Urteil des BVerwG vom 26.03.2015

Beamtenrecht, Vergleich, Leiter, Anforderung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 44.14
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberst ...,
- Bevollmächtigte:
Beigeladener:
Herr Oberst X,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Generalleutnant Fritz und
die ehrenamtliche Richterin Oberstabsapotheker Riedel
am 26. März 2015 beschlossen:
Die Entscheidung des Abteilungsleiters Personal im Bun-
desministerium der Verteidigung vom 10. September
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2014, den Dienstposten des ...leiters ... im ...amt mit dem
Beigeladenen zu besetzen, wird aufgehoben.
Das Bundesministerium der Verteidigung wird verpflichtet,
über die Besetzung dieses Dienstpostens unter Beach-
tung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entschei-
den.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesver-
waltungsgericht erwachsenen notwendigen Aufwendun-
gen werden dem Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung betrifft einen Konkurrentenstreit um
die Besetzung des nach Besoldungsgruppe B 2 bewerteten Dienstpostens des
...leiters ... im ...amt ... in B..
Der 19.. geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet (in der
derzeitigen Besoldungsgruppe) voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 20...
Zuletzt wurde er am 18. Dezember 2009 zum Oberst befördert und mit Wirkung
vom 1. Oktober 20.. in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen.
Derzeit wird der Antragsteller als Leiter der Gruppe ... im ...amt in B. verwendet.
Am 4. Dezember 2013 entschied der Abteilungsleiter Personal im Bundesminis-
terium der Verteidigung - erstmals -, den nach Besoldungsgruppe B 2 bewerte-
ten Dienstposten des ...leiters ... im ... mit dem Beigeladenen, der bereits seit
Aufstellung des ... die Aufgaben dieses Dienstpostens wahrgenommen hatte,
zu besetzen.
Gegen diese Auswahlentscheidung beantragte der Antragsteller unter dem
9. Januar 2014 die gerichtliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsge-
richt sowie vorläufigen Rechtsschutz. Unter dem 19. Februar 2014 verfügte das
Bundesministerium der Verteidigung die Aufhebung der Auswahlentscheidung
vom 4. Dezember 2013 wegen eines Verfahrensfehlers (Fehlen aktueller Beur-
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teilungen für die Bewerber). Der Antragsteller nahm daraufhin seine Rechtsbe-
helfe zurück. Der Beigeladene wurde auf einen Dienstposten z.b.V bei gleich-
zeitiger Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens des ...leiters ... ver-
setzt.
Am 7. Mai 2014 entschied der Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium
der Verteidigung erneut, den Dienstposten des ...leiters ... im ... mit dem Beige-
ladenen zu besetzen. Am 30. Mai 2014 erfolgte zudem die Einweisung des Bei-
geladenen in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 2 rückwirkend zum
1. März 2014 (voraussichtliches Dienstzeitende des Beigeladenen danach:
30. Juni 2017). Der Antragsteller wurde am 5. Juni 2014 vom Stellvertreter des
Amtschefs des ...amts über die Auswahlentscheidung vom 7. Mai 2014 und
über seine Nichtauswahl informiert.
Bereits mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 22. Mai 2014 hatte der An-
tragsteller beim Bundesministerium der Verteidigung einen Antrag gemäß § 3
Abs. 2 WBO wegen der weiterhin erfolgenden Aufgabenwahrnehmung durch
den Beigeladenen gestellt. Nach Kenntnis von der Auswahlentscheidung vom
7. Mai 2014 beantragte der Antragsteller hiergegen mit Schreiben vom 9. Juni
2014 die Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht sowie erneut vor-
läufigen Rechtsschutz. Nach Darstellung des Bundesministeriums der Verteidi-
gung hatte dieses allerdings schon zuvor wegen eines erneuten Verfahrensfeh-
lers (die angeforderten Sonderbeurteilungen lagen nicht vollständig vor und wa-
ren teilweise noch nicht abgeschlossen) veranlasst, die Auswahlentscheidung
aufzuheben, was am 23. Juli 2014 erfolgte. Der Beigeladene wurde daraufhin
wiederum auf einen z.b.V.-Dienstposten unter gleichzeitiger Wahrnehmung der
Aufgaben des Dienstpostens des ...leiters ... versetzt.
Unter dem 8. August 2014 legte das Bundesministerium der Verteidigung
- R II 2 - den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vom 22. Mai 2014 dem Senat
vor. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 29. August 2014 wiederholte
der Antragsteller den Antrag vorsorglich für die erneute Betrauung des Beigela-
denen mit der Wahrnehmung der Aufgaben des strittigen Dienstpostens nach
Aufhebung der (zweiten) Auswahlentscheidung vom 7. Mai 2014. Das gesamte
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mit dem Antrag vom 22. Mai 2014 eingeleitete, die Besetzung des Dienstpos-
tens des ...leiters ... beim ... betreffende Verfahren des vorläufigen Rechts-
schutzes wurde beim Senat einheitlich unter dem Aktenzeichen BVerwG
1 WDS-VR 2.14 geführt.
Am 10. September 2014 traf der Abteilungsleiter Personal im Bundesministeri-
um der Verteidigung die hier gegenständliche - dritte - Auswahlentscheidung für
die Besetzung des Dienstpostens des ...leiters ... im ..., die wiederum zuguns-
ten des Beigeladenen ausfiel. Der Beigeladene wurde mit Verfügung vom
12. September 2014 auf den Dienstposten versetzt. Der Auswahlentscheidung
des Abteilungsleiters liegt eine von ihm gebilligte Entscheidungsvorlage des
Referats P II 2 des Bundesministeriums der Verteidigung zugrunde. Der Vorla-
ge beigefügt ist ein Planungsbogen für das Auswahlverfahren, der sich in eine
Dienstpostenbeschreibung, eine mit einer Auswahlempfehlung schließende
Kandidatenvorstellung sowie ein Protokoll mit der Auflistung der Stellungnah-
men der beteiligten Stellen gliedert. Außerdem liegen Personalbögen der drei
betrachteten Kandidaten - der Antragsteller, der Beigeladene sowie Oberst Y. -
bei.
Für den Leistungsvergleich der Bewerber wurden Sonderbeurteilungen erstellt.
Die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten wurde für den Antragsteller in der
Sonderbeurteilung vom 3. April 2014 mit einem Durchschnittswert von "8,00"
und die Entwicklungsprognose mit "deutlich oberhalb der allgemeinen Lauf-
bahnperspektive" bewertet. Der Beigeladene erhielt in seiner Sonderbeurteilung
vom 25. März 2014 für die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten einen
Durchschnittswert von "8,67"; seine Entwicklungsprognose lautete ebenfalls auf
"deutlich oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive".
Die Auswahlempfehlung des Referats P II 2 lautet wie folgt:
"Alle drei Offiziere sind für den Dienstposten geeignet und
verfügen über die erforderliche fachliche Kompetenz.
Oberst X., der derzeit die Aufgaben des unbesetzten
Dienstpostens wahrnimmt, erfüllt die Anforderungen auf
dem Dienstposten uneingeschränkt und am besten - auch
nach Auffassung des Bedarfsträgers. Die beiden anderen
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Offiziere erfüllen das Anforderungsprofil weitgehend. Zu-
dem hebt sich Oberst X. von den mitbetrachteten Offizie-
ren deutlich im aktuellen Beurteilungsbild ab. Aufgrund
dieser Abgrenzung sowie aufgrund des artikulierten Be-
setzungswunsches des Bedarfsträgers empfiehlt P II 2 die
Oberst X.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 26. September 2014 hat der An-
tragsteller gegen die Auswahlentscheidung vom 10. September 2014 und die
Versetzungsverfügung vom 12. September 2014 die gerichtliche Entscheidung
des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Mit Schriftsatz vom 25. September
2014 hat er außerdem seinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, nunmehr
bezogen auf die Auswahlentscheidung vom 10. September 2014, erneuert. Das
Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat den Antrag auf gerichtliche
Entscheidung mit seiner Stellungnahme vom 6. Oktober 2014 dem Senat vor-
gelegt.
Zur Begründung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung trägt der Antrag-
steller insbesondere vor:
Die Auswahlentscheidung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten.
Mit den angeforderten Sonderbeurteilungen sei es ersichtlich darum gegangen,
die bereits zweimal fehlerhaft ergangene Auswahlentscheidung nochmals tref-
fen zu können. Bei der Sonderbeurteilung für den Beigeladenen handele es
sich um eine von dem Abteilungsleiter ... im ... für dessen "Wunschkandidaten"
erstellte "Gefälligkeitsbeurteilung". Sämtliche vom Beigeladenen dort betreuten
Projekte seien in zeitlichen Verzug geraten. Die Qualität der vom Beigeladenen
erbrachten Arbeiten sei Gegenstand eines Untersuchungsauftrags durch die
Firma ..., dessen erstes Zwischenergebnis so vernichtend ausgefallen sei, dass
es nicht öffentlich gemacht worden sei. Die Kosten allein für den Untersu-
chungsauftrag hätten ca. 600 000 € betragen.
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Der Vergleich der Beurteilungen bilde auch im Übrigen keine tragfähige Grund-
lage für die Auswahlentscheidung. Für den Beigeladenen sei vor dessen Son-
derbeurteilung zuletzt am 31. Juli 2007 eine Beurteilung erstellt worden, wobei
die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten mit einem Durchschnittswert von
"5,4" bewertet worden sei. Die für ihn, den Antragsteller, zum selben Vorla-
getermin erstellte Beurteilung weise einen Durchschnittswert der Aufgabenerfül-
lung von "6,0" auf. Anders als er, der Antragsteller, sei der Beigeladene zudem
in den Folgejahren nicht mehr beurteilt worden. Die für den Beigeladenen er-
stellte Sonderbeurteilung 2014 beziehe sich ausschließlich auf dessen Tätigkeit
bei der Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens des ...leiters ..., wobei
das Unterstellungsverhältnis zu dem beurteilenden Vorgesetzten am 1. Oktober
2012 begonnen habe. Somit sei der gesamte Zeitraum vom 1. August 2007 bis
zum 30. September 2012 unberücksichtigt geblieben; auch Beurteilungsbeiträ-
ge für diesen Zeitraum lägen nicht vor. Seine, des Antragstellers, Sonderbeur-
teilung schließe hingegen an den Stichtag seiner letzten planmäßigen Beurtei-
lung vom 28. Juli 2011 an und decke dementsprechend einen längeren Zeit-
raum ab als diejenige für den Beigeladenen. Es fehle deshalb insgesamt an
einer Vergleichbarkeit der dienstlichen Beurteilungen.
Aus den für ihn, den Antragsteller, vorliegenden lückenlosen Beurteilungen fol-
ge, dass ihm seit 2004 kontinuierlich die Eignung für die Ebene des Abteilungs-
leiters und höher zuerkannt worden sei und seine Verwendungshinweise erheb-
lich weiterreichender seien als diejenigen für den Beigeladenen. Der Beigelade-
ne erfülle von den sechs dienstpostenbezogenen Voraussetzungen allein drei
nur deshalb, weil er zuvor die Aufgaben des Dienstpostens auf der Grundlage
von rechtswidrigen Auswahlentscheidungen wahrgenommen habe. Unzutref-
fend nehme das Bundesministerium der Verteidigung ferner an, dass nur der
Beigeladene Erfahrungen als Vertreter des Abteilungsleiters aufweise. Nicht
berücksichtigt worden sei, dass auch er, der Antragsteller, seit Januar 2009 als
...leiter den Abteilungsleiter der ...abteilung ... im ...amt vertrete und außerdem
von Juni 2007 bis Juli 2008 ständiger Vertreter des stellvertretenden
...-Direktors ... und ... im Bundesministerium der Verteidigung gewesen sei. Die
einzigen nachweisbaren Erfahrungen des Beigeladenen bestünden dagegen
wiederum nur in dessen Aufgabenwahrnehmung auf dem strittigen Dienstpos-
ten.
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Ferner seien die Anforderungen in der Dienstpostenbeschreibung ersichtlich auf
den Beigeladenen zugeschnitten worden. Richtigerweise hätte sich sein, des
Antragstellers, Eignungsvorsprung daraus ergeben, dass die umfassende Ver-
antwortung zur Wahrnehmung der Aufgabe als Projekt- und Nutzungsleiter ...
u.a. Erfahrungen in der Prozessorganisation sowie in der Einführungs- und Nut-
zungsorganisation voraussetze; dieser Eignungsaspekt sei bei den dienstpos-
tenbezogenen Voraussetzungen indes nicht genannt. Fehlerhaft heiße es in
den Auswahlerwägungen außerdem, dass er, der Antragsteller, bisher keine
Erfahrung im Führen von zivil/militärisch stark durchmischten großen Organisa-
tionseinheiten mit IT-spezifischer Projektausrichtung erworben habe. Unter der
Rubrik "Vorverwendungen als Kommandeur A und B" finde sich jedoch ein ent-
sprechender Eintrag. Darüber hinaus hätte neben dem dort aufgeführten Tätig-
keitsnachweis als Kommandeur des ...bataillons ... genannt werden müssen,
dass er, der Antragsteller, über eine Vorverwendung als stellvertretender Kom-
mandeur des ...regiments ... und Feldlagerkommandant im K. verfüge.
Der Antragsteller beantragt,
die Entscheidung des Abteilungsleiters Personal des Bun-
desministeriums der Verteidigung vom 10. September
2014, den nach der Besoldungsgruppe B 2 dotierten
...leiter ...-Dienstposten im ...amt ... mit dem Beigeladenen
zu besetzen, sowie die Versetzungsverfügung vom
12. September 2014, mit welcher der Beigeladene auf
diesen Dienstposten versetzt wird, aufzuheben und die
Bundesministerin der Verteidigung zu verpflichten, über
die Besetzung dieses Dienstpostens unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Behauptung einer "Gefälligkeitsbeurteilung" für den Beigeladenen entbehre
jeder Grundlage. Insoweit werde auf Stellungnahmen des Präsidenten des ...
vom 1. Dezember 2014 und des Abteilungsleiters ... im Bundesministerium der
Verteidigung vom 3. Dezember 2014 Bezug genommen. Aus der Stellungnah-
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me des Präsidenten des ... sei auch ersichtlich, dass von einem Zuschnitt der
Dienstpostenbeschreibung auf den Beigeladenen keine Rede sein könne.
Bei der Auswahlentscheidung seien sowohl der Antragsteller als auch der Bei-
geladene als geeignete Bewerber eingeschätzt worden. Der Beigeladene sei im
Vergleich zum Antragsteller ausweislich der für beide Soldaten erstellten Son-
derbeurteilungen jedoch wesentlich leistungsstärker. Auch wenn beide Soldaten
dem ersten Wertungsbereich angehörten, könne ein Durchschnittswert in der
Aufgabenerfüllung von "8,67" im Verhältnis zu "8,00" nicht mehr als im Wesent-
lichen gleich angesehen werden. Die Beurteilungen des Antragstellers und des
Beigeladenen seien auch vergleichbar. Für den Beigeladenen liege für die Zeit
ab 2007 keine planmäßige Beurteilung vor, weil gemäß Nr. 205 Buchst. a
ZDv 20/6 fünf Jahre vor dem Überschreiten der maßgeblichen Altersgrenze
keine planmäßige Beurteilung mehr zu erstellen gewesen sei. Als Beurteilungs-
grundlage für den Beigeladenen habe daher nur der Zeitraum herangezogen
werden können, in dem er dem derzeitigen beurteilenden Vorgesetzten unter-
stellt gewesen sei. In der Sonderbeurteilung für den Beigeladenen habe dessen
kommissarische Aufgabenwahrnehmung auf dem strittigen Dienstposten be-
rücksichtigt werden können und müssen, weil eine Beurteilung an den an einen
Soldaten im Beurteilungszeitraum gestellten Anforderungen auszurichten sei.
Entscheidend für eine Vergleichbarkeit von Beurteilungen sei nicht die Überein-
stimmung des Beurteilungszeitraums, sondern der Zeitpunkt des Erstellens, der
in einem engen Zeitfenster liegen müsse. Dies sei vorliegend mit der Beurtei-
lung des Beigeladenen vom 25. März 2014 und der des Antragstellers vom
3. April 2014 der Fall.
Die Feststellung im Planungsbogen für das Auswahlverfahren, dass der Beige-
ladene im Gegensatz zum Antragsteller Erfahrungen als Vertreter des Abtei-
lungsleiters und bei der Unterstützung des Abteilungsleiters in militärischen An-
gelegenheiten außerhalb von militärischen Organisationsbereichen aufweisen
könne, sei bezogen auf den Abteilungsleiter ... im ... zutreffend. Soweit der An-
tragsteller auf entsprechende eigene Erfahrungen verweise, treffe dies nur ein-
geschränkt zu. So sei in der planmäßigen Beurteilung von 2009 lediglich von
einer Vertretung des stellvertretenden ...-Direktors bei Besprechungen, in Sit-
zungen und Routineangelegenheiten die Rede, woraus sich keine gründliche
Erfahrung als Vertreter eines Abteilungsleiters mit einem weit darüber hinaus-
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gehenden Tätigkeitsfeld ergebe. Ähnliches gelte für die Tätigkeit als stellvertre-
tender Kommandeur des ...regiments ..., wobei die entsprechenden Erfahrun-
gen auch wegen der nur siebenmonatigen Dauer des ...-Einsatzes nicht als
ausgeprägt anzusehen seien.
Der Senat hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom
3. Februar 2015 - 1 WDS-VR 2.14 - das Bundesministerium der Verteidigung
verpflichtet, bis zur Entscheidung über den hier gegenständlichen Antrag auf
gerichtliche Entscheidung die Versetzung des Beigeladenen auf den Dienstpos-
ten des ...leiters ... im ... vorläufig rückgängig zu machen und den Beigeladenen
auch nicht wiederum mit der kommissarischen Wahrnehmung der Aufgaben
dieses Dienstpostens zu betrauen. In den Gründen hat der Senat insbesondere
beanstandet, dass den Sonderbeurteilungen für den Antragsteller und den Bei-
geladenen die Vergleichbarkeit fehle, weil sie sich auf unterschiedliche Beurtei-
lungszeiträume bezögen; der Unterschied in den Beurteilungszeiträumen sei so
gravierend, dass die Sonderbeurteilungen ihre Funktion als Maßstab des Leis-
tungsvergleichs im Auswahlverfahren nicht erfüllen könnten.
Im Anschluss an den Beschluss vom 3. Februar 2015 wurde am 9. Februar
2015 die Versetzung des Beigeladenen auf den strittigen Dienstposten aufge-
hoben und der Beigeladene bis auf Weiteres mit der kommissarischen Leitung
der Gruppe ... "... " im ... (anstelle des erkrankten regulären Gruppenleiters) be-
traut.
Zu den Gründen des Beschlusses vom 3. Februar 2015 trägt das Bundesminis-
terium der Verteidigung ergänzend vor:
Die in dem Beschluss geforderte Angleichung der Beurteilungszeiträume für die
Sonderbeurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen sei in den gel-
tenden Beurteilungsbestimmungen nicht vorgesehen. Vielmehr beginne der Be-
urteilungszeitraum mit dem Tag des Abschlusses der letzten planmäßigen Be-
urteilung (Nr. 406 Buchst. a Abs. 2 ZDv 20/6), im Falle des Beigeladenen also
dem 31. Juli 2007. Für diesen Zeitraum seien im Hinblick auf Nr. 205 Buchst. a
(1) ZDv 20/6, wonach fünf Jahre vor dem Überschreiten der maßgeblichen Al-
tersgrenze planmäßige Beurteilungen unterblieben, weder Beurteilungen noch
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Beurteilungsbeiträge erstellt worden; Beurteilungsbeiträge könnten wegen der
Zurruhesetzung vormaliger beurteilender Vorgesetzter auch nachträglich nicht
mehr lückenlos erstellt werden. Insofern bilde die Anforderung einer Sonderbe-
urteilung für den Beigeladenen für die Dauer der Unterstellung unter seinen
derzeitigen beurteilenden Vorgesetzten die sachgerechte Vorgehensweise in
dem vorliegenden, von den Beurteilungsbestimmungen nicht geregelten Son-
derfall. Probleme des Vergleichs von Beurteilungen mit unterschiedlich weit zu-
rückreichenden Beurteilungszeiträumen ergäben sich im Übrigen auch nach
längeren Beurlaubungen wie Elternzeit oder Betreuungsurlaub oder im Falle
eines Verzichts nach Nr. 205 Buchst. b ZDv 20/6. Unter dem Blickwinkel von
Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG sei der gemeinsame Beurteilungszeit-
punkt (Vorlagetermin) wichtiger als ein im Wesentlichen gleicher Beurteilungs-
zeitraum, der in den Sonderfällen entweder gar nicht oder nur für einen kurzen,
nicht aussagekräftigen Zeitraum herzustellen sei.
Der Antragsteller schließt sich im Wesentlichen den Gründen des Beschlusses
vom 3. Februar 2015 an und betont, dass es für die Rechtmäßigkeit der Aus-
wahlentscheidung nicht auf möglicherweise entgegenstehende Bestimmungen
der ZDv 20/6 ankomme.
Auf Nachfrage des Gerichts hat das Bundesministerium der Verteidigung mitge-
teilt, dass sich die in der Zeit ab dem 1. Oktober 2010 zuständigen früheren be-
urteilenden Vorgesetzten des Beigeladenen noch nicht im Ruhestand befänden,
sodass eine Anforderung von Beurteilungsbeiträgen für den Zeitraum ab dem
28. Juli 2011 bzw. 1. Oktober 2011 bis zum Beginn des aktuellen Unterstel-
lungsverhältnisses grundsätzlich möglich gewesen sei.
Der Beigeladene hatte im gesamten Verfahren Gelegenheit zur Äußerung.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen. Die Unterlagen des Auswahlverfahrens, der Anlagenband zu der
Stellungnahme des Präsidenten des ... vom 2. Dezember 2014, die Personal-
grundakten des Antragstellers und des Beigeladenen, jeweils Hauptteile A bis
D, und die Akten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes (BVerwG
1 WDS-VR 2.14) haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
Insbesondere hat sich der Rechtsstreit nicht dadurch erledigt, dass der Beige-
ladene (mit kurzfristigen Unterbrechungen) seit dem 1. Dezember 2013 bis zum
9. Februar 2015 auf den strittigen Dienstposten versetzt war und zum 1. März
2014 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 2 eingewiesen wurde. Nach
ständiger Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene
militärische Verwendungsentscheidung - auch nach einer der Bewertung des
Dienstpostens entsprechenden Beförderung oder Planstelleneinweisung - nicht
dahin, dass der durch sie begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position
erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; er
müsste es vielmehr hinnehmen, von dem Dienstposten wegversetzt zu werden
oder - wie hier - wegversetzt zu bleiben, wenn der Antragsteller bei der Stellen-
besetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden wäre (vgl. z.B.
BVerwG, Beschluss vom 25. April 2007 - 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329
Rn. 39 m.w.N.).
2. Der Antrag ist auch begründet.
Die Entscheidung des Abteilungsleiters Personal im Bundesministerium der
Verteidigung vom 10. September 2014, den nach Besoldungsgruppe B 2 be-
werteten Dienstposten des ...leiters ... im (...) mit dem Beigeladenen zu beset-
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zen, ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinem Bewerbungsver-
fahrensanspruch (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG). Die Auswahlentscheidung
vom 10. September 2014 ist deshalb aufzuheben (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m.
§ 19 Abs. 1 Satz 1 WBO); die Versetzung des Beigeladenen auf den Dienstpos-
ten wurde bereits nach dem Beschluss vom 3. Februar 2015 - 1 WDS-VR 2.14 -
am 9. Februar 2015 durch das Bundesministerium der Verteidigung aufgeho-
ben. Das Bundesministerium der Verteidigung ist verpflichtet, über die Beset-
zung des Dienstpostens unter Beachtung der nachfolgenden Rechtsauffassung
des Gerichts neu zu entscheiden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 4
WBO).
a) Nach der Rechtsprechung zu beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten
um Beförderungsämter folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG ein Bewerbungsverfahrens-
anspruch, der Bewerbern um ein öffentliches Amt ein grundrechtsgleiches
Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung - nach Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung - in die Bewerberauswahl gibt; die Bewerbung darf nur aus
Gründen abgelehnt werden, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (vgl.
BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <102>).
§ 3 Abs. 1 SG übernimmt die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG in das Dienst-
verhältnis der Soldaten und erstreckt sie über Ernennungen hinaus auf Ver-
wendungsentscheidungen. Der Senat hat deshalb einen dem Beamtenrecht
entsprechenden Bewerbungsverfahrensanspruch auch für soldatenrechtliche
Konkurrenzverhältnisse anerkannt (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 29. Ja-
nuar 2013 - 1 WB 60.11 - juris Rn. 40 m.w.N.). Allerdings beschränkt sich die
Geltung des Grundsatzes der Bestenauslese im Bereich der Verwendungsent-
scheidungen auf Entscheidungen über - wie hier - höherwertige, die Beförde-
rung in einen höheren Dienstgrad oder die Einweisung in die Planstelle einer
höheren Besoldungsgruppe vorprägende Verwendungen (vgl. klarstellend
BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2014 - 1 WB 1.13 - juris Rn. 32).
Aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt ferner die Verpflichtung des
Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Aus-
wahlerwägungen schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle
durch den unterlegenen Bewerber und ggf. durch das Gericht zu ermöglichen
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(vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - BVerfGK 11,
398 <402 f.>). Dem folgend hat der Senat eine entsprechende Verpflichtung zur
Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen auch für Entscheidungen
angenommen, die ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige militärische
Verwendung betreffen (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 25. April 2007
- 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 <335 f.> und vom 16. Dezember 2008
- 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 36). Zur Dokumentation verpflichtet ist
dabei primär die Stelle, die für die zu treffende Auswahlentscheidung zuständig
ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 2010 - 1 WB 36.09 - Rn. 27).
b) Die Dokumentationspflicht ist mit den vom Bundesministerium der Verteidi-
gung vorgelegten Auswahlunterlagen erfüllt.
Der für die Auswahlentscheidung zuständige und damit primär dokumentati-
onspflichtige Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium der Verteidigung
hat unter dem 10. September 2014 die Entscheidungsvorlage des Referats
P II 2 vom 8. September 2014 abgezeichnet. Er hat sich damit deren Inhalt,
insbesondere die in die Auswahlempfehlung mündende Kandidatenvorstellung
(Nr. 2 des Planungsbogens), zu Eigen gemacht und diejenigen Erwägungen
fixiert, die der gerichtlichen Kontrolle zugrunde zu legen sind.
Nach der Auswahlempfehlung wurden alle drei Kandidaten (der Beigeladene,
der Antragsteller sowie Oberst Y.) als für den Dienstposten geeignet und fach-
lich kompetent erachtet, wobei der Beigeladene die Anforderungen des Dienst-
postens besser erfülle als die Mitbewerber; der Beigeladene hebe sich zudem
von den mitbetrachteten Offizieren deutlich im aktuellen Beurteilungsbild ab. In
gleicher Weise hat das Bundesministerium der Verteidigung in dem Vorlage-
schreiben zusammenfassend ausgeführt, dass sowohl der Beigeladene als
auch der Antragsteller über die erforderliche Eignung für den Dienstposten ver-
fügten; der Beigeladene sei jedoch im Vergleich zum Antragsteller nach den
erstellten Sonderbeurteilungen mit einem Durchschnittswert in der Aufgabener-
füllung von "8,67" im Verhältnis zu "8,00" der deutlich leistungsstärkere Soldat.
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c) Die Auswahlentscheidung des Abteilungsleiters Personal ist rechtswidrig,
weil der für die Entscheidung ausschlaggebende Leistungsvergleich nicht auf
einer hinreichend tragfähigen Grundlage vergleichbarer Beurteilungen beruht.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats haben dann, wenn mehre-
re Bewerber den Anforderungskriterien gerecht werden und deshalb über die
erforderliche Eignung für den Dienstposten verfügen, - in der Regel durch
dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeu-
tung (vgl., auch zum Folgenden, z.B. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2013
- 1 WB 60.11 - juris Rn. 36 m.w.N.; für das Beamtenrecht Urteil vom 16. August
2001 - 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <61>). Zur Ermittlung des Leistungsstands
konkurrierender Bewerber ist dabei in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der
Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen abzustellen, weshalb der letz-
ten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung
zukommt; zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähi-
gungsbildes und seiner Kontinuität ist es darüber hinaus zulässig, in die Aus-
wahlentscheidung auch frühere Beurteilungen bis zu den beiden letzten plan-
mäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen. Sind
danach mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen,
kann im Rahmen sachgerechter Erwägungen auch sonstigen sachlichen Ge-
sichtspunkten ein (gegebenenfalls) entscheidendes Gewicht für die Auswahl
beigemessen werden, sofern dadurch das Gebot der Auswahl nach Eignung,
Befähigung und Leistung nicht in Frage gestellt wird.
bb) Die heranzuziehende letzte dienstliche Beurteilung kann die Funktion als
Maßstab des Eignungs- und Leistungsvergleichs im Auswahlverfahren aller-
dings nur dann erfüllen, wenn es sich bei ihr nicht nur um die relativ aktuellste
unter den für den Soldaten erstellten Beurteilungen handelt, sondern ihr auch
- absolut gesehen - eine hinreichende Aktualität, d.h. zeitliche Nähe zum Zeit-
punkt der Auswahlentscheidung, zukommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom
24. Mai 2011 - 1 WB 59.10 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 60 Rn. 32).
Insofern war es zutreffend und geboten, zur Vorbereitung der Entscheidung
über die hier strittige Dienstpostenbesetzung für den Antragsteller und den Bei-
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geladenen Sonderbeurteilungen (Nr. 206 Buchst. a ZDv 20/6) anzufordern.
Denn für beide Offiziere waren zu dem an sich maßgeblichen aktuellen Vorla-
getermin 30. September 2013 im Hinblick auf Nr. 205 Buchst. a (1) ZDv 20/6,
wonach eine planmäßige Beurteilung für Berufssoldaten fünf Jahre vor dem
Überschreiten der für die Zurruhesetzung geltenden (besonderen, allgemeinen
oder individuellen) Altersgrenze unterbleibt, keine planmäßigen Beurteilungen
mehr erstellt worden. Die aktuellste planmäßige Beurteilung für den Antragstel-
ler datiert vielmehr vom 28. Juli 2011 (Vorlagetermin 30. September 2011) und
für den Beigeladenen - noch weiter zurückliegend - vom 31. Juli 2007 (Vorla-
getermin 30. September 2007). Unabhängig von der Divergenz der Beurtei-
lungszeitpunkte wären diese planmäßigen Beurteilungen schon aus Gründen
fehlender Aktualität nicht als Grundlage für eine Auswahlentscheidung im Sep-
tember 2014 in Betracht gekommen.
Die Sonderbeurteilungen, die nach denselben verfahrensrechtlichen und inhalt-
lichen Bestimmungen und auf demselben Vordruck abgefasst werden wie
planmäßige Beurteilungen (zu der daraus folgenden Möglichkeit, bei Soldaten
ggf. auch planmäßige und Sonderbeurteilungen miteinander zu vergleichen,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2011 - 1 WB 59.10 - Buchholz 449 § 3 SG
Nr. 60 Rn. 37), wurden für den Antragsteller am 3. April 2014 und für den Bei-
geladenen am 25. März 2014 erstellt. Sie bilden eine hinreichend aktuelle Ent-
scheidungsgrundlage.
cc) Den Sonderbeurteilungen für den Antragsteller und den Beigeladenen fehlt
jedoch die Vergleichbarkeit, weil sie sich auf unterschiedliche Beurteilungszeit-
räume beziehen. Der Unterschied in den Beurteilungszeiträumen ist im vorlie-
genden Fall so gravierend, dass die Sonderbeurteilungen ihre Funktion als
Maßstab des Leistungsvergleichs im Auswahlverfahren nicht erfüllen können.
Die Funktion einer dienstlichen (planmäßigen oder Sonder-) Beurteilung in einer
Auswahlentscheidung als Instrument der "Klärung einer Wettbewerbssituation"
erfordert die Gewährleistung einer Vergleichbarkeit der Beurteilungen. Deshalb
muss schon im Beurteilungsverfahren soweit wie möglich gleichmäßig verfah-
ren werden; die Beurteilungsmaßstäbe müssen gleich sein und gleich ange-
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wendet werden. Insbesondere der gemeinsame Beurteilungsstichtag und der
jeweils gleiche Beurteilungszeitraum garantieren eine höchstmögliche Ver-
gleichbarkeit. Für das Auswahlverfahren folgt hieraus, dass zur Wahrung der
Chancengleichheit der Bewerber ein inhaltlicher Vergleich von dienstlichen
(planmäßigen oder Sonder-) Beurteilungen nur zulässig ist, wenn er sich im
Wesentlichen auf die gleichen Beurteilungszeiträume und die gleichen Beurtei-
lungsstichtage erstreckt (vgl. insb. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Mai 2011
- 1 WB 59.10 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 60 Rn. 33 und vom 12. April 2013
- 1 WDS-VR 1.13 - juris Rn. 33). Die Einheitlichkeit des Beurteilungszeitraums
soll gewährleisten, dass die Beurteilung - für alle Beurteilten gleichmäßig - die
zu beurteilenden Merkmale nicht nur punktuell, sondern in ihrer zeitlichen Ent-
wicklung unabhängig von einer konkreten Verwendungsentscheidung erfasst
(vgl. für das Beamtenrecht BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - 2 A
2.10 - juris Rn. 10 m.w.N.)
Der Beurteilungszeitraum beginnt - von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen
abgesehen - mit dem Zeitpunkt, zu dem die vorherige planmäßige Beurteilung
oder Sonderbeurteilung, die auf Weisung der personalbearbeitenden Stelle eine
fehlende planmäßige Beurteilung ersetzt, von der oder dem Vorgesetzten unter-
schrieben wurde, und endet mit der Unterschrift der oder des beurteilenden
Vorgesetzten in der anstehenden Beurteilung (Nr. 406 Buchst. a Abs. 2 i.V.m.
Nr. 622 ZDv 20/6). Dieser Vorschrift entsprechend wurde bei der Sonderbeur-
teilung des Antragstellers, nicht aber bei derjenigen des Beigeladenen verfah-
ren.
Die Sonderbeurteilung des Antragstellers vom 3. April 2014 nennt als Datum
der letzten Beurteilung zutreffend dasjenige der planmäßigen Beurteilung vom
28. Juli 2011. Die Sonderbeurteilung beschreibt und bewertet die Tätigkeit des
Antragstellers während des gesamten sich daraus ergebenden Beurteilungs-
zeitraums vom 28. Juli 2011 bis 3. April 2014 (siehe auch Nr. 406 Buchst. a
Abs. 2, Nr. 607 Buchst. a, Nr. 608, Nr. 612 Buchst. a Abs. 1, Nr. 905 Buchst. a
ZDv 20/6). Der Tatsache, dass sich das Unterstellungsverhältnis des Antrag-
stellers innerhalb des Beurteilungszeitraums zum 1. Oktober 2012 geändert hat
(siehe unter Nr. 2 der Sonderbeurteilung), wurde dadurch Rechnung getragen,
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dass der für die Sonderbeurteilung zuständige Vorgesetzte als Beurteilungs-
grundlage vorschriftsgemäß einen Beurteilungsbeitrag des früheren Vorgesetz-
ten herangezogen (siehe Nr. 1.2 Feld c der Sonderbeurteilung) und in seine
Gesamtwürdigung einbezogen hat (Nr. 503 Buchst. a, c und i, Nr. 602 und 603
ZDv 20/6).
Die Sonderbeurteilung des Beigeladenen vom 25. März 2014 führt zwar eben-
falls das Datum der letzten Beurteilung, hier den 31. Juli 2007, an. Die Be-
schreibung und Bewertung der Tätigkeit des Beigeladenen bezieht sich inhalt-
lich jedoch nur auf die Zeit ab "Aufstellung der Abteilung ... im ..." und auf die
Wahrnehmung der Aufgaben als ...leiter ... (siehe unter Nr. 2 der Sonderbeurtei-
lung). Für die davorliegende Zeit und die entsprechenden Verwendungen des
Beigeladenen wurden - insoweit konsequent - auch keine Beurteilungsbeiträge
früherer Vorgesetzter herangezogen (siehe Nr. 1.2 Feld c der Sonderbeurtei-
lung). Der - als solcher nicht benannte - "faktische Beurteilungszeitraum" be-
ginnt damit wohl am 1. Januar 2013 (erste Kommandierung des Beigeladenen
zum ... zur Dienstleistung gemäß Weisung Abteilungsleiter ... durch Verfügung
vom 19. Dezember 2012), möglicherweise auch am 1. Oktober 2012 (Beginn
des Unterstellungsverhältnisses zum beurteilenden Vorgesetzten). Er bleibt
damit nicht nur hinter dem sich formal nach Nr. 406 Buchst. a Abs. 2 ZDv 20/6
ergebenden Beurteilungszeitraum (31. Juli 2007 bis 25. März 2014), sondern
vor allem auch deutlich hinter dem Beurteilungszeitraum der korrespondieren-
den Sonderbeurteilung des Antragstellers (28. Juli 2011 bis 3. April 2014) zu-
rück.
Die Sonderbeurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen stimmen
somit zwar hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Erstellens im Wesentlichen überein,
jedoch divergieren ihre Beurteilungszeiträume in einem Ausmaß, das ihre Ver-
gleichbarkeit ausschließt. Der "faktische Beurteilungszeitraum" der Sonderbeur-
teilung des Beigeladenen ist um 14 bzw. 17 Monate (bezogen auf den 1. Okto-
ber 2012 bzw. den 1. Januar 2013), also um mehr als die Hälfte eines regelmä-
ßigen Beurteilungsintervalls von zwei Jahren, kürzer als der mit dem 28. Juli
2011 beginnende Beurteilungszeitraum der Sonderbeurteilung des Antragstel-
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lers (vgl. für eine Divergenz von acht Monaten BVerwG, Beschluss vom
12. April 2013 - 1 WDS-VR 1.13 - juris Rn. 40).
Zur Herstellung einer Vergleichbarkeit der beurteilten Leistungen wäre es erfor-
derlich gewesen, den Beurteilungszeitraum der Sonderbeurteilung für den Bei-
geladenen an denjenigen der Sonderbeurteilung für den Antragsteller anzuglei-
chen. Da es für den Leistungsvergleich in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der
Auswahlentscheidung aktuellsten dienstlichen Beurteilungen der Bewerber an-
kommt (siehe oben II.2.c.aa), war es insoweit notwendig, aber auch ausrei-
chend, die Tätigkeit des Beigeladenen ebenfalls bis zum 28. Juli 2011 (Datum
der letzten Beurteilung des Antragstellers) oder zumindest bis zum damaligen
Vorlagetermin 30. September 2011 zurückzuverfolgen. Denn damit sind der
Antragsteller und der Beigeladene hinsichtlich der aktuellsten dienstlichen Beur-
teilungen in derselben Weise vergleichbar wie auch sonst Bewerber, die noch
im regelmäßigen zweijährigen Beurteilungsturnus stehen. Nicht erforderlich war
es, die Sonderbeurteilung für den Beigeladenen auch in den vor dem Vorla-
getermin 30. September 2011 liegenden Zeitraum bis zum 31. Juli 2007 (dem
Datum seiner letzten planmäßigen Beurteilung) zurückzuführen. Auch bei den
im regelmäßigen Zweijahres-Turnus beurteilten Bewerbern ist nach der Recht-
sprechung des Senats der Rückgriff auf die davorliegenden (vorletzten und vor-
vorletzten) dienstlichen Beurteilungen nicht geboten, sondern lediglich zulässig,
und auch dies nur insoweit, als es im Einzelfall um eine abrundende Bewertung
der über den Zeitraum der maßgeblichen aktuellen Beurteilung hinausreichen-
den Kontinuität des Eignungs- und Leistungsbilds geht.
Die Angleichung der Beurteilungszeiträume in dem erforderlichen Umfang wäre
auch praktisch durchführbar gewesen. Soweit der aktuelle beurteilende Vorge-
setzte die Tätigkeit des Beigeladenen in der Zeit vor Beginn des Unterstellungs-
verhältnisses nicht aus eigener Anschauung beurteilen kann, hat er sich - eben-
so wie das bei der Sonderbeurteilung des Antragstellers geschehen ist - die ihm
fehlenden eigenen Erkenntnisse durch Anforderung und Auswertung eines Be-
urteilungsbeitrags des oder der früheren Vorgesetzten zu verschaffen (Nr. 503
ZDv 20/6; vgl. für das Beamtenrecht BVerwG, Urteil vom 26. September 2012
- 2 A 2.10 - juris Rn. 11 f. m.w.N.). Das Bundesministerium der Verteidigung hat
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auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich bestätigt, dass sich für die Zeit ab dem
1. Oktober 2010 die früheren Vorgesetzten des Beigeladenen noch nicht im Ru-
hestand befinden und damit eine Anforderung von Beurteilungsbeiträgen für die
Tätigkeit des Beigeladenen ab dem 28. Juli 2011 bzw. 1. Oktober 2011 bis zum
Beginn des aktuellen Unterstellungsverhältnisses möglich war. Dass der weiter
davorliegende Zeitraum möglicherweise nicht lückenlos durch Beurteilungsbei-
träge abgedeckt werden könnte, weil insoweit frühere Vorgesetzte des Beigela-
denen inzwischen in den Ruhestand getreten sind, ist unerheblich, weil die
Sonderbeurteilung des Beigeladenen - nach dem eben Gesagten - nur bis zum
Vorlagetermin 30. September 2011 zurückgeführt werden musste. Auch die
vom Bundesministerium der Verteidigung aufgeworfene Frage, wie bei der Er-
stellung von (Sonder-) Beurteilungen im Anschluss an längerdauernde Beurlau-
bungen (wie Elternzeit oder Betreuungsurlaub) zu verfahren ist, muss nicht ent-
schieden werden, weil ein solcher Fall hier nicht vorliegt.
Die - bereits für sich genommen nicht hinnehmbare - Verkürzung des Beurtei-
lungszeitraums für den Beigeladenen wirkt sich im vorliegenden Fall darüber
hinaus dadurch weiter verzerrend aus, dass in dessen Sonderbeurteilung aus-
schließlich die Tätigkeit auf dem strittigen Dienstposten bewertet wurde. Das
Bundesministerium der Verteidigung verweist zwar zutreffend darauf, dass der
dienstlichen Beurteilung die im Beurteilungszeitraum tatsächlich wahrgenom-
menen Aufgaben und Tätigkeiten zugrunde zu legen sind (siehe auch Nr. 607
ZDv 20/6), im Falle des Beigeladenen also die Wahrnehmung der Aufgaben
des Leiters der Gruppe ... im .... Dies gilt auch dann, wenn - wie im Falle des
Beigeladenen - die Personalmaßnahmen, die der Tätigkeit zugrunde liegen,
wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben wurden (vgl. für das Beamtenrecht
BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 58
und 60). Es ist jedoch nicht zu verkennen, dass die Funktion von dienstlichen
Beurteilungen als Instrument der "Klärung einer Wettbewerbssituation" ganz
erheblich beeinträchtigt ist, wenn sich - wie im Falle des Beigeladenen - das
Eignungs- und Leistungsurteil für einen der konkurrierenden Bewerber aus-
schließlich auf die faktische oder kommissarische Wahrnehmung von Aufgaben
desjenigen Dienstpostens stützt, über dessen Besetzung mit dem besten Be-
werber - nach Aufhebung mehrerer vorangegangener rechtswidriger Auswahl-
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entscheidungen - erst entschieden werden soll. Wäre der Beurteilungszeitraum
der Sonderbeurteilung für den Beigeladenen an denjenigen der Sonderbeurtei-
lung für den Antragsteller angeglichen worden, so wären zumindest für die erste
Hälfte dieses Zeitraums Leistungen des Beigeladenen bewertet worden und in
den Vergleich eingeflossen, die der Beigeladene nicht erst auf dem zu beset-
zenden, sondern - wie der Antragsteller - auf anderen Dienstposten erbracht
hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1
Satz 1 WBO. Der Beigeladene, der keinen eigenen Sachantrag gestellt hat,
trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Dr. von Heimburg Dr. Frentz
Dr. Langer
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