Urteil des BVerwG vom 29.01.2015

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BVerwG 9 B 74.14 [
ECLI:DE:BVerwG:2014:031214B9B74.14.0
]
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 B 74.14
VG Chemnitz - 23.03.2011 - AZ: VG 4 K 5/10
OVG Bautzen - 12.06.2014 - AZ: OVG 3 A 674/12
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. Dezember 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bick
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom
12. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 579,66 € festgesetzt.
Gründe
1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
2 1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
3 Die Fragen,
ob ein Eigentümer Marktzugangsaufwand in erheblicher Höhe betreiben muss in der sicheren Erwartung, dass diese Aufwendungen nutzlos sein
werden, nur damit seine Argumentation gehört wird, dass nämlich keinerlei Vermarktungsbemühungen erfolgreich sein können, und
ob der Grundsteuererlass nur zugesprochen werden kann, wenn Vermietungsangebote im objektbezogenen Rahmen (hier: bundesweit) geschaltet
werden, oder bereits alles Zumutbare getan ist, wenn erkannt wird, dass die Schaltung solcher Vermietungsangebote erfolglos bleiben wird,
zielen auf das in § 33 Abs. 1 Satz 1 des Grundsteuergesetzes (GrStG) enthaltene negative Tatbestandsmerkmal des Nichtvertretenmüssens der
Ertragsminderung. Hiermit zusammenhängende Fragen sind indes durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - soweit sie einer
grundsätzlichen Klärung zugänglich sind und nicht nur im Einzelfall beantwortet werden können - bereits geklärt.
4 Beruft sich der Steuerpflichtige - wie hier der Kläger - auf eine wesentliche Ertragsminderung, so kann von einer die Grenze der Zumutbarkeit
überschreitenden Belastung dann keine Rede sein, wenn der Steuerpflichtige selbst durch ein ihm zurechenbares Verhalten die Ursache für die
Ertragsminderung herbeigeführt oder es unterlassen hat, den Eintritt der Ertragsminderung durch solche geeigneten Maßnahmen zu verhindern,
die von ihm erwartet werden konnten. Ist die Ertragsminderung durch einen Leerstand des Objekts bedingt, so hat der Steuerpflichtige die
Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung der Räumlichkeiten zu einem marktgerechten Mietzins
bemüht hat. Ob der Steuerpflichtige nachhaltige Vermietungsbemühungen unternommen hat, ist jeweils unter den gegebenen Umständen zu
prüfen, wobei es auf die Verhältnisse des Erlasszeitraumes ankommt. Steht das Objekt nicht leer, ist im Einzelfall zu untersuchen, ob der
Steuerpflichtige die geltend gemachte Ertragsminderung aufgrund der konkret gewählten Vertragsgestaltung selbst herbeigeführt hat. Der
Steuerpflichtige ist nach § 90 Abs. 1 AO zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet; er hat insbesondere die für die
Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen und die ihm bekannten Beweismittel anzugeben (vgl. Urteil
vom 14. Mai 2014 - BVerwG 9 C 1.13 - juris Rn. 19, 22 f. m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des
Bundesfinanzhofs).
5 Der Kläger zeigt nicht auf, dass diese Rechtsprechung in Frage zu stellen oder fortzuentwickeln ist. Vielmehr wendet er sich gegen die
Sachverhaltswürdigung durch das Berufungsgericht, das zumutbare Vermarktungsbemühungen - nicht nur bundesweit, sondern für den hier
maßgeblichen Zeitraum überhaupt - verneint und die Erfolglosigkeit solcher Bemühungen nicht festgestellt hat.
6 2. Auch die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greift nicht durch.
7 Soweit die Beschwerde geltend macht, das Oberverwaltungsgericht setze sich in „Widerspruch zur neuen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts seit dem Beschluss vom 24.04.2007 GMS/OBG 1/07“, erfüllt sie schon nicht die Anforderungen, die § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO an die Darlegung eines solchen Zulassungsgrundes stellt. Denn eine Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die
Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem
in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden
in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden
Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hat. Hieran fehlt es.
8 Hiervon abgesehen liegt die behauptete Divergenz auch nicht vor. Zwar trifft es zu, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom
24. April 2007 - BVerwG GmS-OGB 1.07 - (Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 27) der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs angeschlossen hat,
wonach ein Grundsteuererlass nicht nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht kommt, sondern auch strukturell
bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur erfassen kann (vgl. BFH, Urteil vom 24. Oktober 2007 - II R 5/05 - BFHE
218, 396; BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2008 - BVerwG 9 C 8.07 - Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 28 Rn. 11). Jedoch setzt der
Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG a.F. auch in solchen Fällen voraus, dass der Steuerschuldner die Ertragsminderung nicht zu
vertreten hat (Urteile vom 25. Juni 2008 a.a.O. Rn. 18 und vom 14. Mai 2014 a.a.O. Rn. 30 unter Hinweis auf BFH, Urteil vom 24. Oktober
2007 a.a.O. S. 400 f. sowie Urteil vom 27. September 2012 - II R 8/12 - BFHE 238, 535 Rn. 16).
9 3. Der geltend gemachte Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor.
10 Der Kläger rügt, dass das Oberverwaltungsgericht noch im Zulassungsbeschluss vom 4. Oktober 2012 von dem Erfordernis der Aufklärung
der Höhe der ortsüblichen Jahresrohmiete für das Steuerjahr 2008 ausgegangen sei, dieser Frage in dem angegriffenen Urteil aber nicht weiter
nachgegangen sei. Hierin liegt entgegen der Auffassung der Beschwerde keine unzulässige Überraschungsentscheidung. Das
Oberverwaltungsgericht hat - wie oben ausgeführt - die Klageabweisung entscheidungstragend auf das negative Tatbestandsmerkmal des
Nichtvertretenmüssens gestützt; die Frage der Ertragsminderung hat es hingegen offen gelassen. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Im Übrigen hat
das Berufungsgericht in dem vorgenannten Zulassungsbeschluss auch bereits auf das zweite Tatbestandsmerkmal ausdrücklich hingewiesen,
denn dort heißt es: „Ausgehend davon wird der Kläger nachweisen müssen, dass er alles ihm Zumutbare unternommen hat, einen Pachtzins zu
erzielen, der die Erlassgrenze der um 20 vom Hundert geminderten Jahresrohmiete (§ 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG) übersteigt.“
11 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dr. Bier
Prof. Dr. Korbmacher
Dr. Bick