Urteil des BVerwG vom 06.12.2007

BVerwG: trennung von verfahren, anspruch auf rechtliches gehör, rüge, verfahrensmangel, unterliegen, einlage, behandlung, gestaltung, rechtskraft, bindungswirkung

Rechtsquellen:
VwGO
§ 93; § 132 Abs. 2 Nr. 3; § 133 Abs. 3 Satz 3; § 146 Abs. 2; § 173
ZPO
§ 557 Abs. 2
Stichworte:
Flurbereinigungsgericht; Trennungsbeschluss; Unanfechtbarkeit; Revisionszu-
lassung; Verfahrensmangel; Darlegungserfordernis.
Leitsätze :
1. Die Rüge, die Voraussetzungen für die Abtrennung eines Verfahrens gemäß
§ 93 VwGO hätten nicht vorgelegen, kann die Zulassung der Revision nach
§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO schon deswegen nicht rechtfertigen, weil Beschlüsse
über die Trennung von Verfahren nach § 146 Abs. 2 VwGO mit der Folge unan-
fechtbar sind, dass sie nicht der Nachprüfung des Revisionsgerichts unterlie-
gen.
2. Unberührt davon bleibt die Möglichkeit, mit der Nichtzulassungsbeschwerde
Mängel zu rügen, die als Folge der beanstandeten Trennung dem angefochte-
nen Urteil selbst anhaften (im Anschluss an das Urteil vom 17. Februar 1972
- BVerwG 8 C 84.70 - BVerwGE 39, 319 <324>).
Beschluss des 9. Senats vom 6. Dezember 2007 - BVerwG 9 B 53.07
I. VGH München vom 21.05.2007 - Az.: VGH 13 A 06.111 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 B 53.07
VGH 13 A 06.111
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Dezember 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und Prof. Dr. Rubel
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs (Flurbereinigungsgericht) vom 21. Mai 2007
wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens
mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der
Beigeladenen als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 4 481 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Durch den Tod des Klägers Josef H. ist eine Unterbrechung des Verfahrens
nicht eingetreten; seine Prozessbevollmächtigten haben mit Schriftsatz vom
12. September 2007 mitgeteilt, der Rechtsstreit werde fortgesetzt (§ 173 VwGO
i.V.m. § 239 Abs. 1, § 246 Abs. 1 ZPO).
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Be-
schwerde hat keinen Erfolg. Ein Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Re-
vision führen könnte, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht.
1. Die Rüge, die Voraussetzungen des § 93 VwGO für eine Abtrennung des
Klagepunktes „Nummer 4 des Bescheides vom 18. März 2005“ hätten nicht
vorgelegen, kann die Zulassung der Revision schon deswegen nicht rechtferti-
gen, weil Beschlüsse über die Verbindung und Trennung von Verfahren nach
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§ 146 Abs. 2 VwGO mit der Folge unanfechtbar sind, dass sie nicht der Nach-
prüfung des Revisionsgerichts unterliegen (§ 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2
ZPO, vgl. Beschluss vom 19. November 1982 - BVerwG 9 CB 674.82 -
Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 217).
Unbeschadet dessen kann die Beschwerde Mängel rügen, die als Folge der
beanstandeten Trennung dem angefochtenen Urteil selbst anhaften (vgl. Urteil
vom 17. Februar 1972 - BVerwG 8 C 84.70 - BVerwGE 39, 319 <324>). Solche
Mängel sind von der Beschwerde aber nicht hinreichend dargelegt worden (vgl.
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Sie trägt vor, der im Verfahren verbliebene Klage-
punkt Nr. 1, der den Streit über den Grenzverlauf zwischen den Abfindungs-
grundstücken 1083 und 1084 betreffe, habe notwendig Einfluss auf die Abmar-
kung der Außengrenze der klägerischen Abfindungsgrundstücke, um die es
beim Klagepunkt Nr. 4 gehe, so dass der insgesamt fehlerhafte Flurbereini-
gungsplan nicht bezüglich zeichnerischer und textlicher Fehlerhaftigkeit „auf-
gesplittet“ werden könne. Der Beklagte weist in seiner Beschwerdeerwiderung
zutreffend darauf hin, dass es ein Fehlverständnis wäre, wenn man den Tren-
nungsbeschluss so auslegen wollte, als wäre durch ihn eine Trennung zwi-
schen zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Flurbereinigungsplans
bewirkt worden. Auch unter Berücksichtigung des der Beschwerdebegründung
als Anlage beigefügten Auszugs aus der Änderungskarte zur Abfindungskarte
wird von der Beschwerde nicht hinreichend aufgezeigt, worin der untrennbare
Zusammenhang zwischen der Entscheidung über den Klagepunkt Nr. 1 und
dem Klagepunkt Nr. 4 liegen soll. Die streitige Außengrenze verläuft zwar ent-
lang des Abfindungsgrundstücks 1083, berührt sich aber nicht mit dem Grenz-
verlauf, der Streitgegenstand des Klagepunktes Nr. 1 ist. Die Behauptung der
Beschwerde, eine Änderung der zeichnerischen Darstellung des zuletzt ge-
nannten Grenzverlaufs ändere auch den äußeren Grenzverlauf, ist nicht nach-
vollziehbar, und zwar auch dann nicht, wenn man in den Blick nimmt, dass das
Abfindungsgrundstück 1084 an das Abfindungsgrundstück 1062 angrenzt und
mit diesem einen gemeinsamen Grenzpunkt besitzt, der auf der Außengrenze
liegt.
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2. Aus den vorgenannten Gründen kann die Beschwerde auch nicht mit der von
ihr erhobenen Gehörsrüge Erfolg haben, die darauf gestützt wird, die im abge-
trennten Verfahren VGH 13 A 07.1278 begehrte Änderung des Textteils werde
hier zeichnerisch bereits umgesetzt und dem Kläger werde aufgrund der dann
entgegenstehenden Rechtskraft des angefochtenen Urteils die Möglichkeit ge-
nommen, zu den Grundlagen der textlichen Festsetzung Stellung zu nehmen.
3. Nicht überzeugen kann es schließlich, wenn die Beschwerde dem Flurberei-
nigungsgericht vorwirft, eine Überraschungsentscheidung erlassen zu haben.
Das Verbot von Überraschungsentscheidungen ist aus § 86 Abs. 3, § 104
Abs. 1 und § 108 Abs. 2 VwGO sowie aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleiten. Es
verbietet, einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Ge-
sichtspunkt zur Grundlage einer Entscheidung zu machen und damit dem
Rechtsstreit eine Wendung zu geben, mit der die Beteiligten nach dem bisheri-
gen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. BVerfG, Be-
schluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.>). Davon
kann hier keine Rede sein.
Die Beschwerde trägt unter Hinweis auf die Behandlung des Klagepunktes
Nr. 3 vor, in den Entscheidungsgründen seines Urteils gehe das Flurbereini-
gungsgericht nicht darauf ein, dass in der Klagebegründung vom 29. März 2006
(dort auf S. 4) und ebenso in dem klägerischen Schriftsatz vom 16. Mai 2007
der Grenzverlauf der Abfindungsgrundstücke 2494 und 2494/1 streitig gestellt
worden und der Einwand erhoben worden sei, das Abfindungsflurstück 2494/1
sei aus der Einlage der Kläger gebildet worden. Das Flurbereinigungsgericht
lasse es damit bewenden, dass die zurückzugebende Fläche überhaupt vor-
handen gewesen sei. Die Beschwerde meint, das Flurbereinigungsgericht hät-
te, wenn es sich mit diesem Vortrag auseinander gesetzt hätte, hinsichtlich der
von ihm angenommenen Rücktrittsvoraussetzungen zu einem anderen Ergeb-
nis gelangen müssen. Angesichts des Akteninhalts, auf den in den Entschei-
dungsgründen Bezug genommen wird (UA S. 7), ist damit nicht schlüssig dar-
gelegt (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass das Flurbereinigungsgericht eine
Überraschungsentscheidung getroffen hätte.
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Die von der Beschwerde angesprochenen Streitfragen waren bereits Gegen-
stand des Klageverfahrens VGH 13 A 97.1298, das durch das rechtskräftige
Urteil vom 11. November 1999 abgeschlossen ist. Nähere Einzelheiten sind auf
S. 13 dieses Urteils abgehandelt. Auf die Bindungswirkung der insoweit rechts-
kräftig getroffenen Entscheidung beruft sich das Flurbereinigungsgericht in
Würdigung des klägerischen Vortrags, die Rücktrittsvoraussetzungen hätten
nicht vorgelegen, weil das Abfindungsgrundstück 2494/1 Teil der klägerischen
Einlage gewesen sei (UA S. 11). Hinsichtlich der Abmarkung der genannten
Fläche verweist das Flurbereinigungsgericht auf das Ergebnis der Augen-
scheinseinnahme, die bestätigt habe, dass die Abformung des verbliebenen
Flurstücks, die sich im Wesentlichen am Einlagenstand orientiere, unter Be-
rücksichtigung dessen, dass es keinen Anspruch auf eine bestimmte Gestal-
tung des Abfindungsgrundstücks gebe, sachgerecht erfolgt sei (UA S. 11 f.). Es
kann somit keine Rede davon sein, dass sich das Flurbereinigungsgericht nicht
mit dem klägerischen Vortrag zum Klagepunkt Nr. 3 auseinander gesetzt hat.
Wenn das Flurbereinigungsgericht dabei einen materiellrechtlichen Standpunkt
eingenommen hat, den die Beschwerde nicht billigt, wird damit nicht aufgezeigt,
dass die Kläger durch eine Überraschungsentscheidung in ihrem Anspruch auf
rechtliches Gehör verletzt worden sein könnten.
Die Kläger sind ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung (S. 3)
vom Vorsitzenden darauf hingewiesen worden, dass nach einer Senatsbera-
tung der Klagepunkt Nr. 3 voraussichtlich keine Erfolgsaussichten haben konn-
te. Der Vorsitzende hat die Auffassung des Flurbereinigungsgerichts begründet,
und die Beteiligten hatten Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Angesichts dieses
Ablaufs der mündlichen Verhandlung wäre eine Gehörsverletzung nur denkbar,
wenn die dort erteilten Hinweise zur Sach- und Rechtslage für die Beteiligten
irreführend gewesen wären. Das wird von der Beschwerde nicht geltend ge-
macht.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3
VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 2 GKG.
Dr. Storost Vallendar Prof. Dr. Rubel
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