Urteil des BVerwG vom 06.08.2013

BVerwG: umtausch, ungarn, eugh, mitgliedstaat, ausstellung, erlass, kunst, gebärdensprache, verwaltungsakt, presse

BVerwG 3 B 22.13
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 22.13
Bayer. VG Ansbach - 18.03.2013 - AZ: VG 10 K 09.01419
Bayerischer VGH München - 28.02.2013 - AZ: VGH 11 B 11.2981
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. August 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Buchheister
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil
des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2013 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 €
festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg. Soweit sie auf ernstliche Zweifel an der
Richtigkeit des Berufungsurteils gestützt wird, handelt es sich um keinen der in § 132 Abs. 2
VwGO abschließend genannten Gründe, die zur Zulassung einer Revision führen können. Der
außerdem geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO
erforderlichen Weise dargelegt oder liegt - soweit dem Substanziierungserfordernis genügt
wurde - jedenfalls nicht vor.
2 Der Kläger, dem seine deutsche Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einer
Blutalkoholkonzentration von 2,71 Promille im Mai 2001 durch Strafbefehl erneut entzogen
worden war, erwarb am 20. April 2006 in der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis der
Klasse B; im Führerschein ist ein Wohnsitz in Deutschland eingetragen. Dieser Führerschein
wurde von der tschechischen Fahrerlaubnisbehörde im Mai 2006 wegen fehlerhafter
Schreibweise des Namens des Klägers ersetzt. Im Dezember 2008 tauschte der Kläger den
tschechischen Führerschein in Ungarn in einen ungarischen Führerschein um; dieser
Führerschein enthält keine Angabe zum Wohnsitz. Den ungarischen Führerschein legte der
Kläger nach entsprechender Aufforderung dem Landratsamt A. vor, das dort einen Sperrvermerk
für Deutschland eintrug. Die daraufhin erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat
festzustellen, dass er berechtigt sei, von seiner am 15. Dezember 2008 erworbenen ungarischen
Fahrerlaubnis der Klasse B auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu
machen, sowie den Beklagten zur Entfernung des Sperrvermerks zu verpflichten, hat das
Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof
zurückgewiesen. Die Inlandsunwirksamkeit der ungarischen Fahrerlaubnis ergebe sich aus § 28
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) auf der Grundlage zweier selbständig
tragender Erwägungen sowohl in unmittelbarer als auch in entsprechender Anwendung. Habe
der Kläger durch den Umtausch nur ein ungarisches Ausweispapier erhalten, das eine
tschechische Fahrerlaubnis dokumentiere, ergebe sich die Inlandsunwirksamkeit dieser
tschechischen Fahrerlaubnis aus dem Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis, der in
unionsrechtlich zulässiger Weise aus der Eintragung eines deutschen Wohnsitzes im
tschechischen Führerschein hergeleitet werden dürfe. Sei mit dem Umtausch dagegen - was hier
nahe liegt - eine ungarische Fahrerlaubnis erteilt worden, ergebe sich aus den im
Berufungsverfahren aus dem Ausstellermitgliedstaat eingeholten unbestreitbaren Informationen
unter ergänzender Beiziehung einer deutschen Melderegisterauskunft, dass der Kläger zum
Zeitpunkt des Umtausches seinen ordentlichen Wohnsitz nicht - wie erforderlich - in Ungarn
gehabt habe. Unabhängig von der unmittelbaren Anwendung von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV
folge die Inlandsunwirksamkeit der Fahrerlaubnis auch aus einer analogen Anwendung dieser
Vorschrift.
3 1. Mit der Geltendmachung nach Auffassung des Klägers bestehender ernstlicher Zweifel an
der Richtigkeit des Berufungsurteils, für die in der Beschwerdebegründung verschiedene Gründe
kurz angesprochen werden, werden die in § 132 Abs. 2 VwGO abschließend genannten
Zulassungsgründe verfehlt. Soweit damit zugleich auf eine Revisionszulassung auf der
Grundlage von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO abgezielt werden sollte, werden Rechtsfragen
grundsätzlicher Bedeutung nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise
herausgearbeitet.
4 2. Die vom Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage,
ob die vom EuGH bislang geprägten Ausnahmen vom Anerkennungsgrundsatz lediglich die
originär erworbenen ausländischen Fahrerlaubnisse betreffen oder aber auch auf Fälle
entsprechend angewendet werden können, in denen - wie hier - der Umtausch eines
Führerscheins aus einem anderen Mitgliedstaat oder die Verlängerung nach Ablauf der
Gültigkeitsdauer erfolgt ist,
5 kann nicht zu einer Revisionszulassung auf der Grundlage von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
führen.
6 Um den Fall einer Verlängerung der Gültigkeitsdauer einer Fahrerlaubnis handelt es sich hier
nicht, so dass dieser Teil der Fragestellung nicht entscheidungserheblich ist und schon aus
diesem Grund in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht zu klären wäre. Was den Umtausch
einer EU-Fahrerlaubnis betrifft, so ist damit in Ungarn nach den vom Berufungsgericht
getroffenen Feststellungen zur Richtlinienkonformität des dortigen Rechts die Neuerteilung einer
(ungarischen) Fahrerlaubnis verbunden, deren Rechtmäßigkeit die Einhaltung des
unionsrechtlichen Wohnsitzerfordernisses voraussetzt. Das folgt aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der
Richtlinie 91/439/EWG, der auf die „Ausstellung des Führerscheins“ abstellt. Die
Beschwerdebegründung lässt jegliche Ausführungen dazu vermissen, weshalb in einem
solchen Fall anders als bei sonstigen Erteilungen von EU-Fahrerlaubnissen, die an die
Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat gebunden sind, die
vom Gerichtshof der Europäischen Union gebilligten Ausnahmen vom Anerkennungsgrundsatz
nicht oder in anderer Weise anwendbar sein sollen. Eine solche Auseinandersetzung mit der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum einen und der Rechtsprechung des
Senats zum Umtausch von EU-Fahrerlaubnissen zum anderen (vgl. insbesondere Urteil vom 27.
September 2012 - BVerwG 3 C 34.11 - BVerwGE 144, 220 Rn. 21) wäre erforderlich gewesen,
um dem Darlegungs- und Substanziierungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO für
weiteren Klärungsbedarf zu genügen.
7 Soweit nach der Beschwerde außerdem völlig offen sein soll, ob und gegebenenfalls warum
eigentlich ein in Ungarn durch Umtausch eines tschechischen Führerscheins „zustande
gebrachter“ - aus Sicht des Klägers makelloser - Verwaltungsakt den Makel der deutschen
„Inlandsgültigkeit“ (gemeint ist offenbar: Inlandsungültigkeit) erlangen solle, kann dahinstehen,
ob damit eine revisionsgerichtlich klärungsbedürftige Frage in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO gebotenen Weise herausgearbeitet ist. Jedenfalls ginge eine solche Fragestellung daran
vorbei, dass der Kläger nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts zum Zeitpunkt des Umtausches seinen ordentlichen Wohnsitz nicht - wie es
auch das Unionsrecht vorgibt - in Ungarn hatte; das macht den Umtausch fehlerhaft.
8 Auch soweit in der Beschwerde schließlich angemerkt wird, es komme auf die Erkenntnisse
zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an, doch stammten hier die „unbestreitbaren
Informationen“ aus dem Ausstellermitgliedstaat zur Verletzung des Wohnsitzerfordernisses beim
Umtausch des Führerscheins erst aus der Zeit nach dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils,
unterlässt es der Kläger bereits, eine konkrete, aus seiner Sicht im angestrebten
Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage zu formulieren. Abgesehen davon ist sowohl in der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. bereits EuGH, Beschluss vom 9. Juli
2009 - Rs. C-445/08, Wierer - NJW 2010, 217 Rn. 58) als auch in der des Senats (vgl. u.a. Urteil
vom 25. Februar 2010 - BVerwG 3 C 5.09 - BVerwGE 136, 149 Rn. 21 f.) geklärt, dass solche die
Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses betreffende Informationen auch erst im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholt werden dürfen.
9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht
auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Kley
Liebler
Buchheister