Urteil des BVerwG vom 29.01.2015

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BVerwG 1 WB 50.13 [
ECLI:DE:BVerwG:2014:040914B1WB50.13.0
]
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 50.13
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
am 4. September 2014 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I
1 Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im vorgerichtlichen Wehrbeschwerdeverfahren
gegen einen Bescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 12. April 2013 notwendig war.
2 Mit Bescheid vom 12. April 2013 lehnte das Personalamt der Bundeswehr einen Antrag des Antragstellers auf Zulassung zur Laufbahn ... ab.
Dagegen legte der Antragsteller selbst mit Schreiben vom 21. Mai 2013 Beschwerde ein. Das Bundesamt für das Personalmanagement der
Bundeswehr hob mit Bescheid vom 15. Mai 2013, dem Antragsteller eröffnet am 27. Mai 2013, den Bescheid des Personalamts der Bundeswehr
vom 12. April 2013 auf und lehnte gleichzeitig erneut die Zulassung des Antragstellers zur Laufbahn ... ab. Gegen diesen Bescheid legte der
Antragsteller selbst unter dem 28. Mai 2013 Beschwerde ein. Ein Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - Wehrdienstsenate -
gegen diesen Bescheid ist unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 24.14 noch anhängig.
3 Am 31. Mai 2013 erteilte der Antragsteller seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten Vollmacht für die Beschwerde gegen die Ablehnung der
Zulassung zur Laufbahn ... mit Bescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 12. April 2013. Die Bevollmächtigten zeigten die Vertretung
mit Schreiben vom 14. Juni 2013 an das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr für das Beschwerdeverfahren gegen den
Bescheid vom 15. Mai 2013 und den Bescheid vom 12. April 2013 an. Mit Schreiben vom 6. August 2013 beantragten die Bevollmächtigten
unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 12. April 2013, dem Beschwerdeführer die ihm zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung erwachsenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten und die Hinzuziehung der Bevollmächtigten für das
Beschwerdeverfahren für notwendig zu erklären. Zur Begründung hieß es, dem Begehren des Beschwerdeführers sei durch die Aufhebung mit
Bescheid vom 15. Mai 2013 in vollem Umfang entsprochen worden. Dem Abhilfebescheid fehle aber eine Kostenentscheidung nach § 16a
WBO.
4 Mit Bescheid vom 29. August 2013 ordnete das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Erstattung der dem Antragsteller
aufgrund seiner Beschwerde vom 21. Mai 2013 gegen den Bescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 12. April 2013 entstandenen
notwendigen Auslagen an und erklärte die Hinzuziehung eines oder einer Bevollmächtigten für nicht notwendig. Zur Begründung hieß es, da der
angefochtene Bescheid vom 12. April 2013 aufgehoben worden sei, seien dem Antragsteller die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
oder Rechtsverteidigung erwachsenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten sei nicht notwendig
gewesen, weil der angefochtene Bescheid noch vor Einlegung der Beschwerde des Antragstellers mit Bescheid vom 15. Mai 2013 aufgehoben
worden sei. Die Rechtsanwälte seien erst unter dem 31. Mai 2013 mandatiert worden. Die Hinzuziehung sei deshalb nicht notwendig gewesen.
5 Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 26. September 2013 an die 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd, dort eingegangen am 26.
September 2013, beantragt der Antragsteller,
die Entscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr - Amtschef - vom 29. August 2013 - bekanntgegeben am 2.
September 2013 - insoweit aufzuheben, als die Hinzuziehung der Bevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid des
Bundesamtes für das Personalmanagement (gemeint: Personalamts der Bundeswehr) vom 12. April 2013 für nicht notwendig erklärt worden ist
und die Hinzuziehung der Bevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement
vom 12. April 2013 für notwendig zu erklären.
6 Zur Begründung führt er insbesondere aus, maßgebliches Beurteilungskriterium für die Notwendigkeit der Hinzuziehung sei nicht der
Zeitpunkt der Vollmachtserteilung, sondern die Frage, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der
gegebenen Sach- und Rechtslage eines Anwalts bedient hätte. Dies sei vor dem Hintergrund der wesensgleichen Begründung in dem Bescheid
vom 15. Mai 2013, gegen den das Beschwerdeverfahren noch laufe, der Fall.
7 Mit Beschluss vom 21. Oktober 2013 hat der Vorsitzende der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd das Antragsverfahren an den 1.
Wehrdienstsenat beim Bundesverwaltungsgericht verwiesen. Zur Begründung heißt es, nach Mitteilung des Bundesministeriums der
Verteidigung - R II 2 - sei dem angefochtenen Bescheid eine falsche Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt gewesen. Nach dieser Mitteilung sei für
das Antragsverfahren die Zuständigkeit des 1. Wehrdienstsenats beim Bundesverwaltungsgericht gegeben. Das Verfahren sei daher gemäß § 18
das Antragsverfahren die Zuständigkeit des 1. Wehrdienstsenats beim Bundesverwaltungsgericht gegeben. Das Verfahren sei daher gemäß § 18
Abs. 3 Satz 1 WBO zu verweisen gewesen.
8 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Akte des Truppendienstgerichts Süd
- S 4 KL 9/13 -, die Personalgrundakte des Antragstellers und die Akten des Verfahrens BVerwG 1 WB 24.14 haben dem Senat bei der
Beratung vorgelegen.
II
9 Der kraft bindender Verweisung (§ 18 Abs. 3 Satz 2 WBO) zuständige Senat entscheidet gemäß § 16a Abs. 5 Satz 3 und 4 WBO ohne
ehrenamtliche Richter (vgl. Beschluss vom 28. September 2009 - BVerwG 1 WB 31.09 - Buchholz 450.1 § 16a WBO Nr. 1 Rn. 17 = NZWehrr
2010, 38 f.). Wenn nach Satz 3 des § 16a Abs. 5 WBO die Entscheidung durch den Vorsitzenden des Truppendienstgerichts, also durch den
Berufsrichter ohne ehrenamtliche Richter, getroffen wird, bedeutet dies bei der entsprechenden Anwendung für das Bundesverwaltungsgericht,
dass die Entscheidung von den Berufsrichtern des Senats und nicht etwa von dem Vorsitzenden des Senats allein zu treffen ist.
10 Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsteller im vorgerichtlichen
Verfahren war nicht notwendig im Sinne des § 16a Abs. 3 WBO.
11 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschlüsse vom 8. Dezember 2009 - BVerwG 1 WB 61.09 - Buchholz
450.1 § 16a WBO Nr. 2 Rn. 18 = NZWehrr 2010, 123 <124>, vom 18. November 2010 - BVerwG 1 WB 43.10 - Rn. 19 und vom 20.
Dezember 2010 - BVerwG 1 WB 9.10 - Rn. 15) ist die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren unter
Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger
Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten bedient
hätte. Notwendig ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der
Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung wird auch durch die
Bedeutung der Streitsache für den Beschwerdeführer bestimmt. Aus dem Begriff der „Notwendigkeit“ der Zuziehung eines Rechtsanwalts folgt
nicht, dass die Erstattungsfähigkeit im Vorverfahren eine Ausnahme bleiben müsste; der Gesetzeswortlaut gibt für eine solche Einschränkung
keinen Anhaltspunkt. Insoweit ist nicht das Begriffspaar „Regel/Ausnahme“ maßgeblich, sondern vielmehr die gesetzgeberische Differenzierung,
dass die Erstattungsfähigkeit nicht automatisch, sondern je nach Lage des Einzelfalls nur unter der Voraussetzung der konkreten Notwendigkeit
anzuerkennen ist.
12 Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf den Zeitpunkt der Bevollmächtigung abzustellen (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 24. Mai 2000 -
BVerwG 7 C 8.99 - Buchholz 428 § 38 VermG Nr. 5 S. 4 f., Beschlüsse vom 1. Juni 2010 - BVerwG 6 B 77.09 - juris Rn. 6 m.w.N., vom 18.
November 2010 - BVerwG 1 WB 34.10 - Rn. 18 und vom 21. Dezember 2011 - BVerwG 1 WB 51.11 - Buchholz 450.1 § 16a WBO Nr. 3 Rn.
20). Nach diesen Maßstäben war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid vom 12. April
2013 nicht nach § 16a Abs. 3 WBO notwendig.
13 Im Zeitpunkt der Bevollmächtigung der Prozessvertreter durch den Antragsteller am 31. Mai 2013 bestand keine Notwendigkeit mehr für
deren Hinzuziehung. Denn zu diesem Zeitpunkt war der Bescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 12. April 2013 durch den Bescheid
des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 15. Mai 2013 bereits aufgehoben und dieser Bescheid dem Antragsteller
auch persönlich ausgehändigt worden. Das entsprechende Empfangsbekenntnis hat er am 27. Mai 2013 unterzeichnet. Mit der Aufhebung des
Bescheides vom 12. April 2013 war das durch den Antragsteller selbst geführte Beschwerdeverfahren gegen diesen Bescheid für ihn erfolgreich
abgeschlossen. Für ein abgeschlossenes Beschwerdeverfahren bedurfte der Antragsteller keines anwaltlichen Beistandes mehr. Bei der
gegebenen Sachlage hätte sich auch ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand nicht mehr eines Rechtsanwalts oder
sonstigen Bevollmächtigten bedient. Dass in dem Bescheid vom 15. Mai 2013 gleichzeitig auch in der Sache wiederum eine ablehnende
Entscheidung getroffen wurde, muss hier unberücksichtigt bleiben. Denn dieses Verfahren ist nicht abgeschlossen, sondern beim
Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 24.14 noch anhängig. Über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines
Bevollmächtigten in dem Verfahren war hier - auch nach dem insoweit eindeutigen Antrag der Bevollmächtigten - nicht zu entscheiden.
Dr. von Heimburg
Dr. Langer
Dr. Burmeister