Urteil des BVerwG vom 03.02.2010

Grundstück, Belastung, Baurecht, Bebauungsplan

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 2.10
OVG 2 A 12.07
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. Februar 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsge-
richts Berlin-Brandenburg vom 29. September 2009 wird
zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte
Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Soweit die Beschwerde geltend macht, das Urteil des Oberverwaltungsge-
richts weiche von dem Beschluss des Bundesfassungsgerichts vom 19. De-
zember 2002 - 1 BvR 1402/01 - (BRS 65 Nr. 6 = 68 Nr. 1) ab, wird eine die Re-
vision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz nicht in der er-
forderlichen Weise dargelegt. Hierzu müsste die Beschwerde einen inhaltlich
bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz
benennen, mit dem das Oberverwaltungsgericht einem in dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts aufgestellten, ebensolchen die Entscheidung tra-
genden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen
hat (stRspr, vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW
1997, 3328).
In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ging es um einen Bebau-
ungsplan, der zwei Privatgrundstücke, die die Eigentümer bislang als Haus-
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grundstück und als parkartigen Garten nutzten, in großen Teilen als öffentlichen
Grüngürtel auswies, um ein ebenfalls geplantes Wohngebiet (1 025 Wohnein-
heiten) mit öffentlich zugänglichen Freiflächen zu versorgen. Das Bundesver-
fassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde der Eigentümer gegen das
ihren Normenkontrollantrag ablehnende Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
statt. Zur Begründung führte es u.a. aus, die Bestandsgarantie des Art. 14
Abs. 1 Satz 1 GG fordere, dass in erster Linie die Vorkehrungen getroffen wür-
den, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermieden
und die Privatnützigkeit des Eigentums soweit wie möglich erhielten. Der Ver-
waltungsgerichtshof habe daher prüfen müssen, ob der mit der Festsetzung
zulässigerweise verfolgte Zweck, das geplante Wohnviertel mit ausreichenden
öffentlich zugänglichen Freiflächen zu versorgen, nicht auch unter einer weiter-
gehenden Schonung des Grundbesitzes der Beschwerdeführer zu erreichen
gewesen wäre, insbesondere ob ein im Bereich der Grundstücke der Be-
schwerdeführer schmalerer Grünstreifen den Zweck nicht ebenso gut erfüllen
könnte. Die Beschwerde macht geltend, diese Prüfung hätten die Antragsgeg-
nerin und das Oberverwaltungsgericht ebenfalls nicht vorgenommen. Kleingar-
tenflächen hätten auch auf den rückwärtigen Grundstücksflächen der Grund-
stücke an der L…straße ausgewiesen werden können, ggf. auch nur auf den
rückwärtigen Flächen der Grundstücke der Antragsteller. Das Oberverwal-
tungsgericht habe lediglich die Festsetzungen des Bebauungsplans gerechtfer-
tigt, sich aber nicht - wie nach der Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts zwingend erforderlich - mit der Alternativlösung auseinandergesetzt.
Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist damit nicht in der
erforderlichen Weise aufgezeigt. Fraglich ist bereits, ob das Bundesverfas-
sungsgericht einen abstrakten Rechtssatz zur Prüfung von Festsetzungsalter-
nativen aufgestellt oder ob es nur für den damals zu entscheidenden Fall ver-
langt hat, zu prüfen, ob die Versorgung des geplanten Wohnviertels auch unter
weitergehender Schonung der Grundstücke der Beschwerdeführer zu erreichen
wäre. Jedenfalls benennt die Beschwerde keinen abstrakten Rechtssatz, mit
dem das Oberverwaltungsgericht dem Beschluss des Bundesverfassungsge-
richts widersprochen haben könnte. Ein solcher Rechtssatz ist auch nicht er-
sichtlich. Das Oberverwaltungsgericht ist unter Hinweis auf den Beschluss des
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Bundesverfassungsgerichts davon ausgegangen, dass eine unverhältnismäßige
Belastung des Eigentümers in erster Linie real vermieden werden muss (UA
S. 14). Es hat hier die Belastung der Antragsteller durch die Festsetzung priva-
ter Dauerkleingärten auf dem Grundstück L…straße 17 aber als verhältnismä-
ßig angesehen (UA S. 14 - 16). Das bloße Aufzeigen einer fehlerhaften oder
unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsge-
richt oder das Bundesverfassungsgericht in ihrer Rechtsprechung aufgestellt
haben, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz - noch
denen einer Grundsatzrüge (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.).
Unabhängig hiervon liegt eine Divergenz in der Sache nicht vor. Zwischen dem
vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen und dem vorliegenden Fall be-
stehen wesentliche Unterschiede. Die Festsetzung privater Dauerkleingärten
auf dem Grundstück L…straße 17 dient einem anderen Zweck als die damalige
Ausweisung des öffentlichen Grüngürtels. Nach den Feststellungen des Ober-
verwaltungsgerichts soll sie nicht nur einen allgemeinen Bedarf an Kleingarten-
flächen befriedigen, sondern die auf diesem Grundstück seit den 1960er Jahren
bestehende Kleingartenanlage planungsrechtlich absichern (UA S. 16). Dieses
Ziel ließe sich durch die Festsetzung privater Dauerkleingärten auf anderen
Grundstücken im Plangebiet von vornherein nicht erreichen. Außerdem hat das
Oberverwaltungsgericht - anders als der Verwaltungsgerichtshof im vom
Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall - nicht offen gelassen, ob die
betroffenen Grundstücke vor Inkrafttreten des Plans Bauland waren oder nicht.
Es ist davon ausgegangen, dass das Grundstück aufgrund seiner tatsächlichen
Nutzung ein Kleingartengebiet darstellt und damit kein Bauland ist (UA S. 12).
Schließlich schafft der Bebauungsplan Nr. 84 - anders als in dem vom
Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall - auch auf den umliegenden
Grundstücken nicht in erheblichem Umfang neues Baurecht; die Baulinien und
Baugrenzen orientieren sich ganz überwiegend an dem vorhandenen Baube-
stand (UA S. 18).
2. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die
Beschwerde beimisst. Die Beschwerde macht geltend, nach dem Bebauungs-
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plan stehe den Antragstellern ein „schlechteres Baurecht“ als den Nachbaran-
liegern zu. Das verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Ein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf ergibt sich aus diesem Vortrag nicht.
Es fehlt bereits die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch un-
geklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revi-
siblen Rechts (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.). Im Übrigen ist in
der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass der flexible Maßstab des planeri-
schen Abwägungsgebots es ermöglicht, die sich aus den konkreten Verhältnis-
sen ergebenden öffentlichen Interessen und die privaten Belange der betroffe-
nen Eigentümer in einen gerechten Ausgleich zu bringen; in der Berücksichti-
gung der konkreten Verhältnisse liegt keine sachwidrige Differenzierung; ein
Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG scheidet aus (Urteil
vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 16.07 - BVerwGE 133, 98 Rn. 26). Ob die
jeweiligen konkreten Verhältnisse im Rahmen der Abwägung Differenzierungen
zwischen den Grundstücken bei der Einräumung von Baurecht rechtfertigen,
hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist damit einer rechtsgrund-
sätzlichen Klärung nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Jannasch
Dr. Philipp
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