Urteil des BVerwG vom 30.07.2013

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BVerwG 7 B 17.13
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 B 17.13
VG Lüneburg - 01.12.2011 - AZ: VG 2 A 186/10
Niedersächsisches OVG - 14.02.2013 - AZ: OVG 8 LB 165/12
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juli 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil
des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2013 wird
zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 €
festgesetzt.
Gründe
I
1 Das Oberverwaltungsgericht hat den Feuerstättenbescheid des Beklagten vom 21. Juni 2010
aufgehoben, soweit darin für den Schornstein und den Kaminofen der Kläger eine zweite
jährliche Kehrung festgesetzt worden ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, Rechtsgrundlage
des Bescheides sei § 17 des Gesetzes über das Berufsrecht und die Versorgung im
Schornsteinfegerhandwerk (Schornsteinfeger-Handwerksgesetz) - SchfHwG - in seiner nach Art.
4 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens vom 26. November 2008
(BGBl I S. 2242) am 29. November 2008 in Kraft getretenen Fassung. Hier sei der Bescheid nicht
nach § 17 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG bei Durchführung einer Feuerstättenschau ergangen, denn
bei Erlass des Bescheides habe die Feuerstättenschau vom 9. Mai 2008 schon länger
zurückgelegen. Er finde auch in den nach § 17 Abs. 2 SchfHwG heranzuziehenden Daten des
Kehrbuchs keine hinreichende Grundlage. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die
Voraussetzungen für den Erlass eines Bescheides nach § 17 Abs. 2 SchfHwG erfüllt seien,
obwohl bis zum 31. Dezember 2012 noch eine Feuerstättenschau durchzuführen gewesen sei.
Die für die Eintragungen im Kehrbuch hier maßgeblichen Jahre 2008 und 2009 wiesen für den
Schornstein nur eine einmal jährliche Kehrung aus. Der Beklagte könne die Festsetzungen im
Bescheid auch nicht auf tatsächliche Erkenntnisse stützen, die er bei der Durchführung sonstiger
Schornsteinfegerarbeiten erlangt haben wolle. Ob er derartige Erkenntnisse erlangt habe, könne
daher offenbleiben. Der Senat weise gleichwohl darauf hin, dass hieran erhebliche Zweifel
bestünden.
2 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen
richtet sich die Beschwerde des Beklagten.
II
3 Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen
Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die mit der Beschwerde geltend gemachte
rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
4 1. Zum Verhältnis von § 17 Abs. 1 Satz 1 und § 17 Abs. 2 SchfHwG möchte der Beklagte
rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,
ob ein Feuerstättenbescheid für eine Anlage, die bis zum 31. Dezember 2012 noch Gegenstand
einer Feuerstättenschau sein konnte, ausschließlich auf § 17 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG hätte
gestützt werden dürfen und nicht auf § 17 Abs. 2 SchfHwG,
und
ob die Feuerstättenschau im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG allein die turnusmäßige
Feuerstättenschau nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 SchfG meint und ob es bei Ausklammerung einer
Anlage oder eines Anlagenteils bei der turnusmäßigen Feuerstättenschau für die
ausgeklammerte Anlage oder das ausgeklammerte Anlagenteil eine weitere Feuerstättenschau
im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG überhaupt geben kann.
5 Diese Fragen würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das
Oberverwaltungsgericht hat offengelassen, ob hier die Voraussetzungen für den Erlass eines
Feuerstättenbescheides nach § 17 Abs. 2 SchfHwG auf der Grundlage der Daten des Kehrbuchs
schon deshalb nicht vorlagen, weil bei den Klägern möglicherweise vor dem 31. Dezember 2012
noch eine Feuerstättenschau hätte durchgeführt werden können. Insoweit hat es die
Anwendbarkeit des § 17 Abs. 2 SchfHwG unterstellt. Es hat die Festsetzung der zweiten
jährlichen Kehrung allein deshalb beanstandet, weil ein Feuerstättenbescheid nach § 17 Abs. 2
SchfHwG allein auf die im Kehrbuch erfassten Daten gestützt werden könne und sich hier aus
den Daten des Kehrbuchs die Notwendigkeit einer zweiten jährlichen Kehrung nicht ergebe.
6 2. Zu den Voraussetzungen für den Erlass eines Feuerstättenbescheides auf der Grundlage
der Daten des Kehrbuchs möchte der Beklagte geklärt wissen,
ob der Liegenschaftsbericht Teil des Kehrbuchs im Sinne des § 19 Abs. 1 SchfHwG ist und sein
Inhalt damit zu den „Daten des Kehrbuchs“ gehört, auf deren Grundlage der
Feuerstättenbescheid nach § 17 Abs. 2 SchfHwG erlassen wird,
ob zu den Daten des Kehrbuchs im Sinne des § 17 Abs. 2 SchfHwG Erkenntnisse zur
Benutzungshäufigkeit eines Kaminofens, die anlässlich einer Kehrung gewonnen worden sind,
gehören können und wenn ja, unter welche Nummer des § 19 Abs. 1 SchfHwG sie subsumiert
werden können,
ob die Daten/Erkenntnisse aus Kehrungen bei Erstellung des Feuerstättenbescheides
berücksichtigt werden dürfen, auch wenn sie nur Eingang in den Liegenschaftsbericht, nicht aber
in das Kehrbuch im engen Sinne gefunden haben,
und
ob es dem Beklagten verwehrt ist, bei Erlass des Feuerstättenbescheides auf solche
tatsächlichen Erkenntnisse zurückzugreifen, die er bei der Durchführung sonstiger
Schornsteinfegerarbeiten erlangt hat.
7 Diesen Fragen kommt eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung nicht zu; jedenfalls ist eine
rechtsgrundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend dargelegt. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt der Auslegung von
Übergangsvorschriften und von auslaufendem Recht regelmäßig keine grundsätzliche
Bedeutung zu; die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO soll nur eine für die
Zukunft geltende Klärung der Rechtslage herbeiführen (Beschlüsse vom 8. August 2012 -
BVerwG 7 B 1.12 - juris Rn. 8 und vom 31. Juli 1997 - BVerwG 2 B 145.96 - juris Rn. 4, jeweils
m.w.N.). Eine Ausnahme von dieser Regel ist dann anerkannt, wenn die Klärung der
Rechtsfragen für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft
weiterhin von Bedeutung ist; für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist der Beschwerdeführer
darlegungspflichtig (Beschluss vom 8. August 2012 a.a.O.).
8 § 17 Abs. 2 SchfHwG in seiner am 29. November 2008 in Kraft getretenen Fassung ist eine
Übergangsregelung, die lediglich in der Zeit vom Inkrafttreten des Gesetzes bis zum 31.
Dezember 2012 Wirkung entfaltet hat (OVG Münster, Beschluss vom 12. September 2011 - 4 A
2206/10 - juris Rn. 18; Schira/ Schwarz, Schornsteinfeger-Handwerksgesetz, 2009, § 17 Rn. 1).
Sie gilt nur für Anlagen, bei denen bis zum 31. Dezember 2012 keine Feuerstättenschau mehr
durchzuführen war. Zudem ermächtigt § 17 SchfHwG allein die Bezirksschornsteinfegermeister,
Feuerstättenbescheide zu erlassen. Mit Ablauf des 31. Dezember 2012 haben sich Bestellungen
zum Bezirksschornsteinfegermeister - unbeschadet der in §§ 8 bis 11 SchfG geregelten Gründe
für das Erlöschen der Bestellung - in Bestellungen zum bevollmächtigten
Bezirksschornsteinfeger für ihren Bezirk umgewandelt (§ 48 Satz 1 SchfHwG). Seit dem 1.
Januar 2013 können Feuerstättenbescheide nicht mehr von Bezirksschornsteinfegermeistern
und damit auch nicht mehr auf der Grundlage von § 17 SchfHwG, sondern nur noch von
bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegern (§§ 8 ff. SchfHwG) erlassen werden;
Rechtsgrundlage hierfür ist der am 1. Januar 2013 in Kraft getretene § 14 SchfHwG (vgl. Art. 4
Abs. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens vom 26. November 2008).
Nach § 14 Abs. 2 SchfHwG ist der Feuerstättenbescheid bei der - vom bevollmächtigten
Bezirksschornsteinfeger persönlich durchzuführenden (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG) -
Feuerstättenschau zu erlassen; der Erlass eines Feuerstättenbescheides auf der Grundlage der
Daten des Kehrbuchs ist nicht vorgesehen. Die Befugnis der Bezirksschornsteinfegermeister, für
kehr- und überprüfungspflichtige Anlagen, bei denen bis zum 31. Dezember 2012 keine
Feuerstättenschau mehr durchzuführen war, den Feuerstättenbescheid auf der Grundlage der
Daten des Kehrbuchs zu erstellen, sollte sicherstellen, dass alle Eigentümer rechtzeitig bis zum
vollständigen Inkrafttreten des neuen Rechts am 1. Januar 2013 einen Feuerstättenbescheid
erhalten (BTDrucks 16/9237 S. 34). Dies war erforderlich, weil der Feuerstättenbescheid erst
durch das Gesetz zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens vom 26. November 2008
eingeführt worden war. Er setzt fest, welche Schornsteinfegerarbeiten nach den
Rechtsverordnungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 SchfHwG oder der Verordnung über kleine
und mittlere Feuerungsanlagen durchzuführen sind und innerhalb welchen Zeitraums dies zu
geschehen hat (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG). Bis zum 31. Dezember 2012 durften diese
Arbeiten nur von dem zuständigen Bezirksschornsteinfegermeister oder nach Maßgabe des § 13
Abs. 3 SchfG von Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union
oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der
Schweiz durchgeführt werden (§ 2 Abs. 2 SchfHwG). Nach neuem Recht können die Eigentümer
selbst einen Schornsteinfegerbetrieb, der die Anforderungen des § 2 Abs. 1 SchfHwG erfüllt,
aussuchen. Hierfür müssen sie wissen, welche Tätigkeiten auszuführen sind und in welchen
Intervallen; diesem Zweck dient der Feuerstättenbescheid (BTDrucks 16/9237 S. 34). Ihn ohne
Feuerstättenschau zu erlassen, war nur während der Übergangsphase zwischen dem
Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens vom 26. November
2008 und dem 31. Dezember 2012 vorgesehen.
9 Daran hat die Neufassung des § 17 Abs. 2 SchfHwG durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung
gewerberechtlicher Vorschriften vom 11. Juli 2011 (BGBl I S. 1341 - im Folgenden: SchfHwG
n.F.) nichts geändert. Durch dieses Gesetz ist die bisher in § 17 Abs. 2 enthaltene Befugnis, den
Feuerstättenbescheid auf der Grundlage der Daten des Kehrbuchs zu erstellen, in Absatz 3 Satz
1 verschoben worden, Sätze 2 und 3 sind angefügt worden. § 17 Abs. 3 SchfHwG n.F. lautet
nunmehr wie folgt:
Für kehr- und überprüfungspflichtige Anlagen, bei denen bis zum 31. Dezember 2012 keine
Feuerstättenschau mehr durchzuführen ist, haben die Bezirksschornsteinfegermeister den
Feuerstättenbescheid auf der Grundlage der Daten des Kehrbuchs zu erstellen und den
Eigentümern zuzustellen. Das gilt auch dann, wenn
1. die Eigentümer einen Antrag auf Ausstellung des Feuerstättenbescheides stellen oder
2. den Bezirksschornsteinfegermeistern die Durchführung der Arbeiten nach den
Rechtsverordnungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 oder nach der Verordnung über kleine und
mittlere Feuerungsanlagen von den Eigentümern verweigert wird.
Der Feuerstättenbescheid nach den Sätzen 1 und 2 gilt nur für den Zeitraum bis zur nächsten
Feuerstättenschau.
10 Diese Vorschrift ist trotz ihres erweiterten Anwendungsbereichs eine Übergangsvorschrift
geblieben. Sie hat weiterhin allein die Bezirksschornsteinfegermeister ermächtigt,
Feuerstättenbescheide auf der Grundlage der Daten des Kehrbuchs zu erlassen; die
bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger haben eine entsprechende Befugnis nicht erhalten.
Auch die Voraussetzungen, unter denen die Bezirksschornsteinfegermeister nach § 17 Abs. 3
Satz 2 SchfHwG n.F. Feuerstättenbescheide erlassen konnten, waren vorübergehender Natur.
Mit Nummer 1 der Vorschrift hat der Gesetzgeber auf den Wunsch zahlreicher Eigentümer
reagiert, bereits vorzeitig, also bevor die Feuerstättenschau stattzufinden hätte, einen
Feuerstättenbescheid zu erhalten (BTDrucks 17/5312 S. 11). Haben zum 31. Dezember 2012
alle Eigentümer einen Feuerstättenbescheid erhalten, können sie einen Schornsteinfegerbetrieb
ihrer Wahl mit der Durchführung der turnusmäßígen Arbeiten beauftragen; ein Bedarf für einen
vorzeitigen Feuerstättenbescheid ist nicht mehr gegeben. Der in Nummer 2 geregelte Fall, dass
die Eigentümer dem Bezirksschornsteinfegermeister die Durchführung der vorgeschriebenen
turnusmäßigen Arbeiten verweigern, kann seit dem 1. Januar 2013 ebenfalls nicht mehr
eintreten. Seither sind diese Arbeiten dem Bezirksschornsteinfegermeister nicht mehr
vorbehalten; die Eigentümer können die Arbeiten von einem anderen Schornsteinfegerbetrieb
durchführen lassen. Für die Durchsetzung der ab dem 1. Januar 2013 dem bevollmächtigten
Bezirksschornsteinfeger vorbehaltenen Feuerstättenschau ist - worauf der Bundesrat in seiner
Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung hingewiesen hat (BTDrucks 17/5312 S.
13) - der Erlass eines Feuerstättenbescheides nicht erforderlich; die Bundesregierung hat sich in
ihrer Gegenäußerung dieser Auffassung angeschlossen (a.a.O. S. 14).
11 Ausgehend hiervon hätte der Beklagte darlegen müssen, welche Bedeutung die
aufgeworfenen Fragen für die Zukunft noch haben sollten. Dieser Anforderung wird die
Beschwerde nicht gerecht.
12 3. Der Beklagte bezeichnet schließlich vorsorglich weitere Fragen für den Fall als
rechtsgrundsätzlich, dass die im Urteil des Oberverwaltungsgerichts dargelegten erheblichen
Zweifel am Vorliegen tatsächlicher Erkenntnisse, welche die Festsetzung einer zweiten Kehrung
rechtfertigen könnten, die Entscheidung selbstständig tragen sollten. Das ist jedoch - wie die
Beschwerde selbst zutreffend darlegt - nicht der Fall. Das Oberverwaltungsgericht hat
ausdrücklich offen gelassen, ob der Beklagte tatsächlich Erkenntnisse erlangt hat, aus welchen
auf die Notwendigkeit einer zweiten jährlichen Kehrung hätte geschlossen werden können (UA
S. 11). Die aufgeworfenen Fragen wären mithin nicht entscheidungserheblich.
13 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47
Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Nolte
Dr. Philipp
Guttenberger