Urteil des BVerwG vom 13.04.2015

Wahrscheinlichkeit, Begriff, Asylbewerber, Verfahrensmangel

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 19.15
VGH 11 B 12.30471
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. April 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 7. Januar 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Weder die geltend gemachte Abweichung
von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2
VwGO) noch der gerügte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen
vor.
1. Die Beschwerde macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof sei von einer
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 12. Juli 1983
- 9 B 10542.83 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 10 = InfAuslR 1983, 257)
abgewichen. Dort habe das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass wenn
für einen Asylbewerber mehrere mögliche (nicht auszuschließende) politische
Verfolgungsgründe bestünden, diese nicht - nur - isoliert voneinander im Hin-
blick darauf beurteilt werden dürften, ob jeder einzelne von ihnen mit beachtli-
cher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgung führen werde. Notwendig sei viel-
mehr eine Gesamtschau des jeweiligen Lebenssachverhalts einschließlich der
politischen Situation im Herkunftsland, wobei die Häufung möglicher politischer
Verfolgungsgründe für eine erhöhte Verfolgungswahrscheinlichkeit und damit
für die Begründetheit einer darauf beruhenden Verfolgungsfurcht des Betroffe-
nen sprechen könne. Hiervon sei der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden
Fall erkennbar abgewichen, denn er habe nacheinander die vom Kläger vorge-
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brachten Verfolgungsgründe abgehandelt und dahingehend bewertet, ob bei
jedem der vorgebrachten Verfolgungsgründe dieser einzelne Grund mit beacht-
licher Wahrscheinlichkeit zu einer politischen Verfolgung führen werde.
Dahinstehen kann, ob dieses Vorbringen den Anforderungen an die Darlegung
einer Abweichung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO
genügt. Denn jedenfalls ist das Berufungsgericht von der angeführten Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht abgewichen. Bereits der
Obersatz zum Begriff der "Verfolgung" gem. § 3a Abs. 1 AsylVfG in Rn. 17 der
angefochtenen Entscheidung, der die Möglichkeit einer Kumulierung gemäß
Nr. 2 der Vorschrift explizit miteinbezieht, macht deutlich, dass das Berufungs-
gericht rechtlich von der Notwendigkeit einer Gesamtschau der verfolgungsbe-
gründenden Umstände ausgeht. Die sich daran anschließende sukzessive Ab-
arbeitung der vom Kläger im Einzelnen vorgetragenen Verfolgungsgründe in
den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils lässt - entgegen der Annahme
der Beschwerde - nicht den Schluss zu, der Verwaltungsgerichtshof habe sich
der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles bei der
Rechtsanwendung verschlossen oder gar in Abweichung von der Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts einen Rechtssatz dahin gebildet, dass
es keiner Gesamtschau bedürfe. Eine etwa fehlerhafte Rechtsanwendung im
Einzelfall, die der Sache nach geltend gemacht wird, könnte nicht zum Erfolg
der Divergenzrüge führen.
2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde unter Anknüpfung an ihr bisheri-
ges Vorbringen geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe das Vorbringen des
Klägers nicht vollständig zur Kenntnis genommen und sei dem auch nicht weiter
nachgegangen. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde mit diesem Vorbrin-
gen im Gewande der Verfahrensrüge lediglich gegen die nach ihrer Auffassung
unzutreffende tatrichterliche Beweiswürdigung als Grundlage der Verfolgungs-
prognose des Berufungsgerichts. Damit vermag sie eine Gehörsverletzung des
Klägers nicht erfolgreich darzutun.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten
werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich
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aus § 30 Abs. 1 RVG; Gründe für eine Abweichung (§ 30 Abs. 2 RVG) sind we-
der vorgetragen noch sonst erkennbar.
Prof. Dr. Berlit
Prof. Dr. Kraft
Fricke