Urteil des BVerwG vom 28.04.2011

Zulage, Beförderung, Besoldung, Übertragung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 30.09
OVG 2 A 97/08
Verkündet
am 28. April 2011
Melzer
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2011
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen sowie
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski,
Dr. Hartung und Dr. Fleuß
für Recht erkannt:
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Zulage in
Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Grundgehalt
der Besoldungsgruppe A 14 und dem Grundgehalt der Be-
soldungsgruppe A 15 für den Zeitraum vom 22. Juli 2006
bis zum 31. März 2010 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszins aus dem jeweiligen
Differenzbetrag ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Das Urteil
des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. April
2009 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom
9. Mai 2006 sowie der Bescheid des Regionalschulamts
Dresden vom 8. September 2004 und dessen Wider-
spruchsbescheid vom 8. November 2004 werden aufgeho-
ben, soweit sie der Verpflichtung entgegenstehen.
Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Die Klägerin und der Beklagte tragen die Kosten des Ver-
fahrens jeweils zur Hälfte.
G r ü n d e :
I
Mit Beginn des Schuljahres 1993/1994 bestellte das Kultusministerium des Be-
klagten die Klägerin, die damals als angestellte Lehrerin beschäftigt war, end-
gültig zur stellvertretenden Leiterin des im Aufbau befindlichen Gymnasiums C.
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Der Beklagte ernannte die Klägerin im Januar 2001 unter Berufung in das
Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Studienrätin (Besoldungsgruppe A 13)
und beförderte sie am 22. Juli 2004 zur Oberstudienrätin (Besoldungsgruppe
A 14) sowie am 1. April 2010 zur Studiendirektorin (Besoldungsgruppe A 15).
Während der gesamten Zeit bis heute hat die Klägerin die Aufgaben der stän-
digen Vertreterin des Schulleiters des Gymnasiums C. wahrgenommen. Diese
Stelle ist der Besoldungsgruppe A 15 zugeordnet.
Die Klägerin will ab 1. Januar 2002 durch Gewährung einer Zulage funktionsge-
recht besoldet werden. Antrag, Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos
geblieben. In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht darauf ab-
gestellt, es fehle an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage für die Erhöhung
der Besoldung der Klägerin. § 46 Abs. 1 BBesG sehe die Gewährung einer Zu-
lage in den Fällen der dauerhaften Übertragung höherwertiger Aufgaben nicht
vor. Das Kultusministerium des Beklagten habe die Klägerin nicht vorüberge-
hend, sondern endgültig als stellvertretende Schulleiterin eingesetzt und ihr die
entsprechenden Befugnisse übertragen.
Dem tritt die Klägerin mit ihrer Revision entgegen. Nach ihrer Auffassung er-
fasst § 46 Abs. 1 BBesG alle Fallgestaltungen, in denen ein Beamter höherwer-
tige Aufgaben wahrnehme, wenn die dazugehörige Planstelle vakant sei.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom
20. April 2009 und des Verwaltungsgerichts Dresden vom
9. Mai 2006 sowie den Bescheid des Regionalschulamts
Dresden vom 8. September 2004 und dessen Wider-
spruchsbescheid vom 8. November 2004 aufzuheben und
den Beklagten zu verpflichten, ihr eine Zulage in Höhe des
Unterschiedsbetrags zwischen den Grundgehältern der Be-
soldungsgruppen A 13 und A 14 für den Zeitraum vom
1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2003, zwischen den
Grundgehältern der Besoldungsgruppen A 13 und A 15 für
den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 21. Juli 2004
und zwischen den Grundgehältern der Besoldungsgruppen
A 14 und A 15 für den Zeitraum vom 22. Juli 2004 bis zum
31. März 2010 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem
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Basiszinssatz aus dem jeweiligen Differenzbetrag ab
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Berufungsurteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich an dem Verfahren.
Er hält das
Berufungsurteil für richtig.
II
Die Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil beruht
auf der Verletzung des § 46 Abs. 1 des Bundesbesoldungsgesetzes i.d.F. vom
6. August 2002 - BBesG - (BGBl I S. 3022) und ist aufzuheben, soweit es einen
Anspruch der Klägerin auf Gewährung der Zulage für den Zeitraum vom 22. Juli
2006 bis zum 31. März 2010 zurückweist. Im Übrigen ist die Revision unbe-
gründet, da sich das Berufungsurteil insoweit aus anderen als den vom Ober-
verwaltungsgericht herangezogenen Gründen als im Ergebnis richtig erweist
(§ 144 Abs. 4 VwGO).
Gemäß § 46 Abs. 1 BBesG ist einem Beamten, dem die Aufgaben eines hö-
herwertigen Amtes vorübergehend vertretungsweise übertragen werden, nach
18 Monaten der ununterbrochenen Wahrnehmung dieser Aufgaben eine Zula-
ge zu zahlen, wenn in diesem Zeitpunkt die haushaltsrechtlichen und laufbahn-
rechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung dieses Amtes vorliegen. Die-
se durch Art. 3 Nr. 15 des Reformgesetzes vom 24. Februar 1997 (BGBl I
S. 322) in das Bundesbesoldungsgesetz eingefügte Vorschrift hat nach dem
Übergang der Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung der Landes- und
Kommunalbeamten auf die Länder am 1. September 2006 zunächst nach
Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG im Bereich des Beklagten als Bundesrecht fortge-
golten. Seit dem 1. November 2007 gilt sie aufgrund der Verweisung in § 17
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Abs. 1 Satz 1 des Sächsischen Besoldungsgesetzes i.d.F. vom 17. Januar
2008 - SächsBesG - (SächsGVBl S. 3) als Landesrecht fort (vgl. BVerfG, Urteil
vom 9. Juni 2004 - 1 BvR 636/02 - BVerfGE 111, 10 <30>; BVerwG, Urteil vom
29. Oktober 2009 - BVerwG 2 C 82.08 - Buchholz 240 § 6 BBesG Nr. 27 Rn. 7).
Die Klägerin hat die der Besoldungsgruppe A 15 zugeordneten Aufgaben der
ständigen Vertreterin des Leiters des Gymnasiums Coswig vorübergehend ver-
tretungsweise i.S.d. § 46 Abs. 1 BBesG wahrgenommen. Dieses Funktionsamt
(Dienstposten) war trotz vorhandener Planstelle bis zum 31. März 2010 vakant,
da es nicht mit einem Beamten besetzt war, der das seiner Wertigkeit entspre-
chende Statusamt der Besoldungsgruppe A 15 innehatte.
Das Tatbestandsmerkmal „vorübergehend vertretungsweise“ stellt einen ein-
heitlichen Rechtsbegriff dar. Der Beamte soll die ihm übertragenen, einem hö-
heren Statusamt zugeordneten Aufgaben erfüllen, bis sie einem Beamten mit
funktionsgerechtem höheren Statusamt übertragen werden (Beschluss vom
21. August 2003 - BVerwG 2 C 48.02 - Buchholz 240 § 46 BBesG Nr. 1 S. 1 f.).
Das Merkmal steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem weiteren gesetz-
lichen Merkmal der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen. Dieses ist eingefügt
worden, um zu vermeiden, dass durch die Gewährung der Zulage Mehrkosten
entstehen. Die Zulage soll aus bereitstehenden Haushaltsmitteln bestritten
werden (vgl. BTDrucks 13/3994 S. 72; ferner Urteil vom 28. April 2005
- BVerwG 2 C 29.04 - Buchholz 240 § 46 BBesG Nr. 3 S. 11 und Beschluss
vom 23. Juni 2005 - BVerwG 2 B 106.04 - Buchholz 240 § 46 BBesG Nr. 4).
Daraus folgt, dass das Merkmal „vorübergehend vertretungsweise“ nur die Fälle
der Vakanzvertretung erfasst, in denen es an einem Stelleninhaber mit funkti-
onsgerechtem Statusamt fehlt. Dagegen wird in den Fällen der Verhinderungs-
vertretung eine Zulage nicht gewährt, weil die Haushaltsmittel bereits für die
Besoldung des an der Dienstausübung gehinderten Stelleninhabers benötigt
werden (vgl. Urteil vom 28. April 2005 a.a.O. S. 11 f.).
Die Aufgaben eines höherwertigen Amtes werden in den Fällen einer Vakanz-
vertretung auch dann vorübergehend vertretungsweise wahrgenommen, wenn
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sie dem Beamten für einen Zeitraum übertragen wurden, dessen Ende weder
feststeht noch absehbar ist. Die Vakanzvertretung endet, mag sie auch als zeit-
lich unbeschränkt oder sogar ausdrücklich als „dauerhaft“ oder „endgültig“ be-
zeichnet worden sein, erst mit der funktionsgerechten Besetzung der Stelle.
Dies ist der Fall, wenn ein Beamter mit dem entsprechenden Statusamt in die
freie Planstelle eingewiesen und ihm die Stelle, d.h. das Amt im konkret-
funktionellen Sinne (Dienstposten) übertragen wird (vgl. Urteile vom 23. Sep-
tember 2004 - BVerwG 2 C 27.03 - BVerwGE 122, 53 <55 f.> = Buchholz 239.1
§ 36 BeamtVG Nr. 2 S. 3 und vom 25. November 2004 - BVerwG 2 C 17.03 -
BVerwGE 122, 237 <240> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 31 S. 23).
Dieser Bedeutungsgehalt des Begriffs „vorübergehend vertretungsweise“ folgt
aus dem systematischen Zusammenhang mit dem in § 18 BBesG statuierten
Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung. Nach Satz 1 dieser Vorschrift
sind die Funktionen der Beamten nach den mit ihnen verbundenen Anforde-
rungen sachgerecht zu bewerten und Ämtern zuzuordnen. Nach Satz 2 sind die
Ämter nach ihrer Wertigkeit unter Berücksichtigung der gemeinsamen Belange
aller Dienstherren den Besoldungsgruppen zuzuordnen.
Der gesetzliche Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung fordert die amts-
angemessene Beschäftigung der Beamten. Ihnen sollen Funktionsämter, d.h.
Aufgabenbereiche, übertragen werden, deren Wertigkeit ihrem Statusamt ent-
spricht (vgl. Urteile vom 22. Juni 2006 - BVerwG 2 C 26.05 - BVerwGE 126,
182 = Buchholz 11 Art. 143b GG Nr. 3, jeweils Rn. 10 ff. und vom 18. Septem-
ber 2008 - BVerwG 2 C 8.07 - BVerwGE 132, 31 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5
GG Nr. 98, jeweils Rn. 15 m.w.N.). Die Verknüpfung von Status und Funktion
gehört zu dem geschützten Kernbestand von Strukturprinzipien i.S.d. Art. 33
Abs. 5 GG (Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 2 C 10.06 - BVerwGE 128, 231
= Buchholz 237.7 § 25a NWLBG Nr. 1, jeweils Rn. 18). Sie korreliert mit dem
Prinzip der Übertragung aller einer Laufbahn zugeordneten Ämter auf Lebens-
zeit, dem Leistungsprinzip und dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimen-
tation (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 1985 - 2 BvL 16/82 - BVerfGE 70,
251 <267 f.>).
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Der Normzweck des § 46 Abs. 1 BBesG bestätigt die Anknüpfung an den
Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung: Die Notwendigkeit, in den Fällen
der Vakanzvertretung eine Zulage zu gewähren, d.h. die durch Ausweisung der
Planstelle bereitgestellten Mittel auszugeben, soll den Dienstherrn anhalten,
Stellen im Einklang mit der Ämterordnung des Besoldungsgesetzes zu beset-
zen (Urteil vom 28. April 2005 a.a.O. S. 11 und Beschluss vom 23. Juni 2005
a.a.O. S. 14 f.).
Dieses Verständnis des Begriffs „vorübergehend vertretungsweise“ wird auch
durch die Entstehungsgeschichte des § 46 Abs. 1 BBesG gestützt. Die Vor-
schrift geht auf Art. 3 Nr. 15 des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienst-
rechts (Reformgesetz) vom 24. Februar 1997 (BGBl I S. 322) zurück. Dem sei-
nerzeitigen Gesetzentwurf der Bundesregierung zufolge sollte der Anwen-
dungsbereich der zuvor nur auf bestimmte landesrechtliche Regelungen ausge-
richteten Zulagennorm ausdrücklich auf Fälle der längerfristigen Wahrnehmung
von Aufgaben eines höherwertigen Amtes ausgedehnt werden. Beamten sollte
unter der Voraussetzung der Verfügbarkeit einer Planstelle und der Erfüllung
sämtlicher laufbahnrechtlicher Voraussetzungen bereits „nach sechs Monaten
der unmittelbaren Wahrnehmung der Aufgaben eines höherwertigen Amtes“ ein
Anspruch auf Zahlung der Zulage zustehen (BTDrucks 13/3994 S. 43). Die Ge-
setzesfassung gründet auf einem Vorschlag des Vermittlungsausschusses, der
damit „erhebliche“ - nicht nur - „verfassungsrechtliche Bedenken“ des Bundes-
rates aufgriff (BTDrucks 13/3994 S. 72 und 13/6825 S. 5; vgl. zum Ganzen
auch Urteil vom 28. April 2005 a.a.O. S. 10 f.). Mit dem Begriff „vorübergehend
vertretungsweise“ sollte unter anderem sichergestellt werden, dass § 46 Abs. 1
BBesG nur im Falle der Vakanzvertretung, nicht hingegen auch im Falle der
Verhinderungsvertretung Anwendung findet (BTDrucks 13/3994 S. 72; vgl.
auch BRDrucks 499/1/96 S. 2 und BRDrucks 885/5/95).
Dass der Begriff „vorübergehend vertretungsweise“ selbst langjährige Vakanz-
vertretungen erfasst, wird auch aus dem Umstand deutlich, dass der Gesetz-
geber bei der Einfügung des Merkmals „vorübergehend vertretungsweise“ die
Regelung des § 46 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 1 BBesG i.d.F. vom 23. Mai 1975 bei-
behalten hat. Danach war die Zulage ruhegehaltfähig, wenn sie ununterbrochen
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mehr als zehn Jahre gezahlt wurde. Das Nebeneinander beider Normen bis zur
Aufhebung von § 46 Abs. 3 BBesG i.d.F. vom 23. Mai 1975 durch Artikel 5
Nr. 10 des Versorgungsreformgesetzes 1998 (BGBl I S. 1666 <1669>) indiziert,
dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Zulagenregelung auch auf
langjährige Vakanzvertretungen erstreckt wissen wollte.
Nach alledem steht auch die endgültige Bestellung der Klägerin zur ständigen
Vertreterin des Schulleiters nach § 41 Abs. 1 des Sächsischen Schulgesetzes
im Jahr 1993 der Annahme nicht entgegen, sie habe das Funktionsamt des
stellvertretenden Schulleiters des Gymnasiums C. seitdem vorübergehend ver-
tretungsweise wahrgenommen. Die Bestellung war schulrechtlich geboten, um
die Klägerin mit den Befugnissen auszustatten, die für die Ausübung des Funk-
tionsamts unerlässlich waren. Da sich die Bestellung auf dieses Amt bezieht,
hängt ihre Rechtswirksamkeit davon ab, dass der bestellte Beamte die damit
verbundenen Aufgaben ausübt. Besoldungsrechtlich ist die Bestellung ohne
Bedeutung.
Die Klägerin hat die der Besoldungsgruppe A 15 zugeordneten Aufgaben der
ständigen Vertreterin des Leiters eines Gymnasiums mit mehr als 360 Schülern
erheblich länger als 18 Monate ununterbrochen wahrgenommen. Das für die
Gewährung der Zulage weiter erforderliche Merkmal der laufbahnrechtlichen
Voraussetzungen i.S.d. § 46 Abs. 1 BBesG war aber nur für den Zeitraum vom
22. Juli 2006 bis zum 31. März 2010, nicht hingegen auch für den Zeitraum
vom 1. Januar 2002 bis zum 21. Juli 2006 erfüllt. Für diesen früheren Zeitraum
hat das Oberverwaltungsgericht den Anspruch auf Gewährung der Zulage im
Ergebnis zu Recht verneint.
Die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen müssen nicht bei Ablauf der Warte-
frist von 18 Monaten vorliegen. Treten sie danach ein, ist die Zulage zu gewäh-
ren, falls auch die übrigen Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 BBesG zu dem
späteren Zeitpunkt weiterhin erfüllt sind. Dies folgt aus dem Normzweck und
dem systematischen Zusammenhang mit § 18 BBesG. Der Wortlaut trifft hierzu
keine eindeutige Aussage.
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§ 46 Abs. 1 BBesG sieht eine Zahlung nur vor, wenn die laufbahnrechtlichen
Voraussetzungen für die Übertragung desjenigen höherwertigen Statusamts
vorliegen, dem die übertragenen Aufgaben zugeordnet sind. Solange eine Be-
förderung des Vakanzvertreters in das funktionsgerechte Statusamt nicht mög-
lich ist, darf eine Zulage nach § 46 Abs. 1 BBesG nicht gewährt werden. Sie
kommt erst in Betracht, wenn einer Beförderung des Beamten in das höherwer-
tige Amt keine laufbahnrechtlichen Hindernisse mehr entgegenstehen (sog.
„Beförderungsreife“, Urteil vom 7. April 2005 - BVerwG 2 C 8.04 - Buchholz 240
§ 46 BBesG Nr. 2 S. 7; vgl. bereits BTDrucks 13/3994 S. 43). Maßgeblich sind
insoweit allein die Bestimmungen des Laufbahnrechts. Damit nicht in Einklang
stehende Verwaltungsübungen und Verwaltungsvorschriften bleiben außer Be-
tracht.
Einem Verständnis der Norm, das ihren Anwendungsbereich auf Beamte er-
streckt, die die Beförderungsreife im vorstehenden Sinne (noch) nicht besitzen,
steht bereits der Wortlaut der Vorschrift entgegen. Das Merkmal der laufbahn-
rechtlichen Voraussetzungen bezieht sich nach dem Gesetzeswortlaut auf das
höherwertige Statusamt. Daher erhält derjenige Beamte keine Zulage, der die
laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für ein Statusamt erfüllt, das höher als
das innegehabte, aber niedriger als das Statusamt ist, dem die Aufgaben zu-
geordnet sind (in diesem Sinne auch OVG Berlin, Urteil vom 18. März 2011
- OVG 4 B 12.10 - juris Rn. 21-25; a.A. OVG Magdeburg, Beschluss vom
29. Januar 2008 - 1 L 232/07 - DVBl 2008, 469 = juris Rn. 7).
Nichts anderes folgt aus Sinn und Zweck der Norm. § 46 Abs. 1 BBesG liegt
die Vorstellung zugrunde, dass ein Dienstherr nur einem Beamten die Wahr-
nehmung der Aufgaben eines höherwertigen Amtes überträgt, dem das ent-
sprechende Statusamt im Wege der Beförderung verliehen werden kann (vgl.
BTDrucks 13/3994 S. 43; ferner Urteile vom 27. September 1968 - BVerwG 6 C
14.66 - Buchholz 232 § 109 BBG Nr. 17 S. 46 und vom 19. Januar 1989
- BVerwG 2 C 42.86 - BVerwGE 81, 175 <184> = Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG
Nr. 5 S. 9). Nur für einen solchen Beamten soll ein Anreiz geboten werden, die
Aufgaben gerade dieses höherwertigen Amtes zu übernehmen. Die Vakanzver-
tretung durch diese Beamten steht der statusgerechten Besetzung am nächs-
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ten. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen Beamte bereits in einem Aus-
wahlverfahren nach Art. 33 Abs. 2 GG für die Beförderung und die Übertragung
der dann gleichwertigen Aufgaben ausgewählt worden sind, sie sich aber zuvor
auf dem höherwertigen Dienstposten praktisch bewähren müssen (Urteile vom
16. August 2001 - BVerwG 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <59 f.> = Buchholz
232 § 8 BBG Nr. 54 S. 2 f. und vom 22. März 2007 - BVerwG 2 C 10.06 -
BVerwGE 128, 231 = Buchholz 237.7 § 25a NWLBG Nr. 1 jeweils Rn. 18-20).
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese von Wortlaut sowie dem Norm-
zweck getragene Auslegung bestehen nicht.
Weder der Leistungsgrundsatz i.S.d. Art. 33 Abs. 2 GG noch das Alimentati-
onsprinzip i.S.d. Art. 33 Abs. 5 GG fordern nach dem Inhalt, den sie in der tradi-
tionsbildenden Zeit erfahren haben, die Gewährung einer Zulage für die Wahr-
nehmung der Aufgaben eines höherwertigen Amtes ohne entsprechende lauf-
bahnrechtliche Voraussetzungen (vgl. Urteil vom 28. April 2005 a.a.O. S. 12).
Auch verstößt es nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG),
dass Beamten trotz ununterbrochener Wahrnehmung der Aufgaben eines hö-
herwertigen Amtes für einen Zeitraum von mehr als 18 Monaten die Zulage
versagt wird, weil sie die erforderliche Beförderungsreife nicht besitzen. Der
Gleichheitsgrundsatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich, wesentlich Unglei-
ches ungleich zu behandeln. Es bleibt dem Normgeber überlassen, aufgrund
autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er
eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Die Gleichbehandlung von
Sachverhalten ist erst dann geboten, wenn eine am Gerechtigkeitsgedanken
orientierte Betrachtungsweise ergibt, dass zwischen ihnen keine Unterschiede
bestehen, die nach Art und Gewicht eine Ungleichbehandlung rechtfertigen
können. Dies setzt voraus, dass sich im Hinblick auf die Eigenart des in Rede
stehenden Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Un-
gleichbehandlung nicht finden lässt. Im Bereich des Besoldungsrechts hat der
Gesetzgeber bei der Gewichtung der Differenzierungsmerkmale für eine
Gleich- oder Ungleichbehandlung einen verhältnismäßig weiten Gestaltungs-
spielraum, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Not-
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wendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen darf. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass Regelungen des Besoldungsrechts zwangsläufig genera-
lisieren und typisieren müssen. Die sich daraus ergebenden Unebenheiten und
Härten müssen hingenommen werden, sofern sich für die Gesamtregelung ein
vernünftiger Grund anführen lässt (stRspr; vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom
4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <320> und vom 6. Mai 2004
- 2 BvL 16/02 - BVerfGE 110, 353 <364 f.>; BVerwG, Urteil vom 1. September
2005 - BVerwG 2 C 24.04 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 33 Rn. 22 m.w.N.).
Demzufolge verstoßen Unterschiede bei der Gewährung von Funktionszulagen
nur dann gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn sich die Auswahl der Differenzie-
rungsmerkmale oder deren Gewichtung als erkennbar sachwidrig erweist
(BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 BvR 380/08 - NVwZ
2009, 447 <448> m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben überschreitet der Gesetzgeber die Grenzen seines
Gestaltungsspielraums nicht, wenn er die Gewährung der Zulage davon ab-
hängig macht, ob der Beamte bereits die erforderliche Beförderungsreife be-
sitzt. Das vom Gesetzgeber gewählte Differenzierungsmerkmal „Erfüllung der
laufbahnrechtlichen Voraussetzungen“ entspricht Sinn und Zweck des § 46
Abs. 1 BBesG. Wie dargelegt geht der Gesetzgeber davon aus, dass nur sol-
che Beamte mit Vakanzvertretungen betraut werden, denen die Aufgaben nach
einer Beförderung übertragen werden können. Dies liegt für die Fälle der Va-
kanzvertretung zu Erprobungszwecken auf der Hand.
Ob die vorstehenden Grundsätze auch für den Fall gelten, dass Dienstherren
systematisch Beamte ohne die erforderliche Beförderungsreife mit Vakanzver-
tretungen beauftragen, um bereitgestellte Haushaltsmittel einzusparen, kann im
vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Hier kann jedenfalls nicht ausgeschlos-
sen werden, dass der Beklagte die langjährige Vakanzvertretung beibehalten
hat, um es der Klägerin zu ermöglichen, auf dem Dienstposten der stellvertre-
tenden Schulleiterin des Gymnasiums C. die Beförderungsreife für das funkti-
onsgerechte Amt der Studiendirektorin (Besoldungsgruppe A 15) zu erlangen.
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Die Klägerin hatte die Beförderungsreife - für das hier maßgebende Statusamt
der Studiendirektorin - erst am 22. Juli 2006 erreicht. Dies folgt aus § 33 Abs. 2
Nr. 3 und Abs. 4 des Sächsischen Beamtengesetzes vom 14. Juni 1999
- SächsBG - (SächsGVBl S. 370) und § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
der Sächsischen Laufbahnverordnung vom 15. August 2000 - SächsLVO -
(SächsGVBl S. 398).
Gemäß § 33 Abs. 4 SächsBG i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 SächsLVO dürfen
Ämter einer Laufbahn, die in den Besoldungsordnungen A aufgeführt sind,
nicht übersprungen werden. Da die Klägerin am 22. Juli 2004 zur Oberstudien-
rätin (A 14) befördert wurde, kam eine Sprungbeförderung in das Amt einer
Studiendirektorin (A 15) nicht in Betracht.
Gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 3 SächsBG, § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SächsLVO ist eine
Beförderung regelmäßig vor Ablauf von zwei Jahren nach der letzten Beförde-
rung nicht zulässig. Daher wäre eine weitere Beförderung in das funktionsge-
rechte Statusamt frühestens am 22. Juli 2006 möglich gewesen. Erst ab die-
sem Zeitpunkt waren die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen i.S.d. § 46
Abs. 1 BBesG gegeben.
Die Höhe der Zulage der Klägerin für den Zeitraum vom 22. Juli 2006 bis zum
31. März 2010 bemisst sich gemäß § 46 Abs. 2 BBesG nach dem Unter-
schiedsbetrag zwischen den Grundgehältern der Besoldungsgruppen A 14 und
A 15.
Der Zinsanspruch folgt aus § 291 Satz 1, § 288 Abs. 1 Satz 2, § 247 BGB, die
im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden sind, soweit das einschlägige
Fachgesetz - wie hier - keine gegenteilige Regelung enthält. Der Ausschluss
von Verzugszinsen in § 3 Abs. 6 BBesG umfasst als spezialgesetzlich abwei-
chende Regelung nicht zugleich den Anspruch auf Prozesszinsen (Urteil vom
30. Oktober 2002 - BVerwG 2 C 24.01 - Buchholz 240 § 58a BBesG Nr. 1 S. 5
m.w.N.).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Dr. Heitz Thomsen Dr. Maidowski
Dr. Hartung Dr. Fleuß
B e s c h l u s s
vom 26. Mai 2011
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisions-
verfahren auf 11 736,96 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 i.V.m.
§ 52 Abs. 1 GKG).
Dr. Heitz Thomsen Dr. Fleuß
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Sachgebiet:
BVerwGE: ja
Besoldungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2 und 5
BBesG
§ 46 Abs. 1 und 2, § 18
SächsBesG
§ 17 Abs. 1 Satz 1
SächsBG
§ 33 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4
SächsLVO
§ 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
SächsSchulG § 41 Abs. 1
Stichworte:
Verwendungszulage; Zulage; vorübergehend vertretungsweise; Vakanzvertre-
tung; Verhinderungsvertretung; Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung;
freie Planstelle; Amt im statusrechtlichen Sinne; Amt im abstrakt-funktionellen
Sinne; Amt im konkret-funktionellen Sinne; höherwertiges Amt; unterwertige
Besetzung; Trennung von Amt und Funktion; laufbahnrechtliche Voraussetzun-
gen; haushaltsrechtliche Voraussetzungen; Beurteilungszeitpunkt; Beförde-
rungsreife; Gleichheitsgrundsatz.
Leitsatz:
§ 46 Abs. 1 BBesG sieht die Zahlung einer Zulage in den Fällen nur der sog.
Vakanzvertretung, nicht auch der sog. Verhinderungsvertretung vor (vgl. Urteil
vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 29.04 - Buchholz 240 § 46 BBesG Nr. 3 S. 11
f.).
Die Aufgaben eines höherwertigen Amtes werden auch dann vorübergehend
vertretungsweise im Sinne von § 46 Abs. 1 BBesG wahrgenommen, wenn sie
dem Beamten für einen Zeitraum übertragen werden, dessen Ende weder fest-
steht noch absehbar ist.
Werden die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen im Sinne des § 46 Abs. 1
BBesG erst nach Ablauf der Wartefrist von 18 Monaten erfüllt, ist die Zulage ab
diesem Zeitpunkt zu gewähren.
Es verstößt grundsätzlich nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1
GG), dass Beamten trotz ununterbrochener Wahrnehmung der Aufgaben eines
höherwertigen Amtes für einen Zeitraum von mehr als 18 Monaten die Zulage
versagt wird, weil sie die erforderliche Beförderungsreife nicht besitzen.
Urteil des 2. Senats vom 28. April 2011 - BVerwG 2 C 30.09
I. VG Dresden vom 09.05.2006 - Az.: VG 11 K 2968/04 -
II. OVG Bautzen vom 20.04.2009 - Az.: OVG 2 A 97/08 -