Urteil des BVerwG vom 06.03.2013

BVerwG: kritik, anwohner, rüge, sammlung, zukunft, bebauungsplan, steigerung, ausschluss, kopie, wahrscheinlichkeit

BVerwG 4 BN 39.12
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 39.12
VGH Baden-Württemberg - 02.08.2012 - AZ: VGH 5 S 1444/10
In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. März 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Petz
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf
die mündliche Verhandlung vom 2. August 2012 ergangenen Urteil des
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerinnen zu 1 und 4 und die Antragsteller zu 2 und 3 tragen - jeweils als
Gesamtschuldner - die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 €
festgesetzt.
Gründe
1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat
keinen Erfolg.
2 1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht
die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragsteller beimessen.
3 a) Auf die Frage, ob es neben dem immissionsschutzrechtlichen Trennungsgrundsatz aus § 50
BImSchG noch einen eigenständigen bauplanungsrechtlichen Trennungsgrundsatz gibt und
falls ja, welche Voraussetzungen er hat und ob er eine seiner Ausprägungen in § 11 Abs. 3 Satz
1 BauNVO hat, lässt sich antworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens
bedarf.
4 Nach der Rechtsprechung des Senats ist durch § 50 BImSchG ein bei seinem Inkrafttreten
allgemein anerkannter Planungsgrundsatz positiviert worden (Beschluss vom 10. September
1981 - BVerwG 4 B 114.81 - BRS 38 Nr. 6). Der in der Vorschrift verankerte Trennungsgrundsatz
ist im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung zu beachten (Urteil vom 19. April 2012 -
BVerwG 4 CN 3.11 - NVwZ 2012, 1138 Rn. 28). Er stellt jedoch kein zwingendes Gebot dar,
sondern eine Abwägungsdirektive. Er gestattet Ausnahmen, wenn sichergestellt werden kann,
dass von der projektierten Nutzung im Plangebiet nur unerhebliche Immissionen ausgehen und
im Einzelfall besondere städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht hinzutreten, die es
rechtfertigen, eine planerische Vorsorge durch räumliche Trennung zurücktreten zu lassen (Urteil
vom 19. April 2012 a.a.O. Rn. 29).
5 Ein erneuter Klärungsbedarf besteht nicht deshalb, weil der Verwaltungsgerichtshof dem
Trennungsgrundsatz einen anderen Inhalt beigemessen hätte. Die Vorinstanz hat bei
verständiger Würdigung der Urteilsgründe nicht die Auffassung vertreten, ein Verstoß gegen den
Trennungsgrundsatz komme im Falle einer zulässigen Vorabbindung des Planungsträgers nicht
in Betracht. Sie hat sich vielmehr durch die Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 5. Juli 1974 -
BVerwG 4 C 50.72 - (BVerwGE 45, 309) die darin geäußerte Ansicht zu eigen gemacht, dass
vorgegebene Bindungen nicht zu einer Verkürzung des Abwägungsvorgangs führen dürfen
(Urteil vom 5. Juli 1974 a.a.O. S. 317 f.). Ihr Befund, „vor diesem Hintergrund“ könne - auch im
Hinblick auf den in § 50 BImSchG enthaltenen Trennungsgrundsatz - nicht beanstandet werden,
dass in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten ein Sondergebiet für einen Lebensmittel- und
Getränkemarkt festgesetzt worden sei (UA S. 47), knüpft allein an die unmittelbar zuvor
getroffene Feststellung an, dass es nicht einmal vorübergehend zu einer Erhöhung der
Verkehrsimmissionen zu Lasten der Anwohner der Bundesstraße 34 kommt. Obsolet sind damit
die weiteren Fragen,
- ob ein eigenständiger bauplanungsrechtlicher Trennungsgrundsatz eine seiner Ausprägungen
in § 11 Abs. 3 BauNVO hat,
- ob eine etwa zulässige Vorabbindung hinsichtlich des Standorts eines Vorhabens die
nachfolgende Prüfung der Verletzung des Trennungsgrundsatzes ausschließt, bejahendenfalls
aus welchen Gründen,
- ob eine zulässige Vorabbindung mit einem Ausnahmefall zum Trennungsgrundsatz
deckungsgleich ist.
6 b) Die Frage, ob eine bestehende Vorbelastung mit Lärmimmissionen auch bis zur Schwelle
der Gesundheitsgefährdung ausgenutzt werden darf, ist vor dem Hintergrund der Feststellungen
des Verwaltungsgerichtshofs zu beantworten, dass die Immissionen bereits jetzt die Schwelle
der Gesundheitsgefährdung erreichen, es aber zu keiner planbedingten Erhöhung der
Verkehrslärmimmissionen zu Lasten der Anwohner der Bundesstraße 34 kommt. Für eine
derartige Fallgestaltung ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum
Fachplanungsrecht geklärt, dass Lärmschutzbelange grundsätzlich nur dann in die Abwägung
einzubeziehen sind, wenn die Lärmbelastung durch das Vorhaben ansteigt (Urteil vom 9. Juli
2008 - BVerwG 9 A 5.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 66). Denn nur unter dieser
Voraussetzung besteht ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Vorhaben und der
Lärmbelastung, der es rechtfertigt, Letztere als ein im Rahmen der Planung
bewältigungsbedürftiges Problem zu behandeln. Das gilt unabhängig von der Höhe der
Lärmbelastung; selbst grundrechtlich bedenkliche Belastungswerte bilden nicht stets, sondern
nur dann die Grundlage einer in der Planfeststellung zu berücksichtigenden Schutzpflicht, wenn
sie dem planfestgestellten Vorhaben zuzurechnen sind (Urteil vom 9. Juli 2008 a.a.O.). Eine
Verpflichtung, gesundheitlich kritische Immissionslagen bei Gelegenheit der Planfeststellung zu
sanieren, besteht nicht (Beschluss vom 15. Januar 2008 - BVerwG 9 B 7.07 - Buchholz 406.25 §
41 BImSchG Nr. 48 Rn. 9). Diese Rechtsprechung lässt sich auf das Recht der Bauleitplanung
übertragen.
7 Mit der Frage, ob (teilweise) von der Ermittlung prognostischer Lärmimmissionen eines
Vorhabens abgesehen werden darf, wenn eine Steigerung der Vorbelastung nicht zu erwarten
ist, oder zwingend eine Gesamtbetrachtung im Rahmen der Sammlung des
Abwägungsmaterials angestellt werden muss, möchten die Antragsteller geklärt wissen, ob die
bisherige Immissionssituation als schutzmindernde tatsächliche Vorbelastung zu ermitteln ist,
wenn prognostiziert wird, dass sie durch das umstrittene Vorhaben nicht verschlechtert wird. Die
Frage ist auf der Grundlage der zuvor referierten Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zu verneinen.
8 Die Frage, welche Anforderungen gegebenenfalls an die Ermittlungstiefe zu stellen sind, um
eine planbedingte Steigerung einer Vorbelastung ausschließen zu können, namentlich, ob eine
Schätzung ausreicht oder ob der Ausschluss sichergestellt sein muss, kann ohne Weiteres
schon im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde beantwortet werden. Wie sich eine
planbedingte Nutzung auf eine vorhandene Immissionssituation auswirken wird, ist zu
prognostizieren. Prognosen sind von den Gerichten als rechtmäßig hinzunehmen, wenn sie
methodisch einwandfrei zustande gekommen und in der Sache vernünftig sind (Urteil vom 17.
Januar 1986 - BVerwG 4 C 6.84 und 7.84 - BVerwGE 72, 365 <367>). Dass jede Prognose mit
dem Risiko behaftet ist, die spätere Entwicklung könne von ihr abweichen, liegt in der Natur der
Sache.
9 Die Frage, ob das Ausnutzen einer Vorbelastung und/oder das Unterlassen der Ermittlung zu
erwartender Lärmimmissionen dazu führen darf, dass die Hoffnung der Anwohner eines
Plangebiets auf Besserung auf absehbare Zeit ausgeschlossen wird, ist auf einen Sachverhalt
gemünzt, den der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Aus dem angefochtenen Urteil
ergibt sich nicht, dass die Antragsteller in absehbarer Zeit auf eine Verbesserung der derzeitigen
Immissionssituation hoffen könnten, wenn die umstrittene Planung unterbliebe. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts scheidet die Zulassung der Revision indes
aus, wenn ein Berufungsgericht eine Tatsache nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der
angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würde, sondern lediglich die Möglichkeit besteht,
dass die Rechtsfrage nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sachaufklärung
entscheidungserheblich werden könnte (vgl. Beschlüsse vom 28. Dezember 1998 - BVerwG 9 B
197.98 - juris - und vom 28. November 2005 - BVerwG 4 B 66.05 - ZfBR 2006, 159).
10 c) Die Fragen,
- ob sich aus dem Fehlen einer Berechnungsanweisung in der TA Lärm schlussfolgern lässt,
dass es - objektiv - keinen rechnerischen Ansatz zur Berücksichtigung von
Prognosegenauigkeitswerten gibt,
- ob sich aus der TA Lärm unabhängig vom Vorhandensein rechnerischer Ansätze zu
Prognosegenauigkeitswerten die - nur widerlegliche - Vermutung ergibt, solche seien nicht
vorhanden,
- ob bekannt gewordenen Zweifel an der Verlässlichkeit eines Prognosewerts in Form eines
Prognosegenauigkeitswerts in der Abwägung im Plangebungsverfahren unberücksichtigt
bleiben dürfen,
- ob die TA Lärm vor dem Hintergrund bekannt gewordener Zweifel an der Genauigkeit der
danach ermittelten Prognosewerte auch zukünftig noch als verlässliche Orientierungshilfe bei
der Sammlung des Abwägungsmaterials im Bebauungsplanverfahren dienen kann,
stellen sich für die Antragsteller, weil der Verwaltungsgerichtshof einen Rechtssatz des Inhalts
aufgestellt habe, dass wegen fehlender Berechnungsansätze in der TA Lärm eine gleichwohl
dem Plangeber bekannt gewordene Bewertung der (Un)Genauigkeit der
Lärmimmissionsprognose nicht im Abwägungsergebnis berücksichtigt werden dürfe. Ein solcher
Rechtssatz ist in dem angefochtenen Urteil jedoch nicht formuliert. Mit seiner Aussage, „es gehe
nicht an“, den errechneten Beurteilungspegeln - wohl i.S. einer worst-case-Betrachtung - die
jeweils mitgeteilten, u.a. aus der „Standardabweichung“ berechneten
Prognosegenauigkeitswerte hinzuzurechnen, weil die TA Lärm solches nicht vorsehe (UA S.
33), hat der Verwaltungsgerichtshof den Einwand der Antragsteller beschieden, das
schalltechnische Gutachten vom 19. Februar 2009 berücksichtige in seinen Empfehlungen für
die Baumaßnahme zu Unrecht nicht die Toleranzwerte (Schriftsatz vom 25. Juni 2010). Einen
Rechtssatz des Inhalts, dass es auch dem Plangeber verboten wäre, Prognoseungenauigkeiten
durch einen „Sicherheitszuschlag“ auszugleichen, den die Antragsteller mit der Beschwerde
unterstellen, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht ausgesprochen.
11 d) Die Fragen,
- ob die Lösung abwägungsrelevanter Fragen der Anpassung an die Ziele der Raumordnung
auch in einem bloß angedachten gesonderten Planänderungsverfahren zu einem anderen
bestehenden Plan desselben Plangebers zulässig ist,
- ob - bejahendenfalls - angesichts der sonst Dritten und Gebietskörperschaften nicht gegebenen
Möglichkeit, eine Gemeinde wirksam zur Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans zu
verpflichten, die mit Blick auf die - unter dem Vorbehalt der materiell-rechtlichen Erforderlichkeit
stehenden - Anpassungsverpflichtung ausgesprochene Aufforderung der
Raumordnungsbehörde in der Lage ist, eine wirksame Verpflichtung zu begründen,
- ob, falls eine Verpflichtung durch die Raumordnungsbehörde zulässig ist, die bloße
Verpflichtung genügt, um von der zukünftig sichergestellten Konfliktbewältigung ausgehen zu
können, oder die Planänderung zumindest substantiell begonnen sein muss, damit die
Konfliktbewältigung durch eine hinreichend konkrete Gestalt der anderweitigen Planung
sichergestellt ist,
- ob sich eine Gemeinde wirksam für die Zukunft selbst verpflichten kann, einen erkannten
Abwägungskonflikt in einem gesonderten Planverfahren zu lösen, und alleine durch so eine
Selbstverpflichtung die Konfliktbewältigung in Zukunft sichergestellt wäre, bejahendenfalls ob es
zur Annahme einer solchen Selbstverpflichtung genügt, wenn die Gemeinde auf Basis einer
Aufforderung stillschweigend den konfliktbeladenen Plan beschließt,
sind mangels Entscheidungserheblichkeit nicht klärungsbedürftig. Der Verwaltungsgerichtshof
hat die Raumverträglichkeit des ausgewiesenen Sondergebiets nicht unter der Voraussetzung
bejaht, dass ein anderer Bebauungsplan, der Einzelhandelsprojekte zulässt, geändert wird,
sondern weil von dem zu beachtenden Plansatz 3.3.7 des maßgeblichen Regionalplans zur
Sicherung der verbrauchernahen Grundversorgung der in der Ortsmitte wohnenden,
insbesondere nicht mobilen Bevölkerung von Lauchringen ausnahmsweise abgewichen werden
durfte (UA S. 45). Dass dieser Sachverhaltswürdigung aktenwidrige Feststellungen zugrunde
liegen, wie die Antragsteller im Schriftsatz vom 31. Januar 2013 geltend machen, ist nicht
dargelegt (vgl. zu den Darlegungsanforderungen Urteil vom 2. Februar 1984 - BVerwG 6 C
134.81 - BVerwGE 68, 338 <340> und Beschluss vom 19. November 1997 - BVerwG 4 B 182.97
- Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1).
12 2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen einer Abweichung des
angefochtenen Urteils von den Entscheidungen des Senats vom 5. Juli 1974 - BVerwG 4 C
50.72 - (BVerwGE 45, 309) und 19. April 2012 - BVerwG 4 CN 3.11 - (NVwZ 2012, 1338)
zuzulassen.
13 a) Die Antragsteller machen geltend, der Verwaltungsgerichtshof sei mit dem Rechtssatz, die
widerlegliche Vermutung einer freien Entscheidung des zur Abwägung berufenen Gemeinderats
sei allein anhand der Planbegründung zu prüfen, von dem Rechtssatz des Senats aus der
Entscheidung vom 5. Juli 1974 (a.a.O.) abgewichen, dass trotz bestehender Zweifel, die sich
nach Auswertung von Planbegründung, Ratsprotokollen und sonst vorhandenen
Abwägungsmaterials zu Umfang und Inhalt des Abwägungsmaterials und der Abwägung selbst
ergäben, grundsätzlich eine Vermutung für die freie Entscheidung des zur Abwägung berufenen
Gemeinderats bestehe. Die Divergenzrüge scheitert schon daran, dass der
Verwaltungsgerichtshof einen Rechtssatz mit dem von den Antragstellern behaupteten Inhalt
nicht aufgestellt hat. Der Rechtssatz, von dem der Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung
mit der Senatsrechtsprechung ausgegangen ist, lautet, dass grundsätzlich eine gewisse
Vermutung für eine trotz der einen oder anderen Bindung freie Entscheidung des zur Abwägung
berufenen Gemeinderats spricht (UA S. 46 f.). Die Vermutung sieht der Verwaltungsgerichtshof
durch die Planbegründung nicht als widerlegt an (UA S. 47). Darin liegt eine tatrichterliche
Würdigung des Sachverhalts. Ob sie zutrifft oder nicht, ist für die Zulassung der Revision ohne
Bedeutung; denn eine Divergenz liegt nicht vor, wenn die Vorinstanz einen Rechtssatz des
Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die
rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten
sind (stRspr; vgl. nur Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328).
14 Die Antragsteller stützen ihre Divergenzrüge ferner darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof
dem Rechtssatz aus der Senatsentscheidung vom 5. Juli 1974 (a.a.O.), die Vorwegnahme der
Entscheidung müsse ihrerseits sachlich gerechtfertigt sein, die planungsrechtliche
Zuständigkeitsordnung wahren und „inhaltlich nicht zu frei von Beanstandungen im Sinne einer
Abwägung sein“ (richtig: und die vorgezogene Entscheidung darf „nicht inhaltlich zu
beanstanden sein“; sie muss ihrerseits dem Abwägungsgebot genügen), einen Rechtssatz des
Inhalts entgegengesetzt habe, dass die Prüfung der Ausnahmekriterien zu einer „an sich“
schädlichen unzulässigen Vorabbindung dann nicht erforderlich sei, wenn auf eine „ersichtlich“
zulässige Vorabbindung zu erkennen sei. Den Rechtssatz, den die Antragsteller dem
angefochtenen Urteil entnehmen, hat der Verwaltungsgerichtshof indes nicht aufgestellt. Er hat
vielmehr den Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass die Voraussetzungen, von denen der
Senat die Zulässigkeit einer Vorabbindung abhängig macht, im vorliegenden Fall ersichtlich
vorliegen (UA S. 47).
15 Ein Rechtssatz mit dem Inhalt, dass ein Ausschluss von grundlegenden Alternativplanungen
wie im Fall der vorab festgelegten Standortwahl eine Vorbelastung verursachen muss, welche
ein sachgerechtes Abwägen auch unter Berücksichtigung entgegenstehender Interessen
generell ausschließt, ist im Senatsurteil vom 5. Juli 1974 (a.a.O.) nicht enthalten. Der
Verwaltungsgerichtshof kann folglich von ihm nicht abgewichen sein.
16 b) Aus dem Senatsurteil vom 19. April 2012 (a.a.O.) zitieren die Antragsteller den Rechtssatz,
für eine zulässige Ausnahme vom Trennungsgrundsatz seien städtebauliche Gründe von
besonderem Gewicht und die Sicherstellung erforderlich, dass von der projektierten Nutzung im
Plangebiet nur unerhebliche Immissionen ausgingen. Sie halten dem Verwaltungsgerichtshof
vor, davon mit dem Rechtssatz abgewichen zu sein, für eine zulässige Ausnahme vom
Trennungsgrundsatz genüge eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Immissionen nur
unerheblich seien. Ihr Vorwurf ist unberechtigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat anhand des
schalltechnischen Gutachtens und der ergänzenden Aussagen der Gutachter in der mündlichen
Verhandlung die Überzeugung gewonnen, dass die erhöhten Verkehrsstärken auf der B 34 nicht
zu einer abwägungserheblichen Verschlechterung der bereits bestehenden Lärmsituation führen
(UA S. 36 f.). Mit einer Kritik an der vorinstanzlichen Würdigung des Gutachtens lässt sich der
Tatbestand der Divergenz nicht begründen.
17 3. Die Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines
Verfahrensfehlers zuzulassen.
18 a) Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof sei seiner Pflicht zur Klärung des Sachverhalts (§ 86
Abs. 1 VwGO) nicht nachgekommen, greift nicht durch.
19 Die Antragsteller monieren, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Klärung der Frage, ob sich
der Gemeinderat der Antragsgegnerin in unzulässiger Weise vorab gebunden habe, nur die
Planbegründung, nicht aber das gesamte Aktenmaterial ausgewertet habe. Hätte er dies getan
und z.B. auf die Beschlussvorlage zum ersten Aufstellungsbeschluss vom 24. Juli 2008 Zugriff
genommen, hätte er festgestellt, dass auf die Prüfung von Standortalternativen verzichtet worden
sei, und einen Abwägungsfehler annehmen müssen.
20 Die Kritik der Antragsteller ist unberechtigt. Die Antragsteller zitieren aus der
Beschlussvorlage, dass Alternativstandorte nicht untersucht worden seien, weil Projektträger
und Marktbetreiber das Projekt ausschließlich an diesem Standort oder gar nicht realisieren
wollten. Diese Erwägung hat der Verwaltungsgerichtshof zur Kenntnis genommen, aber keinen
Anlass zur Beanstandung gesehen (UA S. 47). Seine materiell-rechtliche Auffassung lässt sich
mit der Verfahrensrüge nicht angreifen.
21 Die Rügen,
- dass der Verwaltungsgerichtshof die über drei andere Märkte mit je 800 m² Verkaufsfläche
hinausgehende Versorgungslage unberücksichtigt gelassen habe,
- dass der Verwaltungsgerichtshof nicht weiter geprüft habe, worauf sich der Offenlagebeschluss
vom 31. März 2009 bezogen habe,
genügen schon nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Antragsteller legen
nicht dar, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen der
Verwaltungsgerichtshof hätte durchführen sollen und welche tatsächlichen Feststellungen bei
Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären.
22 b) Die Antragsteller beanstanden die Feststellung eines aktenwidrigen Sachverhalts durch
den Verwaltungsgerichtshof und sehen darin einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz
(§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Vorinstanz habe akzeptiert, dass für die Ermittlung der Anzahl
der Fahrbewegungen nach der Parkplatzlärmstudie eine Nettoverkaufsfläche von 1 000 m² in
Ansatz gebracht worden sei (UA S. 33), während sich aus den Akten weitaus höhere
Nettoverkaufsflächen ergäben. Die Rüge der Aktenwidrigkeit ist nicht ordnungsgemäß erhoben,
weil die Antragsteller die Fundstelle in den Akten, aus der sie den Verstoß ableitet, nicht
angeben. Es ist nicht Sache des Senats, die Aufstellungsvorgänge zum Bebauungsplan zu
sichten und nach einer Fundstelle zu suchen, die den Vortrag der Antragsteller zum Akteninhalt
stützt.
23 Die inhaltlichen Angriffe gegen das schalltechnische Gutachten, die Kritik, dass der
Verwaltungsgerichtshof die Offenlage des Gutachtens nur als Schwarz-Weiß-Kopie nicht
beanstandet habe, und das Vorbringen zur angeblichen Unbestimmtheit des Bebauungsplans
wegen innerer Widersprüche sind nicht geeignet, eine Missachtung des
Überzeugungsgrundsatzes zu begründen.
24 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100
Abs. 1 ZPO, § 159 Satz 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1
GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Petz