Urteil des BVerwG vom 23.04.2015

Zusicherung, Kontrolle, Ernennung, Übereinstimmung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 63.14
OVG 2 A 115.11
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. April 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Kenntner
beschlossen:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Han-
sestadt Bremen vom 30. April 2014 wird aufgehoben, so-
weit es den hilfsweise geltend gemachten Anspruch des
Klägers auf Schadensersatz betrifft.
Insoweit wird der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhand-
lung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zu-
rückverwiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Klägers gegen die
Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberver-
waltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom
30. April 2014 zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens in
Bezug auf das Ernennungsbegehren; hinsichtlich der Ent-
scheidung über den Anspruch auf Schadensersatz bleibt
die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung in der
Hauptsache vorbehalten.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf
42 194,58 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Der Kläger beruft sich auf eine Zusage des Senators für Kultur der Beklagten
aus dem Jahr 2005 und begehrt die Ernennung zum Senatsrat der Besol-
dungsgruppe B 3 LBesO, hilfsweise die Gewährung von Schadensersatz. An-
trag und Klage sind erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Oberverwal-
tungsgericht ausgeführt, die Zusicherung sei unwirksam, weil sie nicht von der
zuständigen Behörde abgegeben worden sei. Auch ein Schadensersatzan-
spruch bestehe nicht. Zwar habe der damalige Senator rechtswidrig und schuld-
haft seine Fürsorgepflicht verletzt, indem er beim Kläger den Eindruck erweckt
habe, die von ihm ausgesprochene Zusicherung sei mit dieser Formulierung
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vom zuständigen Senat beschlossen worden. Diese Fürsorgepflichtverletzung
sei aber nicht kausal für den geltend gemachten Schaden. Angesichts der vor-
liegenden Einzelfallumstände habe der Kläger nicht auf den Wortlaut des
Schreibens vertrauen dürfen, ohne sich zu vergewissern, dass dieser vollstän-
dig mit dem Senatsbeschluss übereinstimmt.
2. Die unbeschränkt gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil
eingelegte Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
a) Soweit das Oberverwaltungsgericht die Anträge des Klägers auf Ernennung
zum Senatsrat (Besoldungsgruppe B 3 LBesO) zurückgewiesen hat (Anträge
zu 1 und 2 im Berufungsverfahren), kann die Beschwerde schon deshalb kei-
nen Erfolg haben, weil sie hinsichtlich dieses Teils der streitgegenständlichen
Ansprüche keine Revisionszulassungsgründe geltend macht (§ 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO); die Beschwerdebegründung befasst sich ausschließlich mit dem
hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzbegehren des Klägers.
b) Hinsichtlich des Schadensersatzbegehrens (Anträge zu 3, 4 und 5 im Beru-
fungsverfahren) kann die Revision nicht wegen der vom Kläger geltend ge-
machten Abweichung zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Au-
gust 2005 - 2 C 37.04 - (BVerwGE 124, 99 <108>) zugelassen werden (§ 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Beide Entscheidungen beruhen auf dem Rechtsgrundsatz,
dass der Schadensersatzanspruch nur besteht, wenn die Pflichtverletzung adä-
quat kausal für die Nichtbeförderung war. Die weiteren Ausführungen des
Oberverwaltungsgerichts, welcher haftungsrechtliche Zusammenhang hierzu
erforderlich ist, konkretisieren diese Vorgabe für bestimmte Fallgruppen. Sie
gehen daher von den auch vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen
Maßstäben aus und beinhalten keine grundsätzlichen Auffassungsunterschiede
hierzu.
Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe die vom Bundesverwaltungsge-
richt in der benannten Entscheidung vorgegebenen Beweiserleichterungen
"nicht berücksichtigt", beinhaltet nur den Vorwurf unzutreffender Rechtsanwen-
dung und ist daher nicht geeignet, die Revisionszulassung wegen Divergenz zu
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begründen (BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - NVwZ 2014,
1174). Entsprechendes gilt für den mit der Nichtzulassungsbeschwerde in Be-
zug genommenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Septem-
ber 2007 - 2 C 21.06 u.a. - (BVerwGE 129, 272); auch insoweit ist ein grund-
sätzlicher Auffassungsunterschied zur angegriffenen Entscheidung des Ober-
verwaltungsgerichts bereits nicht aufgezeigt.
c) Die Beschwerde des Klägers hat aber mit der Maßgabe Erfolg, dass der
Rechtsstreit hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzbegehrens
gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Die Voraussetzungen
des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen vor, weil das Berufungsurteil auf dem vom
Kläger geltend gemachten Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO beruhen
kann. Die Überzeugungsbildung des Oberverwaltungsgerichts ist in sich wider-
sprüchlich.
Die Beweis- und Sachverhaltswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurtei-
lung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler
im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Er-
gebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg
dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Ur-
teil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa
entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen
Tatsachengrundlage basiert. Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung
selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik
(Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Wider-
sprüche enthält (stRspr, vgl. zuletzt etwa BVerwG, Beschluss vom 10. April
2014 - 2 B 36.13 - NVwZ 2014, 1325 Rn. 13 m.w.N.). Eine derartige Wider-
sprüchlichkeit der entscheidungstragenden Argumentation hat die Beschwerde
hier aufgezeigt.
Das Oberverwaltungsgericht ist unter Bezugnahme auf Entscheidungen des
Bundesgerichtshofes davon ausgegangen, dass ein haftungsbegründender
adäquater Zurechnungszusammenhang fehlen kann, wenn der Geschädigte
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selbst in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadens-
trächtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den
Schaden erst endgültig herbeiführt. Diese Voraussetzungen hat das Oberver-
waltungsgericht bejaht, weil der Kläger angesichts der vorliegenden Einzelfall-
umstände auf die Zusicherung des Senators nicht habe vertrauen dürfen, ohne
sich zu vergewissern, dass der Wortlaut vollständig mit dem Schreiben des Se-
nats übereinstimmt.
Diese Begründung vermag die Annahme eines Wegfalls der haftungsbegrün-
denden Kausalität nicht zu tragen. Unabhängig davon, ob der Kläger angesichts
der besonderen Einzelfallumstände hier Anlass hatte, die in der Zusicherung
des Senators abgegebene Erklärung auf Übereinstimmung mit dem Senatsbe-
schluss zu überprüfen, und dem Inhalt des Schreibens daher nicht vertrauen
durfte, kann hieraus auch bejahendenfalls nicht der Schluss gezogen werden,
der Kläger habe selbst in den Geschehensablauf eingegriffen und die maßgeb-
liche Schadensursache geschaffen. Das angenommene Versäumnis des Klä-
gers begründet keine eigenständige Kausalkette und überholt damit auch nicht
den durch die Pflichtwidrigkeit des Senators begründeten Wirkungszusammen-
hang. Die Gleichstellung des Unterlassens einer den Schaden möglicherweise
verhindernden Kontrolle mit einer eigenständigen Ursachenbegründung ist nach
den vom Oberverwaltungsgericht selbst für richtig befundenen Maßstäben un-
schlüssig und damit auch verfahrensfehlerhaft (BVerwG, Urteil vom 21. De-
zember 2011 - 6 C 18.10 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 138
Rn. 18).
Zwar hätte eine Kontrolle der Übereinstimmung von Senatsbeschluss und For-
mulierung des Zusicherungsschreibens möglicherweise dazu führen können,
dass dem Kläger die insoweit bestehenden Unterschiede offenbar geworden
wären. Die Überprüfung wäre daher auch geeignet gewesen, die durch das
Schreiben des Senators in Gang gesetzte Kausalkette zu unterbrechen. Bei
Annahme einer entsprechenden Verpflichtung könnten damit Anhaltspunkte für
die Annahme eines Mitverschuldens gegeben sein. Das Unterlassen begründet
aber keine eigenständige Handlungskette, die bei wertender Betrachtung als
adäquat kausale Verursachung des Schadens betrachtet werden könnte. Der
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Kläger hat weder dergestalt in den Geschehensablauf eingegriffen, dass sich
die Schadensverwirklichung gesteigert hätte noch hierfür eine eigenständige
Ursache gesetzt. Für die Überzeugungsbildung des Oberverwaltungsgerichts
fehlt es damit an einer tragfähigen Tatsachengrundlage (BVerwG, Beschluss
vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - NVwZ-RR 2014, 314 Rn. 19).
Auf diesem Mangel kann die angegriffene Entscheidung auch beruhen, sodass
der Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an das Oberverwaltungsgericht
zurückzuverweisen ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des erfolglos gebliebenen Ernen-
nungsanspruchs aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Kostenentscheidung über das
Schadensersatzbegehren bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten (vgl.
Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO Großkommentar, 4. Aufl. 2014, § 154
Rn. 49).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52
Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG. Der hilfsweise geltend gemachte Scha-
densersatzanspruch wirkt gemäß § 52 Abs. 7 GKG nicht streitwerterhöhend.
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