Urteil des BVerfG vom 24.09.2015

Der Abbruch des Auswahlverfahrens, durch welchen sich die Zusammensetzung des Bewerberkreises steuern lässt, erfordert einen sachlichen Grund

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- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Deubner & Kirchberg I Partnerschaft mbB,
Mozartstraße 13, 76133 Karlsruhe -
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1686/15 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn B …,
gegen
a) den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 11. August 2015 - 6 CE 15.1379 -,
b) das Schreiben des Präsidenten des Bundesfinanzhofs
vom 16. März 2015 - FG 1097 - 20/13, FG 1097 - 12/14,
FG 1097 - 5 - 8/15 -
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Voßkuhle,
den Richter Landau
und die Richterin Hermanns
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 24. September 2015 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
G r ü n d e :
A.
Der Beschwerdeführer ist Richter am Bundesfinanzhof und wendet sich gegen den Abbruch
eines Stellenbesetzungsverfahrens betreffend die Stelle eines Vorsitzenden Richters/einer
Vorsitzenden Richterin am Bundesfinanzhof.
I.
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Unter dem 23. Oktober 2013 schrieb der Präsident des Bundesfinanzhofs unter Hinweis
darauf, dass der Vorsitzende des III. Senats in den Ruhestand treten werde, hausintern das
Amt einer Vorsitzenden Richterin/eines Vorsitzenden Richters am Bundesfinanzhof aus.
Daraufhin bewarben sich der Beschwerdeführer und Frau Prof. Dr. J., die ebenfalls Richterin
am Bundesfinanzhof ist (im Folgenden: die Beigeladene). Dem Beschwerdeführer wurde am
11. März 2014 mitgeteilt, dass die Beigeladene für die ausgeschriebene Stelle ausgewählt
worden sei. Auf seinen Antrag untersagte daraufhin das Bayerische Verwaltungsgericht
München mit Beschluss vom 16. Juni 2014 − M 5 E 14.1291 − der Antragsgegnerin des
fachgerichtlichen Verfahrens, die ausgeschriebene Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen,
bevor über die Bewerbung des Beschwerdeführers bestandskräftig entschieden worden sei.
Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Auswahlentscheidung sei fehlerhaft,
da der Auswahlvermerk in sich widersprüchlich sei und auf einer nicht mehr aktuellen
Anlassbeurteilung des Beschwerdeführers beruhe.
Daraufhin hat der Präsident des Bundesfinanzhofs beide Bewerber erneut beurteilt und auf
dieser Grundlage dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (im
Folgenden: Ministerium) einen auf den 28. Juli 2014 datierten Besetzungsbericht vorgelegt, in
dem er wiederum die Beigeladene für die zu besetzende Stelle vorschlug. Der
Beschwerdeführer legte gegen seine Beurteilung zunächst Widerspruch ein und erhob,
nachdem dieser nur zu einem Teil Erfolg hatte, später auch Klage zum Verwaltungsgericht,
über die bislang nicht entschieden ist.
Mit Schreiben vom 28. Dezember 2014 und 7. Februar 2015 bat Richter am BFH Dr. W.
darum, seine Bewerbung um das Amt eines Vorsitzenden des II. Senats des BFH auch bei
der Besetzung der Vorsitzendenstelle des III. Senats zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 16. März 2015 teilte der Präsident des BFH dem Beschwerdeführer mit,
dass sich auf die ausgeschriebene Vorsitzendenstelle im III. Senat nach Ablauf der
Bewerbungsfrist, aber noch vor einer „abschließenden Auswahlentscheidung“ ein weiterer
Richter beworben habe, dessen Bewerbung zu berücksichtigen wäre; deshalb bestehe auch
kein sachlicher Grund, mögliche zeitnahe weitere Bewerbungen zurückzuweisen. Zudem
habe das Besetzungsverfahren so lange gedauert, dass inzwischen drei weitere
Vorsitzendenstellen zur Besetzung anstünden. Um allen Richterinnen und Richtern des
Bundesfinanzhofs Zugang zu der Bewerberauswahl bei jeder dieser vier Stellen zu
ermöglichen, werde das laufende Besetzungsverfahren abgebrochen und diese Stelle
zusammen mit den weiteren Stellen neu ausgeschrieben werden. Von Seiten des
Ministeriums wurde der Abbruch des Auswahlverfahrens am 16. März 2015 telefonisch
gebilligt und der Neuausschreibung der Vorsitzendenstelle des III. Senats sowie der
Ausschreibung der Vorsitzendenstelle des I., II. und VIII. Senats zugestimmt.
Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das
Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. Juni 2015 − M 5 E 15.1577 − entsprochen und die
Antragsgegnerin verpflichtet, das Verfahren zur Besetzung der am 23. Oktober 2013
ausgeschriebenen Stelle eines Vorsitzenden Richters/einer Vorsitzenden Richterin am
Bundesfinanzhof (Vorsitz III. Senat) mit den bisherigen Bewerbern vorläufig fortzusetzen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens sei zu Unrecht
durch den Präsidenten des Bundesfinanzhofs erfolgt.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin des fachgerichtlichen
Verfahrens hatte vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Erfolg (Beschluss des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. August 2015 − 6 CE 15.1379). Der Dienstherr
habe das durch Ausschreibung vom 23. Oktober 2013 eröffnete Auswahlverfahren in
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formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig abgebrochen.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts habe die zuständige Behörde den Abbruch
des Stellenbesetzungsverfahrens verfügt. Der Präsident des Bundesfinanzhofs habe mit
Schreiben vom 16. März 2015 lediglich dem Ministerium vorgeschlagen, das Verfahren zur
Besetzung einer Stelle als Vorsitzende Richterin/Vorsitzender Richter abzubrechen und die
Stelle zusammen mit drei weiteren Vorsitzendenstellen neu auszuschreiben. Das
Ministerium habe diesen Vorschlag ausweislich eines bei den Behördenakten befindlichen
Vermerks wegen der Eilbedürftigkeit noch am selben Tag gebilligt und den Präsidenten des
Bundesfinanzhofs davon telefonisch unterrichtet. Insoweit habe das Ministerium die
Entscheidung über den Abbruch des Auswahlverfahrens und die Neuausschreibung der
Stelle vielmehr selbst getroffen. Der dafür maßgebende Grund sei ausreichend in dem
Schreiben des Präsidenten des Bundesfinanzhofs vom 16. März 2015 dokumentiert, das
sich das Ministerium in vollem Umfang zu Eigen gemacht habe. Bei diesem Schreiben
handele es sich nicht etwa um die Entscheidung selbst, sondern lediglich die Unterrichtung
der Bewerber über den – durch das Ministerium verfügten – Abbruch des
Stellenbesetzungsverfahrens. Das Ministerium, das ausweislich der Akten dieses Schreiben
bereits im Entwurf gekannt und ebenfalls gebilligt habe, sei nicht gehindert, seine
Entscheidung den Betroffenen durch den Präsidenten des Bundesfinanzhofs mitteilen zu
lassen.
Der Abbruch des Verfahrens sei auch sachlich gerechtfertigt. Der Dienstherr habe die
nachträgliche Bewerbung des Richters Dr. W. zum Anlass genommen, das
Auswahlverfahren abzubrechen, damit in einem anschließenden neuen Verfahren aufgrund
eines aktualisierten Bewerberkreises eine dem Art. 33 Abs. 2 GG genügende Entscheidung
getroffen werden könne. Der Dienstherr sei nicht gehindert, die Suche nach dem am besten
geeigneten Bewerber auch nach Ablauf der Bewerbungsfrist fortzuführen. Er dürfe sogar
einen Bewerber nicht bereits deshalb zurückweisen, weil dessen Bewerbung nach Fristablauf
eingegangen sei. Ein Bewerber habe vielmehr immer dann einen Anspruch auf Einbeziehung
in ein laufendes Stellenbesetzungsverfahren trotz Ablaufs der Bewerbungsfrist, wenn dies zu
keiner nennenswerten Verzögerung des Verfahrens führe. Eine solche sei nicht zu erwarten
gewesen. Der Auswahlvermerk vom 25. Februar 2014, mit dem sich der Dienstherr für die
Beigeladene entschieden habe, sei vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 16. Juni
2014 als rechtsfehlerhaft bemängelt worden und habe damit keine taugliche Grundlage für
eine Bewerberauswahl mehr abgeben können. Bei Eingang der weiteren Bewerbung von
Richter Dr. W. habe noch kein neuer Auswahlvermerk des Ministeriums vorgelegen. Zwar
habe der Präsident des Bundesfinanzhofs unter dem 28. Juli 2014 bereits einen neuen
Besetzungsvorschlag auf der Grundlage neuer dienstlicher (Anlass-)Beurteilungen des
Beschwerdeführers und der Beigeladenen erstellt und dem Ministerium übersandt. Dort sei
das Auswahlverfahren aber zunächst nicht weitergeführt worden, weil der Beschwerdeführer
gegen seine Beurteilung Widerspruch eingelegt habe und zunächst dessen Ausgang
abgewartet werden solle. Nachdem der Präsident des Bundesfinanzhofs dem Widerspruch
teilweise abgeholfen hätte (Teilabhilfebescheid vom 27. November 2014), habe das
Ministerium den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2015
zurückgewiesen. Über die vom Beschwerdeführer hiergegen erhobene Klage sei bislang
nicht entschieden. Bei Eingang der weiteren Bewerbung vom 28. Dezember 2014 und ihrer
Bekräftigung durch Erinnerungsschreiben vom 7. Februar 2015 habe mithin zunächst noch
ein – hinsichtlich der Erwägungen im Teilabhilfebescheid – aktualisierter
Besetzungsvorschlag des Präsidenten des Bundesfinanzhofs ausgestanden, auf dessen
Grundlage dann das Ministerium eine neue Auswahlentscheidung hätte treffen müssen.
Selbst Anfang Februar 2015 habe es demnach weiterhin an der Entscheidungsreife gefehlt,
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weshalb der Dienstherr die nachträgliche Bewerbung von Richter Dr. W. nicht nur
berücksichtigen durfte, sondern musste. Angesichts dieses Verfahrensablaufs sei der
Dienstherr auch mit Blick auf die bisherige Verfahrensdauer von mehr als einem Jahr
berechtigt gewesen, den Eingang der neuen Bewerbung zum Anlass zu nehmen, das
Auswahlverfahren nunmehr abzubrechen. Das gelte erst recht vor dem Hintergrund, dass
das Verwaltungsgericht untersagt habe, die Beigeladene zu ernennen. Denn der Dienstherr
sei insbesondere dann zum Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens berechtigt, wenn er
erkannt habe, dass es fehlerbehaftet sei. Es sei kein Grund ersichtlich, dass der Abbruch
sachwidrig allein der Benachteiligung oder der Bevorzugung eines Bewerbers habe dienen
können.
II.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen das Schreiben des Präsidenten des
Bundesfinanzhofs vom 16. März 2015 sowie gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichtshofs und rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG in
Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG. Der Verwaltungsgerichtshof verkenne, dass mit der
Auswahlentscheidung des Ministeriums vom 25. Februar 2014 in Verbindung mit der
Konkurrentenmitteilung vom 11. März 2014 das Bewerbungsverfahren grundsätzlich
abgeschlossen oder jedenfalls so weit fortgeschritten sei, dass dies die Berücksichtigung der
Bewerbung/Interessenbekundung von Dr. W. vom 28. Dezember 2014 hätte ausschließen
müssen; stattdessen sei eine unangemessene Verzögerung eingetreten. Die Begründung
des Verwaltungsgerichtshofs, der Auswahlvermerk vom 25. Februar 2014 könne nicht mehr
taugliche Grundlage für eine Bewerberauswahl sein, nachdem das Verwaltungsgericht ihn als
rechtsfehlerhaft bemängelt habe, lasse außer Acht, dass die einstweilige Anordnung des
Verwaltungsgerichts lediglich den Vollzug der ministeriellen Auswahlentscheidung hindere, ihr
aber nicht den Charakter der verfahrensrechtlichen Rechtsgrundlage für die Ernennung
nähme, wenn der Antrag rechtskräftig abgewiesen worden wäre. Gegen die Auffassung des
Verwaltungsgerichtshofs, dass die Auswahlentscheidung nicht mehr als taugliche
Entscheidungsgrundlage diene, spreche auch, dass das Ministerium an dieser
Auswahlentscheidung festgehalten habe, indem es seinen Widerspruch gegen die
Beurteilung durch Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2015 zurückgewiesen habe.
Stattdessen hätten sich der Präsident des Bundesfinanzhofs und das Ministerium an die
„Reparatur“ der Auswahlentscheidung gemacht. Angesichts dessen sei die Bewerbung von
Richter Dr. W. als nicht mehr berücksichtigungsfähig anzusehen. Außerdem hätte dessen
Bewerbung allein eine Fortsetzung des Verfahrens, nicht aber den Abbruch des Verfahrens
zur Folge haben dürfen. Wenn in einem laufenden Verfahren – wie hier die Beigeladene –
zumindest eine(r) der BewerberInnen als geeignet angesehen werde, sei es auch nicht
gerechtfertigt „zur Aktualisierung des Bewerberkreises“, das Verfahren abzubrechen, weil
damit ermöglicht würde, die Ergebnisse des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu
unterlaufen und die Durchsetzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs zu erschweren.
Auch
der
Hinweis
des
Verwaltungsgerichtshofs
auf
die
Dauer
des
Stellenbesetzungsverfahrens von mehr als einem Jahr vermöge einen Abbruch nicht zu
rechtfertigen, weil diese Dauer verfahrenstypisch sei. Der Beschluss könne auch keinen
Bestand haben, weil er zur Rechtfertigung Gründe anführe (Aktualisierung des
Bewerberkreises angesichts der Verfahrensdauer von mehr als einem Jahr; Erkennen der
Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens; Neuausschreibung im Zusammenhang mit der
Neuausschreibung von drei weiteren Vorsitzendenstellen), mit denen der Präsident des
Bundesfinanzhofs
seine
Entscheidung
gar
nicht
begründet
habe.
Sein
Bewerbungsverfahrensanspruch sei auch verletzt, weil die Abbruchsentscheidung durch den
dafür nicht zuständigen Präsidenten des Bundesfinanzhofs getroffen worden sei. Die
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Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs sei schon nicht mit der eigenen Wahrnehmung des
Ministeriums zu der von ihm erklärten Billigung vereinbar. Die fehlende Sachzuständigkeit
werde auch nicht durch die „Vorabbilligung“ der Abbruchsentscheidung geheilt, weil eine
vorherige oder nachträgliche Billigung durch die zuständige Behörde nicht zu den
Heilungsgründen nach § 45 VwVfG zähle. Im Übrigen habe eine Anhörung vor der
Abbruchsentscheidung nicht stattgefunden.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die
Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Der
Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2
Buchstabe a BVerfGG), da die für ihre Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen
Fragen bereits entschieden sind. Sie ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1
BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b
BVerfGG), weil sie unbegründet ist und daher insgesamt keine Aussicht auf Erfolg hat. Die
angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht aus
Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.
I.
Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen
Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daraus
folgt der Anspruch eines Beförderungsbewerbers auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie
Entscheidung über seine Bewerbung. Nach Art. 33 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4
GG kann der unterlegene Bewerber in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen, ob
er durch die Auswahlentscheidung in seinem subjektiv-öffentlichen Recht aus Art. 33 Abs. 2
GG verletzt worden ist (stRspr; vgl. BVerfGK 12, 265 <268 f.>).
Die konkrete Stellenausschreibung und das daran anschließende Auswahlverfahren dienen
der verfahrensmäßigen Absicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Bewerber
(vgl. BVerfGK 10, 355 <357>). Um eine Durchsetzung der in Art. 33 Abs. 2 GG
gewährleisteten
Rechte
sicherstellen
zu
können,
erfordert
der
Bewerbungsverfahrensanspruch eine angemessene Gestaltung des Auswahlverfahrens (vgl.
BVerfGK 10, 355 <357>).
Dem Bewerbungsverfahrensanspruch ist auch bei der Entscheidung über den Abbruch
eines laufenden Auswahlverfahrens Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGK 5, 205 <215>, zu Art.
12 Abs. 1 GG). Nach der vom Bundesverfassungsgericht gebilligten (vgl. BVerfG, Beschluss
der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2008 – 2 BvR 627/08 –, juris, Rn. 8
f.) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt dem Dienstherrn hinsichtlich der
Beendigung eines eingeleiteten Bewerbungs- und Auswahlverfahrens ein weites
organisations- und verwaltungspolitisches Ermessen zu (vgl. aus der neueren
Rechtsprechung BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 2 C 6/11 –, juris, Rn. 16). Der
Abbruch des Auswahlverfahrens, durch welchen sich die Zusammensetzung des
Bewerberkreises steuern lässt, erfordert jedoch einen sachlichen Grund (vgl. BVerfG,
Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 28. November 2011 – 2 BvR 1181/11 –,
NVwZ 2012, S. 366 <367>; BVerfGK 10, 355 <358>). Wird der Abbruch eines
Auswahlverfahrens dieser Anforderung nicht gerecht, so darf von Verfassungs wegen keine
Neuausschreibung erfolgen. Durch eine Auswahlentscheidung in einem neuen
Auswahlverfahren werden die Bewerber des ursprünglichen Auswahlverfahrens in ihrem
Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des
Zweiten Senats vom 28. November 2011 – 2 BvR 1181/11 –, NVwZ 2012, S. 366 <367>).
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Der maßgebliche Grund für den Abbruch muss jedenfalls dann, wenn er sich nicht evident
aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich dokumentiert werden (vgl. BVerfG, Beschluss der
1. Kammer des Zweiten Senats vom 28. November 2011 – 2 BvR 1181/11 –, NVwZ 2012, S.
366 <367>).
II.
Diesen Anforderungen des Bewerbungsverfahrensanspruchs werden die Entscheidung
über den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens und der Beschluss des
Verwaltungsgerichtshofs gerecht.
1. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken an der formellen Rechtmäßigkeit der
Abbruchsentscheidung bestehen nicht. Es ist weder in der Beschwerdeschrift dargetan noch
sonst ersichtlich, dass die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Würdigung des
Geschehens willkürlich erfolgte. Der Vortrag des Beschwerdeführers erschöpft sich darin,
seine eigene Wertung der Abläufe an die Stelle derjenigen des Verwaltungsgerichtshofs zu
setzen und als einen Verstoß gegen einfachrechtliche Vorschriften zu subsumieren. Letztlich
lassen die Ausführungen des Beschwerdeführers aber nicht einmal ansatzweise erkennen,
weshalb eine formell rechtswidrige Abbruchsentscheidung ihn zugleich in seinem
verfassungsrechtlich gewährten Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt.
2. Auch in materieller Hinsicht sind die Abbruchsentscheidung und ihre Billigung durch den
Verwaltungsgerichtshof verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG,
Urteil vom 29. November 2012 – 2 C 6/11 –, juris, Rn. 20) geht das Gericht davon aus, dass
in der Regel ein Abbruch jedenfalls dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn dem Dienstherrn im
Wege der einstweiligen Anordnung untersagt wurde, den von ihm ausgewählten Bewerber zu
ernennen. Diese Rechtsprechung kann mit dem von Art. 33 Abs. 2 GG angestrebten Ziel der
Bestenauslese in Einklang gebracht werden. Die Beendigung eines Auswahlverfahrens, das
verfassungsrechtlichen Zweifeln begegnet, ist jedenfalls dann sachgerecht, wenn – wie hier –
das zugehörige vorläufige Rechtsschutzverfahren rechtskräftig zu Ungunsten des
Dienstherrn abgeschlossen wurde. Mit vertretbarer Argumentation geht der
Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus davon aus, dass der Abbruch des
Stellenbesetzungsverfahrens nicht allein der Benachteiligung des Beschwerdeführers
beziehungsweise der Bevorzugung anderer Bewerber diente. Das Verwaltungsgericht hatte
nämlich in seiner einstweiligen Anordnung im Konkurrentenstreitverfahren die Fehlerhaftigkeit
der Auswahlentscheidung deutlich herausgearbeitet, ohne zugleich einen Eignungsvorsprung
des Beschwerdeführers zu konstatieren. Dass dieser Abbruchsgrund in dem Schreiben vom
16. März 2015 nicht dezidiert erwähnt wird, ist ausnahmsweise unschädlich, da er sich
evident aus dem bisherigen Ablauf des Bewerbungsverfahrens für den Beschwerdeführer
ergeben konnte.
b) Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet darüber hinaus, dass der
Verwaltungsgerichtshof den in dem Schreiben vom 16. März 2015 dokumentierten
Abbruchsgrund, nämlich die nachträgliche beziehungsweise erneuerte Bewerbung des
Richters
Dr.
W.,
gebilligt
hat.
Ungeachtet
des
bereits
fortgeschrittenen
Stellenbesetzungsverfahrens war es zur Gewährleistung des Grundsatzes der
Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) wenn nicht geboten, so doch gerechtfertigt, einen
weiteren Bewerber, dessen Eignung für das angestrebte Amt nicht von vornherein
ausgeschlossen werden kann, wofür vorliegend nichts spricht, zu berücksichtigen. Dies gilt
jedenfalls, wenn das Stellenbesetzungsverfahren ohnehin aufgrund einer einstweiligen
Anordnung „angehalten“ wurde. Nicht zu überzeugen vermag das Argument des
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Beschwerdeführers, es sei zu einer Verzögerung des Verfahrens gekommen, da eine
Auswahlentscheidung des Dienstherrn vorliege und somit eine Entscheidungsreife
eingetreten sei. Angesichts der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts in
dem Konkurrentenstreitverfahren, in der das Gericht die Fehlerhaftigkeit der
Auswahlentscheidung monierte, und wegen der noch anhängigen Rechtsstreitigkeit des
Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Beurteilung war es zum Zeitpunkt des Abbruchs nicht
zu erwarten, dass die ursprüngliche Auswahlentscheidung weiterhin als Grundlage für einen
Besetzungsvorschlag dienen würde.
c) Nicht nachvollziehbar ist der Einwand des Beschwerdeführers, der
Verwaltungsgerichtshof führe zur Rechtfertigung des Abbruchs Gründe an, die sich in dem
Schreiben des Präsidenten des Bundesfinanzhofs vom 16. März 2015 nicht wiederfänden.
Ebenso wie der Präsident zieht der Verwaltungsgerichtshof den Eingang einer neuen
Bewerbung als maßgeblichen Abbruchsgrund heran und führt dies weiter aus, ohne
eigenständig nicht dokumentierte Gründe, soweit sie nicht ohnehin evident sind (siehe oben
II. 2. a), hinzuzufügen.
d) Inwieweit die unterbliebene Anhörung des Beschwerdeführers vor der
Abbruchsentscheidung ihn in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt, ist weder
dargetan noch ersichtlich.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Voßkuhle
Landau
Hermanns