Urteil des BVerwG vom 03.02.2015

Rechtsschutz, Beamtenrecht, Verfügung, Hauptsache

BVerwGE: nein
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Vorlagen, Anträge und Beschwerden nach der WBO in
truppendienstl. Angelegenheiten
Rechtsquelle/n:
GG Art. 33 Abs. 2
SG § 3 Abs. 1
Stichworte:
Konkurrentenstreit; Auswahlentscheidung; Bewerbungsverfahrensanspruch;
Sonderbeurteilung; Vergleichbarkeit von Beurteilungen; Beurteilungszeitraum;
Beurteilungsbeitrag; vorläufige Rückgängigmachung der Dienstpostenbesetzung.
Leitsatz/-sätze:
1. Kommt es in einem Auswahlverfahren zur Besetzung eines höherwertigen
Dienstpostens auf einen Leistungsvergleich anhand von aktuellen dienstlichen
Beurteilungen an, so müssen sich diese zur Wahrung der Chancengleichheit der
Bewerber auf im Wesentlichen gleiche Beurteilungszeiträume erstrecken.
2. Zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des unterlegenen
Bewerbers (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs.1 SG) kann das Bundesministerium der
Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet werden, die
Versetzung des ausgewählten Bewerbers auf den höherwertigen Dienstposten
bis zur wehrdienstgerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache vorläufig
rückgängig zu machen. Dies kann auch das Verbot umfassen, den ausgewählten
Bewerber kommissarisch mit der Wahrnehmung der Aufgaben des strittigen
Dienstpostens zu betrauen.
Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 3. Februar 2015 - BVerwG 1 WDS-VR
2.14
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WDS-VR 2.14
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberst ...,
- Bevollmächtigte:
Beigeladener:
Herr Oberst ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 3. Februar 2015 beschlossen:
Das Bundesministerium der Verteidigung wird im Wege
der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis zu einer Ent-
scheidung des Senats über den Antrag des Antragstellers
auf gerichtliche Entscheidung gegen die Auswahlentschei-
dung des Abteilungsleiters Personal im Bundesministeri-
- 2 -
um der Verteidigung vom 10. September 2014 (BVerwG
1 WB 44.14) die Versetzung des Beigeladenen auf den
Dienstposten des ...leiters ... im ...amt ... vorläufig rück-
gängig zu machen.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesver-
waltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Ver-
fahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden
dem Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz in einem Konkurrentenstreit
um die Besetzung des nach Besoldungsgruppe B 2 bewerteten Dienstpostens
des ...leiters ... im ...amt ... in B.
Der 19.. geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet (in der
derzeitigen Besoldungsgruppe) voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 20...
Zuletzt wurde er am 18. Dezember 20.. zum Oberst befördert und mit Wirkung
vom 1. Oktober 20.. in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen.
Derzeit wird der Antragsteller als Leiter der Gruppe ...im ... in B. verwendet.
Am 4. Dezember 2013 entschied der Abteilungsleiter Personal im Bundesminis-
terium der Verteidigung - erstmals -, den nach Besoldungsgruppe B 2 bewerte-
ten Dienstposten des ...leiters ... im ... mit dem Beigeladenen, der bereits seit
Aufstellung des ... die Aufgaben dieses Dienstpostens wahrgenommen hatte,
zu besetzen.
Gegen diese Auswahlentscheidung beantragte der Antragsteller unter dem
9. Januar 2014 die gerichtliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsge-
richt sowie vorläufigen Rechtsschutz. Unter dem 19. Februar 2014 verfügte das
Bundesministerium der Verteidigung die Aufhebung der Auswahlentscheidung
vom 4. Dezember 2013 wegen eines Verfahrensfehlers (Fehlen aktueller Beur-
teilungen für die Bewerber). Der Beigeladene wurde auf einen Dienstposten
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z.b.V. bei gleichzeitiger Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens des ...
versetzt. Der Antragsteller nahm daraufhin seine Rechtsbehelfe zurück.
Am 7. Mai 2014 entschied der Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium
der Verteidigung erneut, den Dienstposten des ...leiters ... im ... mit dem Beige-
ladenen zu besetzen. Am 30. Mai 2014 erfolgte zudem die Einweisung des Bei-
geladenen in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 2 rückwirkend zum
1. März 2014. Der Antragsteller wurde am 5. Juni 2014 durch den Stellvertreter
des Amtschefs des ...amts über die Auswahlentscheidung vom 7. Mai 2014 und
über seine Nichtauswahl informiert.
Bereits mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 22. Mai 2014 hatte der An-
tragsteller beim Bundesministerium der Verteidigung einen Antrag gemäß § 3
Abs. 2 WBO wegen der weiterhin erfolgenden Aufgabenwahrnehmung durch
den Beigeladenen gestellt. Nach Kenntnis von der Auswahlentscheidung vom
7. Mai 2014 beantragte der Antragsteller hiergegen mit Schreiben vom 9. Juni
2014 die Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht sowie erneut vor-
läufigen Rechtsschutz. Nach Darstellung des Bundesministeriums der Verteidi-
gung hatte dieses allerdings schon zuvor wegen eines erneuten Verfahrensfeh-
lers (die angeforderten Sonderbeurteilungen lagen nicht vollständig vor und wa-
ren teilweise noch nicht abgeschlossen) veranlasst, die Auswahlentscheidung
aufzuheben, was am 23. Juli 2014 erfolgte. Der Beigeladene wurde daraufhin
wiederum auf einen z.b.V.-Dienstposten unter gleichzeitiger Wahrnehmung der
Aufgaben des Dienstpostens des ...leiters ... versetzt.
Unter dem 8. August 2014 legte das Bundesministerium der Verteidigung
- R II 2 - den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vom 22. Mai 2014 dem Senat
vor. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 29. August 2014 wiederholte
der Antragsteller den Antrag vom 22. Mai 2014 vorsorglich für die erneute Be-
trauung des Beigeladenen mit der Wahrnehmung der Aufgaben des strittigen
Dienstpostens nach Aufhebung der (zweiten) Auswahlentscheidung vom 7. Mai
2014. Das gesamte mit dem Antrag vom 22. Mai 2014 eingeleitete, die Beset-
zung des Dienstpostens des ...leiters ... beim ... betreffende Verfahren des vor-
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läufigen Rechtsschutzes wird beim Senat einheitlich unter dem Aktenzeichen
BVerwG 1 WDS-VR 2.14 geführt.
Am 10. September 2014 traf der Abteilungsleiter Personal im Bundesministeri-
um der Verteidigung die - dritte - Auswahlentscheidung für die Besetzung des
Dienstpostens des ...leiters ... im ..., die wiederum zugunsten des Beigeladenen
ausfiel. Der Beigeladene wurde mit Verfügung vom 12. September 2014 auf
den Dienstposten versetzt. Der Auswahlentscheidung des Abteilungsleiters liegt
eine von ihm gebilligte Entscheidungsvorlage des Referats P II 2 des Bundes-
ministeriums der Verteidigung zugrunde. Der Vorlage beigefügt ist ein Pla-
nungsbogen für das Auswahlverfahren, der sich in eine Dienstpostenbeschrei-
bung, eine mit einer Auswahlempfehlung schließende Kandidatenvorstellung
sowie ein Protokoll mit der Auflistung der Stellungnahmen der beteiligten Stel-
len gliedert. Außerdem liegen Personalbögen der drei betrachteten Kandidaten
- der Antragsteller, der Beigeladene sowie Oberst Y - bei.
Für den Leistungsvergleich der Bewerber wurden Sonderbeurteilungen erstellt.
Die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten wurde für den Antragsteller in der
Sonderbeurteilung vom 3. April 2014 mit einem Durchschnittswert von „8,00“
und die Entwicklungsprognose mit „deutlich oberhalb der allgemeinen Lauf-
bahnperspektive“ bewertet. Der Beigeladene erhielt in seiner Sonderbeurteilung
vom 25. März 2014 für die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten einen
Durchschnittswert von „8,67“; seine Entwicklungsprognose lautete ebenfalls auf
„deutlich oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive“.
Die Auswahlempfehlung des Referats P II 2 lautet wie folgt:
„Alle drei Offiziere sind für den Dienstposten geeignet und
verfügen über die erforderliche fachliche Kompetenz.
Oberst X, der derzeit die Aufgaben des unbesetzten
Dienstpostens wahrnimmt, erfüllt die Anforderungen auf
dem Dienstposten uneingeschränkt und am besten - auch
nach Auffassung des Bedarfsträgers. Die beiden anderen
Offiziere erfüllen das Anforderungsprofil weitgehend. Zu-
dem hebt sich Oberst X von den mitbetrachteten Offizie-
ren deutlich im aktuellen Beurteilungsbild ab. Aufgrund
dieser Abgrenzung sowie aufgrund des artikulierten Be-
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setzungswunsches des Bedarfsträgers empfiehlt P II 2 die
Oberst X
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 25. September 2014, eingegangen
am 26. September 2014, hat der Antragsteller sein Begehren um vorläufigen
Rechtsschutz erneuert, nunmehr bezogen auf die Auswahlentscheidung vom
10. September 2014. In der Hauptsache hat er mit Schriftsatz vom 26. Sep-
tember 2014 die gerichtliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsge-
richt beantragt; dieses vom Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - mit
einer Stellungnahme vom 6. Oktober 2014 vorgelegte Verfahren ist beim Senat
unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 44.14 anhängig.
Mit Verfügung vom 26. September 2014 hat das Gericht den Beteiligten mitge-
teilt, dass das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unter dem bisherigen
Aktenzeichen (BVerwG 1 WDS-VR 2.14) mit dem neuen Antrag aus dem
Schriftsatz vom 25. September 2014 und unter Berücksichtigung des gesamten
bisherigen Vorbringens fortgesetzt wird.
Zur Begründung seines Antrags trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Es bestehe ein Anordnungsgrund, weil der Beigeladene seit mehr als sechs
Monaten die Aufgaben des strittigen Dienstpostens wahrnehme. Auch ein An-
ordnungsanspruch sei gegeben, weil die Auswahlentscheidung rechtswidrig sei
und ihn in seinen Rechten verletze. Mit den angeforderten Sonderbeurteilungen
sei es ersichtlich darum gegangen, die bereits zweimal fehlerhaft ergangene
Auswahlentscheidung nochmals treffen zu können. Bei der Sonderbeurteilung
für den Beigeladenen handele es sich um eine von dem Abteilungsleiter ... im ...
für dessen „Wunschkandidaten“ erstellte „Gefälligkeitsbeurteilung“. Sämtliche
vom Beigeladenen dort betreuten Projekte seien in zeitlichen Verzug geraten.
Die Qualität der vom Beigeladenen erbrachten Arbeiten sei Gegenstand eines
Untersuchungsauftrags durch die Firma A., dessen erstes Zwischenergebnis so
vernichtend ausgefallen sei, dass es nicht öffentlich gemacht worden sei.
Der Vergleich der Beurteilungen bilde auch im Übrigen keine tragfähige Grund-
lage für die Auswahlentscheidung. Für den Beigeladenen sei vor dessen Son-
derbeurteilung zuletzt am 31. Juli 2007 eine Beurteilung erstellt worden, wobei
die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten mit einem Durchschnittswert von
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„5,4“ bewertet worden sei. Die für ihn, den Antragsteller, zum selben Vorla-
getermin erstellte Beurteilung weise einen Durchschnittswert der Aufgabenerfül-
lung von „6,0“ auf. Anders als er, der Antragsteller, sei der Beigeladene zudem
in den Folgejahren nicht mehr beurteilt worden. Die für den Beigeladenen er-
stellte Sonderbeurteilung 2014 beziehe sich ausschließlich auf dessen Tätigkeit
bei der Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens des ...leiters ..., wobei
das Unterstellungsverhältnis zu dem beurteilenden Vorgesetzten am 1. Oktober
2012 begonnen habe. Somit sei der gesamte Zeitraum vom 1. August 2007 bis
zum 30. September 2012 unberücksichtigt geblieben; auch Beurteilungsbeiträ-
ge für diesen Zeitraum lägen nicht vor. Seine, des Antragstellers, Sonderbeur-
teilung schließe hingegen an den Stichtag seiner letzten planmäßigen Beurtei-
lung vom 28. Juli 2011 an und decke dementsprechend einen längeren Zeit-
raum ab als diejenige für den Beigeladenen. Es fehle deshalb insgesamt an
einer Vergleichbarkeit der dienstlichen Beurteilungen.
Aus den für ihn, den Antragsteller, vorliegenden lückenlosen Beurteilungen fol-
ge, dass ihm seit 2004 kontinuierlich die Eignung für die Ebene des Abteilungs-
leiters und höher zuerkannt worden sei und seine Verwendungshinweise erheb-
lich weiterreichender seien als diejenigen für den Beigeladenen. Der Beigelade-
ne erfülle von den sechs dienstpostenbezogenen Voraussetzungen allein drei
nur deshalb, weil er zuvor die Aufgaben des Dienstpostens auf der Grundlage
von rechtswidrigen Auswahlentscheidungen wahrgenommen habe. Unzutref-
fend nehme das Bundesministerium der Verteidigung ferner an, dass nur der
Beigeladene Erfahrungen als Vertreter des Abteilungsleiters aufweise. Nicht
berücksichtigt worden sei, dass auch er, der Antragsteller, seit Januar 2009 als
...leiter den Abteilungsleiter der ...abteilung ... im ...amt vertrete und außerdem
von Juni 20.. bis Juli 20.. ständiger Vertreter des stellvertretenden ...-Direktors
... und ... im Bundesministerium der Verteidigung gewesen sei. Die einzigen
nachweisbaren Erfahrungen des Beigeladenen bestünden dagegen wiederum
nur in dessen Aufgabenwahrnehmung auf dem strittigen Dienstposten.
Ferner seien die Anforderungen in der Dienstpostenbeschreibung ersichtlich auf
den Beigeladenen zugeschnitten worden. Richtigerweise hätte sich sein, des
Antragstellers, Eignungsvorsprung daraus ergeben, dass die umfassende Ver-
antwortung zur Wahrnehmung der Aufgabe als Projekt- und Nutzungsleiter ...
u.a. Erfahrungen in der Prozessorganisation sowie in der Einführungs- und Nut-
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zungsorganisation voraussetze; dieser Eignungsaspekt sei bei den dienstpos-
tenbezogenen Voraussetzungen indes nicht genannt. Fehlerhaft heiße es in
den Auswahlerwägungen außerdem, dass er, der Antragsteller, bisher keine
Erfahrung im Führen von zivil/militärisch stark durchmischten großen Organisa-
tionseinheiten mit IT-spezifischer Projektausrichtung erworben habe. Unter der
Rubrik „Vorverwendungen als Kommandeur A und B“ finde sich jedoch ein ent-
sprechender Eintrag. Darüber hinaus hätte neben dem dort aufgeführten Tätig-
keitsnachweis als Kommandeur des ...bataillons ... genannt werden müssen,
dass er, der Antragsteller, über eine Vorverwendung als stellvertretender Kom-
mandeur des ...regiments ... und Feldlagerkommandant im ... verfüge.
In Zweifel gezogen werde schließlich, dass der Beigeladene über eine ausrei-
chende Restdienstzeit verfüge. Ursprünglich sei jedenfalls beabsichtigt gewe-
sen, den 19.. geborenen Beigeladenen mit Ablauf des 31. März 20.. in den Ru-
hestand zu versetzen; auch seien zwei Dienstzeitverlängerungsanträge des
Beigeladenen aus den Jahren 20.. und 20.. abgelehnt worden.
Der Antragsteller beantragt zuletzt,
die Bundesministerin der Verteidigung im Wege der einst-
weiligen Anordnung zu verpflichten, bis zu einer Entschei-
dung des Senats über seinen Antrag auf gerichtliche Ent-
scheidung vom 26. September 2014 gegen die Auswahl-
entscheidung des Abteilungsleiters Personal/Versetzungs-
verfügung vom 12. (gemeint: 10.) September 2014 die
Versetzung des Beigeladenen auf den nach Besoldungs-
gruppe B 2 dotierten ...leiter ...-Dienstposten im ...amt ...
vorläufig rückgängig zu machen.
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Behauptung einer „Gefälligkeitsbeurteilung“ für den Beigeladenen entbehre
jeder Grundlage. Insoweit werde auf Stellungnahmen des Präsidenten des ...
vom 1. Dezember 2014 und des Abteilungsleiters ... im Bundesministerium der
Verteidigung vom 3. Dezember 2014 Bezug genommen. Aus der Stellungnah-
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me des Präsidenten des ... sei auch ersichtlich, dass von einem Zuschnitt der
Dienstpostenbeschreibung auf den Beigeladenen keine Rede sein könne.
Bei der Auswahlentscheidung seien sowohl der Antragsteller als auch der Bei-
geladene als geeignete Bewerber eingeschätzt worden. Der Beigeladene sei im
Vergleich zum Antragsteller ausweislich der für beide Soldaten erstellten Son-
derbeurteilungen jedoch wesentlich leistungsstärker. Auch wenn beide Soldaten
dem ersten Wertungsbereich angehörten, könne ein Durchschnittswert in der
Aufgabenerfüllung von „8,67“ im Verhältnis zu „8,00“ nicht mehr als im Wesent-
lichen gleich angesehen werden. Die Beurteilungen des Antragstellers und des
Beigeladenen seien auch vergleichbar. Für den Beigeladenen liege für die Zeit
ab 2007 keine planmäßige Beurteilung vor, weil gemäß Nr. 205 Buchst. a
ZDv 20/6 fünf Jahre vor dem Überschreiten der maßgeblichen Altersgrenze
keine planmäßige Beurteilung mehr zu erstellen gewesen sei. Als Beurteilungs-
grundlage für den Beigeladenen habe daher nur der Zeitraum herangezogen
werden können, in dem er dem derzeitigen beurteilenden Vorgesetzten unter-
stellt gewesen sei. In der Sonderbeurteilung für den Beigeladenen habe dessen
kommissarische Aufgabenwahrnehmung auf dem strittigen Dienstposten be-
rücksichtigt werden können und müssen, weil eine Beurteilung an den an einen
Soldaten im Beurteilungszeitraum gestellten Anforderungen auszurichten sei.
Entscheidend für eine Vergleichbarkeit von Beurteilungen sei nicht die Überein-
stimmung des Beurteilungszeitraums, sondern der Zeitpunkt des Erstellens, der
in einem engen Zeitfenster liegen müsse. Dies sei vorliegend mit der Beurtei-
lung des Beigeladenen vom 25. März 2014 und der des Antragstellers vom
3. April 2014 der Fall.
Die Feststellung im Planungsbogen für das Auswahlverfahren, dass der Beige-
ladene im Gegensatz zum Antragsteller Erfahrungen als Vertreter des Abtei-
lungsleiters und bei der Unterstützung des Abteilungsleiters in militärischen An-
gelegenheiten außerhalb von militärischen Organisationsbereichen aufweisen
könne, sei bezogen auf den Abteilungsleiter ... im ... zutreffend. Soweit der An-
tragsteller auf entsprechende eigene Erfahrungen verweise, treffe dies nur ein-
geschränkt zu. So sei in der planmäßigen Beurteilung von 2009 lediglich von
einer Vertretung des stellvertretenden ...-Direktors bei Besprechungen, in Sit-
zungen und Routineangelegenheiten die Rede, woraus sich keine gründliche
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Erfahrung als Vertreter eines Abteilungsleiters mit einem weit darüber hinaus-
gehenden Tätigkeitsfeld ergebe. Ähnliches gelte für die Tätigkeit als stellvertre-
tender Kommandeur des ...regiments ..., wobei die entsprechenden Erfahrun-
gen auch wegen der nur siebenmonatigen Dauer des ...-Einsatzes nicht als
ausgeprägt anzusehen seien.
Die Dienstzeit des Beigeladenen sei bis zum 30. Juni 2017 verlängert worden,
sodass die Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 2 zum
1. März 2014 mehr als drei Jahre vor dem Zurruhesetzungstermin erfolgt sei.
Der Beigeladene hatte Gelegenheit zur Äußerung.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen. Die Unterlagen des Auswahlverfahrens, der Anlagenband zu der
Stellungnahme des Präsidenten des ... vom 1. Dezember 2014, die Personal-
grundakten des Antragstellers und des Beigeladenen, jeweils Hauptteile A bis
D, und die Akten des Hauptsacheverfahrens (BVerwG 1 WB 44.14) haben dem
Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag hat Erfolg.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im Wehrbeschwerde-
verfahren gemäß § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 123 VwGO grundsätzlich statthaft.
Sachlich zuständig ist das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der - bereits
anhängigen (BVerwG 1 WB 44.14) - Hauptsache (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO,
§ 21 Abs. 1 Satz 1 WBO).
1. Für die begehrte einstweilige Anordnung ist ein Anordnungsgrund gegeben
(§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Zwar verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Verwendungsentschei-
dung - auch nach einer der Bewertung des Dienstpostens entsprechenden Be-
förderung oder Planstelleneinweisung - nicht dahin, dass der durch sie begüns-
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tigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiese-
nen Dienstposten verbleiben zu können; der Beigeladene müsste es vielmehr
hinnehmen, von dem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antrag-
steller bei der Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen wor-
den wäre (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2007 - 1 WB 31.06 -
BVerwGE 128, 329 Rn. 39 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Senats und
des für das Beamtenrecht zuständigen 2. Revisionssenats des Bundesverwal-
tungsgerichts (vgl. - auch zum Folgenden - BVerwG, Beschlüsse vom 29. April
2010 - 1 WDS-VR 2.10 - Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 28 Rn. 20 f. und vom
19. Dezember 2011 - 1 WDS-VR 5.11 - BVerwGE 141, 271 Rn. 29 f. sowie Be-
schluss vom 27. September 2011 - 2 VR 3.11 - juris Rn. 17) kann sich in Kon-
kurrentenstreitigkeiten um die Besetzung eines Dienstpostens ein Anordnungs-
grund jedoch daraus ergeben, dass ein rechtswidrig ausgewählter Bewerber auf
dem Dienstposten einen Erfahrungsvorsprung erlangt, der im Fall des Obsie-
gens des Antragstellers in der Hauptsache bei einer erneuten Auswahlentschei-
dung zu berücksichtigen wäre; dabei geht es um den materiellen Erfahrungs-
vorsprung, der sich - unabhängig von bestimmten Beurteilungszeiträumen oder
Beurteilungsstichtagen - in dem Leistungsbild des ausgewählten Bewerbers
niederschlägt und den der rechtswidrig übergangene Bewerber nicht mehr aus-
gleichen kann. Ein insoweit beurteilungsrelevanter Erfahrungsvorsprung und
damit ein Anordnungsgrund ist dann anzunehmen, wenn zwischen dem Dienst-
antritt des ausgewählten Bewerbers auf dem strittigen Dienstposten und der
gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache ein Zeitraum von mehr als sechs
Monaten liegt.
Der Beigeladene wurde im Anschluss an die hier gegenständliche Auswahlent-
scheidung vom 10. September 2014 zwar erst mit Verfügung vom 12. Septem-
ber 2014 auf den strittigen Dienstposten versetzt. Er war jedoch bereits zu-
vor - teils aufgrund von Versetzungen im Anschluss an die (aufgehobenen)
Auswahlentscheidungen vom 4. Dezember 2013 und 7. Mai 2014, teils auf-
grund einer Übertragung der Aufgabenwahrnehmung - mit den Aufgaben des
Dienstpostens betraut (vgl. für eine ähnliche Konstellation BVerwG, Beschluss
vom 9. April 2014 - 1 WDS-VR 23.13 - juris Rn. 25). Unter dem Blickwinkel
eines beurteilungsrelevanten Erfahrungsvorsprungs ist damit die Spanne von
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sechs Monaten deutlich überschritten. Auch wenn der Beigeladene inzwischen
einen erheblichen Erfahrungsvorsprung „angesammelt“ hat, besteht ein Interes-
se des Antragstellers daran, dessen weiteres Anwachsen zu verhindern.
2. Dem Antragsteller steht auch ein Anordnungsanspruch zur Seite (§ 123
Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Bei summarischer Prüfung bestehen durchgreifende Zweifel an der Rechtmä-
ßigkeit der zugunsten des Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung des
Abteilungsleiters Personal im Bundesministerium der Verteidigung vom
10. September 2014 zur Besetzung des nach Besoldungsgruppe B 2 bewerte-
ten Dienstpostens des ...leiters ... im ...amt. Die Auswahlentscheidung ist
rechtswidrig, weil die für sie ausschlaggebende Feststellung, der Beigeladene
verfüge über ein deutlich besseres Leistungsbild als der Antragsteller, nicht auf
der Grundlage vergleichbarer dienstlicher Beurteilungen getroffen wurde.
a) Nach der Rechtsprechung zu beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten
um Beförderungsämter folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG ein Bewerbungsverfahrens-
anspruch, der Bewerbern um ein öffentliches Amt ein grundrechtsgleiches
Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung - nach Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung - in die Bewerberauswahl gibt; die Bewerbung darf nur aus
Gründen abgelehnt werden, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (vgl.
BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <102>).
§ 3 Abs. 1 SG übernimmt die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG in das Dienst-
verhältnis der Soldaten und erstreckt sie über Ernennungen hinaus auf Ver-
wendungsentscheidungen. Der Senat hat deshalb einen dem Beamtenrecht
entsprechenden Bewerbungsverfahrensanspruch auch für soldatenrechtliche
Konkurrenzverhältnisse anerkannt (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 29. Ja-
nuar 2013 - 1 WB 60.11 - juris Rn. 40 m.w.N.). Allerdings beschränkt sich die
Geltung des Grundsatzes der Bestenauslese im Bereich der Verwendungsent-
scheidungen auf Entscheidungen über - wie hier - höherwertige, die Beförde-
rung in einen höheren Dienstgrad oder die Einweisung in die Planstelle einer
höheren Besoldungsgruppe vorprägende Verwendungen (vgl. klarstellend
BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2014 - 1 WB 1.13 - juris Rn. 32).
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Aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt ferner die Verpflichtung des
Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Aus-
wahlerwägungen schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle
durch den unterlegenen Bewerber und ggf. durch das Gericht zu ermöglichen
(vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - BVerfGK 11,
398 <402 f.>). Dem folgend hat der Senat eine entsprechende Verpflichtung zur
Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen auch für Entscheidungen
angenommen, die ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige militärische
Verwendung betreffen (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 25. April 2007
- 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 <335 f.> und vom 16. Dezember 2008
- 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 36). Zur Dokumentation verpflichtet ist
dabei primär die Stelle, die für die zu treffende Auswahlentscheidung zuständig
ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 2010 - 1 WB 36.09 - Rn. 27).
b) Die Dokumentationspflicht ist mit den vom Bundesministerium der Verteidi-
gung vorgelegten Auswahlunterlagen erfüllt.
Der für die Auswahlentscheidung zuständige und damit primär dokumentati-
onspflichtige Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium der Verteidigung
hat unter dem 10. September 2014 die Entscheidungsvorlage des Referats
P II 2 vom 8. September 2014 abgezeichnet. Er hat sich damit deren Inhalt,
insbesondere die in die Auswahlempfehlung mündende Kandidatenvorstellung
(Nr. 2 des Planungsbogens), zu Eigen gemacht und diejenigen Erwägungen
fixiert, die der gerichtlichen Kontrolle zugrunde zu legen sind.
Nach der Auswahlempfehlung wurden alle drei Kandidaten (der Beigeladene,
der Antragsteller sowie Oberst Y) als für den Dienstposten geeignet und fach-
lich kompetent erachtet, wobei der Beigeladene die Anforderungen des Dienst-
postens besser erfülle als die Mitbewerber; der Beigeladene hebe sich zudem
von den mitbetrachteten Offizieren deutlich im aktuellen Beurteilungsbild ab. In
gleicher Weise hat das Bundesministerium der Verteidigung in dem Vorlage-
schreiben zusammenfassend ausgeführt, dass sowohl der Beigeladene als
auch der Antragsteller über die erforderliche Eignung für den Dienstposten ver-
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fügten; der Beigeladene sei jedoch im Vergleich zum Antragsteller nach den
erstellten Sonderbeurteilungen mit einem Durchschnittswert in der Aufgabener-
füllung von „8,67“ im Verhältnis zu „8,00“ der deutlich leistungsstärkere Soldat.
c) Die Auswahlentscheidung des Abteilungsleiters Personal ist jedoch deshalb
rechtswidrig, weil der für die Entscheidung ausschlaggebende Leistungsver-
gleich nicht auf einer hinreichend tragfähigen Grundlage vergleichbarer Beurtei-
lungen beruht.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats haben dann, wenn mehre-
re Bewerber den Anforderungskriterien gerecht werden und deshalb über die
erforderliche Eignung für den Dienstposten verfügen, - in der Regel durch
dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeu-
tung (vgl., auch zum Folgenden, z.B. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2013
- 1 WB 60.11 - juris Rn. 36 m.w.N.; für das Beamtenrecht Urteil vom 16. August
2001 - 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <61>). Zur Ermittlung des Leistungsstands
konkurrierender Bewerber ist dabei in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der
Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen abzustellen, weshalb der letz-
ten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung
zukommt; zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähi-
gungsbildes und seiner Kontinuität ist es darüber hinaus zulässig, in die Aus-
wahlentscheidung auch frühere Beurteilungen bis zu den beiden letzten plan-
mäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen. Sind
danach mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen,
kann im Rahmen sachgerechter Erwägungen auch sonstigen sachlichen Ge-
sichtspunkten ein (gegebenenfalls) entscheidendes Gewicht für die Auswahl
beigemessen werden, sofern dadurch das Gebot der Auswahl nach Eignung,
Befähigung und Leistung nicht in Frage gestellt wird.
bb) Die heranzuziehende letzte dienstliche Beurteilung kann die Funktion als
Maßstab des Eignungs- und Leistungsvergleichs im Auswahlverfahren aller-
dings nur dann erfüllen, wenn es sich bei ihr nicht nur um die relativ aktuellste
unter den für den Soldaten erstellten Beurteilungen handelt, sondern ihr auch
- absolut gesehen - eine hinreichende Aktualität, d.h. zeitliche Nähe zum Zeit-
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punkt der Auswahlentscheidung, zukommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom
24. Mai 2011 - 1 WB 59.10 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 60 Rn. 32).
Insofern war es zutreffend und geboten, zur Vorbereitung der Entscheidung
über die hier strittige Dienstpostenbesetzung für den Antragsteller und den Bei-
geladenen Sonderbeurteilungen (Nr. 206 Buchst. a ZDv 20/6) anzufordern.
Denn für beide Offiziere waren zu dem an sich maßgeblichen aktuellen Vorla-
getermin 30. September 2013 im Hinblick auf Nr. 205 Buchst. a (1) ZDv 20/6,
wonach eine planmäßige Beurteilung für Berufssoldaten fünf Jahre vor dem
Überschreiten der für die Zurruhesetzung geltenden (besonderen, allgemeinen
oder individuellen) Altersgrenze unterbleibt, keine planmäßigen Beurteilungen
mehr erstellt worden. Die aktuellste planmäßige Beurteilung für den Antragstel-
ler datiert vielmehr vom 28. Juli 2011 (Vorlagetermin 30. September 2011) und
für den Beigeladenen - noch weiter zurückliegend - vom 31. Juli 2007 (Vorla-
getermin 30. September 2007). Unabhängig von der Divergenz der Beurtei-
lungszeitpunkte wären diese planmäßigen Beurteilungen schon aus Gründen
fehlender Aktualität nicht als Grundlage für eine Auswahlentscheidung im Sep-
tember 2014 in Betracht gekommen.
Die Sonderbeurteilungen, die nach denselben verfahrensrechtlichen und inhalt-
lichen Bestimmungen und auf demselben Vordruck abgefasst werden wie
planmäßige Beurteilungen (zu der daraus folgenden Möglichkeit, bei Soldaten
ggf. auch planmäßige und Sonderbeurteilungen miteinander zu vergleichen,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2011 - 1 WB 59.10 - Buchholz 449 § 3 SG
Nr. 60 Rn. 37), wurden für den Antragsteller am 3. April 2014 und für den Bei-
geladenen am 25. März 2014 erstellt. Sie bilden eine hinreichend aktuelle Ent-
scheidungsgrundlage.
cc) Den Sonderbeurteilungen für den Antragsteller und den Beigeladenen fehlt
jedoch die Vergleichbarkeit, weil sie sich auf unterschiedliche Beurteilungszeit-
räume beziehen. Der Unterschied in den Beurteilungszeiträumen ist im vorlie-
genden Fall so gravierend, dass die Sonderbeurteilungen ihre Funktion als
Maßstab des Leistungsvergleichs im Auswahlverfahren nicht erfüllen können.
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Die Funktion einer dienstlichen (planmäßigen oder Sonder-) Beurteilung in einer
Auswahlentscheidung als Instrument der „Klärung einer Wettbewerbssituation“
erfordert die Gewährleistung einer Vergleichbarkeit der Beurteilungen. Deshalb
muss schon im Beurteilungsverfahren soweit wie möglich gleichmäßig verfah-
ren werden; die Beurteilungsmaßstäbe müssen gleich sein und gleich ange-
wendet werden. Insbesondere der gemeinsame Beurteilungsstichtag und der
jeweils gleiche Beurteilungszeitraum garantieren eine höchstmögliche Ver-
gleichbarkeit. Für das Auswahlverfahren folgt hieraus, dass zur Wahrung der
Chancengleichheit der Bewerber ein inhaltlicher Vergleich von dienstlichen
(planmäßigen oder Sonder-) Beurteilungen nur zulässig ist, wenn er sich im
Wesentlichen auf die gleichen Beurteilungszeiträume und die gleichen Beurtei-
lungsstichtage erstreckt (vgl. insb. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Mai 2011
- 1 WB 59.10 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 60 Rn. 33 und vom 12. April 2013
- 1 WDS-VR 1.13 - juris Rn. 33). Die Einheitlichkeit des Beurteilungszeitraums
soll gewährleisten, dass die Beurteilung - für alle Beurteilten gleichmäßig - die
zu beurteilenden Merkmale nicht nur punktuell, sondern in ihrer zeitlichen Ent-
wicklung unabhängig von einer konkreten Verwendungsentscheidung erfasst
(vgl. für das Beamtenrecht BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - 2 A
2.10 - juris Rn. 10 m.w.N.)
Der Beurteilungszeitraum beginnt - von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen
abgesehen - mit dem Zeitpunkt, zu dem die vorherige planmäßige Beurteilung
oder Sonderbeurteilung, die auf Weisung der personalbearbeitenden Stelle eine
fehlende planmäßige Beurteilung ersetzt, von der oder dem Vorgesetzten unter-
schrieben wurde, und endet mit der Unterschrift der oder des beurteilenden
Vorgesetzten in der anstehenden Beurteilung (Nr. 406 Buchst. a Abs. 2 i.V.m.
Nr. 622 ZDv 20/6). Dieser Vorschrift entsprechend wurde bei der Sonderbeur-
teilung des Antragstellers, nicht aber bei derjenigen des Beigeladenen verfah-
ren.
Die Sonderbeurteilung des Antragstellers vom 3. April 2014 nennt als Datum
der letzten Beurteilung zutreffend dasjenige der planmäßigen Beurteilung vom
28. Juli 2011. Die Sonderbeurteilung beschreibt und bewertet die Tätigkeit des
Antragstellers während des gesamten sich daraus ergebenden Beurteilungs-
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zeitraums vom 28. Juli 2011 bis 3. April 2014 (siehe auch Nr. 406 Buchst. a
Abs. 2, Nr. 607 Buchst. a, Nr. 608, Nr. 612 Buchst. a Abs. 1, Nr. 905 Buchst. a
ZDv 20/6). Der Tatsache, dass sich das Unterstellungsverhältnis des Antrag-
stellers innerhalb des Beurteilungszeitraums zum 1. Oktober 2012 geändert hat
(siehe unter Nr. 2 der Sonderbeurteilung), wurde dadurch Rechnung getragen,
dass der für die Sonderbeurteilung zuständige Vorgesetzte als Beurteilungs-
grundlage vorschriftsgemäß einen Beurteilungsbeitrag des früheren Vorgesetz-
ten herangezogen (siehe Nr. 1.2 Feld c der Sonderbeurteilung) und in seine
Gesamtwürdigung einbezogen hat (Nr. 503 Buchst. a, c und i, Nr. 602 und 603
ZDv 20/6).
Die Sonderbeurteilung des Beigeladenen vom 25. März 2014 führt zwar eben-
falls das Datum der letzten Beurteilung, hier den 31. Juli 2007, an. Die Be-
schreibung und Bewertung der Tätigkeit des Beigeladenen bezieht sich inhalt-
lich jedoch nur auf die Zeit ab „Aufstellung der Abteilung ... im ...“ und auf die
Wahrnehmung der Aufgaben als ...leiter ... (siehe unter Nr. 2 der Sonderbeurtei-
lung). Für die davorliegende Zeit und die entsprechenden Verwendungen des
Beigeladenen wurden - insoweit konsequent - auch keine Beurteilungsbeiträge
früherer Vorgesetzter herangezogen (siehe Nr. 1.2 Feld c der Sonderbeurtei-
lung). Der - als solcher nicht benannte - „faktische Beurteilungszeitraum“ be-
ginnt damit wohl am 1. Januar 2013 (erste Kommandierung des Beigeladenen
zum ... zur Dienstleistung gemäß Weisung Abteilungsleiter ... durch Verfügung
vom 19. Dezember 2012), möglicherweise auch am 1. Oktober 2012 (Beginn
des Unterstellungsverhältnisses zum beurteilenden Vorgesetzten). Er bleibt
damit nicht nur hinter dem sich formal nach Nr. 406 Buchst. a Abs. 2 ZDv 20/6
ergebenden Beurteilungszeitraum (31. Juli 2007 bis 25. März 2014), sondern
vor allem auch deutlich hinter dem Beurteilungszeitraum der korrespondieren-
den Sonderbeurteilung des Antragstellers (28. Juli 2011 bis 3. April 2014) zu-
rück.
Die Sonderbeurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen stimmen
somit zwar hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Erstellens im Wesentlichen überein,
jedoch divergieren ihre Beurteilungszeiträume in einem Ausmaß, das ihre Ver-
gleichbarkeit ausschließt. Der „faktische Beurteilungszeitraum“ der Sonderbeur-
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teilung des Beigeladenen ist um 14 bzw. 17 Monate (bezogen auf den 1. Okto-
ber 2012 bzw. den 1. Januar 2013), also um mehr als die Hälfte eines regelmä-
ßigen Beurteilungsintervalls von zwei Jahren, kürzer als der mit dem 28. Juli
2011 beginnende Beurteilungszeitraum der Sonderbeurteilung des Antragstel-
lers (vgl. für eine Divergenz von acht Monaten BVerwG, Beschluss vom
12. April 2013 - 1 WDS-VR 1.13 - juris Rn. 40). Zur Herstellung einer Vergleich-
barkeit der beurteilten Leistungen auch in ihrer zeitlichen Kontinuität wäre es
erforderlich gewesen, den Beurteilungszeitraum der Sonderbeurteilung für den
Beigeladenen an denjenigen der Sonderbeurteilung für den Antragsteller anzu-
gleichen, also die Tätigkeit des Beigeladenen ebenfalls bis zum 28. Juli 2011
oder zumindest bis zum damaligen Vorlagetermin 30. September 2011 zurück-
zuverfolgen. Von diesem Erfordernis wird der beurteilende Vorgesetzte nicht
dadurch entbunden, dass er die Tätigkeit des Beigeladenen in der Zeit vor Be-
ginn des Unterstellungsverhältnisses nicht aus eigener Anschauung beurteilen
kann; er hat sich vielmehr - ebenso wie im Falle des Antragstellers gesche-
hen - die ihm fehlenden eigenen Erkenntnisse durch Anforderung und Auswer-
tung eines Beurteilungsbeitrags des früheren Vorgesetzten zu verschaffen (vgl.
für das Beamtenrecht BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - 2 A 2.10 - juris
Rn. 11 f. m.w.N.).
Die - bereits für sich genommen nicht hinnehmbare - Verkürzung des Beurtei-
lungszeitraums für den Beigeladenen wirkt sich im vorliegenden Fall darüber
hinaus dadurch weiter verzerrend aus, dass in dessen Sonderbeurteilung aus-
schließlich die Tätigkeit auf dem strittigen Dienstposten bewertet wurde. Das
Bundesministerium der Verteidigung verweist zwar zutreffend darauf, dass der
dienstlichen Beurteilung die im Beurteilungszeitraum tatsächlich wahrgenom-
menen Aufgaben und Tätigkeiten zugrunde zu legen sind (siehe auch Nr. 607
ZDv 20/6), im Falle des Beigeladenen also die Wahrnehmung der Aufgaben
des Leiters der ... im .... Dies gilt auch dann, wenn - wie im Falle des Beigela-
denen - die Personalmaßnahmen, die der Tätigkeit zugrunde liegen, wegen
Rechtswidrigkeit aufgehoben wurden (Auswahlentscheidungen vom
4. Dezember 2013 und 7. Mai 2014 mit zugehörigen Versetzungsverfügungen)
oder voraussichtlich aufzuheben sind (Auswahlentscheidung vom
10. September 2014 und Versetzungsverfügung vom 12. September 2014) (vgl.
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für das Beamtenrecht BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -
BVerwGE 138, 102 Rn. 58 und 60). Es ist jedoch nicht zu verkennen, dass die
Funktion von dienstlichen Beurteilungen als Instrument der „Klärung einer Wett-
bewerbssituation“ ganz erheblich beeinträchtigt ist, wenn sich - wie im Falle des
Beigeladenen - das Eignungs- und Leistungsurteil für einen der konkurrieren-
den Bewerber ausschließlich auf die faktische oder kommissarische Wahrneh-
mung von Aufgaben desjenigen Dienstpostens stützt, über dessen Besetzung
mit dem besten Bewerber - nach Aufhebung mehrerer vorangegangener
rechtswidriger Auswahlentscheidungen - erst entschieden werden soll. Auch
wenn der Beigeladene die vorangegangenen rechtswidrigen Auswahlentschei-
dungen nicht zu vertreten hat, so dürfen sich andererseits deren Wirkungen
nicht zulasten der Mitbewerber perpetuieren.
3. Zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3
Abs. 1 SG) des Antragstellers ist das Bundesministerium der Verteidigung ver-
pflichtet, bis zu einer Entscheidung des Senats über den Antrag des Antragstel-
lers auf gerichtliche Entscheidung gegen die Auswahlentscheidung des Abtei-
lungsleiters Personal im Bundesministerium der Verteidigung vom 10. Septem-
ber 2014 (BVerwG 1 WB 44.14) die Versetzung des Beigeladenen auf den
Dienstposten des ...leiters ... im ... vorläufig rückgängig zu machen.
Dies bedeutet, dass die Verfügung Nr. ... vom 12. September 2014 aufzuheben
ist. Vor dem Hintergrund der Umstände des vorliegenden Falls bedeutet dies
weiter, dass es das Bundesministerium der Verteidigung (und die ihm nachge-
ordneten Dienststellen) zu unterlassen hat, den Beigeladenen anschließend
wiederum mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens des ...leiters
... im ... zu betrauen; die kommissarische Aufgabenwahrnehmung ist, sofern die
amtsinterne Vertretungsregelung nicht ausreichen sollte, auf andere Weise si-
cherzustellen. Der vorläufige Rechtsschutz würde leerlaufen, wenn auch ein
Obsiegen des Antragstellers nichts daran ändern könnte, dass der ausgewählte
Konkurrent in einem Falle, in dem die Entscheidung zur Dienstpostenbesetzung
bereits zwei Mal aufgehoben wurde und voraussichtlich ein drittes Mal aufzuhe-
ben sein wird, seinen materiellen Erfahrungsvorsprung (siehe oben II.1. zum
Anordnungsgrund) gleichwohl immer weiter ausbaut.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1
Satz 1 WBO. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Dr. von Heimburg Dr. Frentz Dr. Langer
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