Urteil des BVerwG vom 13.10.2011

Rechtsschutz, Begründungspflicht, Pauschal, Entlastung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 38.11
VG 6 K 751/10
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Oktober 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karls-
ruhe vom 21. März 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 124,72 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Lastenausgleich. Er ist
neben seiner Schwester Erbe seiner Mutter, der 1975 und 1981 für einen
Wegnahmeschaden an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und an
Grundvermögen (zwei Wohngrundstücke) Lastenausgleich gewährt worden
war. Nachdem die Beklagte Kenntnis von der Rückübertragung der Vermö-
genswerte bzw. der Wiedererlangung der Verfügungsrechte über sie erhalten
und die Rückforderungsfrist mehrfach unterbrochen hatte, forderte sie vom Klä-
ger mit Bescheiden vom 3. August 2009 anteiligen Lastenausgleich zurück. Der
Beschwerdeausschuss wies die Beschwerde des Klägers hiergegen mit einge-
hender Begründung zurück. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen
und auf die Darlegungen im Beschwerdebescheid und in der Klageerwiderung
Bezug genommen. Ergänzend hat es ausgeführt, positive Kenntnis vom Scha-
densausgleich habe die Beklagte hinsichtlich der Wohngrundstücke erst am
11. Februar 2009, hinsichtlich des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens
durch ein Schreiben vom 14. Februar 2000 erlangt. Die Rückforderungsfrist von
vier Jahren sei auch insoweit wegen wirksamer Unterbrechungen bei Erlass
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des Rückforderungsbescheides noch nicht abgelaufen gewesen; auf die Zehn-
Jahres-Frist komme es nicht an.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung (1.), noch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem
die Entscheidung beruhen kann (2.).
1. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)
ist nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügen-
den Weise dargelegt. Die Darlegung setzt die Formulierung einer bestimmten,
jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren
noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwar-
ten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer
bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Beschluss
vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO n.F.
Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Die Beschwerde bezeichnet keine verallgemeine-
rungsfähige Rechtsfrage, sondern wendet sich nach Art einer Berufungsbe-
gründung gegen die Rechtsanwendung im angefochtenen Urteil, das sich mit
den im Beschwerdeverfahren erneuerten Einwänden des Klägers - insbesonde-
re zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Beklagten - eingehend auseinan-
dergesetzt hat. Eine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage wird daraus auch
sinngemäß nicht erkennbar. Soweit die Beschwerde Fragen der Verlängerbar-
keit der vierjährigen Rückforderungsfrist nach § 349 Abs. 5 LAG anspricht, sind
diese vom Senat bereits geklärt worden (vgl. Urteil vom 30. April 2008
- BVerwG 3 C 17.07 - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 15 = NVwZ-
RR 2008, 732 = ZOV 2008, 208 sowie bestätigend Urteile vom 28. September
2011 - BVerwG 3 C 38 und 39.10 -). Das Verwaltungsgericht ist hiervon ausge-
gangen, soweit es für seine Entscheidung darauf ankam. Damit scheidet auch
eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) aus, sollte der Kläger sie sinngemäß
geltend gemacht haben wollen.
2. Auch die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift nicht durch. Das
Verwaltungsgericht hat die - auf der Grundlage seiner Rechtsansicht zur Rück-
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forderungsfrist entscheidungserheblichen - Einwände des Klägers gegen die
Berechnung des Rückforderungsbetrages nicht verfahrensfehlerhaft über-
gangen. Es hat insofern vielmehr auf den Beschwerdebescheid und die Klage-
erwiderung Bezug genommen und sich dadurch die dortigen Erwägungen zu
eigen gemacht. Dies war ihm nach § 117 Abs. 5 VwGO und allgemeinen
Grundsätzen erlaubt. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist
von jeher anerkannt, dass Rechtsvorschriften, die einem Verwaltungsgericht
Bezugnahmen auf vorausgegangene Entscheidungen ermöglichen, mit höher-
rangigem Recht vereinbar sind (vgl. Beschlüsse vom 3. Dezember 2008
- BVerwG 4 BN 25.08 - BauR 2009, 609 und vom 20. Juli 1979 - BVerwG
7 CB 21.79 - NJW 1980, 953 <954> = Buchholz 451.22 AbfG Nr. 3). Diese
Möglichkeiten dienen der Entlastung der Verwaltungsgerichte von Formulie-
rungs- und Schreibarbeit bei der Begründung ihrer Entscheidungen in allen Fäl-
len, in denen dieser Zweck ohne Nachteile für den Rechtsschutz des Bürgers
erreicht werden kann (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Vierten Geset-
zes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, BTDrucks 11/7030, S. 30;
Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 117 Rn. 23).
Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass wegen der Bezugnahme der Rechts-
schutz des Klägers verkürzt oder die Begründungspflicht des Gerichts (§ 108
Abs. 1 Satz 2 VwGO) verletzt worden ist. Sie zieht schon nicht in Zweifel, dass
das Verwaltungsgericht die Bezugnahme für zweckmäßig halten durfte, weil die
Klage auf Gesichtspunkte gestützt worden sei, zu denen der Beschwerdebe-
scheid sich geäußert habe. Die Ausführungen des Klägers zur Höhe des Rück-
forderungsbetrages bleiben im Gegenteil auch in der Beschwerde so pauschal,
dass nicht einleuchtet, inwiefern das Verwaltungsgericht hierauf hätte weiter-
gehend als der Beschwerdebescheid eingehen können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Kley
Dr. Wysk
Dr. Kuhlmann
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