Urteil des BVerwG vom 29.01.2015

BVerwG: zweitwohnung, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, gemeinde, kapitalanlage, absicht, satzung, inhaber, familie, eigennutzung, kontrolle

BVerwG 9 C 6.13 [
ECLI:DE:BVerwG:2014:151014U9C6.13.0
]
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 9 C 6.13
VG München - 19.04.2012 - AZ: VG M 10 K 11.3311
VGH München - 27.06.2013 - AZ: VGH 4 B 12.2270
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bick und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer.
2 Die Beklagte erhebt Zweitwohnungsteuer aufgrund ihrer am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen „Satzung über die Erhebung einer
Zweitwohnungsteuer (Zweitwohnungsteuersatzung)“ (ZwStS), die u.a. bestimmt:
㤠2 Steuergegenstand
Zweitwohnung ist jede Wohnung im Gemeindegebiet, die eine Person, die in einem anderen Gebäude ihre Hauptwohnung hat, zu ihrer
persönlichen Lebensführung oder der ihrer Familienangehörigen innehat. Die vorübergehende Nutzung zu anderen Zwecken, insbesondere zur
Überlassung an Dritte, steht der Zweitwohnungseigenschaft nicht entgegen.
§ 3 Steuerpflicht
(1) Steuerpflichtig ist, wer im Gemeindegebiet eine Zweitwohnung im Sinne des § 2 innehat.
.....
§ 7 Festsetzung und Fälligkeit der Steuer
(1) Die Gemeinde B. setzt die Steuer für ein Kalenderjahr oder - wenn die Steuerpflicht erst während des Kalenderjahres entsteht - für den Rest
des Kalenderjahres durch Bescheid fest. In dem Bescheid kann bestimmt werden, dass er auch für künftige Zeitabschnitte gilt, solange sich die
Bemessungsgrundlagen und der Steuerbetrag nicht ändern.
(2) Die Steuer wird erstmalig einen Monat nach der Bekanntgabe des Steuerbescheids fällig. Bis zur Bekanntgabe eines neuen Steuerbescheides
ist die Steuer jeweils zum 1. Februar eines jeden Jahres fällig und ohne Aufforderung weiter zu entrichten.
.....
§ 9 Steuererklärung
(1) Der Inhaber einer Zweitwohnung ist zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Zur Abgabe einer Steuererklärung ist auch verpflichtet,
wer hierzu von der Gemeinde B. aufgefordert wird.
....
(5) Es sind die Bestimmungen der Abgabenordnung in ihrer jeweils geltenden Fassung heranzuziehen, soweit das Kommunale Abgabengesetz in
seiner jeweils geltenden Fassung auf diese verweist.“
seiner jeweils geltenden Fassung auf diese verweist.“
3 Der Kläger ist Eigentümer einer im Gemeindegebiet der Beklagten belegenen, ca. 70 m² großen Wohnung. Die Beklagte zog den Kläger, der
selbst ca. 130 km vom Gemeindegebiet der Beklagten entfernt wohnt, mit Bescheid vom 21. Februar 2011 für die genannte Wohnung zur
Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2011 sowie für die Folgejahre in Höhe von jährlich 900 € heran. Die hiergegen erhobene Untätigkeitsklage hat
das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 19. April 2012 abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die von ihm zugelassene Berufung
dieses Urteil sowie den Zweitwohnungsteuerbescheid der Beklagten vom 21. Februar 2011 aufgehoben.
4 Im Wesentlichen hat er dazu ausgeführt: Nur der konsumtive Aufwand für den persönlichen Lebensbedarf dürfe Gegenstand der Besteuerung
nach Art. 105 Abs. 2a GG sein. Deshalb schieden solche Zweitwohnungen als Gegenstand einer örtlichen Aufwandsteuer aus, die von ihrem
Inhaber als reine Geld- oder Vermögensanlage in der Form des Immobiliarbesitzes gehalten würden. Die bloße objektive Möglichkeit der
Eigennutzung durch den Inhaber der Zweitwohnung schließe dabei die Annahme einer zweitwohnungsteuerfreien Kapitalanlage nicht aus.
Allerdings dürfe die steuererhebende Gemeinde zunächst grundsätzlich davon ausgehen, dass eine Zweitwohnung zumindest auch für Zwecke
der persönlichen Lebensführung vorgehalten werde, solange der Zweitwohnungsinhaber keine Umstände vortrage, die diese Vermutung
erschütterten. Die bloße Behauptung des Klägers in der Steuererklärung, die Wohnung weder selbst noch für seine Familie zu nutzen und auch
nicht nutzen zu wollen, reiche als Äußerung einer subjektiven Vorstellung grundsätzlich nicht aus, die Vermutung zu widerlegen. Es bestünden
jedoch weitere, nachprüfbare Umstände, die die Vermutung erschütterten, die Wohnung werde für Zwecke der persönlichen Lebensführung
vorgehalten. Der Kläger habe 1997 seinen Zweitwohnsitz im Gemeindegebiet abgemeldet, bevor er das Eigentum an der Wohnung im Wege
einer Erbschaft erworben habe. Die Beklagte habe den vom Kläger zunächst verlangten Kurbeitrag für die Jahre 2001 und 2002 storniert. Für die
Jahre nach Einführung der Zweitwohnungsteuer habe der Kläger lückenlos nachgewiesen, dass kein Warm- und kein Kaltwasser verbraucht
worden seien. Die belegte objektive Tatsache, dass eine Wohnung über mehrere Jahre hinweg vom Verfügungsberechtigten weder für sich noch
für seine Familienangehörigen tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt worden sei, lasse darauf schließen, dass diese nicht zur persönlichen
Wohnnutzung und damit zur persönlichen Lebensführung im Sinne der gemeindlichen Zweitwohnungsteuersatzung vorgehalten werde. Die
vorliegenden nachprüfbaren Umstände widerlegten in einer Gesamtschau die anfängliche Vermutung, die Wohnung werde zu Zwecken der
persönlichen Lebensführung vorgehalten.
5 Zur Begründung der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision führt die Beklagte aus:
6 Das Berufungsgericht verletze Art. 105 Abs. 2a und Art. 28 Abs. 2 GG. Eine Zweitwohnung dürfe besteuert werden, wenn sie auch für den
eigenen Lebensbedarf oder den von Angehörigen vorgehalten und damit die Möglichkeit der Eigennutzung offen gehalten werde. Das sei der
Fall, wenn eine rechtlich gesicherte und tatsächliche Verfügungsbefugnis des Steuerpflichtigen über die Zweitwohnung bestehe. Auf die
tatsächliche Nutzung komme es nicht an. Solle die Zweitwohnung der Kapitalanlage dienen, müsse die Absicht des Zweitwohnungsinhabers als
innere Tatsache auf der Grundlage von objektiven, nach außen in Erscheinung tretenden, verfestigten und von Dritten nachprüfbaren Umständen
beurteilt werden. Hierfür genüge ein, wenn auch jahrelanger, Leerstand nicht. Im Übrigen sei es für die Beklagte aus Praktikabilitätsgründen
nicht zumutbar, vor Erlass eines Steuerbescheids den Verbrauch von Kalt- und Warmwasser zu kontrollieren. Schließlich werde der Kommune
ein zulässiges Lenkungsinstrument genommen, wenn bei Leerstand und Nachweis des fehlenden Wasserverbrauchs die Zweitwohnungsteuer
entfallen müsste. Denn mit der Zweitwohnungsteuer dürfe so genannten „Rollladensiedlungen“ entgegengewirkt werden.
7 Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Juni 2013 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts München vom 19. April 2012 zurückzuweisen.
8 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9 Er verteidigt die angegriffene Entscheidung.
II
10 Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1
VwGO). Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer als
Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG nicht vorliegen.
11 Der Verwaltungsgerichtshof meint, nach § 2 ZwStS bedeute ein Innehaben der Wohnung zur persönlichen Lebensführung ein Bewohnen
oder jedenfalls eine entsprechende Absicht, die allerdings nicht auch tatsächlich verwirklicht werden müsse. Die Wohnung müsse aber immerhin
dafür vorgehalten werden. Der Leerstand einer Wohnung ohne aktuellen Nutzungszweck sei gerade kein Innehaben zu Wohnzwecken. An diese
Auslegung ist das Revisionsgericht gebunden. Die Anwendung und Auslegung einer gemeindlichen Satzung ist zunächst eine Frage des
grundsätzlich nicht revisiblen Landesrechts. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist der revisionsgerichtlichen Kontrolle jedoch
insoweit unterworfen, als sie bei der Auslegung und Anwendung der Steuersatzung den mit Art. 105 Abs. 2a GG bundesrechtlich vorgegebenen
Aufwandsbegriff nicht verletzen darf (stRspr, vgl. nur Urteil vom 27. Oktober 2004 - BVerwG 10 C 2.04 - Buchholz 401.61
Zweitwohnungssteuer Nr. 21 S. 28). Das ist hier nicht der Fall.
12 Bei der Auslegung der Satzung der Beklagten geht der Verwaltungsgerichtshof zutreffend von dem in der Rechtsprechung entwickelten
Begriff der Aufwandsteuer aus. Die Zweitwohnungsteuer ist danach eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der
Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR
1275/79 - BVerfGE 65, 325 <346>; BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 C 8.08 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 27
Rn. 23). Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein
besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum
Ausdruck bringt. Das nach dem Aufwandsbegriff im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG gebotene Innehaben einer weiteren Wohnung für die
persönliche Lebensführung setzt eine dahingehende Bestimmung des Verwendungszwecks der Zweitwohnung voraus (Urteile vom 10. Oktober
1995 - BVerwG 8 C 40.93 - BVerwGE 99, 303 <305> = Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 9 S. 6 und vom 13. Mai 2009 a.a.O.).
Demzufolge liegt eine steuerbare Zweitwohnung dann nicht vor, wenn sie nach dem subjektiven Verwendungszweck nicht der persönlichen
Lebensführung dient, sondern der reinen Geld- oder Vermögensanlage in der Form des Immobiliarbesitzes (Urteile vom 26. Juli 1979 - BVerwG
7 C 12.77 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 2 S. 16 und vom 10. Oktober 1995 a.a.O.). Das Berufungsgericht nimmt weiter
zutreffend an, dass für die im Ausgangspunkt subjektive Bestimmung des Verwendungszwecks der Zweitwohnung nicht die - unüberprüfbare -
innere Absicht des Zweitwohnungsinhabers maßgeblich ist, sondern dass diese innere Tatsache nur auf der Grundlage objektiver, nach außen in
Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen ist (Urteil vom 10. Oktober
1995 a.a.O.).
13 Die Gemeinde darf an das Innehaben einer Zweitwohnung bei bestehendem Nutzungsrecht und der offen gehaltenen Nutzungsmöglichkeit
grundsätzlich zunächst die Vermutung knüpfen, dass die Wohnung zumindest auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung vorgehalten
wird. Es ist gerade der Leerstand der Zweitwohnung trotz rechtlich bestehender Nutzungsmöglichkeit, der in der Regel auf die der Besteuerung
zugrunde liegende Leistungsfähigkeit des Wohnungsinhabers schließen lässt (Urteil vom 27. Oktober 2004 a.a.O. S. 29; Beschluss vom 17.
August 2000 - BVerwG 11 B 43.00 - NVwZ-RR 2001, 682 <683>). Dies gilt, solange der Zweitwohnungsinhaber keine objektiven Umstände
vorträgt, die diese Vermutung erschüttern. Hierfür genügt einerseits nicht die bloße Behauptung, die Zweitwohnung nicht zu nutzen und auch
künftig nicht zum Wohnen nutzen zu wollen. Andererseits steht der fehlende vertragliche Ausschluss einer objektiven Eigennutzungsmöglichkeit
allein der Annahme einer reinen Kapitalanlage nicht entgegen (Urteil vom 26. September 2001 - BVerwG 9 C 1.01 - BVerwGE 115, 165 <169>
= Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 19 S. 17). Auch in einem solchen Fall muss dem Wohnungsinhaber der Nachweis gestattet sein,
dass seine Wohnung entgegen einer möglicherweise zunächst begründeten Vermutung nicht der persönlichen Lebensführung dient (BVerfG,
Kammerbeschluss vom 29. Juni 1995 - 1 BvR 1800/94, 1 BvR 2480/94 - NVwZ 1996, 57 <58>; BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1995 -
BVerwG 8 C 40.93 - BVerwGE 99, 303 <307> = Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 9 S. 7). Dieser Nachweis kann nicht nur dadurch
geführt werden, dass die Wohnung mehr oder weniger regelmäßig vermietet wird. Die Kapitalanlageabsicht kann sich auch aus anderen
Umständen ergeben. Es kommt deshalb auf eine umfassende Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalles an (Urteile vom 10. Oktober
1995 a.a.O., vom 26. September 2001 a.a.O. und vom 27. Oktober 2004 a.a.O. S. 30). Das gilt unbeschadet der Fälle von Mischnutzungen, in
denen die Zweitwohnung sowohl für die eigene Lebensführung als auch zur Kapitalanlage vorgehalten wird. In diesen Fällen, in denen die
Nutzung zumindest auch zur persönlichen Lebensführung feststeht, bedarf es der einzelfallbezogenen Abgrenzung zur „reinen Kapitalanlage“
nicht (mehr). Für diese Fälle ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass Bundesrecht lediglich aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit die Bestimmung der eigenen Nutzungszeiten im Veranlagungsjahr fordert, um eine, gemessen an der
Eigennutzungsmöglichkeit, unverhältnismäßige Steuerbelastung auszuschließen (Urteile vom 30. Juni 1999 - BVerwG 8 C 6.98 - BVerwGE
109, 188 <191> = Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 16 S. 3, vom 26. September 2001 a.a.O. und vom 27. Oktober 2004 a.a.O.).
14 Die von einem Zweitwohnungsinhaber vorgetragene Absicht, die Wohnung nur aus Kapitalanlagegründen vorzuhalten, erfordert einerseits
eine in die Zukunft gerichtete Beurteilung. Andererseits können aber die Verhältnisse vergangener Veranlagungszeiträume wichtige
Anhaltspunkte bieten und die behaupteten Tatsachen plausibilisieren (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1995 a.a.O.; zum Einkommensteuerrecht
vgl. BFH, Urteil vom 25. Oktober 1989 - X R 109/87 - BFHE 159, 128 <132>). Dabei dürfen die Anforderungen an die Darlegung der
Kapitalanlageabsicht nicht überspannt werden, denn die Erhebung einer Aufwandsteuer stellt keine Sanktion für fehlende Vermietung oder eine
unwirtschaftliche Kapitalanlage dar, sondern eine Besteuerung eines bestimmten, persönlichen Wohnzwecken dienenden Aufwandes (so
zutreffend OVG Münster, Beschluss vom 8. Juni 2000 - 14 B 2135/99 - NVwZ-RR 2001, 54 <55>).
15 Diesen rechtlichen Ansatz hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es hat angenommen, die bloße Behauptung des
Klägers, die Wohnung weder selbst noch für seine Familie zu nutzen und auch künftig nicht zum Wohnen nutzen zu wollen, reiche als bloße
Äußerung einer subjektiven Vorstellung grundsätzlich nicht aus, die Vermutung des Vorhaltens für die persönliche Lebensführung zu
erschüttern. Es lägen aber weitere nachprüfbare Umstände vor, die die Vermutung erschütterten. So habe der Kläger schon 1997 seinen
Zweitwohnsitz abgemeldet. Zudem habe die Beklagte für die Jahre 2001 und 2002, also schon für eine Zeit, in der die Erhebung der
Zweitwohnungsteuer noch durch Art. 3 Abs. 3 KAG a.F. ausgeschlossen gewesen sei, den zunächst verlangten Kurbeitrag storniert und sei
damit davon ausgegangen, dass sich der Kläger nicht zu Kur- und Erholungszwecken im Gemeindegebiet aufgehalten habe. Seit Einführung der
Zweitwohnungsteuer habe der Kläger für die Jahre 2005 bis 2013 lückenlos nachgewiesen, dass in der Wohnung kein Wasser verbraucht
worden sei, und damit den Leerstand der Wohnung belegt. Zwar genüge ein (einzelner) ganzjähriger Leerstand ohne das Hinzutreten weiterer
objektiver Umstände zur Widerlegung der Vermutung nicht, die Wohnung werde zu Zwecken der persönlichen Lebensführung vorgehalten. Hier
fügten sich jedoch mehrere, objektiv nachprüfbare Umstände zu einer in sich widerspruchsfreien Gesamtschau. Wegen des langjährigen
Leerstands ohne jeden Wasserverbrauch könne ein Vorhalten der Wohnung zu Zwecken der persönlichen Lebensführung nicht festgestellt
werden, die anfängliche Vermutung hierfür sei durch nachprüfbare äußere Umstände erschüttert worden. Das ist nicht zu beanstanden. Ein derart
langer Leerstand in der Vergangenheit kann einen wichtigen Anhaltspunkt für das Verhalten in der Zukunft bieten (vgl. BFH, Urteil vom 25.
Oktober 1989 - X R 109/87 - BFHE 159, 128 <132>), hier nämlich dafür, dass der Kläger die Wohnung nicht für die persönliche Lebensführung
vorhalten will. Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass die Stornierung des Kurbeitrags die Vermutung nicht widerlege, weil es nicht auf die
tatsächliche Nutzung der Wohnung ankomme, sondern nur auf das Vorhalten, greift sie die Tatsachenwürdigung des Berufungsgerichts an, die
das Revisionsgericht aber nur darauf überprüfen kann, ob das Tatsachengericht allgemeine Sachverhalts- oder Beweiswürdigungsgrundsätze
verletzt hat, indem es etwa von einem zweifelsfrei unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist oder gesetzliche Beweisregeln,
allgemeine Erfahrungssätze, unumstrittene Geschichtstatsachen oder gar die Denkgesetze missachtet hat (Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG
11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <123> = Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 5 S. 61 f.). Derartige Fehler sind weder geltend gemacht noch liegen
sie hier vor.
16 Der Einwand der Beklagten, die Erhebung der Zweitwohnungsteuer sei unter diesen Umständen mit einem für die Gemeinde nicht mehr
zumutbaren Verwaltungsaufwand verbunden, greift nicht durch. Unbeschadet der bereits beschriebenen, die Gemeinde regelmäßig entlastenden
tatsächlichen Vermutung, eine Zweitwohnung werde (auch) für die persönliche Lebensführung vorgehalten, kann die Gemeinde, soweit im
Einzelfall dennoch ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer eingetreten sind, gegebenenfalls auf die Möglichkeit der
vorläufigen Steuerfestsetzung zurückgreifen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) aa) BayKAG i.V.m. § 165 Abs. 1 AO). Die subjektive
Bestimmung des Verwendungszwecks einer Zweitwohnung ist eine innere Tatsache, die je nach den Umständen des Falles in einer die
Bestimmung des Verwendungszwecks einer Zweitwohnung ist eine innere Tatsache, die je nach den Umständen des Falles in einer die
Vorläufigkeit nach § 165 Abs. 1 AO rechtfertigenden Weise ungewiss sein kann (vgl. auch BFH, Urteil vom 25. Oktober 1989 a.a.O.; Cöster,
in: Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl. 2009, § 165 Rn. 12).
17 Der mit einem solchen Vorgehen verbundene Verwaltungsaufwand ist im Interesse verfassungskonformen Vorgehens unvermeidbar, aber
auch zumutbar. Verwaltungsaufwand mit der Kontrolle von Steuererklärungen hat die Beklagte schließlich auch etwa in Fällen der
Mischnutzung und in solchen Fällen, in denen sie aufgrund von Vermietungsverträgen oder ähnlichem von einer Kapitalanlageabsicht ausgeht.
18 Der weitere Einwand der Beklagten, sie dürfe mit der Zweitwohnungsteuer zulässigerweise den Zweck verfolgen, so genannte
„Rollladensiedlungen“ zu unterbinden, weil sich diese auf die Auslastung der kommunalen Infrastruktur auswirkten und zur Verödung des Ortes
beitragen könnten, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Zwar darf die Beklagte grundsätzlich mit der Steuererhebung auch Lenkungsziele verfolgen
(BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991/95 u.a. - BVerfGE 98,106 <117 f.>; Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 - NVwZ
2014, 1084 Rn. 81; BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2003 - BVerwG 9 B 102.03 - juris Rn. 4 f.). Sie darf aber nicht die durch Art. 105
Abs. 2a GG vorgegebenen Anforderungen der Aufwandsteuer unter Hinweis auf den Lenkungszweck überspielen. Ebenso wenig kann eine
Verletzung der der Beklagten im Rahmen des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG) gewährleisteten Finanzhoheit
darin liegen, dass ihr die Erhebung einer gegen Art. 105 Abs. 2a GG verstoßenden Steuer verwehrt wird.
19 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Bier
Buchberger
Prof. Dr. Korbmacher
Dr. Bick
Steinkühler