Urteil des BVerwG vom 13.07.2015

Verwaltungsakt, Verfahrensmangel, Obhut, Ersatzvornahme

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 8.15
OVG 7 A 10269/14
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Juli 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 2. Oktober 2014 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 466,18 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beteiligten streiten über die Heranziehung des Klägers zu den Kosten für
die Tötung eines Ponys.
Aufgrund einer Anzeige kontrollierte die Amtstierärztin des Beklagten die Hal-
tung eines Ponys, das zu diesem Zeitpunkt vom Kläger betreut wurde. Sie stell-
te fest, dass das rechte Vorderbein bis über das Karpalgelenk stark geschwol-
len war, am distalen Ende eine große, fliegenbefallene Wunde aufwies und der
Huf vollständig fehlte. Im Nachgang zu den mündlichen Anordnungen der Amts-
tierärztin verfügte der Beklagte mit Bescheid vom 18. August 2011 unter ande-
rem, dass im Falle einer infausten Prognose eines unverzüglich hinzuzuziehen-
den Tierarztes das Tier zu töten sei, um ihm weitere Schmerzen und Leiden zu
ersparen. Zugleich wurde die sofortige Vollziehung angeordnet und die Ersatz-
vornahme angedroht. Am 23. August 2011 teilte der Kläger der Amtstierärztin
telefonisch mit, der - von ihm nicht benannte - Besitzer des Ponys habe dieses
mit nach Luxemburg genommen. Am 8. September 2011 fand die Amtstierärztin
das Tier auf einer Weide oberhalb des Hauses des Klägers, wo es von einer
hinzugezogenen Tierärztin euthanasiert wurde.
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Mit Leistungsbescheid vom 2. November 2011 wurde der Kläger zu den Kosten
der Tötung des Ponys herangezogen. Seine hiergegen gerichtete Klage ist
ebenso wie seine Berufung erfolglos geblieben.
Die Beschwerde ist unzulässig. Der geltend gemachte Revisionsgrund eines
Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO), ist bereits nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (§ 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Soweit der Kläger geltend macht, der Beklagte und das Verwaltungsgericht hät-
ten es versäumt aufzuklären, in wessen Obhut sich das Pony am 8. September
2011 befunden habe, ist ein Verfahrensmangel nicht dargelegt. Gegenstand der
zugelassenen Revision wäre das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 132
Abs. 1 VwGO). Entsprechend setzt die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO voraus, dass diesem ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, auf dem
das Urteil beruhen kann. Ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens kann die
Zulassung der Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts nur er-
möglichen, soweit er in der Berufungsinstanz in einer Weise fortwirkt, die sich
zugleich als Mangel des Berufungsverfahrens darstellt (vgl. BVerwG, Beschluss
vom 30. Juli 1990 - 7 B 104.90 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 289). Das zeigt
der Kläger nicht auf.
Auch soweit er geltend macht, das Oberverwaltungsgericht selbst habe die
Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 86 Abs. 1
Satz 1 VwGO), ist ein Verfahrensmangel nicht hinreichend dargelegt.
Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht erfordert, sub-
stanziiert darzulegen, welche Tatsachen aus Sicht der Beschwerde aufklä-
rungsbedürftig geblieben sind, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen
Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Fest-
stellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese
unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachenge-
richts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten füh-
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ren können. Zudem muss dargelegt werden, dass sich dem Gericht die be-
zeichneten Ermittlungen hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Be-
schluss vom 15. Mai 2015 - 6 B 53.14 - juris Rn. 14 und Urteil vom 21. Juni
2006 - 6 C 19.06 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 25 m.w.N.).
Das Oberverwaltungsgericht hat seinem Urteil zugrunde gelegt, dass der Be-
scheid vom 18. August 2011 dem Kläger spätestens am 31. August 2011 wirk-
sam bekanntgegeben worden sei und sich nicht durch Zeitablauf erledigt habe.
Dagegen richtet sich die Beschwerde nicht. Weiter hat es festgestellt, dass der
Bescheid nicht nichtig und spätestens am 30. September 2011 bestandskräftig
geworden sei (UA S. 11 ff.). Rechtlicher Ausgangspunkt des Gerichts ist dabei,
dass der Nichtigkeitsgrund des § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nur im Falle der (objek-
tiven) Unmöglichkeit vorliege, also niemand den mit dem Verwaltungsakt beab-
sichtigten Erfolg herbeiführen könne. Betroffen sei allein die Frage, ob der
Pflichtige die von ihm verlangte Leistung unter keinen Umständen bewirken
könne. Ungeachtet des Wahrheitsgehalts der Behauptung, das Pony nicht mehr
in Betreuung gehabt zu haben, sei es möglich gewesen, das Pony töten zu las-
sen (UA S. 14 f.).
Damit setzt sich der Kläger nicht hinreichend auseinander. Indem er darauf ab-
stellt, es sei nicht nachvollziehbar, wie oder mit wessen Hilfe er die Anordnung
habe erfüllen können, nachdem sich das Pony nicht mehr in seiner Obhut be-
funden habe, unterscheidet er (subjektives) Unvermögen nicht ausreichend von
Unmöglichkeit und geht damit am rechtlichen Ausgangspunkt des Oberverwal-
tungsgerichts vorbei. Bereits die erfolgte Ersatzvornahme zeigt, dass ein von
niemandem ausführbarer und deshalb nichtiger Verwaltungsakt nicht vorliegt.
Entsprechend legt die Beschwerde auch nur dar, bei Durchführung der als ver-
säumt gerügten, allerdings nicht näher konkretisierten Aufklärungsmaßnahmen
wäre vermutlich festgestellt worden, dass ein Dritter als Halter des Ponys in
Betracht gekommen wäre. Darauf kommt es aus Sicht des Berufungsurteils
aber nicht an, da es zugrunde legt, dass der Bescheid vom 18. August 2011
spätestens am 30. September 2011 bestandskräftig geworden ist (vgl. UA S. 14
oben). Dementsprechend gelingt es dem Kläger auch nicht, schlüssig darzutun,
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weshalb sich dem Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauf-
fassung weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert für das
Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Kley
Dr. Kuhlmann
Rothfuß
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