Urteil des BVerwG vom 20.01.2014

Enteignung, Provinz, Übereinstimmung, Entzug

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 4.13
VG 1 A 210/11 HAL
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Januar 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle
vom 18. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger begehrt die Rückgängigmachung der Enteignung des Rittergutes P.
(ehemals Kreis W./Provinz Sachsen) im Wege der Rehabilitierung nach dem
Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG). Das Rittergut wur-
de dem Vater des Klägers im Zuge der so genannten Bodenreform auf der
Grundlage der gleichlautenden Verordnung für die Provinz Sachsen vom
3. September 1945 (abgedr. bei Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation 7,
Enteignung und Offene Vermögensfragen in der ehemaligen DDR, Bd. I,
2. Aufl. 1992 Nr. 2.9.1) entzogen.
Antrag, Widerspruch und Klage des Klägers auf Rehabilitierung mit dem Ziel
der Aufhebung der Enteignung blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat
zur Begründung ausgeführt, eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung komme
gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 8 Buchst. a des Vermö-
gensgesetzes (VermG) nicht in Betracht, weil die Enteignung auf besatzungs-
hoheitlicher Grundlage erfolgt sei und nach dem Willen des Gesetzgebers kei-
nesfalls rückgängig gemacht werden dürfe.
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Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt
ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die ihr vom Kläger beigelegte grund-
sätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Der Senat hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts in einer Vielzahl von Entscheidungen die Fragen geklärt, die vom
Kläger erneut als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet werden. Wie im
angefochtenen Urteil zutreffend herausgearbeitet, ist es gefestigte Rechtspre-
chung, dass jede verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ausgeschlossen ist,
wenn sie wegen eines Eingriffs in Vermögenswerte begehrt wird, der auf besat-
zungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage im Sinne des § 1
Abs. 8 Buchst. a VermG erfolgt ist. Das ist die eindeutige Aussage des § 1
Abs. 1 Satz 3 VwRehaG (vgl. nur Beschlüsse vom 22. April 2013 - BVerwG
3 PKH 14.12 - ZOV 2013, 75, vom 19. Dezember 2011 - BVerwG 3 B 58.11 -
ZOV 2012, 96 und vom 27. Juni 2006 - BVerwG 3 B 188.05 - juris Rn.12, je-
weils m.w.N.).
Das Beschwerdevorbringen gibt keine Veranlassung zu weitergehenden Klä-
rungen. Der Vortrag des Klägers, die Enteignung sei diskriminierend gewesen
und habe der politischen Verfolgung seines Vaters gedient, ist angesichts der
Zielrichtung von § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG und § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG
nicht entscheidungserheblich. Die Unterscheidung, ob der Zugriff auf einen
Vermögenswert vorrangig gegen das Vermögen des Geschädigten oder gegen
dessen Person gerichtet war, wie es auch das Verwaltungsgericht geprüft hat
(UA S. 5), ist für die Zuordnung einer Zugriffsmaßnahme nur dann von Bedeu-
tung, wenn die Vermögensentziehung auf anderer als besatzungshoheitlicher
Grundlage erfolgt ist. In diesen Fällen richtet sich die Rückgängigmachung nach
dem Vermögensgesetz, wenn die Maßnahme zielgerichtet den Entzug des zu-
rückverlangten Gegenstandes bezweckt hat, und sie unterfällt dem Verwal-
tungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (§ 1 Abs. 1 Satz 1), wenn sie primär
auf andere Zwecke zielte und durch grob rechtsstaatswidrige Eingriffe in die
Persönlichkeitssphäre des Geschädigten gekennzeichnet war (vgl. Urteil vom
28. Februar 2007 - BVerwG 3 C 18.06 - Buchholz 428.6 § 1 VwRehaG Nr. 9;
Beschlüsse vom 27. Juni 2013 - BVerwG 3 B 93.12 - ZOV 2013, 77 und vom
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1. September 2011 - BVerwG 3 B 33.11 - juris; weitere Einzelheiten bei Wysk,
in: FS Kloepfer, 2013, S. 889 <901 ff., 914 f.>). Diese Unterscheidung ist hier
von vornherein nicht entscheidungserheblich, weil die Enteignung besatzungs-
hoheitlich erfolgte.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133
Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Kley
Dr. Wysk
Dr. Kuhlmann
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