Urteil des BVerwG vom 06.07.2012

Holocaust, Aufschiebende Wirkung, Leiter, Verlängerung der Frist

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WDS-VR 5.12
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstleutnant …,
…,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte …,
… -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz als Vorsitzende,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
am 6. Juli 2012 beschlossen:
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Antrags auf
gerichtliche Entscheidung vom 26. Juni 2012 gegen die
fernschriftliche Versetzungsverfügung des Personalamts
der Bundeswehr vom 18. April 2012 (in der Fassung der
Versetzungsverfügung des Personalamts der Bundeswehr
vom 26. April 2012) sowie gegen den Beschwerdebe-
scheid des Bundesministers der Verteidigung vom 30. Mai
2012 anzuordnen, wird abgelehnt.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen
seine vorzeitige Wegversetzung von dem Dienstposten des Leiters …/USA zum
… in K. zum 1. Juni 2012 mit Dienstantritt am 9. Juli 2012.
Der 1964 geborene Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Oberst-
leutnants; seine Dienstzeit wird nach Mitteilung des Bundesministers der Ver-
teidigung mit Ablauf des 31. März 2025 enden.
Seit dem 1. Juli 2010 wird er auf dem Dienstposten des Leiters …/USA ver-
wendet. Nach Mitteilung des Bundesministers der Verteidigung war als voraus-
sichtliche Verwendungsdauer auf diesem Dienstposten die Zeit bis zum 30. Juni
2014 vorgesehen.
Mit Schreiben vom 5. März 2012 schlug der Kommandeur des Bundeswehr-
kommandos USA und Kanada (BwKdo USA/CA) als nächster Disziplinarvorge-
setzter des Antragstellers dem Personalamt der Bundeswehr vor, den Antrag-
steller zum nächstmöglichen Zeitpunkt von dem Dienstposten des Leiters …
abzulösen und ihn zu einer inländischen Dienststelle zu versetzen. Er erklärte,
es bestünden seinerseits massive Vertrauensverluste im Verhältnis zum An-
tragsteller, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasteten und nur durch eine
Versetzung des Antragstellers behoben werden könnten. Des Weiteren seien
gravierende Störungen und Spannungen in der Außenwahrnehmung des An-
tragstellers als Leiter … entstanden, die geeignet seien, das Ansehen der Bun-
deswehr in den USA nachhaltig zu gefährden. Die Gründe für die Vertrauens-
verluste lägen einerseits in einem Führungsverhalten des Antragstellers, bei
dem dieser seine persönlichen Befindlichkeiten über den reibungslosen Ablauf
des Dienstbetriebes und das Ansehen der Bundeswehr im Ausland zu stellen
scheine. Zum anderen lasse der Antragsteller in einer mittlerweile diplomatische
Kreise ziehenden Weise die von ihm eingeforderte Sensibilität im repräsentati-
ven Verhalten gegenüber den Angehörigen einer örtlichen Gruppe von Holo-
caust-Überlebenden vermissen. Am 1. September 2010 habe er, der Komman-
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deur, gegen den Antragsteller wegen seines Führungsverhaltens gegenüber
Stabsfeldwebel R., dem einzigen dem Antragsteller … unterstellten Soldaten,
disziplinare Ermittlungen aufgenommen. In seinen Vernehmungen habe der
Antragsteller u.a. eingeräumt, dass er am 25. oder 26. August 2010 den franzö-
sischen Verbindungsoffizier aufgefordert habe, ein nach Auffassung des An-
tragstellers gegen deutsches Recht verstoßendes Verhalten des Stabsfeldwe-
bel R. zu bestätigen. Es sei evident, dass der Antragsteller zu Stabsfeldwebel
R. ein gestörtes Zusammenarbeitsverhältnis habe und bereit gewesen sei, die-
sen Zustand durch Kontaktaufnahme mit dem französischen Verbindungsoffi-
zier nach außen zu tragen. Dem Antragsteller sei die Bestätigung von außen
wichtiger gewesen als die Behebung des Problems. Dadurch sei ihm, dem
Kommandeur, bewusst geworden, dass er sich auf eine vorbehaltlose und von
persönlichen Befindlichkeiten freie Führung … durch den Antragsteller nach in-
nen und außen nicht verlassen könne. Zwar habe er im November 2010 die
disziplinaren Ermittlungen gegen den Antragsteller eingestellt, diesen aber da-
rauf hingewiesen, dass zwischen ihm und Stabsfeldwebel R. ein gestörtes Zu-
sammenarbeitsverhältnis bestehe, das sowohl auf sein als auch auf das Verhal-
ten des Stabsfeldwebels R. zurückzuführen sei. Er habe dem Antragsteller er-
läutert, dass dieser nicht hinreichend bemüht gewesen sei, durch eigenes Ver-
halten dazu beizutragen, dass das innere Gefüge … unbelastet bleibe, um da-
mit die Voraussetzungen für die erfolgreiche Erfüllung des ihm übertragenen
Auftrages auch im Hinblick auf die entsprechende Außenwirkung im internatio-
nalen Bereich zu schaffen. Seine damals bestehende Hoffnung auf eine Ver-
besserung der Situation habe sich in der Folgezeit nicht bestätigt. Der Antrag-
steller habe ihm in zwei Meldungen vom April 2011 Situationen geschildert, aus
denen sich ein Bild ergeben habe, das zwischen ihm und Stabsfeldwebel R.
von tief ins Persönliche gehender beiderseitiger Antipathie gekennzeichnet sei.
Diese Meldungen hätten sich aus seiner, des Kommandeurs Sicht, als Ergebnis
einer weit überzogenen Selbsteinschätzung der Eheleute … und missverständ-
licher Anweisungen bzw. nachhaltig inkonsequenten Vorgehens des Antragstel-
lers dargestellt. Deshalb habe er zur besseren Einschätzung der Lage vor Ort
dem Leiter des … USA, Oberst i.G. B., der als fachlicher Vorgesetzter der
Dienststelle anzusehen sei, den Auftrag erteilt, sich während einer Dienstreise
vom 26. bis 28. April 2011 ein umfassendes Bild über die Auftragserfüllung und
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insbesondere die innere Lage … zu machen. Nach Rückkehr habe ihm
Oberst i.G. B. über die äußerst angespannte Situation …, die auch der Gastge-
bernation in F. nicht verborgen geblieben sei, berichtet. Insbesondere hätten
der stellvertretende zivile Leiter … (USAICoE), Herr P., und der Chef des Sta-
bes USAICoE, Colonel S., im Gespräch mit Oberst i.G. B. festgestellt, dass ih-
nen die Spannungen zwischen dem Antragsteller und Stabsfeldwebel R. be-
kannt seien. Herr P. und Colonel S. hätten sich angeboten, auf Antrag in enger
Abstimmung mit der Führung des Bundeswehrkommandos USA und Kanada
zur Beilegung dieser Spannungen beizutragen. Sein eigenes Vertrauen in den
Antragsteller, sich bei ihm auf eine reibungslose Führung … nach innen und
außen verlassen zu können, sei hierdurch ein weiteres Mal empfindlich gestört
worden.
Nach einem Schriftwechsel mit dem Antragsteller habe er sich im Juni 2011
entschieden, sowohl bei dem Antragsteller als auch bei Stabsfeldwebel R. noch
einmal von einer Spannungsversetzung abzusehen. Anschließend habe es
Vermittlungsgespräche des Sozialberaters und des S 1-Stabsoffiziers BwKdo
USA/CA mit den Eheleuten … und R. gegeben. Die sich teilweise schwierig
gestaltenden Gespräche seien vom Sozialberater und dem S 1-Stabsoffizier
BwKdo USA/CA dahin zusammengefasst worden, dass zwischen den Beteilig-
ten viele Missverständnisse ausgeräumt worden seien und zukünftig ein ge-
meinsamer Umgang miteinander im Einvernehmen aller Beteiligten festgelegt
worden sei. Der S 1-Stabsoffizier habe den Beteiligten ausdrücklich mitgeteilt,
dass dies aus Sicht des Kommandeurs BwKdo USA/CA die letzte Chance sei.
Oberst i.G. B. habe ihm, dem Kommandeur, Anfang Oktober 2011 von einer
weiteren Dienstreise … berichtet, auf der er von Colonel S. angesprochen wor-
den sei. Colonel S. habe erneut mit dem Antragsteller ein Kritikgespräch ge-
führt, um dem Antragsteller zu verdeutlichen, dass er weiterhin an seinem Ver-
halten zu arbeiten habe, um das von Colonel S. als negativ wahrgenommene
Arbeitsverhältnis zwischen dem Antragsteller und Stabsfeldwebel R. und damit
letztendlich auch die Zusammenarbeit zwischen … und der US-Dienststelle vor
Ort zu verbessern. Weiter habe Colonel S. Oberst i.G. B. die Feststellung von
US-Seite mitgeteilt, dass der Antragsteller nicht das gleiche hervorragende An-
sehen wie sein Vorgänger Oberstleutnant a.D. S. habe. Deshalb habe Colonel
S. den Antragsteller darauf hingewiesen, dass dieser seinen Vorgänger nicht
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zur eigenen Profilierung in Gesprächen mit anderen herabstufen solle. Durch
diesen Bericht habe sich sein, des Kommandeurs, Vertrauensverhältnis zum
Antragsteller weiter verschlechtert.
Er selbst habe auf einer Dienstreise vom 13. bis 14. Oktober 2011 … vom An-
tragsteller und von Stabsfeldwebel R. erfahren, dass sich die dienstliche Zu-
sammenarbeit langsam, aber positiv entwickle. Im persönlichen Gespräch habe
ihm aber Colonel S. mitgeteilt, dass sich an der differenzierten Wahrnehmung
der Person des Antragstellers auf amerikanischer Seite nichts geändert habe
und dieser nach wie vor nicht das Bild des Leiters eines konfliktfreien deutschen
Verbindungselements verkörpern könne. Colonel S. habe ergänzt, dass dies
sicherlich nicht auf Stabsfeldwebel R. zurückzuführen sei, der aus seiner Sicht
kontinuierlich hervorragende Arbeit leiste. Hieraus habe sich für ihn, den Kom-
mandeur, ein Gesamtbild dargestellt, wonach er sich nicht auf die Führung …
durch den Antragsteller verlassen könne. Einerseits kaschiere der Antragsteller
durch positive Berichte von Einzelvorhaben die wirkliche Situation, während
andererseits Angehörige der Streitkräfte der Gastgebernation und anderer ver-
bündeter Streitkräfte das volle Ausmaß der internen Zerwürfnisse erführen. Der
Umstand, dass Angehörige der Gastgebernation schon ihre Hilfe beim Abbau
der Spannungen anbieten, sei für die Bundeswehr im Ausland hochgradig an-
sehensschädigend und aus seiner Sicht inakzeptabel.
Die Holocaust-Überlebende W. habe sich im Übrigen mit Schreiben vom
30. Dezember 2011 an den Deutschen Botschafter in Washington D.C. ge-
wandt und beklagt, dass der Antragsteller die seit neun Jahren gewachsenen
und intensiv gewordenen, sehr positiven Beziehungen … zur Holocaust Survi-
vor’s Group … mit seinem Dienstantritt beendet und mehrfach Einladungen der
Gruppe nicht angenommen habe. Ferner habe er Stabsfeldwebel R. an der
Teilnahme an Treffen mit der Gruppe gehindert. Die Gruppe fühle sich durch
das Verhalten des Antragstellers tief verletzt und an die Zeit des antisemiti-
schen Deutschlands der 1930er Jahre erinnert. Er, der Kommandeur, habe an-
schließend ein ausführliches Gespräch mit dem Botschafter geführt und den
Antragsteller als Soldaten sowie Stabsfeldwebel R. als Zeugen vernommen. In
seiner Vernehmung am 9. Januar 2012 habe der Antragsteller eingeräumt, dass
ihm seine dienstliche Verpflichtung zur Repräsentation als Leiter … durchaus
bewusst gewesen sei, er allerdings dieser Verpflichtung im Zusammenhang mit
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der Holocaust Survivor’s Group … nicht erfolgreich nachgekommen sei; mehr-
fache Einladungen an ihn hätten nicht zu einem Treffen geführt. Im Rahmen der
Übergabe von seinem Vorgänger sei ihm dessen Verbindung zu Dr. W. als Bin-
deglied zur Holocaust Survivor’s Group … vorgestellt worden; er habe auch ihre
Visitenkarte erhalten. Er, der Antragsteller, habe aber das Ansinnen seines
Vorgängers, ihm Frau Dr. W. im Juni 2010 vorzustellen, abgelehnt, weil sein
Vorgänger und Stabsfeldwebel R. ihre Ehefrauen zu dem Treffen hätten mit-
nehmen können, ihm aber nachdrücklich durch seinen Vorgänger nahegelegt
worden sei, seine Ehefrau anfangs noch nicht zu einem Treffen mit Vertretern
der Gruppe mitzunehmen. Der Antragsteller habe keine Beziehungen zu der
Organisation anfangen wollen, solange er dadurch in Abhängigkeit von seinem
Vorgänger geraten könne. In seiner Vernehmung habe der Antragsteller einge-
räumt, dass es aus heutiger Sicht sein Fehler gewesen sei, keinen neuen Zu-
gang zur Holocaust Survivor’s Group … zu schaffen. Das habe ihm, dem Kom-
mandeur, gezeigt, dass der Antragsteller selbst im Wissen um eine mögliche
Schädigung des dienstlichen Ansehens nicht bereit und willens gewesen sei,
seine persönlichen Empfindlichkeiten gegenüber seinem Vorgänger zu über-
winden.
In der Vernehmung habe der Antragsteller außerdem mitgeteilt, dass Stabs-
feldwebel R. im Anschluss an einen im Mai 2011 von Frau W. gehaltenen Vor-
trag ihn Frau W. habe vorstellen wollen. Das habe er, der Antragsteller, jedoch
abgelehnt, weil er Frau W. nur im privaten Rahmen habe treffen wollen. Für ihn,
den Kommandeur, zeige sich daraus, dass dem Antragsteller jegliches Einfüh-
lungsvermögen im Umgang mit der Gruppe fehle. Es müsse von einem Leiter
… als Selbstverständlichkeit erwartet werden, dass er nach einem Vortrag über
den Holocaust als einziger am Vortrag teilnehmender und Deutschland reprä-
sentierender deutscher Verbindungsoffizier die vortragende Holocaust-
Überlebende persönlich begrüße und ihr seine Betroffenheit versichere, unab-
hängig davon, ob noch andere Zuhörer des Vortrags sie ebenfalls begrüßen
wollten. Der Antragsteller habe mit diesem Verhalten massiv sein Vertrauen
enttäuscht und erneut gezeigt, dass er sich nicht über die Bedeutung im Klaren
sei, als Leiter … in der amerikanischen Öffentlichkeit aufzutreten. Dieser Be-
deutung werde der Antragsteller keinesfalls gerecht. Seiner in der Vernehmung
eingeräumten Einsicht, dass es keine gute Idee gewesen sei, nicht auch Frau
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W. begrüßt zu haben, habe er keine Taten folgen lassen. Weder habe der An-
tragsteller diesen von ihm festgestellten Fehler sofort korrigiert noch habe er
sich danach um ein privates Treffen mit Frau W. bemüht. Er, der Kommandeur,
habe in einem Gespräch am 26. Januar 2012 von Colonel S. erfahren, dass
dieser aus mehreren Gesprächen mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinde die
Erkenntnis gewonnen habe, dass sich das Verhältnis zwischen dem Antragstel-
ler und der Holocaust-Überlebenden W. sowie zu Frau Dr. W. weiter massiv
verschlechtert habe; nach seiner Auffassung sei die Beziehung zu den Holo-
caust-Überlebenden selbst bei positivstem Willen des Antragstellers irreparabel.
Diesen Eindruck habe er, der Kommandeur, auch in einem persönlichen Ge-
spräch mit Frau W. und Frau Dr. W. am 2. Februar 2012 bestätigt gesehen.
Trotz der mehrfachen ausdrücklichen Hinweise, bei Nichtänderung seines Ver-
haltens die vorzeitige Versetzung beantragen zu müssen, habe der Antragstel-
ler sich in seinem Verhalten weiter von persönlichen Befindlichkeiten leiten las-
sen und sei nicht für die mehrfach eingeforderte vertrauensvolle und gemein-
same Gestaltung des inneren Gefüges innerhalb … und für die Erfüllung seiner
dienstlichen und außenwirksamen Pflichten eingetreten. Er, der Kommandeur,
habe das Vertrauen in den Antragsteller im Hinblick auf eine beanstandungs-
freie Vertretung … nach innen und außen verloren. Er könne sich auf den An-
tragsteller als Dienststellenleiter nicht mehr verlassen. Er müsse auch zukünfti-
ge Schädigungen des Ansehens der Bundeswehr sowohl gegenüber verbünde-
ten Streitkräften als auch gegenüber der amerikanischen Öffentlichkeit durch
den Antragsteller befürchten.
Der Kommandeur BwKdo USA/CA führte am Ende seines Antrags aus, dass
der Entwurf seines Ablösungsantrages dem Antragsteller und seinem Bevoll-
mächtigten am 27. Februar 2012 übersandt worden sei; die Empfangsbekennt-
nisse datierten vom 28. Februar 2012. Einen Antrag auf Verlängerung der Frist
zur Stellungnahme habe er abgelehnt. Deshalb hätten der Antragsteller und
sein Bevollmächtigter zum Entwurf des Antrags nicht Stellung genommen. Die
Endfassung des Versetzungsantrages sei dem Antragsteller und seinem Be-
vollmächtigten am 5. März 2012 übersandt worden. Beide seien darauf hinge-
wiesen worden, dass die für den Antragsteller zuständige Vertrauensperson der
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Offiziere des Bundeswehrkommandos USA und Kanada, Fregattenkapitän B.,
nur auf seinen Antrag hin an dieser Personalangelegenheit beteiligt werde.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. März 2012 nahm der Antragstel-
ler gegenüber dem Amtschef des Personalamts der Bundeswehr zu dem Ablö-
sungsantrag Stellung. Er rügte die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil aus sei-
ner Sicht die Frist zur Stellungnahme bis zum 1. März 2012 zu kurz gewesen
sei. In der Sache seien die ihm vorgehaltenen Vorwürfe unbegründet. Er be-
zweifele, dass Oberst i.G. B. von seiner Dienstreise Anfang Oktober 2011 tat-
sächlich so berichtet habe, wie dies der Kommandeur BwKdo USA/CA darstel-
le. Überdies habe der Kommandeur übersehen, dass die von ihm erwähnte Ho-
locaust-Überlebende W. überhaupt nicht befugt gewesen sei, im Namen des
Jüdischen Zentrums Tuscon eine Erklärung abzugeben. Frau W. sei mit Stabs-
feldwebel R. und dessen Frau gut bekannt. Sie gebe lediglich ihre persönliche
Auffassung wieder. Zu Unrecht werde ihm vorgehalten, dass er angeblich die
intensiv gewordenen sehr positiven Beziehungen zur Holocaust Survivor’s
Group … nicht weitergeführt habe. Die Pflege dieser Beziehungen sei in der
Beschreibung für seinen Dienstposten nicht aufgeführt. Auch sei er von seinem
Vorgänger und von Stabsfeldwebel R. nicht auf diese dienstlichen Beziehungen
hingewiesen worden. Es habe offenbar ausschließlich private Beziehungen zu
einzelnen Mitgliedern dieser Gruppe gegeben. Es sei verfehlt, ihm die fehlende
Begrüßung der vortragenden Frau W. vorzuhalten. Das gehe deutlich über den
normalen und vernünftigen Rahmen hinaus. Wenn der Kommandeur BwKdo
USA/CA anführe, die amerikanische Seite unterstütze sein Vorhaben, so sei
dies eine Unterstellung; Colonel S. möge dazu gehört werden. Die amerikani-
sche Seite mische sich nicht in Personalangelegenheiten der Bundeswehr ein.
Dies gelte insbesondere für Versetzungen oder Besetzungen von Dienstposten.
Ganz offensichtlich bespreche aber der Kommandeur unter Missachtung von
Datenschutzvorschriften derartige Personalangelegenheiten mit Dritten und
Außenstehenden, um so Unterstützung für sein Ablösungsvorhaben zu finden.
Bei der Eröffnung des Entwurfs der Internationalen Beurteilung habe Colonel S.
ihm, dem Antragsteller, erklärt, dass nicht die Bemerkung gefallen sei, die ame-
rikanische Seite würde die Wegversetzung des Antragstellers begrüßen. Ge-
genüber Stabsfeldwebel R. sei er, der Antragsteller, lediglich im Wege von Er-
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ziehungs- und Führungsaufgaben tätig geworden. Stabsfeldwebel R. werde
zum 1. Juni 2012 nach Deutschland zurückversetzt. Sein Nachfolger habe sich
bereits vorgestellt; es sei zu erwarten, dass sich die Zusammenarbeit mit dem
Nachfolger gut und normal vollziehen werde.
Am 19. März 2012 übersandte der Amtschef des Streitkräfteamtes den Bevoll-
mächtigten des Antragstellers den Entwurf seiner Stellungnahme zum Ablö-
sungsvorschlag. Nachdem die Bevollmächtigten am 21. März 2012 eine Äuße-
rung abgegeben hatten, fertigte der Amtschef des Streitkräfteamtes unter dem
30. März 2012 die Endfassung seiner Stellungnahme, mit der er den Vorschlag
des Kommandeurs BwKdo USA/CA unterstützte und das Verhalten des Antrag-
stellers als geeignet qualifizierte, das Vertrauensverhältnis zwischen dem An-
tragsteller und dem Kommandeur BwKdo USA/CA auch für die Zukunft irrepa-
rabel zu zerstören und damit den Dienstbetrieb unannehmbar zu belasten.
Mit fernschriftlicher Verfügung vom 18. April 2012 (in der Fassung der Verfü-
gung vom 26. April 2012) ordnete das Personalamt der Bundeswehr die Ver-
setzung des Antragstellers zum … in K. zum 1. Juni 2012 (Dienstantritt: 9. Juli
2012) an.
Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom
3. Mai 2012 Beschwerde ein und beantragte zugleich die Aussetzung der Voll-
ziehung nach § 3 Abs. 2 WBO. Zur Begründung verwies er auf sein bisheriges
Vorbringen und betonte, dass er der Versetzung auf den Dienstposten des Lei-
ters des … nur unter der Voraussetzung zugestimmt habe, dass er diese Ver-
wendung bis zum 1. Juli 2014 ausüben könne.
Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - wies die Beschwerde mit Be-
scheid vom 30. Mai 2012 zurück; zugleich lehnte er den Antrag auf Aussetzung
der Vollziehung der Versetzungsverfügung ab. Zur Begründung führte er unter
Hinweis auf Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien aus, dass der Komman-
deur BwKdo USA/CA ohne Rechtsfehler von einem dienstlichen Bedürfnis für
die Versetzung des Antragstellers zum … habe ausgehen dürfen. Es sei offen-
sichtlich, dass gerade der Dienstbetrieb einer Dienststelle der Bundeswehr im
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Ausland durch Spannungen zwischen dem Leiter dieser Dienststelle und sei-
nem Untergebenen sowie zu Organisationen des Gastlandes, zu welchen
dienstliche Beziehungen bestünden, ernst und nachhaltig gestört werde. Eine
derartige Situation beeinträchtige das Ansehen der Bundeswehr und der Bun-
desrepublik Deutschland in diesem Land. Es sei daher rechtlich nicht zu bean-
standen, wenn dies von den jeweiligen Dienstvorgesetzten nicht hingenommen
werde. Die Tatsache der zwischenzeitlichen Rückversetzung des Stabsfeldwe-
bel R. ändere daran nichts. Grund für die vorgeschlagene Versetzung sei der
Vertrauensverlust, der zwischen dem Kommandeur BwKdo USA/CA und dem
Antragsteller bestehe. Aus den wiederholten schriftlichen Belehrungen und Er-
mahnungen des Kommandeurs ergebe sich, dass der Antragsteller mehrfach
auf die Notwendigkeit einer positiven Außenwirkung … hingewiesen worden
sei. Es sei nachvollziehbar, dass der Kommandeur BwKdo USA/CA nach meh-
reren Ermahnungen über einen Zeitraum von fast zwei Jahren, die nicht zum
Erfolg geführt hätten, das Vertrauen in den Antragsteller verloren habe. Die he-
rausgehobene Stellung des Leiters … lasse es nicht zu, dass der Inhaber eines
solchen Dienstpostens weiter Dienst in seiner Einheit verrichte, wenn das Ver-
trauensverhältnis zu seinem Vorgesetzten nachhaltig gestört sei. Die Verset-
zungsentscheidung sei auch formellrechtlich nicht zu beanstanden.
Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevoll-
mächtigten vom 26. Juni 2012 die Entscheidung des Bundesverwaltungsge-
richts beantragt. Ebenfalls mit Schriftsatz vom 26. Juni 2012 hat er die Gewäh-
rung vorläufigen Rechtsschutzes erbeten.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens wiederholt und vertieft der An-
tragsteller sein bisheriges Vorbringen und beanstandet ergänzend, dass er über
die Möglichkeit der Beteiligung der Vertrauensperson nicht ordnungsgemäß
belehrt worden sei. Der Hinweis auf die Beteiligung der zuständigen Vertrau-
ensperson entspreche nicht den Erfordernissen des § 23 Abs. 1 Satz 2 SBG.
Dieser Hinweis im Antragsschreiben des Kommandeurs BwKdo USA/CA vom
5. März 2012 sei weder von ihm selbst noch von seinen Bevollmächtigten un-
terzeichnet worden. Auch das Empfangsbekenntnis habe keinen schriftlichen
Hinweis auf die Möglichkeit der Beteiligung der Vertrauensperson enthalten.
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Der Hinweis befinde sich vielmehr nach der Unterschrift „K., Brigadegeneral“
am Ende des Schreibens und werde damit nicht mehr vom Inhalt des Ablö-
sungsschreibens und der Unterschrift des Kommandeurs gedeckt. In der Sache
sei die Ablösungsentscheidung von einer deutlichen Antipathie des Komman-
deurs gegenüber ihm, dem Antragsteller, geprägt. Das Verhalten der Frau W.
sei „klassisches Mobbing“ gewesen. Im Übrigen widerspreche der Inhalt der
letzten planmäßigen Beurteilung vom 28. April 2011 dem Inhalt der Ablösungs-
entscheidung.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Antrags auf gerichtliche
Entscheidung vom 26. Juni 2012 gegen die fernschriftliche
Versetzungsverfügung des Personalamts der Bundeswehr
vom 18. April 2012 (in der Fassung der Versetzungsverfü-
gung des Personalamts der Bundeswehr vom 26. April
2012) sowie gegen den Beschwerdebescheid des Bun-
desministers der Verteidigung vom 30. Mai 2012 anzuord-
nen.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er verteidigt den Inhalt seines Beschwerdebescheids und weist ergänzend da-
rauf hin, dass der Antragsteller und sein Bevollmächtigter auf die Möglichkeit
der Beteiligung der zuständigen Vertrauensperson hingewiesen worden seien.
Nach Auskunft des Bundeswehrkommandos USA/CA - S 1 - vom 27. Juni 2012
habe der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt die Beteiligung der Vertrauensper-
son beantragt. Soweit der Antragsteller darauf hinweise, dass ihm schriftlich
zugesichert worden sei, bis zum 1. Juli 2014 auf seinem Dienstposten verwen-
det zu werden, werde auf Ziffer A 2b (4) des Erlasses des BMVg P II 1 (Az. 16-
26-00/15) vom 11. Juli 1989 „Maßnahmen zur Verbesserung der militärischen
Personalführung“ verwiesen. Danach sei die Verkürzung einer voraussichtli-
chen Verwendungsdauer gegen den Willen des Soldaten im Falle von Störun-
gen, Spannungen und/oder Vertrauensverlusten möglich.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Schriftsätze der Beteiligten sowie der vorgelegten Unterlagen Bezug genom-
men.
II
Der nach § 17 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO zulässige Antrag ist
unbegründet.
Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbar-
keit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor privaten
Belangen eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 WBO). Die Anordnung der aufschie-
benden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summa-
rischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochte-
nen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung
unzumutbare, insbesondere nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden
(stRspr, vgl. Beschlüsse vom 11. Januar 2007 - BVerwG 1 WDS-VR 7.06 -
soweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.7 § 23 SBG Nr. 4> und vom 13. Juni
2007 - BVerwG 1 WDS-VR 1.07 -
holz 449.7 § 48 SBG Nr. 1 = NZWehrr 2008, 39> jeweils m.w.N.). Diese Vo-
raussetzungen liegen hier nicht vor.
Gegen die Rechtmäßigkeit der Versetzungsverfügung des Personalamts der
Bundeswehr vom 18. April 2012 in der Fassung der Verfügung vom 26. April
2012 bestehen bei summarischer Prüfung keine rechtlichen Bedenken.
Der Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte fachliche
oder örtliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten Dienst-
posten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorge-
pflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte über die Ver-
wendung eines Soldaten, sofern hierfür ein dienstliches Bedürfnis besteht, nach
seinem pflichtgemäßen Ermessen (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 25. September
2002 - BVerwG 1 WB 30.02 -
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§ 3 SG Nr. 30 und vom 10. Oktober 2002 - BVerwG 1 WB 40.02 - jeweils
m.w.N.). Dabei sind die gesetzlich vorgegebenen oder vom Bundesministerium
der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festge-
legten Maßgaben und Verfahrensvorschriften einzuhalten (vgl. Beschlüsse vom
27. Februar 2003 - BVerwG 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27> = Buchholz
252 § 23 SBG Nr. 2 , vom
11. Januar 2007 a.a.O. und vom 29. Mai 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 10.08 -).
Für die vorzeitige Wegversetzung des Antragstellers von seinem Dienstposten
als Leiter …/USA besteht ein dienstliches Bedürfnis.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Versetzung des Antrag-
stellers sind die Richtlinien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur
Kommandierung von Soldaten vom 3. März 1988 in der zuletzt
am 9. Juni 2009 geänderten Fassung (im Folgenden: Verset-
zungsrichtlinien). Nach Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien, in denen das
Bundesministerium der Verteidigung das ihm in § 3 Abs. 1 SG eingeräumte
Verwendungsermessen hinsichtlich der Verwendungsänderungen gebunden
hat, liegt das dienstliche Bedürfnis für eine (vorzeitige) Wegversetzung vor,
wenn Störungen, Spannungen und/oder Vertrauensverluste, die den Dienstbe-
trieb unannehmbar belasten, nur durch Versetzung eines der beteiligten Sol-
daten behoben werden können (ebenso stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom
27. Juli 2006 - BVerwG 1 WB 22.06 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 38 und vom
15. August 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 12.08 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 47).
Dieser Rechtfertigungsgrund des dienstlichen Bedürfnisses gilt auch, wie sich
aus Nr. 24 der Versetzungsrichtlinien ergibt, für Versetzungen vom Ausland in
das Inland.
Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien bezeichnet unannehmbare Störun-
gen, Spannungen und/oder Vertrauensverluste generell als Grundlage eines
dienstlichen Versetzungsbedürfnisses, unabhängig von der Frage, ob das Ver-
hältnis zwischen einem Soldaten und seinem nächsten (Disziplinar)Vor-
gesetzten oder das Verhältnis zu weiteren (vorgesetzten) Dienststellen oder zu
anderen Kameraden oder zu ihm funktionsmäßig gleichgeordneten Personen
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betroffen ist (Beschluss vom 15. August 2008, a.a.O., Rn. 23). Vertrauensver-
luste und daraus folgende Störungen des Dienstbetriebs können sich auch und
insbesondere daraus ergeben, dass das Vertrauen von Vorgesetzten eines
Soldaten in dessen uneingeschränkte Kompetenz und Integrität als Repräsen-
tant der Bundeswehr im Ausland beeinträchtigt ist (vgl. z.B. Beschluss vom
27. Juli 2006, a.a.O., Rn. 34).
Vertrauensverluste und Störungen des Dienstbetriebs ergeben sich im vorlie-
genden Fall aus dem Umstand, dass sich der Kommandeur BwKdo USA/CA
nicht mehr auf den Antragsteller bei der Wahrnehmung der Aufgaben als Leiter
… verlassen kann.
Dem liegen insbesondere folgende Feststellungen im Ablösungsantrag vom
5. März 2012 zugrunde, denen der Antragsteller nicht entgegengetreten ist:
Zwischen dem Antragsteller und Stabsfeldwebel R., dem einzigen ihm unter-
stellten Soldaten innerhalb…, war das Arbeitsverhältnis durch eine tief sitzende
Antipathie gestört. Dies hat der Antragsteller nicht zuletzt durch den von ihm
vorgelegten Aktenvermerk vom 24. August 2010 und durch den Bericht an den
Kommandeur BwKdo USA/CA vom 5. April 2011 selbst bestätigt. Auch mit sei-
nem Einwand, die Spannungen im innerdienstlichen Bereich würden sich mit
dem Nachfolger von Stabsfeldwebel R. nach dem 1. Juni 2012 nicht fortsetzen,
hat der Antragsteller zum Ausdruck gebracht, dass bis zum 31. Mai 2012 das
innerdienstliche Arbeitsverhältnis massiv beeinträchtigt war. Diese Unzuträg-
lichkeiten sind über einen langen Zeitraum auch den Vertretern anderer Streit-
kräfte bekannt geworden. Sowohl der französische Verbindungsoffizier beim
United States … als auch der zivile Leiter und der Chef des Stabes des Cen-
ters, Herr P. und Colonel S., haben die tiefgreifenden Spannungen zwischen
dem Antragsteller und Stabsfeldwebel R. zur Kenntnis nehmen müssen. Dazu
hat der Leiter des … USA, Oberst i.G. B., nach Darstellung des Kommandeurs
BwKdo USA/CA anlässlich einer Dienstreise im 2011 festgestellt, dass
beide Herren sich angeboten hätten, zur Beilegung dieser Spannungen beizu-
tragen. Dem ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Der Kommandeur
BwKdo USA/CA hat anlässlich seiner Dienstreise vom 13./14. Oktober 2011
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selbst festgestellt, dass Angehörige der Streitkräfte der Gastgebernation und
anderer verbündeter Streitkräfte das volle Ausmaß der internen Zerwürfnisse
erfahren hatten. Soweit der Antragsteller die Zulässigkeit der Kontaktaufnahme
des Kommandeurs BwKdo USA/CA mit Colonel S. in Frage stellt und dem
Kommandeur datenschutzrechtliche Verstöße unterstellt, lässt er außer Acht,
dass Colonel S. als Chef des Stabes der geeignete Ansprechpartner für den
Kommandeur war, weil Colonel S. unter anderem für die Internationale Beurtei-
lung (International Evaluation Report) des Antragstellers zuständig war. Bei den
aufgetretenen Animositäten und schwerwiegenden Unzuträglichkeiten im
Dienstbetrieb des … ist es deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, dass der
Kommandeur BwKdo USA/CA sich dazu von Colonel S. hat informieren lassen
bzw. das Gespräch mit ihm gesucht hat.
Vertrauensverluste zwischen dem Kommandeur BwKdo USA/CA und dem An-
tragsteller haben sich außerdem daraus ergeben, dass der Antragsteller im
Umgang mit Holocaust-Überlebenden bzw. mit der Holocaust Survivor`s Group
… nicht die erforderliche Sensibilität und die diplomatische Gewandtheit als
Repräsentant der Bundeswehr im Ausland hat erkennen lassen, die für die
Wahrnehmung seines herausgehobenen Dienstpostens unabdingbar sind. Im
Rahmen seiner Vernehmung als Soldat vom 9. Januar 2012, bei der der An-
tragsteller der Wahrheitspflicht nach § 13 SG unterlag, hat dieser gegenüber
dem Kommandeur BwKdo USA/CA selbst eingeräumt, dass ihm bei der Über-
gabe der Dienstgeschäfte von seinem Vorgänger dessen Verbindung zu Dr. W.
als Bindeglied zu der vorgenannten Gruppe mitgeteilt worden sei. Den Inhalt
dieser Vernehmungsaussage hat der Antragsteller nicht bestritten. Demnach
war dem Antragsteller schon zu Beginn seiner Verwendung bekannt, dass es
offizielle Verbindungen und Kontakte zu der Gruppe der Holocaust-Über-
lebenden gab. In der Folgezeit hat er diese Kontakte nicht fortgesetzt und auch
noch nach seiner Vernehmung am 9. Januar 2012 jegliche Klärung der Situa-
tion unterlassen, obwohl es bereits Interventionen der Holocaust-Überlebenden
Frau W. gegenüber dem Deutschen Botschafter in Washington D.C. und ge-
genüber Colonel S. gegeben hatte. Der Kommandeur BwKdo USA/CA hat in
seinem Ablösungsantrag dazu dargelegt, dass die Führung des US-Militärs vor
Ort zu Bildungszwecken routinemäßig und dauerhaft mit den Holocaust-Über-
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lebenden zusammenarbeite. Vor diesem Hintergrund durfte sich der Antragstel-
ler in seiner exponierten Position als Leiter … nicht mit seiner persönlichen
Meinung zufriedengeben, bei den Kontakten zu den Holocaust-Überlebenden
handele es sich lediglich um private Beziehungen einzelner Personen.
Die Einschätzung des Personalamts der Bundeswehr, dass sich aus den vom
Kommandeur BwKdo USA/CA dargelegten Umständen ein schwerwiegender
Vertrauensverlust beim Kommandeur und - daraus folgend - auch für die Zu-
kunft wirkende Störungen des Dienstbetriebs ergeben haben, die den Dienstbe-
trieb unannehmbar belasten und nur durch eine umgehende Beendigung der
Verwendung des Antragstellers auf seinem jetzigen Dienstposten behoben
werden können, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es versteht sich, dass eine
zielführende und aufgabengerechte Wahrnehmung der Funktion des Leiters …
entscheidend davon abhängt, dass der interne Dienstbetrieb des … reibungslos
und nicht durch persönliche Animositäten und Abneigungen belastet abläuft.
Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass … nur mit zwei deutschen Sol-
daten besetzt ist. In einer so kleinen Arbeitseinheit wirken sich persönliche
Antipathien und interne Zerwürfnisse extrem negativ aus, zumal sie zusätzlich
Angehörigen der Streitkräfte der Gastnation und dem französischen Verbin-
dungsoffizier bekanntgeworden sind. Insoweit ist die Aussage des Komman-
deurs BwKdo USA/CA nachvollziehbar und plausibel, dass der Umstand, dass
Angehörige der Gastgebernation schon ihre Hilfe beim Abbau der Spannungen
zwischen dem Antragsteller und Stabsfeldwebel R. angeboten haben, für die
Bundeswehr im Ausland hochgradig ansehensschädigend und inakzeptabel sei.
Für den beim Kommandeur BwKdo USA/CA eingetretenen Vertrauensverlust
kommt es nicht darauf an, ob der Bürgermeister von V. oder Generalleutnant P.
dem Antragsteller Vertrauen entgegengebracht haben.
Fehl geht überdies die Auffassung des Antragstellers über die nicht in der
Dienstpostenbeschreibung genannten „diplomatischen“ Aufgaben als Leiter ... .
Dazu gehört jedenfalls ohne Weiteres die Aufgabe, dienstlich gewonnene Kon-
takte seines Amtsvorgängers zu einer Gruppe, mit der die Führung des
US-Militärs vor Ort zu Bildungszwecken routinemäßig und dauerhaft zusam-
menarbeitet, nicht völlig zu ignorieren. Dabei kommt es auf die Außenwirkung
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dieser Unterlassung an und nicht auf die höchstpersönlichen Motive des An-
tragstellers, die ihn zu diesem Verhalten bewogen haben mögen.
Den Beweisanregungen des Antragstellers in den Schriftsätzen seiner Bevoll-
mächtigten, die sich auf angebliche Unterlagen über die im 2011
durchgeführte Dienstreise des Oberst i.G. B., auf angebliche Äußerungen des
Colonel S. ihm gegenüber und auf Frau W. beziehen, ist nicht zu entsprechen.
Nach § 21 Abs. 2 Satz 1, § 18 Abs. 2 Satz 2 WBO in Verbindung mit § 91
Abs. 1 Satz 1 WDO und § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO darf ein Beweisantrag - und
damit erst recht eine Beweisanregung - unter anderem dann abgelehnt werden,
wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Be-
deutung ist.
Die oben dargelegten Umstände reichen aus, um ein dienstliches Bedürfnis für
die Wegversetzung des Antragstellers zu begründen.
Das dienstliche Bedürfnis für die Wegversetzung des Antragstellers von seinem
Dienstposten als Leiter … begründet zugleich das dienstliche Bedürfnis für sei-
ne Zuversetzung zum … in K. . Gegen diese Zuversetzung hat der Antragsteller
keine eigenständigen Einwände erhoben.
Die angefochtene Versetzungsverfügung verstößt auch nicht gegen Nr. 21 der
Versetzungsrichtlinien. Danach sind zwar Versetzungen mit Wechsel des
Standortverwaltungsbereichs dem Soldaten spätestens drei Monate vor Dienst-
antritt bei der neuen Einheit/Dienststelle bekanntzugeben. Dies gilt jedoch nicht
bei Versetzungen nach Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien.
Die Ermessensentscheidung des Personalamts im Rahmen der Versetzungs-
verfügung lässt auch im Übrigen keine Rechtsfehler erkennen.
Das Ermessen des Personalsamts war nicht durch eine Zusage gebunden, den
Antragsteller über den 1. Juni 2012 hinaus bis zum 30. Juni 2014 in den USA
zu verwenden. Nach den dem Senat vorgelegten Unterlagen hat der Antragstel-
ler bei seiner Zuversetzung auf den jetzt innegehabten Dienstposten lediglich
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eine voraussichtliche Verwendungsdauer bis zum 30. Juni 2014 mitgeteilt be-
kommen. Die Angabe der voraussichtlichen Verwendungsdauer ist keine Zusa-
ge mit Bindungswillen im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. dazu z.B.
Beschlüsse vom 30. September 2008 - BVerwG 1 WB 31.08 -
veröffentlicht in Buchholz 449 § 3 SG Nr. 48> und vom 24. November 2009
- BVerwG 1 WB 1.09 - Rn. 32), sondern eine schlichte Planungsabsicht. Dem-
entsprechend hat das Bundesministerium der Verteidigung in Nr. 17 der Ver-
setzungsrichtlinien ausdrücklich festgelegt, dass sich aus der Bekanntgabe der
voraussichtlichen Verwendungsdauer kein Rechtsanspruch ableiten lässt, für
die angegebene Zeit auch in der verfügten Verwendung zu verbleiben.
Selbst wenn der Antragsteller - was bisher nicht belegt ist - im Jahr 2010 eine
förmliche Zusage des Personalamts erhalten haben sollte, bis zum 30. Juni
2014 auf dem Dienstposten in den USA verbleiben zu dürfen, würde sich da-
raus eine endgültige Ermessensbindung für das Personalamt nicht ergeben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann eine Zusage ihre Bindungs-
wirkung nach § 38 Abs. 3 VwVfG (in analoger Anwendung) verlieren, wenn sich
die ihr zugrundeliegenden Verhältnisse nachträglich in wesentlichen Punkten
ändern. Die Bindungswirkung entfällt dann grundsätzlich unabhängig von der
Bekanntgabe einer möglichen Aufhebungsentscheidung bereits mit der objekti-
ven Änderung der Sach- oder Rechtslage. Von einer solchen wesentlichen
nachträglichen Änderung der der Zusage zugrundeliegenden Verhältnisse ist
auszugehen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage, die die „Geschäftsgrundla-
ge“ für die Zusage bildete, - wie vorliegend - in einer Weise geändert hat, dass
die Behörde bei Kenntnis dieser Änderung die Zusage nicht erteilt hätte oder ihr
die Einhaltung dieser Zusage nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. z.B. Be-
schlüsse vom 22. März 1995 - BVerwG 1 WB 81.94 - BVerwGE 103, 219 =
Buchholz 316 § 38 VwVfG Nr. 12 und vom 4. November 2004 - BVerwG 1 WB
29.04 -).
Die Entscheidung des Personalamts ist auch unter Berücksichtigung der plan-
mäßigen Beurteilung des Antragstellers zum 30. September 2011 (vom
24. August 2011) rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des
Antragstellers ergibt sich hieraus keine Aussage des beurteilenden Vorgesetz-
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ten, des Kommandeurs BwKdo USA/CA, die den Ablösungsantrag grundsätz-
lich in Frage stellt. Vielmehr heißt es in Abschnitt 3 „Aufgabenerfüllung auf dem
Dienstposten“ u.a., dass die Führung des … durch den Antragsteller im Innen-
verhältnis zu dem einzigen ihm unterstellten Soldaten teilweise nachhaltiger
Dienstaufsicht bedurft habe, um nachhaltige, nach außen wahrnehmbare Fol-
gen der … bestehenden Störungen und Spannungen zu vermeiden bzw. zu re-
lativieren. In diesem Zusammenhang habe sich die Zusammenarbeit mit dem
Antragsteller nicht immer als einfach erwiesen.
Davon abgesehen verkennt der Antragsteller mit seinem Vorbringen, dass eine
planmäßige Beurteilung der Dokumentation des aktuellen Leistungsstandes
und der Prognose möglicher Eignung eines Soldaten dient, nicht aber dazu,
eingetretene Vertrauensverluste im Verhältnis zum nächsten Disziplinarvorge-
setzten zu dokumentieren.
Die angefochtene Versetzungsentscheidung des Personalamts ist bei summari-
scher Prüfung auch formellrechtlich nicht zu beanstanden. Das Verfahren nach
Nr. 9 der Versetzungsrichtlinien ist eingehalten worden. Ohne Erfolg rügt der
Antragsteller, dass er zum Entwurf des Ablösungsantrages kein ausreichendes
rechtliches Gehör gehabt habe. Der Kommandeur BwKdo USA/CA hat dem
Antragsteller und seinen Bevollmächtigten den Entwurf am 28. Februar 2012
zugestellt und nach Darstellung des Antragstellers zwei Tage Frist zur Stellung-
nahme eingeräumt. Eine weitere Fristverlängerung hat der Kommandeur ohne
Rechtsfehler abgelehnt, denn nach Nr. 9 Abs. 3 der Versetzungsrichtlinien soll
die Frist zur Stellungnahme in der Regel drei Tage nicht überschreiten. Über-
dies hatte der Antragsteller Gelegenheit, sich zu der Endfassung des Ablö-
sungsantrags vom 5. März 2012 zu äußern, die er mit Schriftsätzen seiner Be-
vollmächtigten vom 6. und 13. März 2012 und mit der Äußerung seiner Bevoll-
mächtigten vom 21. März 2012 zum Entwurf der Stellungnahme des Amtschefs
des Streitkräfteamtes auch wahrgenommen hat. Die nach § 23 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 SBG gebotene Anhörung der Vertrauensperson war hier nicht durchzufüh-
ren, weil sie von einem Antrag des Antragstellers abhängig war.
Einen derartigen Antrag hat der Antragsteller jedoch nicht gestellt. Über die
Möglichkeit einer Antragstellung war er nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SBG vom Kom-
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mandeur BwKdo USA/CA in der erforderlichen eindeutigen Form belehrt wor-
den. Dies ergibt sich aus dem Text auf S. 10 des Ablösungsantrages. Soweit
der Antragsteller beanstandet, dass dieser Hinweis nicht mehr Teil des von Bri-
gadegeneral K. unterschriebenen Ablösungsantrages sei, verkennt er, dass der
rechtliche Hinweis und die Formalien zur Beteiligung der Vertrauensperson
nicht Teil der eines Ablösungsantrages nach Nr. 5 Buchst. h i.V.m.
Nr. 9 der Versetzungsrichtlinien sind.
Schließlich ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller durch die sofortige Voll-
ziehung der Versetzungsverfügung unzumutbare, insbesondere nicht wieder-
gutzumachende Nachteile entstünden.
Dr. Frentz Dr. Langer Dr. Burmeister
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