Mit ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren er-
hobenen Klage begehrte die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von
160 153,61 € nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 17. Dezember 2003. Das Verwal-
tungsgericht hat der Klage hinsichtlich eines Teilbetrags in Höhe von
125 241,34 € nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 17. Dezember 2003 stattgegeben,
im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
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Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, An-
spruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin sei § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-
EErfG. Die Klägerin sei entschädigungsberechtigt. Die von ihrer Rechtsvorgän-
gerin erworbenen Anteile aus dem sog. Schweizer Aktienpaket seien auf sie
übergegangen. Der im Rückerstattungsverfahren ergangene Teilbeschluss des
Landgerichts B. rechtfertige keine andere Entscheidung, da die Erbinnen nach
Fritz W. in der Folgezeit ihren Rückerstattungsantrag zurückgenommen und
wirksam auf ihre Rechte aus dem Teilbeschluss verzichtet hätten. Der Anwen-
dung des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG stehe auch nicht entgegen, dass vorlie-
gend nicht der Unternehmensträger als solcher, d.h. die Aktiengesellschaft,
enteignet worden sei. Der Anwendungsbereich der Vorschrift sei auch dann
eröffnet, wenn nur die im Osten belegenen Vermögenswerte eines Unterneh-
mensträgers auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage
enteignet worden seien. Davon sei hier auszugehen. Die Beteiligung der
Rechtsvorgängerin der Klägerin an der L. AG sei freigestellt gewesen. Denn die
Enteignung habe nach der in der Bekanntmachung vom 9. Februar 1949 veröf-
fentlichten Liste 1 nicht die ausländischen Anteile, sondern nur deutsche Anteile
erfasst. § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG enthalte eine Rechtsfolgenverweisung.
Aus diesem Grund müsse nicht geprüft werden, ob für die freigestellte auslän-
dische Beteiligung eine Entschädigung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-
EErfG vorgesehen gewesen sei. Auch die Frage der Zweitschädigung spiele
keine Rolle. Die Höhe der Entschädigung bemesse sich gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2
DDR-EErfG nach dem 1,3fachen des zum 1. Januar 1946 festgestellten Ein-
heitswertes für das im Ostsektor Berlins und der sowjetischen Besatzungszone
belegene Vermögen bezogen auf die hier streitgegenständliche Beteiligung in
Höhe von 6,616 v.H. Es seien keine Umstände erkennbar, die die Unverwert-
barkeit des Einheitswertes begründen könnten. Insbesondere gebe es keinen
Anhaltspunkt, dass der Einheitswert entgegen der Auffassung der Klägerin nicht
auch den Wert der Beteiligung der L. AG an der im Ostsektor belegenen
IGH AG enthalte. Der Entschädigungsanspruch richte sich gegen die Beigela-
dene, da sie das enteignete Unternehmen aufgrund des Einigungsvertrages
mittelbar erhalten habe.
Gegen dieses Urteil haben alle Beteiligten Revision eingelegt.
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Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter, soweit sie in der
Vorinstanz nicht erfolgreich war, und beantragt eine weitere Entschädigung in
Höhe von 34 912,27 €. Sie rügt eine Verletzung von § 1 Abs. 3 Nr. 2 DDR-
EErfG i.V.m. § 4 EntschG. Der Beklagte begehrt wegen der Versäumung der
Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung. In der Sache verfolgt er sein auf
die gesamte Klageforderung gerichtetes Abweisungsbegehren weiter. Er hält
die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG für verletzt. Die Beigeladene
verfolgt ebenfalls ihr auf die gesamte Klageforderung gerichtetes Abweisungs-
begehren weiter. Sie beanstandet die vom Verwaltungsgericht vollzogene Ab-
trennung der sich auf das sog. Schweizer Aktienpaket beziehenden Verpflich-
tungsklage als verfahrensfehlerhaft. In materieller Hinsicht rügt die Beigeladene
ebenfalls vorrangig einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG.
II
Die zulässigen (1.) Revisionen der Beteiligten sind unbegründet (2.).
1. Die Revisionen begegnen keinen Zulässigkeitsbedenken.
a) Die Revision des Beklagten ist nicht wegen Versäumens der am 15. April
2013 abgelaufenen Begründungsfrist des § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO unzuläs-
sig. Dem Beklagten ist die von ihm fristgerecht beantragte Wiedereinsetzung in
die versäumte Rechtsmittelbegründungsfrist gemäß § 60 VwGO zu gewähren.
Denn er war ohne Verschulden gehindert, die Revisionsbegründungsfrist einzu-
halten.
Es kann davon ausgegangen werden, dass bei der Deutschen Post AG im
Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen entsprechend ihrer amtli-
chen Verlautbarungen grundsätzlich am folgenden Werktag ausgeliefert wer-
den. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Rechtsmittelführer deshalb nicht
mit Postlaufzeiten rechnen, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung be-
gründen (Urteil vom 20. Juni 2013 - BVerwG 4 C 2.12 - BVerwGE 147, 37 Rn. 8
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m.w.N.). Das gilt entgegen der Ansicht der Klägerin auch, wenn das zu beför-
dernde Schriftstück der Post an einem Freitag zur Versendung übergeben wird.
Denn Differenzierungen danach, ob eine eingetretene Verzögerung beispiels-
weise auf einer verminderten Dienstleistung der Deutschen Post AG etwa an
Wochenenden beruht, sind unzulässig (BVerfG, Kammerbeschluss vom
25. September 2000 - 1 BvR 2104/99 - NJW 2001, 1566). Die Post-
Universaldienstleistungsverordnung - PUDLV - vom 15. Dezember 1999 (BGBl I
S. 2418), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1970),
steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08 -
NJW 2009, 2379 <2380>).
Der Beklagte hat glaubhaft gemacht, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz
am Freitag, den 12. April 2013, als Großbrief bei der Post aufgegeben wurde.
Der Umschlag war ordnungsgemäß an das Bundesverwaltungsgericht adres-
siert und ausreichend frankiert. Der Beklagte durfte daher erwarten, dass der
Schriftsatz jedenfalls spätestens am zweiten Werktag nach der Einlieferung bei
der Post, also am Montag, den 15. April 2013 ankommt, zumal er nur von B.
nach Leipzig befördert werden musste.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin erweist sich auch die Revision der
Beigeladenen als zulässig.
Der Klägerin ist nicht darin zu folgen, dass der Beigeladenen das Rechtsschutz-
interesse zur Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils deshalb fehle, weil sie im
Tenor der Entscheidung nicht als Adressat des Entschädigungsanspruchs ge-
nannt werde. Die erforderliche Beschwer der Beigeladenen folgt daraus, dass
das Verwaltungsgericht den Beklagten zur Festsetzung einer Entschädigung
verpflichtet hat und sich aus den insoweit tragenden und mit Blick auf die Be-
schwer der Beigeladenen heranzuziehenden Entscheidungsgründen ergibt,
dass diese Entschädigungsverpflichtete ist.
Die Revisionsbegründung der Beigeladenen genügt auch den formalen Anfor-
derungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Insbesondere enthält sie eine aus-
reichende und nicht nur formelhafte, allgemein gehaltene Auseinandersetzung
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mit den Gründen des angefochtenen Urteils, der zu entnehmen ist, warum die
Beigeladene das Urteil für fehlerhaft hält.
2. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts beruht nicht auf der Verlet-
zung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Senat ist gehindert, der
Frage des von der Beigeladenen gerügten Verfahrensmangels nachzugehen
(a). In materiell-rechtlicher Hinsicht ist das erstinstanzliche Urteil revisionsrecht-
lich nicht zu beanstanden (b).
a) Das Bundesverwaltungsgericht ist auf die Überprüfung materiell-rechtlicher
Fehler des angefochtenen Urteils beschränkt.
Die Rüge der Beigeladenen, die Voraussetzungen des § 93 Satz 2 VwGO für
eine Abtrennung der sich auf das sog. Schweizer Aktienpaket beziehenden
Verpflichtungsklage hätten nicht vorgelegen, muss bereits daran scheitern,
dass die Trennung von Verfahren generell nach § 146 Abs. 2 VwGO mit der
Folge unanfechtbar ist, dass sie als solche nicht der Nachprüfung durch das
Bundesverwaltungsgericht unterliegt (§ 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO;
Beschluss vom 20. Mai 2011 - BVerwG 8 B 64.10 - juris Rn. 5 m.w.N. und Urteil
vom 25. März 2010 - BVerwG 5 C 15.09 - Buchholz 428.41 § 1 EntschG Nr. 4
Rn. 24).
Unbeschadet dessen kann der Rechtsmittelführer Mängel rügen, die als Folge
der beanstandeten Trennung dem angefochtenen Urteil selbst anhaften, also
auf die der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegende Sachent-
scheidung durchschlagen (Beschluss vom 20. Mai 2011 a.a.O. Rn. 6 m.w.N.).
Solche Mängel sind von der Beigeladenen aber nicht in einer den Anforderun-
gen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt worden. Ihr
Einwand, die Klage hätte überwiegend keinen Erfolg gehabt, wenn die Tren-
nung unterblieben wäre, sodass die Klägerin ihre - der Beigeladenen - Kosten
hätte tragen müssen, bezieht sich auf die Nebenentscheidung über die Kosten-
tragungspflicht. Ihre Ausführungen, das Verwaltungsgericht habe mit seiner
Auslegung des Klageantrags dem Ansatz der Klägerin widersprochen, hinsicht-
lich der Beteiligung an der L. AG in Form von zwei Aktienpaketen einen einheit-
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lichen Entschädigungsanspruch geltend zu machen, betreffen die Grundlage
der Sachentscheidung, nicht aber die Sachentscheidung selbst.
Da die Trennung des Verfahrens durch das Verwaltungsgericht nicht der revisi-
onsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, kann die Beigeladene auch nicht mit Erfolg
geltend machen, die angeblich fehlerhafte Trennung habe eine Verletzung des
§ 88 VwGO bewirkt.
b) Das Verwaltungsgericht nimmt im Ergebnis ohne Rechtsverstoß an, dass der
Klägerin gegen die Beigeladene ein Anspruch auf Erfüllung eines Entschädi-
gungsanspruchs in Höhe von 125 241,34 € (aa) nebst 4 v.H. Zinsen für das
Jahr ab dem 17. Dezember 2003 (bb) zusteht.
aa) Der geltend gemachte Anspruch auf Erfüllung eines Entschädigungsan-
spruchs folgt aus § 1 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung in der Deut-
schen Demokratischen Republik nicht erfüllter Entschädigungsansprüche aus
Enteignung (DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz - DDR-EErfG) vom
10. Dezember 2003 (BGBl I S. 2471, ber. BGBl I 2004, S. 1654). Danach gilt
die entsprechende Anwendung dieses Gesetzes - d.h. des DDR-Entschädi-
gungserfüllungsgesetzes - auch für zunächst freigestellte Beteiligungen von
ausländischen Gesellschaftern an den auf der genannten - d.h. besatzungs-
rechtlichen oder besatzungshoheitlichen - Grundlage enteigneten Unterneh-
mensträgern, wobei der Antragsteller in diesen Fällen den Verzicht auf etwaig
fortbestehende Beteiligungs- oder sonstige Vermögensrechte zu erklären hat,
die im Zusammenhang mit der Enteignung dem ausländischen Gesellschafter
an dem neu gebildeten Unternehmen eingeräumt worden waren. Das DDR-
Entschädigungserfüllungsgesetz ist darauf gerichtet, Entschädigungsansprüche
zu erfüllen, die nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik be-
standen. Während § 1 Abs. 1 DDR-EErfG einen derartigen Entschädigungser-
füllungsanspruch hinsichtlich solcher Enteignungen verleiht, die in die Zeit des
Bestehens der Deutschen Demokratischen Republik fallen, erstreckt § 1 Abs. 2
Satz 1 DDR-EErfG diesen Erfüllungsanspruch auf Entschädigungen, die im Bei-
trittsgebiet bei Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheit-
licher Grundlage vorgesehen waren. § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG trägt in spe-
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zieller Weise einem schutzwürdigen Interesse bestimmter Anteilseigner
dadurch Rechnung, dass ihnen unter den genannten Voraussetzungen ein Ent-
schädigungsanspruch zuerkannt wird. Der Sache nach geht es dabei um eine
Entschädigung für eine mittelbare Schädigung in Form der Minderung des Wer-
tes der Beteiligung eines ausländischen Gesellschafters an einem Unterneh-
mensträger infolge einer Enteignung von Vermögenswerten der Gesellschaft.
Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die anspruchsbegrün-
denden Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind ((1)), § 1 Abs. 2 Satz 2
Halbs. 1 DDR-EErfG eine Rechtsfolgenverweisung auf § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-
EErfG enthält ((2)), für den Anspruch ohne Bedeutung ist, ob die Klägerin mög-
licherweise Zweitgeschädigte ist ((3)) und die Beigeladene in entsprechender
Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 DDR-EErfG zur Leistung der Entschädigung
verpflichtet ist ((4)). Die vom Verwaltungsgericht zugesprochene Höhe der Ent-
schädigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ((5)).
(1) Die Voraussetzungen des Entschädigungserfüllungsanspruchs nach § 1
Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG liegen vor. Die Klägerin ist antrags- und entschädi-
gungsberechtigt ((a)). Die von § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG geforderte
Enteignung eines Unternehmensträgers ist auch gegeben, wenn - wie in Bezug
auf die L. AG festgestellt - nur sein im Beitrittsgebiet belegenes Vermögen ent-
eignet wurde ((b)). Die Enteignung der Vermögenswerte der L. AG erfolgte auf
besatzungshoheitlicher Grundlage ((c)). Die Beteiligung der Rechtsvorgängerin
der Klägerin an der L. AG war zunächst freigestellt ((d)). Abgesehen davon ist
zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin den nach § 1 Abs. 2
Satz 2 Halbs. 2 DDR-EErfG geforderten Verzicht erklärt sowie die Antragsfrist
des § 5 Satz 1 DDR-EErfG eingehalten hat und der Anspruch nicht gemäß § 7
DDR-EErfG ausgeschlossen ist.
(a) § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG nennt als Normadressaten und damit
als möglichen Antrags- und Entschädigungsberechtigten ausdrücklich nur die
ausländischen Gesellschafter enteigneter Unternehmensträger. In Fällen der
vorliegenden Art, in denen der ausländische Gesellschafter des geschädigten
Unternehmensträgers - wie hier - eine juristische Person ist, sind über den
Wortlaut hinaus zumindest die Rechtsnachfolger antrags- und entschädigungs-
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berechtigt, die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in vollem Umfang in die
Rechtsposition der ausländischen juristischen Person eingetreten sind, also
auch hinsichtlich eines möglichen Entschädigungsanspruchs nach den im Bei-
trittsgebiet anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen, und die somit erwor-
bene gesellschaftsrechtliche Beteiligung auch in der Folgezeit nicht verloren
haben. Das folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass geldwerte Ansprüche
des öffentlichen Rechts, die ihrer Art nach nicht höchstpersönlicher Natur sind,
grundsätzlich auf andere Rechtsträger übertragen werden können, wenn nichts
Gegenteiliges geregelt ist (vgl. Urteil vom 29. Juni 1960 - BVerwG 5 C 447.58 -
BVerwGE 11, 43 <46>; s.a. Urteil vom 21. September 1989 - BVerwG 3 C
22.87 - Buchholz 427.3 § 261 LAG Nr. 53 S. 2 f.).
Bei den in der Deutschen Demokratischen Republik nicht erfüllten Entschädi-
gungsansprüchen handelt es sich um solche Ansprüche. Sie gehören zu den
geldwerten Ansprüchen des öffentlichen Rechts, die mangels gegenteiliger An-
haltspunkte nicht nach Art eines höchstpersönlichen Anspruchs an die Person
des ausländischen Gesellschafters gebunden sind, der im Zeitpunkt der Enteig-
nung an dem unmittelbar geschädigten Unternehmensträger beteiligt war. Auch
dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz ist nichts Gegenteiliges zu entneh-
men. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich deutlich, dass der Gesetzgeber
die Rechtsnachfolger des geschädigten früheren Eigentümers von Vermögens-
werten grundsätzlich in den Kreis der Anspruchsberechtigten einbeziehen woll-
te (vgl. BTDrucks 15/1180 S. 25). Dementsprechend ging er von der Übertrag-
barkeit der nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik begrün-
deten, am 2. Oktober 1990 noch offenen Entschädigungsansprüche aus. Dies
wird von § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 DDR-EErfG bestätigt, der zwischen dem
Antragsteller und dem ausländischen Gesellschafter unterscheidet und diese
einander gegenüberstellt. Ob und gegebenenfalls welche weiteren Kriterien zur
Bestimmung des Antrags- und Entschädigungsberechtigten heranzuziehen
sind, wenn die von einer ausländischen juristischen Person gehaltene Beteili-
gung an einem enteigneten Unternehmensträger isoliert an einen Dritten über-
tragen wurde, bedarf hier keiner Entscheidung.
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Mit Rücksicht auf diese rechtlichen Vorgaben nimmt das Verwaltungsgericht auf
der Grundlage der von ihm getroffenen Tatsachenfeststellungen zu den einzel-
nen Übertragungsvorgängen an, dass die Klägerin Rechtsnachfolgerin der CI-
CA und ihr demzufolge der von der CICA im Zeitpunkt der Enteignung gehalte-
ne streitgegenständliche Anteil aus dem sog. Schweizer Aktienpaket an der
L. AG zuzuordnen ist.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat die CICA im Jahr 1937
einen Anteil in Höhe von nominell 397 000 RM (entspricht einem Anteil an der
L. AG in Höhe von 6,616 v.H.) aus dem sog. Schweizer Aktienpaket von der S.
erworben. Letztere hatte diesen Anteil zuvor vom Bankhaus W. in Z. gekauft,
dem seinerseits das gesamte sog. Schweizer Aktienpaket in Höhe von nominell
597 000 RM im Mai/Juni 1937 von den ursprünglichen Gesellschaftern übertra-
gen worden war. Der im Rückerstattungsverfahren erlassene Teilbeschluss des
Landgerichts B. vom 2. September 1952, der den Verkauf des Aktienpaketes
für nichtig erklärte, steht der Wirksamkeit der Übertragung nicht entgegen, da
dem rechtskräftigen Beschluss des Kammergerichts B. vom 14. November
1953 die Feststellung zu entnehmen ist, dass der Antrag auf Rückerstattung
bezüglich des sog. Schweizer Aktienpakets gegenüber der Verwaltung zurück-
genommen und auf die Rechte aus dem Teilbeschluss wirksam verzichtet wur-
de. Infolge der Auflösung der CICA gingen die Aktien 1950 auf deren französi-
sche Muttergesellschaft B. A. Q. über. Von dieser wurden sie im Wege der Fu-
sion auf die S.E. Q. in C. bzw. E. Q. S.A. übertragen. Ausweislich der Beschei-
nigung des Notars Julio Q. vom 3. November 2004 hat die letztgenannte Ge-
sellschaft im Juni 1997 ihre Firmenbezeichnung in den Namen der Klägerin ge-
ändert. Diese Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind gemäß § 137 Abs. 2
VwGO für den Senat bindend, da gegen sie insbesondere von der Beigelade-
nen - die allein noch die Anspruchsberechtigung der Klägerin bestreitet - keine
zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben werden. Die darauf auf-
bauende rechtliche Schlussfolgerung der Vorinstanz, die Klägerin sei für die
Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs hinsichtlich der Anteile aus
dem sog. Schweizer Aktienpaket aktivlegitimiert, ist revisionsgerichtlich nicht zu
beanstanden.
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(b) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, enteigneter Unternehmensträger im
Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG könne auch ein Unterneh-
mensträger sein, der im Zeitpunkt seiner Schädigung Vermögenswerte im Bei-
trittsgebiet und außerhalb dieses Gebietes besessen habe, von denen nur ers-
tere enteignet worden seien, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand ((aa)).
Eine Enteignung der im Beitrittsgebiet belegenen Vermögenswerte der L. AG
wird vom Verwaltungsgericht zu Recht bejaht ((bb)).
(aa) Das Tatbestandsmerkmal „enteigneten Unternehmensträgern“ im Sinne
des § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG erfüllt auch ein Rechtsträger (= na-
türliche oder juristische Person bzw. rechtsfähige Personenhandelsgesell-
schaft), der mit seinen im Beitrittsgebiet belegenen Vermögenswerten der Sa-
che nach lediglich teilenteignet wurde. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der Ent-
stehungsgeschichte der Bestimmung ((aaa)). Der Wortlaut der Rechtsnorm
steht dem nicht entgegen ((bbb)).
(aaa) Aus der Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG folgt,
dass der Gesetzgeber den von der Bestimmung verliehenen Anspruch insbe-
sondere ausländischen Gesellschaftern gewähren will, die an enteigneten Un-
ternehmensträgern beteiligt waren, die im Zeitpunkt ihrer Schädigung Vermö-
genswerte im Beitrittsgebiet und außerhalb dieses Bereiches besaßen, denen
aber nur ihre im Beitrittsgebiet belegenen Werte entzogen wurden.
§ 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG war in dem ursprünglichen Entwurf des DDR-
Entschädigungserfüllungsgesetzes nicht enthalten (Art. 4 des Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Entschädigungsgesetzes und an-
derer Vorschriften ,
BTDrucks 15/1180). Die Bestimmung geht zurück auf die Beschlussempfehlung
des Finanzausschusses des Bundestages (BTDrucks 15/1808). Der Finanz-
ausschuss ließ sich insoweit ersichtlich von den Erkenntnissen leiten, die er
aufgrund der Öffentlichen Anhörung zu dem Entwurf des Entschädigungs-
rechtsänderungsgesetzes gewonnen hatte. Im Rahmen der Anhörung wurde
von einem Sachverständigen die Ergänzung des Entwurfs des DDR-Entschädi-
gungserfüllungsgesetzes um eine Bestimmung angeregt, die dem § 1 Abs. 2
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Satz 2 DDR-EErfG entspricht. Der Sachverständige hatte - wie das Verwal-
tungsgericht zutreffend darlegt - die Frage der Entschädigung für freigestellte
ausländische Beteiligungen ausdrücklich mit Blick auf Beteiligungen an Unter-
nehmen wie AEG, Daimler-Benz und Siemens aufgeworfen (vgl. BT, 15. WP,
Finanzausschuss, Öffentliche Anhörung vom 8. Oktober 2003, Protokoll Nr. 33
S. 21). Diese Unternehmen zeichneten sich dadurch aus, dass ihr räumlicher
Tätigkeitsbereich nicht auf das Beitrittsgebiet beschränkt war, so dass ihre
Schädigung nur hinsichtlich eines Teils ihrer Vermögenswerte eintreten konnte.
(bbb) Diesem Ergebnis der historischen Auslegung steht der Wortlaut des § 1
Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG nicht entgegen. Es liegt innerhalb des möglichen
Wortsinns, dass mit den „enteigneten Unternehmensträgern“ ausschließlich der
Adressat der Schädigung angesprochen wird. Der Wortlaut gibt keine zwingen-
de Begrenzung dahin vor, dass mit den „enteigneten Unternehmensträgern“ auf
den Umfang der Schädigung verwiesen und vorausgesetzt wird, dass der be-
treffende Unternehmensträger in seiner Gesamtheit enteignet wurde.
(bb) Der Enteignungsbegriff des § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG greift
den vermögensrechtlichen Enteignungsbegriff auf. Das ist bereits dem Geset-
zeswortlaut mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen. Mit der Formulierung
„auf der genannten Grundlage enteigneten“ knüpft der Wortlaut des § 1 Abs. 2
Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG an die Wendung „Enteignungen auf besatzungs-
rechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage“ in § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-
EErfG an, die ihrerseits mit der Formulierung in § 1 Abs. 8 Buchst. a des Ge-
setzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG)
vom 9. Februar 2005 (BGBl I S. 205), zuletzt geändert durch Gesetz vom
1. Oktober 2013 (BGBl I S. 3719), identisch ist. Die Merkmale der Enteignung
im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG entsprechen mithin denen
des faktischen Enteignungsbegriffes des Vermögensrechts. Letzterer setzt kei-
ne bestimmte Form der Vermögensentziehung voraus. Auch auf deren Recht-
mäßigkeit kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, dass der frühere Eigen-
tümer durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig
aus seinem Eigentum verdrängt wurde und dass diese Verdrängung in der
Rechtswirklichkeit für den Eigentümer greifbar zum Ausdruck kam (stRspr; z.B.
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- 15 -
Urteil vom 28. November 2012 - BVerwG 8 C 20.11 - ZOV 2013, 34 Rn. 15
m.w.N.). Das Verwaltungsgericht wendet diesen rechtlichen Maßstab zwar nicht
ausdrücklich, aber der Sache nach an und erkennt auf der Grundlage seiner
tatsächlichen Feststellungen zu Recht dahin, dass die Vermögenswerte der
L. AG enteignet wurden.
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts
wurde das Vermögen der L. AG auf der Grundlage des Gesetzes zur Einzie-
hung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten des Ma-
gistrats von Groß-Berlin vom 8. Februar 1949 (VOBl Teil I Nr. 5 S. 34) in Ver-
bindung mit dem Durchführungsbeschluss des Magistrats von Groß-Berlin vom
gleichen Tag (VOBl Teil I Nr. 5 S. 33) eingezogen und in Volkseigentum über-
führt. Die Veröffentlichung der Einziehung erfolgte in der Bekanntmachung über
nach dem Enteignungsgesetz vom 8. Februar 1949 eingezogene Vermögens-
werte vom 11. Februar 1949 (Liste 1) des Magistrats von Groß-Berlin unter der
laufenden Nummer … mit dem Klammerzusatz „deutsche Anteile enteignet“ ...
Daraus ergibt sich, dass sich jedenfalls die deutschen Anteilseigner mit der Be-
kanntmachung der Liste 1 als vollständig und endgültig aus ihrem Eigentum
verdrängt betrachten mussten.
(c) Die Vermögenswerte der L. AG wurden auch auf besatzungshoheitlicher
Grundlage enteignet.
Dem Merkmal „besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage“
im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG, auf den § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2
DDR-EErfG mit der Formulierung „auf der genannten Grundlage“ Bezug nimmt,
liegt ebenfalls das Begriffsverständnis des Vermögensrechts zugrunde. Auch
das ergibt sich schon mit hinreichender Deutlichkeit aus der Übernahme der in
§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG verwandten Formulierung in § 1 Abs. 2 Satz 1
DDR-EErfG. Im Sinne des Vermögensrechts liegt eine besatzungsrechtliche
Enteignung vor, wenn die Enteignung auf Beschluss der sowjetischen Be-
satzungsmacht vorgenommen wurde. Unter Enteignungen auf besatzungsho-
heitlicher Grundlage sind solche Enteignungen zu verstehen, die zwar nicht auf
Beschluss der sowjetischen Besatzungsmacht vorgenommen wurden, aber auf
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- 16 -
deren Wünsche oder Anregungen zurückgehen oder sonst ihrem generellen
oder im Einzelfall geäußerten Willen entsprachen. Das folgt aus dem Zweck
des Restitutionsausschlusses in § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG, die frühere Be-
satzungsmacht Sowjetunion hinsichtlich der von ihr zu verantwortenden Enteig-
nungen von dem die Restitution begleitenden Unrechtsvorwurf freizustellen (vgl.
Urteil vom 30. Juni 1994 - BVerwG 7 C 58.93 - BVerwGE 96, 183 <185>
m.w.N.). Gemessen an diesem - von ihm der Sache nach zugrunde gelegten -
rechtlichen Maßstab, nimmt das Verwaltungsgericht zutreffend an, dass die
Enteignung der Vermögenswerte der L. AG auf besatzungshoheitlicher Grund-
lage erfolgte.
Das Bundesverwaltungsgericht hat für die vom Magistrat von Groß-Berlin nach
Maßgabe der Liste 1 zum Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der
Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949 vorgenommenen
Enteignungen den besatzungshoheitlichen Charakter bereits bejaht. Zur Be-
gründung hat es ausgeführt, derartige Enteignungen seien durch Akte der sow-
jetischen Besatzungsmacht gezielt ermöglicht worden und hätten maßgeblich
auf deren Entscheidung beruht. Denn die enteigneten Vermögenswerte seien
- wie auch im vorliegenden Fall - zuvor von der sowjetischen Besatzungsmacht
aufgrund des auch in Berlin gültigen Befehls Nr. 124 der Sowjetischen Militär-
Administration in Deutschland (SMAD) vom 30. Oktober 1945 betreffend die
„Auferlegung der Sequestration und Übernahme in zeitweilige Verwaltung eini-
ger Vermögenskategorien“ beschlagnahmt worden. An die damit von der sowje-
tischen Besatzungsmacht in ihrem Sektor geschaffene Sach- und Rechtslage
habe der Magistrat von Groß-Berlin angeknüpft, indem er beschlossen habe,
von den aus dem Sequester der Besatzungsmacht freigegebenen Betrieben
und Vermögen der „Kriegsverbrecher und Naziaktivisten“ die in der Liste 1 ge-
nannten Vermögenswerte zu enteignen (vgl. Nr. 1 des Beschlusses des Magist-
rats von Groß-Berlin vom 8. Februar 1949 zur Durchführung des Gesetzes vom
8. Februar 1949). Dementsprechend nehme das Gesetz vom 8. Februar 1949
ausdrücklich auf den Befehl Nr. 124 der SMAD Bezug. Mit diesem Gesetz seien
die Enteignungsaktionen gegen „Kriegsverbrecher und Naziaktivisten“, die in
den Ländern der sowjetischen Besatzungszone mit Billigung der Besatzungs-
macht bereits durchgeführt gewesen seien, im sowjetischen Sektor von Berlin
41
- 17 -
nachgeholt worden (vgl. Urteil vom 29. April 1994 - BVerwG 7 C 47.93 -
BVerwGE 96, 8 <15 f.>; s.a. Urteil vom 30. Juni 1994 a.a.O.). An dieser Recht-
sprechung hält der Senat fest.
(d) Das Verwaltungsgericht geht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Be-
teiligung der Rechtsvorgängerin der Klägerin an der L. AG (zunächst) freige-
stellt war.
Der Begriff der (zunächst) „freigestellten Beteiligung“ im Sinne des § 1 Abs. 2
Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG ist mit Rücksicht auf seine inhaltliche Verknüpfung
zum Begriff der Enteignung auszufüllen. Freistellung bedeutet, dass die Enteig-
nungswirkung der besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Grund-
lage bezüglich des von der Beteiligung vermittelten Eigentumsanteils an dem
enteigneten Unternehmensträger bzw. dessen Vermögenswerten jedenfalls in
wirtschaftlicher Hinsicht zurückgenommen wird (vgl. insoweit auch Urteil vom
10. August 2005 - BVerwG 8 C 18.04 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 32
Rn. 30 = ZOV 2005, 372). Wegen seiner systematischen Wechselbeziehung
zur Enteignung lässt sich die Freistellung - entgegen der Auffassung des Ver-
waltungsgerichts - nicht auf den Begriff verengen, der in der Verordnung des
Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. August 1956
bzw. der Verordnung des Magistrats von Groß-Berlin vom 15. Oktober 1956
verwandt wird. Es ist daher nicht erforderlich, dass Beteiligungen „auf Vorschlag
der Sequesterkommission durch Beschluss der ehemaligen Landesregierungen
freigestellt wurden“ (vgl. § 1 der Verordnung vom 23. August 1956) bzw. „in der
Bekanntmachung über weitere Einziehungen aufgrund des Gesetzes vom 8.
Februar 1949 (Liste 3) (VOBl I S. 425) freigestellt worden sind“ (vgl. § 1 der
Verordnung vom 15. Oktober 1956). Vielmehr ist der Begriff der Freistellung
ebenso wie derjenige der Enteignung vornehmlich im faktischen Sinn zu ver-
stehen. Die Freistellung setzt mithin keine bestimmte Form voraus. Auch auf
deren Rechtmäßigkeit kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, dass in der
Rechtswirklichkeit deutlich zum Ausdruck gekommen ist, dass der Anteilsinha-
ber durch die Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitli-
cher Grundlage zumindest wirtschaftlich betrachtet aus seiner Stellung nicht
vollständig und endgültig verdrängt werden sollte (vgl. Urteil vom 10. August
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2005 a.a.O.). In Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze ist dahin zu erken-
nen, dass sich die CICA mit der Bekanntmachung der Liste 1 zum Gesetz zur
Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom
8. Februar 1949 durch den Magistrat von Groß-Berlin vom 11. Februar 1949
zumindest wirtschaftlich betrachtet nicht als vollständig und endgültig aus ihrer
Stellung als Aktionärin verdrängt sehen musste. Das folgt im Umkehrschluss
aus dem Klammerzusatz „deutsche Anteile enteignet“.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts war zwar die L. AG in Liste 1
unter der laufenden Nummer … als einer der Betriebe bzw. (juristischen) Per-
sonen aufgeführt, deren Eigentum aufgrund von § 8 des Gesetzes vom
8. Februar 1949 zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher
und Naziaktivisten als Vermögen von solchen Personen entschädigungslos
eingezogen und in Volkseigentum überführt wird. Jedoch enthält die Veröffentli-
chung den Klammerzusatz „deutsche Anteile enteignet“. Nach dem Wortlaut
sollte also ersichtlich nur das Eigentum deutscher Rechtsträger enteignet wer-
den. Daraus ist in einem Umkehrschluss zu folgern, dass alles, was nicht im
Sinne des Klammerzusatzes deutscher Anteil an der L. AG war, von der Ent-
eignung(-swirkung) nicht erfasst werden sollte. Hierzu zählen die ausländischen
(natürlichen oder juristischen) Personen gehörende Beteiligung an der L. AG
und deren Vermögenswerte. Der Klammerzusatz ist als Antwort auf den wie-
derholt geäußerten Willen der sowjetischen Besatzungsmacht zu werten, den
Eigentumsstatus des bei Ende des Krieges vorhandenen ausländischen Ver-
mögens zu schützen (vgl. zum allgemeinen Schutzversprechen der sowjeti-
schen Besatzungsmacht z.B. Beschlüsse vom 24. Juni 2005 - BVerwG 7 B
6.05 - ZOV 2006, 277 und vom 23. März 2005 - BVerwG 8 B 3.05 - Buch-
holz 428 § 2 VermG Nr. 80 S. 97 f. m.w.N.).
(2) Das Verwaltungsgericht geht im Einklang mit Bundesrecht davon aus, dass
§ 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG auf die Rechtsfolge des § 1 Abs. 2
Satz 1 DDR-EErfG verweist. Demzufolge setzt der Anspruch nach § 1 Abs. 2
Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG entgegen der Ansicht des Beklagten und der Bei-
geladenen nicht voraus, dass ein verdichtetes Entschädigungsversprechen be-
stand und nicht erfüllt wurde. Das lässt sich aus dem Sinn und Zweck der Norm
44
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- 19 -
folgern ((a)). Der Gesetzeswortlaut lässt ein derartiges Normverständnis zu
((b)).
(a) Die aus den Gesetzesmaterialien ermittelte Zielsetzung des § 1 Abs. 2
Satz 2 DDR-EErfG spricht eindeutig für eine Rechtsfolgenverweisung.
Das DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz soll insbesondere die Lücke schlie-
ßen, die sich für Fallgestaltungen ergab, bei denen es für Enteignungen im Bei-
trittsgebiet nach den damaligen gesetzlichen Bestimmungen der Deutschen
Demokratischen Republik ein Entschädigungsversprechen gab, das zwar nor-
mativ oder in der Verwaltungspraxis verdichtet war, hingegen nicht erfüllt wur-
de. In diesen Fällen schied ein Anspruch nach dem Vermögensgesetz aus, weil
die Enteignungen nicht als „entschädigungslos“ i.S.v. § 1 Abs. 1 Buchst. 1a
VermG anzusehen waren (vgl. dazu Beschluss vom 19. März 2009 - BVerwG
5 B 106.08 - Buchholz 428.43 DDR-EErfG Nr. 2 Rn. 4 und 7 f.). Das DDR-
Entschädigungserfüllungsgesetz schließt diese Schutzlücke, indem es unter
bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf nachträgliche Erfüllung des
Entschädigungsanspruchs verleiht.
Hinsichtlich freigestellter inländischer Beteiligungen an - auch auf besatzungs-
rechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage - enteigneten Unterneh-
men(-strägern) ging der Gesetzgeber erkennbar davon aus, dass nach dem
Recht der Deutschen Demokratischen Republik grundsätzlich eine Entschädi-
gung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG vorgesehen war. Dafür ließ er
sich - wie den Gesetzgebungsmaterialien zweifelsfrei zu entnehmen ist (vgl.
BTDrucks 15/1180 S. 25 f. und BTDrucks 15/1808 S. 13) - von der Vorstellung
leiten, solche Beteiligungen unterfielen der Verordnung des Ministerrates der
Deutschen Demokratischen Republik über die Entschädigung ehemaliger Ge-
sellschafter für Beteiligungen an enteigneten Unternehmen und die Befriedi-
gung langfristiger Verbindlichkeiten aus der Zeit nach dem 8. Mai 1945 vom
23. August 1956 (GBl I S. 683). Deren § 1 ordnete an, dass für Beteiligungen,
die bis zum Übergang des Unternehmens in das Eigentum des Volkes bestan-
den haben, an die ehemaligen Gesellschafter des enteigneten Unternehmens
nach den Bestimmungen der Verordnung Entschädigungen zu leisten sind,
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- 20 -
wenn ihre Beteiligung auf Vorschlag der Sequesterkommission durch Beschluss
der ehemaligen Landesregierungen freigestellt wurden. Die auf der Verordnung
vom 23. August 1956 gründende Annahme des Gesetzgebers erstreckte sich
auf sämtliche inländische Beteiligungen ohne Rücksicht darauf, ob diese im
Gebiet der früheren Deutschen Demokratischen Republik oder im Ostteil von
Berlin angesiedelt waren.
Der ursprüngliche Entwurf des DDR-Entschädigungserfüllungsgesetzes enthielt
- wie aufgezeigt - keine dem § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG entsprechende Be-
stimmung. Sie wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in den Entwurf
eingefügt, weil der Gesetzgeber hinsichtlich der von der Regelung erfassten
freigestellten ausländischen Beteiligungen es als zumindest möglich ansah,
dass insoweit ein für einen Anspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG erfor-
derliches verdichtetes Entschädigungsversprechen nicht gegeben war. Wie der
Begründung zu § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG (BTDrucks 15/1808 S. 13) zu
entnehmen ist, hegte der Gesetzgeber Zweifel, ob insoweit auch mit Blick auf
die hier in Rede stehenden Beteiligungen auf die Verordnung des Ministerrates
der Deutschen Demokratischen Republik über die Entschädigung ehemaliger
Gesellschafter für Beteiligungen an enteigneten Unternehmen und die Befriedi-
gung langfristiger Verbindlichkeiten aus der Zeit nach dem 8. Mai 1945 vom
23. August 1956 (a.a.O.) abgestellt werden kann. Dagegen sprach aus Sicht
des Gesetzgebers, dass nach Nummer 3 Buchstabe c der Anweisung Num-
mer 38/56 des Ministeriums der Finanzen der Deutschen Demokratischen Re-
publik vom 14. November 1956 ein Entschädigungsverfahren für die freigestell-
ten ausländischen Beteiligungen nicht durchgeführt werden konnte. Mit Blick
darauf wird in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) festgestellt, dass eine ab-
schließende Behandlung dieser Beteiligungen stets einer späteren vertraglichen
Regelung vorbehalten worden sei, zu der es jedoch nicht gekommen sei. Damit
hat sich der Gesetzgeber der Sache nach die Zweifel zu eigen gemacht, die im
Rahmen der Öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zu dem Entwurf
des Entschädigungsrechtsänderungsgesetzes in Zusammenhang mit der Frage
geäußert wurden, ob auch hinsichtlich ausländischer Beteiligungen ein verdich-
tetes Entschädigungsversprechen vorlag (vgl. BT, 15. WP, Finanzausschuss,
Öffentliche Anhörung vom 8. Oktober 2003, Protokoll Nr. 33 S. 21 f.). Die sich
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- 21 -
aus der Anweisung Nummer 38/56 ergebenden Rechtsunsicherheiten sollten
durch § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG beseitigt werden. Den ausländischen Ge-
sellschaftern sollte für ihre freigestellten Beteiligungen in jedem Fall ein Ent-
schädigungsanspruch eingeräumt werden. § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG stellt
sicher, dass Inländer und Ausländer bei Enteignungen auf besatzungsrechtli-
cher oder besatzungshoheitlicher Grundlage nach dem DDR-Entschädigungs-
erfüllungsgesetz den gleichen Schutz genießen (vgl. BTDrucks 15/1808 a.a.O.).
Auch insoweit hat der Gesetzgeber nicht zwischen Beteiligungen unterschie-
den, die in der Deutschen Demokratischen Republik oder im Ostteil von Berlin
angesiedelt waren. Dem dargestellten Zweck des § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG
würde es zuwiderlaufen, wenn auch in seinem Anwendungsbereich zu prüfen
wäre, ob ein hinreichend konkretes Entschädigungsversprechen gegeben war.
Soweit dem die Beschlüsse des Senats vom 19. März 2009 (a.a.O.) und vom
13. Dezember 2010 (BVerwG 5 B 20.10 - ZOV 2011, 45) entgegenstehen, wird
daran nicht festgehalten. Dass durch § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-EErfG für auslän-
dische Gesellschafter möglicherweise erstmals ein Entschädigungsanspruch
begründet wird, hat der Gesetzgeber dabei in Kauf genommen.
(b) Das Auslegungsergebnis ist mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2
Halbs. 1 DDR-EErfG vereinbar. Der Formulierung „dies gilt auch“ kann nicht
ausschließlich oder zumindest hinreichend deutlich entnommen werden, dass
auf die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 DDR-
EErfG Bezug genommen wird. Sie ist auch für eine Auslegung dahin offen,
dass damit nur auf die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 Satz 1 DDR-EErfG („Dieses
Gesetz ist entsprechend … anzuwenden“) verwiesen wird.
(3) Das Verwaltungsgericht stellt zutreffend fest, dass sich die Beigeladene
nicht mit Erfolg darauf berufen kann, der Anspruch sei ausgeschlossen, weil die
Klägerin Zweitgeschädigte sei und die Rechtsnachfolger der jüdischen Erstge-
schädigten bereits eine Entschädigung nach dem Vermögensgesetz erhalten
hätten. Die Frage der Zweitschädigung ist für den geltend gemachten Anspruch
ohne Bedeutung. Es fehlt an dem erforderlichen normativen Anknüpfungspunkt,
dass eine Entschädigung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG nicht
auch dem Zweitgeschädigten zustehen kann.
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(4) Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass sich
der Anspruch in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 DDR-EErfG
gegen die Beigeladene als Nachfolgerin der Treuhandanstalt richtet.
Aus der Verweisung auf die Rechtsfolge des § 1 Abs. 2 Satz 1 DDR-EErfG
ergibt sich, dass der zur Leistung der Entschädigung nach § 1 Abs. 2 Satz 2
Halbs. 1 DDR-EErfG Verpflichtete in entsprechender Anwendung des § 1
Abs. 1 DDR-EErfG zu bestimmen ist. Nach dieser Vorschrift ist für die Bestim-
mung des Entschädigungsverpflichteten das Schicksal des enteigneten Vermö-
genswertes maßgeblich, von dem der Anspruch auf Erfüllung eines Entschädi-
gungsanspruchs abgeleitet wird. Ist der enteignete Vermögenswert aufgrund
der Bestimmung des Einigungsvertrages unmittelbar oder mittelbar einem Trä-
ger der öffentlichen Verwaltung übertragen worden, ist der betreffende Träger
der öffentlichen Verwaltung entschädigungspflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 DDR-
EErfG). Wurde der enteignete Vermögenswert vor dem 3. Oktober 1990 aus
Volkseigentum veräußert oder ist vor dem 3. Oktober 1990 für den enteigneten
Vermögenswert nachweislich eine Gegenleistung an den Staatshaushalt der
Deutschen Demokratischen Republik entrichtet worden, hat der Entschädi-
gungsfond die Entschädigung zu leisten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 DDR-EErfG). Im
Rahmen der entsprechenden Anwendung ist der enteignete Vermögenswert im
Sinne der Bezugsnorm der Vermögenswert, dessen Schädigung den Anspruch
nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG auslöst. Mithin ist abzustellen auf
den Unternehmensträger, dessen im Beitrittsgebiet belegene Vermögenswerte
ganz oder teilweise enteignet wurden. Gemessen daran ergibt sich, dass die
Beigeladene der Klägerin zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs ver-
pflichtet ist.
Aus den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Schicksal der
enteigneten Vermögenswerte der L. AG ist zu folgern, dass diese Werte der
Treuhandanstalt auf der Grundlage des Art. 25 des Einigungsvertrages i.V.m.
§ 1 Abs. 4 des Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseige-
nen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 1990 (GBl DDR I Nr. 33
S. 330), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Dezember 2007 (BGBl I
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S. 2840), zumindest mittelbar übertragen wurden. Denn sie waren in den Ge-
sellschaften enthalten, die 1990 durch Aufspaltung des VEB G. gebildet und
von der Treuhandanstalt übernommen wurden. In dem VEB G. war zuvor der
VEB S. aufgegangen, auf den die enteigneten Vermögenswerte der L. AG
übergegangen waren. Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Beige-
ladenen nicht daraus, dass die L. AG 1950/52 stillgelegt wurde. Aufgrund der
zeitlich vorangegangenen Zusammenlegung mit dem VEB S. waren die Vermö-
genswerte der L. AG zu diesem Zeitpunkt bereits auf diesen übergegangen.
(5) Die vom Verwaltungsgericht zugesprochene Höhe der Entschädigung hält
der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
Die Höhe einer - wie hier - in der früheren DDR nicht festgesetzten Entschädi-
gung bemisst sich gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 DDR-EErfG bei Gesellschaftsantei-
len nach dem 1,3fachen des im Hauptfeststellungszeitraumes vor der Schädi-
gung zuletzt festgestellten Einheitswertes, Ersatzeinheitswertes oder Reinver-
mögens im Sinne von § 4 EntschG. In Anwendung dieser Vorschrift hat das
Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen die
Entschädigung zutreffend auf 125 241,34 € festgesetzt (a). Das Vorbringen der
Klägerin betreffend die IGH AG rechtfertigt keine höhere als die bereits zuge-
sprochene Entschädigung (b).
a) Die Entschädigung ist unter Heranziehung des Einheitswertes zu bemessen.
Nach Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde für die im Beitrittsgebiet
belegenen Vermögenswerte der L. AG vor deren Enteignung zuletzt zum
1. Januar 1946 ein Einheitswert in Höhe von 2 848 000 RM festgestellt. Dass
dieser Einheitswert verwertbar ist, wird auch von der Klägerin nicht bestritten.
Sie ist lediglich der Auffassung, dass neben dem Einheitswert auch das Rein-
vermögen der IGH AG als weitere Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist,
weil der Einheitswert nicht den Wert der Beteiligung der L. AG an der IGH AG
abbilde. Letzteres widerspricht den tatrichterlichen Feststellungen des Verwal-
tungsgerichts. Dieses stellt fest, dass es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass
der Wert der Beteiligung der L. AG an der IGH AG nicht in dem Einheitswert
enthalten ist, und stützt sich insoweit auf die Feststellung, dass die Beteiligung
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- 24 -
der L. AG an der IGH AG im Zeitpunkt der Feststellung des Einheitswertes be-
reits seit vielen Jahren bestand. An diese Feststellungen ist der Senat - wie in
der mündlichen Verhandlung erörtert - gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.
Das 1,3fache des Einheitswertes beträgt 3 702 400 RM/DM. Von diesem Betrag
kann die Klägerin entsprechend dem Anteil ihrer Rechtsvorgängerin an der L.
AG in Höhe von 6,616 v.H. einen Betrag von 244 950,78 RM/DM bzw.
125 241,34 € als Entschädigung beanspruchen.
b) Ein Anspruch auf eine weitere an die Berücksichtigung des Reinvermögens
der IGH AG geknüpfte Entschädigung in Höhe von 34 912,27 € lässt sich auch
nicht - wie von der Klägerin in einem zweiten Begründungsstrang vertreten -
daraus herleiten, dass aufgrund der Beteiligung der L. AG an der IGH AG die
Enteignung der L. AG die Enteignung der IGH AG bewirkt habe, was einen ei-
genständigen Anspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DDR-EErfG begründe.
Es kann offenbleiben, ob die Berufung auf diesen Sachverhalt als Klageände-
rung zu werten ist und in welcher Instanz diese - bejahendenfalls - vorgenom-
men wurde. Sie kann in keinem Fall zur Erhöhung des Entschädigungsbetrages
führen.
Sollte von einer Klageänderung in der Revisionsinstanz auszugehen sein, wäre
sie gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig und der Sachvortrag der Klä-
gerin schon aus diesem Grund nicht zu berücksichtigen. Sollte der Sachvortrag
von der Klägerin im Wege der Klageänderung bereits in das erstinstanzliche
Verfahren einbezogen und vom Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft über-
gangen worden sein, würde die Feststellung einer etwaigen Verfahrensfehler-
haftigkeit des angefochtenen Urteils bereits daran scheitern, dass die Klägerin
einen solchen Mangel nicht in einer § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden
Weise gerügt hat. Sollte der Vortrag der Klägerin nicht als Klageänderung zu
werten, sondern allein als Rechtsausführung zu verstehen sein, hätte sich das
Verwaltungsgericht von seinem Standpunkt aus dazu nicht weiter verhalten
müssen. Denn nach seinen Feststellungen wurde der Wert der Beteiligung der
L. AG an der IGH AG im Einheitswert berücksichtigt und spiegelt sich demzu-
folge in der Höhe der zugesprochenen Entschädigung wider. Auf die zweite Be-
gründung, die auf dasselbe Ergebnis zielt, kommt es daher nicht an. Dies gilt
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auch für die vorliegende Entscheidung, da die Feststellung des Verwaltungsge-
richts - wie dargelegt - für den Senat bindend ist.
bb) Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass der zugesprochene Ent-
schädigungserfüllungsanspruch gemäß § 3 Satz 2 DDR-EErfG ab dem
17. Dezember 2003 mit 4 v.H. für das Jahr zu verzinsen ist, begegnet keinen
revisionsrechtlichen Bedenken.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 VwGO.
Vormeier
Prof. Dr. Kraft
Stengelhofen
Dr. Häußler
Dr. Fleuß
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