Urteil des BVerwG vom 27.08.2013

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BVerwG 7 KSt 1.13
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 KSt 1.13
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. August 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
beschlossen:
Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Januar
2011 und des Senats vom 25. Oktober 2012 werden geändert.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren vor dem
Oberverwaltungsgericht auf 1 007 820 € und für das Revisionsverfahren auf 1 000
000 € festgesetzt.
Gründe
1 Mit Beschluss vom 25. Oktober 2012 hat der Senat den Streitwert für das Revisionsverfahren
auf 2 000 000 € festgesetzt. Dabei hat er sich an einer von der Klägerin mit Schriftsatz vom 14.
Juni 2011 (richtig: 15. Juni 2011) vorgelegten Zusammenstellung der durch die angegriffene
Einstufung der Anlage als Abfallverbrennungsanlage im Sinne der 17. BImSchV verursachten
zusätzlichen Investitions- und Analytikkosten orientiert, die auch Grundlage der
Streitwertfestsetzung durch das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. Januar 2011
war. Die Zusammenstellung führt zusätzliche Kosten in Höhe von insgesamt 2 255 000 € auf,
davon entfallen 1 109 000 € auf zusätzliche Investitionskosten und 1 146 000 € auf zusätzliche
jährliche Analytikkosten. Der Senat hat ausgehend von den größten Kostenpositionen der
Zusammenstellung für die zusätzlichen Investitions- und Analytikkosten pauschal jeweils 1 000
000 € angesetzt. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23. Januar 2013 im Wege der
Gegenvorstellung beantragt, den Streitwert zu ändern und auf 270 975,42 € festzusetzen. Er hält
lediglich zusätzliche Investitionskosten in Höhe von 231 975,42 € (gemeint waren ausweislich
der Berechnung auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 23. Januar 2013 wohl 230 965,42 € <232 000
€ - 1 034, 58 €>) und zusätzliche Analytikkosten in Höhe von 39 000 € für
berücksichtigungsfähig.
2 Die Gegenvorstellung gibt dem Senat Anlass, seinen Streitwertbeschluss vom 25. Oktober
2012 zu ändern. Hieran ist der Senat durch den zwischenzeitlichen Ablauf der Sechsmonatsfrist
des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht gehindert, denn die Gegenvorstellung ist vor Ablauf dieser
Frist beim Gericht eingegangen (vgl. Beschluss vom 21. Februar 1992 - BVerwG 1 C 39.88 -
Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 56). Zudem macht der Senat von der in § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG
eröffneten Möglichkeit Gebrauch, auch die Streitwertfestsetzung der Vorinstanz vom 26. Januar
2011 entsprechend zu ändern. Diese Befugnis besteht auch im Fall einer Gegenvorstellung (vgl.
VGH München, Beschluss vom 14. August 2012 - 20 C 12.1583).
3 Der Streitwert ist grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden
Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Für die
Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden
Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet (§ 40 GKG).
4 Bei Anlegung dieser Maßstäbe greift der Einwand des Beklagten, die zusätzlichen
Investitionskosten könnten nur in Höhe von 231 975,42 € (bzw. des zutreffend errechneten
Betrags von 230 965,42 €, s.o.) für die fest installierte Einrichtung zur kontinuierlichen Messung
der relevanten Luftschadstoffe inklusive Kalibrierung und TÜV-Abnahme anerkannt werden,
nicht durch. Der Senat erachtet die geltend gemachten zusätzlichen Kosten für die AKRA gemäß
Zeile 1 (Investitionskosten) der „Anlage zum Schriftsatz vom 14. Juni 2011“ in Höhe von 850 000
€ auch weiterhin als berücksichtigungsfähig. Sie betreffen - wie den in Zeile 1 aufgeführten
Beträgen entnommen werden kann - entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die
Investitionskosten für den erst später genehmigten zweiten Drehrohrofen, sondern die
Zusatzkosten für eine unstreitig von Anfang an auf den Abgasstrom zweier Drehrohröfen
ausgerichtete und entsprechend der Nebenbestimmung Nr. 5.7 der Genehmigung vom 28.
August 2009 auf 1 100 °C auszulegenden thermischen Nachverbrennung (mit größer
dimensionierter Quentsche, Venturiwäscher und Hauptventilator). Nimmt man die vom Beklagten
- mit Ausnahme der Abnahmegebühr in Höhe von 1 034,58 € - zugestandenen Kosten für die fest
installierte kontinuierliche Messeinrichtung gemäß Zeile 4 der Investitionskosten in Höhe von ca.
231 000 € hinzu, kann es für die Investitionskosten im Ergebnis bei dem angesetzten Teilbetrag
von 1 000 000 € bleiben, ohne dass es auf die Berücksichtigungsfähigkeit der Kosten für die
Anschaffung der vorübergehend eingesetzten mobilen Messanlage nebst Auswertung (Zeile 2
und 3 der „Anlage zum Schriftsatz vom 14. Juni 2011“) in Höhe von 27 000 € (18 000 € + 9 000
€) noch ankäme.
5 Die ebenfalls mit einem Teilbetrag von 1 000 000 € in die Streitwertfestsetzung eingestellten
zusätzlichen Analytikkosten, die im Wesentlichen Kosten für die Durchführung der Analytik zur
Einstufung der beladenen Aktivkohle hinsichtlich der Annahmekriterien bei einer
Anlagenauslastung von 80 % (= 6 400 t) gemäß der vorletzten Zeile der „Anlage zum Schriftsatz
vom 14. Juni 2011“ darstellen, hält der Senat dagegen nicht mehr für berücksichtigungsfähig. Die
Klägerin selbst hat diese Kosten auf Nachfrage mit Schriftsatz vom 24. Juni 2013 den
Nebenbestimmungen unter Nr. 7.4 und 7.12 der streitgegenständlichen Genehmigung vom 28.
August 2009 zugeordnet. Nr. 7.4 regelt Annahmekriterien für die Aktivkohle, Nr. 7.12 schreibt
eine Eingangskontrollanalyse zur Gewährleistung der Einhaltung der Annahmegrenzwerte für
jede Abfallanlieferung vor. Diese Nebenbestimmungen waren nicht Gegenstand des
Widerspruchs der Klägerin vom 22. September 2009 und des gerichtlichen Verfahrens. Der
Einwand der Klägerin, sie seien zwangsläufige Folge der fehlerhaften Einstufung der
Reaktivierungsanlage als Anlage nach Nr. 8.1 a.F. (Nr. 8.1.1 n.F.) des Anhangs zur 4. BImSchV,
§ 2 Nr. 6 der 17. BImSchV und fänden ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 7 der 17. BImSchV a.F.,
vermag nicht zu überzeugen.
6 § 3 Abs. 7 der 17. BImSchV a.F. (§ 3 Abs. 4 17. BImSchV n.F.) bestimmt, dass der Betreiber
der Anlage vor der Annahme des Abfalls in der Abfallverbrennungs- oder -
mitverbrennungsanlage die Masse einer jeden Abfallart gemäß der Abfallverzeichnis-
Verordnung zu bestimmen hat. Die Nebenbestimmungen unter Nr. 7.4 und 7.12 zielen erkennbar
nicht auf die Umsetzung des § 3 Abs. 7 der 17. BImSchV a.F. Auch sonst ist für einen
zwingenden rechtlichen Zusammenhang zwischen den Nebenbestimmungen Nr. 7.4 und 7.12
und der fehlerhaften Einstufung der Anlage als Verbrennungsanlage im Sinne der 17. BImSchV -
nicht zuletzt mit Blick auf die durch Art. 2 des Rechtsbereinigungsgesetzes Umwelt vom 11.
August 2009 (BGBl I S. 2723) mit Wirkung vom 1. März 2010 in § 12 BImSchG eingefügte
Regelung des Abs. 2c (Satz 3) und die Kontroverse um die Zulässigkeit bestimmter
abfallrechtlicher Nebenbestimmungen in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen - nichts
Hinreichendes dargetan.
7 Nach denselben Maßgaben bestimmt sich auch die Streitwertfestsetzung für das
erstinstanzliche Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht. Diese berücksichtigt zusätzlich die
vom Oberverwaltungsgericht mit 7 820 € veranschlagten Mehrkosten für eine Bankbürgschaft,
die nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens war.
8 Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Dr. Nolte
Guttenberger
Schipper