Urteil des BVerfG vom 24.08.2000

BVerfG: unbeschränkte haftung, verfassungsbeschwerde, erworbenes recht, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, altlasten, sittenwidrigkeit, dereliktion, eigentümer, kaufvertrag, zustandsstörer

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 83/97 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn E...
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Peter Bade und Koll.,
Koberg 1, Lübeck -
gegen
a)
den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. November 1996 - BVerwG 4
B 205.96 -,
b)
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig vom 1.
August 1996 - 2 L 366/95 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den
Vizepräsidenten Papier
und die Richter Steiner,
Hoffmann-Riem
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung
der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 24. August 2000 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers für die
Grundstückssanierung bei so genannten Altlasten.
2
Der Beschwerdeführer erwarb 1975 den Großteil eines als Mineralöllager genutzten Grundstücks von einem
Mineralölhandelsunternehmen. Im Kaufvertrag wurde der Gewährleistungsausschluss ausdrücklich auch auf unter der
Erdoberfläche lagernde Ölbehälter erstreckt. Die Verkäuferin versicherte ihrerseits, ihr sei von Schäden im
Zusammenhang mit den Ölbehältern nichts bekannt, die Tanks seien ordnungsgemäß stillgelegt worden. 1976 kaufte
der Beschwerdeführer eine weitere Teilfläche von der Stadt L., ebenfalls unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung.
Der Beschwerdeführer betrieb auf dem Grundstück eine Möbellagerhalle.
3
Auf dem Grundstück war nicht nur in der Zeit von 1937 bis 1974 ein Mineralöllager, sondern bereits von 1907 bis
1930 von mehreren Firmen eine Teerproduktenfabrik betrieben worden. 1985 wurden erstmals Verunreinigungen des
Bodens, vorwiegend im Bereich der im Erdreich lagernden Tanks durch Mineralölrückstände, festgestellt. Die an den
Beschwerdeführer als Handlungsstörer gerichtete Anordnung, die festgestellten Schäden zu beseitigen und den
verunreinigten Boden zu sanieren, wurde nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens 1988
bestandskräftig, aber nicht durchgesetzt, da sich der Beschwerdeführer auf mangelnde wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit berief.
4
1992 griff die Behörde den Fall erneut auf. Mittlerweile waren neben dem Mineralölschaden erhebliche
Verunreinigungen mit Teerölen festgestellt worden. Nachforschungen zur Ermittlung der jeweiligen Verursacher
ergaben, dass das Teeröl wahrscheinlich durch die Teerproduktenfabriken, das Mineralöl durch den Betrieb der
Tanklager in den Boden gelangt waren. Zudem festgestellte aromatische Kohlenwasserstoffe konnten nicht sicher
zugeordnet werden. Sanierungsgutachten stellten aus der Sicht des Grundwasserschutzes einen dringenden
Handlungsbedarf fest, insbesondere wegen Verunreinigungen des Grundwassers durch aromatische
Kohlenwasserstoffe und Benzol sowie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Naphthalin.
5
Diese gutachtliche Empfehlung veranlasste die Behörde zum Erlass einer Ordnungsverfügung vom Januar 1995, in
der dem Beschwerdeführer die Durchführung bestimmter Maßnahmen zur Grundwasserreinigung aufgegeben wurde.
Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung wurde die Ersatzvornahme angedroht, deren Kosten hinsichtlich der
Investitionskosten auf etwa 180.000 DM und hinsichtlich der laufenden Kosten auf monatlich 18.000 DM veranschlagt
wurden.
6
Mit Vertrag vom 6. Dezember 1994 erwarb eine im selben Jahr gegründete Grundstücks-Verwaltungs-GmbH das
Altlastengrundstück zu einem Kaufpreis von 400.000 DM. Die Gewährleistung wurde ausgeschlossen. Der Käuferin
sei die Bodenkontamination bekannt. Der Kaufpreis wurde auf unbestimmte Zeit gestundet; er sollte mit 6 vom
Hundert jährlich verzinst werden. Aus den der Verfassungsbeschwerde beigefügten Unterlagen ergibt sich ferner, dass
am 6. Dezember 1994 nicht nur der Kaufvertrag, sondern daneben auch ein bis zum 31. Dezember 2000
unwiderrufliches Angebot der Käuferin an den Beschwerdeführer zum Rückkauf des Grundstücks zu den gleichen
Konditionen beurkundet wurde. Die GmbH wurde am 20. April 1995 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Im
September 1999 wurde der Beschwerdeführer Geschäftsführer der GmbH.
7
Widerspruch und Klage des Beschwerdeführers gegen die Ordnungsverfügung blieben erfolglos. Der
Beschwerdeführer griff vor allem die behördliche Störerauswahl, seine Heranziehung an Stelle der mittlerweile
eingetragenen GmbH sowie die finanziell unbeschränkte Haftung des Grundstückseigentümers an.
8
Das Oberverwaltungsgericht sah die behördliche Störerauswahl unter dem Gesichtspunkt einer wirksamen
Gefahrenabwehr als gerechtfertigt an. Während der Beschwerdeführer eindeutig feststellbarer Zustandsstörer sei, sei
der Verursachungsbeitrag des letzten Betreiberunternehmens des Mineralöltanklagers unklar, weshalb an der
Verhältnismäßigkeit einer gegen den früheren Betreiber gerichteten Ordnungsverfügung Bedenken bestehen müssten.
Die unbeschränkte Zustandsverantwortlichkeit bringe den Beschwerdeführer schon deshalb in keine Opferposition,
weil er beim Erwerb des Grundstücks die vorangegangene Nutzung und die damit einher gehenden Gefahren gekannt
habe. Dies ergebe sich aus dem ausdrücklichen Gewährleistungsausschluss für etwa auftretende Ölschäden im
Kaufvertrag. Ebenso wenig dränge die Kostentragungspflicht den Beschwerdeführer in eine Opferposition. Hierbei
bedürfe die Frage keiner Entscheidung, ob ein Sonderopfer des Eigentümers dadurch begründet werden könne, dass
seine Inanspruchnahme ihn mit Kosten belaste, die den Wert seines Eigentums überstiegen. Wer Eigentum in
Erkennbarkeit des konkreten Risikos erwerbe, werde, wenn er tatsächlich mit den Kosten der Gefahrenbeseitigung
belastet werde, nicht um ein in gutem Vertrauen erworbenes Recht gebracht. In der kostenpflichtigen
Inanspruchnahme zur Gefahrenbeseitigung liege in einem solchen Fall selbst dann keine faktische Enteignung, wenn
die Höhe der Kosten den Wert des Eigentums erreiche oder gar übersteige.
9
Die Frage, ob dem Beschwerdeführer sämtliche Kosten aufgebürdet werden dürften, sei nicht zu entscheiden. Die
grundsätzliche Entscheidung über die Kostentragungspflicht präjudiziere noch nicht die endgültige Kostenverteilung,
über die sich erst nach Abschluss der Maßnahmen entscheiden lasse. Erst bei der endgültigen Kostenentscheidung
werde zu berücksichtigen sein, ob und in welchem Umfang der Beschwerdeführer zu den Kosten der Beseitigung der
Ölschäden heranzuziehen sei. Die Ordnungsverfügung selbst habe ermessensfehlerfrei auf eine Unterscheidung
zwischen Mineralöl- und Teerölschäden verzichtet. Zum einen seien dieselben Maßnahmen erforderlich, zum anderen
sei bezüglich der Verunreinigungen mit aromatischen Kohlenwasserstoffen noch nicht geklärt, wodurch sie entstanden
seien.
10
Die Zustandsverantwortlichkeit des Beschwerdeführers sei weder durch den Verkauf des Grundstücks noch durch
die Eigentumsübertragung entfallen. Diese Rechtsgeschäfte seien wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB
nichtig, weil sie nur darauf zielten, die unbeschränkte Zustandshaftung des Beschwerdeführers auf eine nur
beschränkt haftende GmbH zu übertragen und unter Beibehaltung des wirtschaftlichen Nutzens des Grundstücks die
ordnungsrechtlichen Lasten der Allgemeinheit aufzubürden. Die pauschale Berufung auf betriebswirtschaftliche
Gründe für die Veräußerung sei unbeachtlich. Die Annahme der Sittenwidrigkeit im vorliegenden Fall führe auch nicht
zu einem faktischen Veräußerungsverbot für kontaminierte Grundstücke. Auszuschließen sei allein der Missbrauch
eines Veräußerungsgeschäftes zu den dargelegten Zwecken. Ebenso wenig folge daraus, dass dem Veräußerer
Erkundigungen über die Solvenz des Erwerbers zugemutet würden. Die Sittenwidrigkeit der Veräußerung folge nicht
aus einem zufällig ausgeschlossenen finanziellen Rückgriff auf den Erwerber, sondern daraus, dass das Geschäft
gerade durch die Wahl eines nur beschränkt haftenden Erwerbers seinen Sinn erhalte.
11
Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen (vgl. NVwZ 1997, S. 577).
Das Berufungsurteil beruhe nicht, wie der Beschwerdeführer vortrage, auf der Annahme, dass die Veräußerung eines
kontaminierten Grundstücks an eine beschränkt haftende Person sittenwidrig sei. Es habe vielmehr dem Umstand
entscheidende Bedeutung beigemessen, dass es alleiniger Geschäftszweck gewesen sei, die Kosten der
Gefahrenbeseitigung auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Es entspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass
Rechtsgeschäfte, deren Zweck sich darin erschöpfe, Kostenlasten zum Nachteil Dritter zu verschieben, im Sinn des
§ 138 Abs. 1 BGB gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstießen.
12
Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellung, dass das Vorhandensein der Altlasten, um deren Beseitigung es
hier gehe, bereits bei Eigentumserwerb erkennbar gewesen sei, könne ein Revisionsverfahren lediglich dazu dienen,
die bisherige Spruchpraxis des Bundesverwaltungsgerichts zu bestätigen. Es sei geklärt, dass für Erwägungen zur
Einschränkung der Zustandshaftung jedenfalls dann kein Raum sei, wenn der Zustandsverantwortliche bei der
Begründung des Eigentums vom ordnungswidrigen Zustand der Sache wusste oder doch zumindest Tatsachen
kannte, die auf das Vorhandensein eines solchen Zustandes schließen lassen konnten. Wer ein solches Risiko
eingehe, müsse auch die gesetzliche Folge der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit tragen. Er könne sich nicht
damit entlasten, dass er von der Art der Verunreinigung und dem Umfang der Verursachungsbeiträge der
Voreigentümer keine Kenntnis gehabt habe.
II.
13
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1
GG.
14
Die angegriffenen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte verletzten Art. 14 Abs. 1 GG, weil sie die Übereignung
des Grundstücks an die Grundstücks-Verwaltungs-GmbH unberücksichtigt gelassen hätten. Die Verfügungsfreiheit
gehöre zum absoluten Kern des Eigentums als Einrichtungsgarantie. Einschränkungen in diesem Bereich gehörten
daher zu den schwersten Eingriffen in das Eigentum. Es lägen keine gesetzlichen Regelungen vor, die den in diesem
Bereich geltenden hohen Anforderungen an eine Inhalts- bzw. Schrankenbestimmung genügten. § 138 Abs. 1 BGB sei
eine zu unbestimmte Regelung, die nicht zu einer so weit gehenden Einschränkung der Verfügungsfreiheit führen
könne. Im Übrigen sei eine sachenrechtliche Verfügung wertneutral und in der Regel nicht sittenwidrig. Es laufe
zudem Art. 14 Abs. 1 GG zuwider, wollte man von einem Grundstückseigentümer verlangen, dass er an seinem
Eigentum bis zum eigenen finanziellen Ruin festhalte, nur damit die öffentliche Hand oder Dritte von
Kostenbelastungen durch die Erkundung und Sanierung einer Altlast verschont blieben. Allgemein werde sogar eine
Dereliktion, die allein erfolge, um der Zustandshaftung zu entgehen, als wirksam angesehen. Sei aber eine Dereliktion
nicht sittenwidrig, könne erst recht eine Veräußerung nicht sittenwidrig sein. Das Ordnungsrecht in Schleswig-Holstein
regele, dass eine Dereliktion die Zustandshaftung nicht entfallen lasse. Aus dieser Vorschrift könne im
Umkehrschluss gefolgert werden, dass die Dereliktion selbst in ihrer Wirksamkeit unberührt bleibe und lediglich für
das Ordnungsrecht eine Fortdauer der Zustandshaftung geregelt werde. Eine entsprechende Regelung für
Veräußerungen fehle.
15
Die unbeschränkte Inanspruchnahme des Eigentümers als Zustandsverantwortlichen sei unverhältnismäßig, wenn
der Grundstückseigentümer ohne eigene Mitverursachung in eine Opferposition geraten sei. Die Haftung des
Zustandsstörers sei daher verfassungskonform dahin zu begrenzen, dass dem Eigentümer nicht die
Gefahrbeseitigung und Kostentragung, sondern lediglich deren Duldung aufgegeben werden könne. In jedem Fall dürfe
die Zustandshaftung nicht den Grundstückswert übersteigen. Die Verschmutzung von Boden und Grundwasser sei im
Wesentlichen auf die Nutzung des Grundstücks zur Teerproduktion bis 1930 zurückzuführen. Von dieser Nutzung
habe der Beschwerdeführer bei Erwerb des Grundstücks keine Kenntnis gehabt. Es handele sich somit um eine
unvermutet zu Tage getretene Altlast. Bekannt gewesen sei ihm lediglich die Nutzung als Mineralöllager. Hinsichtlich
der Belastungen mit Mineralölen sei jedoch ungeklärt, ob die Maßnahmeschwelle überschritten sei.
16
Es sei darüber hinaus zweifelhaft, ob die Kenntnis von Verunreinigungen im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs zu
einer unbeschränkten Zustandshaftung führen könne. Die Zustandshaftung knüpfe allein an die Eigentümerstellung
der in Anspruch genommenen Person an. Wenn ihr Umfang von dem subjektiven Merkmal der Kenntnis gewisser
Umstände abhängen solle, dann könnte bei einem Erwerb von einem kenntnislosen Voreigentümer nach zu Tage
treten der Altlast aus einer beschränkten Zustandshaftung des Voreigentümers eine unbeschränkte Haftung des
Erwerbers werden. Dies widerspreche dem Wesen der Zustandshaftung als einer auf der Sache ruhenden dinglichen
Last.
III.
17
Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Regierung des Landes Baden-Württemberg, der Bundesgerichtshof und
die Beklagte des Ausgangsverfahrens Stellung genommen.
18
Die Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für nicht begründet. Der in der Literatur vertretenen Lehre, die
Zustandsverantwortlichkeit in Opferlagen einzuschränken, könne nicht gefolgt werden. Sie sichere letztlich den
Vermögenswert des Eigentums, der aber von Art. 14 GG nicht geschützt werde. Der Beschwerdeführer befinde sich
zudem nicht in einer Opferlage, weil er das Risiko einer Verunreinigung des Grundstücks bewusst in Kauf genommen
habe.
19
Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat Stellungnahmen der Vorsitzenden des III. und des V. Zivilsenats
übermittelt. Der Vorsitzende des III. Zivilsenats weist auf das Urteil vom 23. Juni 1994 - III ZR 54/93 - (BGHZ 126,
279) hin. Der Vorsitzende des V. Zivilsenats bezieht sich auf die ständige Rechtsprechung des Senats, wonach der
Eigentümer eines Grundstücks, von dem eine Störung ausgeht, uneingeschränkt als Zustandsstörer hafte.
20
Die Beklagte des Ausgangsverfahrens verteidigt die angegriffenen Entscheidungen. Diese seien zutreffend zu der
Bewertung gelangt, dass die Veräußerung des Grundstücks gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig gewesen sei und
der Beschwerdeführer deshalb als Zustandsstörer weiter hafte.
IV.
21
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93 a
Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
22
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2
Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu den aus Art. 14 Abs. 1 GG folgenden
Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers für die Grundstückssanierung bei Altlasten sind mit dem
Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 242/91 und 1 BvR
315/99 - geklärt worden. Das vorliegende Verfassungsbeschwerdeverfahren gibt keinen Anlass, darüber
hinausgehende Grundsatzfragen zur Auswirkung der Eigentumsgarantie auf die Inanspruchnahme des
zustandsverantwortlichen Eigentümers für die Sanierung von Altlasten zu entscheiden.
23
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten
Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf
Erfolg.
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a) Die Verwaltungsgerichte haben die aus Art. 14 Abs. 1 GG folgenden Grenzen der Zustandshaftung des
Eigentümers für die Grundstückssanierung bei Altlasten nicht verkannt. Das Bundesverfassungsgericht hat im
Beschluss vom 16. Februar 2000 entschieden, dass auch eine Kostenbelastung, die den Verkehrswert des
Grundstücks nach Durchführung der Sanierung übersteigt, zumutbar sein kann, wenn der Eigentümer das Risiko der
entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat. Ein solcher Fall liegt vor allem dann vor, wenn der Eigentümer
das Grundstück in Kenntnis des von Altlasten ausgehenden Risikos erworben hat. Demgegenüber enthält der
Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts im undifferenzierten Ausschluss einer Begrenzung der
Kostentragungspflicht auch bei einem Erwerb des Grundstücks in "fahrlässiger" Unkenntnis des Risikos eine
Begründung, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht standhält. Diese Rechtsauffassung ist indessen für
die angegriffenen Entscheidungen nicht tragend. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts haftet der
Beschwerdeführer deshalb unbeschränkt als Zustandsstörer, weil er beim Erwerb des Grundstücks die
vorangegangene Nutzung und die damit einhergehenden Gefahren gekannt habe. Dies ergebe sich aus dem
ausdrücklichen Gewährleistungsausschluss für etwa auftretende Ölschäden im Kaufvertrag. Diese
Tatsachenwürdigung ist verfassungsrechtlich nicht angreifbar. Das Bundesverfassungsgericht hat stets betont, dass
die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung und Anwendung des
einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte ist
und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen sind (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>).
Dieses greift nur bei der Verletzung von Verfassungsrecht durch die Gerichte auf Verfassungsbeschwerde hin ein.
Das ist nicht schon dann der Fall, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist; der
Fehler muss gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen. Dafür ist hier nichts ersichtlich.
25
b) Die Auffassung der Verwaltungsgerichte, die Zustandsverantwortlichkeit des Beschwerdeführers sei auch durch
die Veräußerung des Grundstücks an die Grundstücks-Verwaltungs-GmbH nicht entfallen, begegnet ebenfalls keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie beruht auf der beanstandungsfreien Annahme, dass Rechtsgeschäfte, deren
Zweck sich darin erschöpft, Kostenlasten zum Nachteil Dritter zu verschieben, gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig
sind.
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Zweck der Vorschrift ist es, Missbräuchen der Privatautonomie entgegenzuwirken. Die Gerichte sind durch § 138
Abs. 1 BGB legitimiert, Maßstäbe zu entwickeln, mit deren Hilfe rechtlich zu missbilligende Rechtsgeschäfte zu
erfassen sind, für die es (noch) keine speziellen gesetzlichen Regelungen gibt. Sittenwidrig ist nach ständiger
Rechtsprechung der Zivilgerichte ein Rechtsgeschäft, das gegen das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht
Denkenden" verstößt. Die Sittenwidrigkeit kann aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts, aber auch aus seinem
Gesamtcharakter hergeleitet werden, wie er sich aus der Zusammenschau von Inhalt, Motiv und Zweck ergibt (vgl.
BGHZ 106, 269 <272>; 125, 218 <228>). Ein Rechtsgeschäft kann demgemäß seinen Unwert auch aus den
Absichten der Beteiligten erhalten. Sittenwidrigkeit ist daher bejaht worden, wenn die Beteiligten mit dem
Rechtsgeschäft den Zweck verfolgen, Kostenlasten zum Nachteil privater Dritter zu verschieben (vgl. BGHZ 60, 102
<104>; BGH, NJW 1980, S. 991; NJW 1988, S. 902). Ob diese Drittschädigung der Hauptzweck des Rechtsgeschäfts
ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht maßgebend (vgl. BGHZ 60, 102 <104>). Dasselbe
Unwerturteil trifft Rechtsgeschäfte, die auf eine Schädigung der Allgemeinheit gerichtet sind. Entscheidend kommt es
auf den aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu erschließenden Gesamtcharakter der
Vereinbarung an (vgl. BGHZ 86, 82 <88>). Die Sittenwidrigkeit des Verpflichtungsgeschäfts erfasst auch das
Erfüllungsgeschäft, wenn gerade im dinglichen Rechtsvorgang der Sittenverstoß liegt oder mit dem Erfüllungsgeschäft
sittenwidrige Zwecke verfolgt werden.
27
Unter Hinweis auf die genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Bundesverwaltungsgericht in
seinem angegriffenen Beschluss verfassungsrechtlich unangreifbar ausgeführt, dass Rechtsgeschäfte, die darauf
abzielen, Rechtsverhältnisse zum Schaden der Allgemeinheit zu regeln, im Sinn von § 138 Abs. 1 BGB gegen das
Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen. Das Oberverwaltungsgericht hat dem Umstand
entscheidende Bedeutung beigemessen, dass es alleiniger Geschäftszweck der Veräußerung des kontaminierten
Grundstücks an die Grundstücks-Verwaltungs-GmbH gewesen sei, die Kosten der Gefahrenbeseitigung auf die
Allgemeinheit abzuwälzen. Dafür, dass die Gerichte hierbei die Bedeutung und die Tragweite des Art. 14 Abs. 1 Satz
1 GG verkännt hätten, ist nichts ersichtlich.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Steiner
Hoffmann-Riem