Urteil des BVerfG vom 15.03.2017

Erfolgloser Antrag auf Anordnung der Erstattung der notwendigen Auslagen

Bundesverfassungsgericht
Sie sind hier:
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 144/17 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn K…,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Fadi El-Ghazi,
Schönstedtstraße 7, 12043 Berlin -
gegen den Beschluss des Landgerichts Stade vom 19. Dezember 2016 - 500 KLs 132 Js 9841/08 (9/15) -
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
h i e r: Antrag auf Auslagenerstattung
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Huber
und die Richterinnen Kessal-Wulf,
König
am 15. März 2017 einstimmig beschlossen:
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der Erstattung seiner notwendigen Auslagen wird abgelehnt.
G r ü n d e :
1
Über die Verfassungsbeschwerde ist aufgrund der Erledigungserklärung des Beschwerdeführers vom 27. Januar 2017 nicht
mehr zu entscheiden (vgl. BVerfGE 7, 75 <76>; 85, 109 <113>). Verfahrensgegenstand ist nur noch die Entscheidung über
den Antrag des Beschwerdeführers auf Erstattung seiner notwendigen Auslagen, die der Kammer obliegt (vgl. BVerfGE 72,
34 <38 f.>). Dieser Antrag hat keinen Erfolg.
2
1. Nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde und des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist über die
Erstattung der dem Beschwerdeführer entstandenen Auslagen nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (§ 34a Abs. 3
BVerfGG). Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller bekannten Umstände vorzunehmen. Mit Blick auf die Funktion und
Tragweite verfassungsgerichtlicher Entscheidungen kommt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht der
Verfassungsbeschwerde regelmäßig nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 85, 109 <115>; 87, 394 <398>; 133, 37 <38 Rn. 2>;
Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, juris, Rn. 2). Eine Erstattung von
Auslagen kommt allerdings dann in Frage, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde offensichtlich war und
unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage geklärt worden ist (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>; 133,
37 <38 f. Rn. 2>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, juris, Rn. 2).
3
Bei der erforderlichen Gesamtwürdigung kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche
Bedeutung zukommen. Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt
oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, so kann, falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, angenommen
werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet. In diesem Fall ist es billig, die
öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner
Auslagen in gleicher Weise zuzubilligen, wie wenn seiner Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. BVerfGE
85, 109 <115>; 87, 394 <397>; 91, 146 <147>; 133, 37 <38 Rn. 2>; BVerfGK 5, 316 <327 f.>; Beschluss der 2. Kammer
des Ersten Senats vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, juris, Rn. 2).
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2. Gemessen an diesen Grundsätzen scheidet eine Auslagenerstattung vorliegend aus.
5
Die Tatsache, dass das Verfahren gegen den Beschwerdeführer etwa einen Monat nach der angefochtenen Entscheidung
des Landgerichts gemäß § 153a StPO eingestellt werden konnte, hat gezeigt, dass sich die Prognose des
Beschwerdeführers, durch die Verbindung beider Verfahren werde sich das gegen ihn gerichtete Strafverfahren massiv
verzögern, nicht bewahrheitet hat. Vielmehr hat sich damit die Annahme der Strafkammer in der angefochtenen
Entscheidung, das Verfahren werde einen Fortgang nehmen, der dem Beschleunigungsgrundsatz gerecht werde, als
zutreffend herausgestellt. Damit erfolgte die Einstellung des Verfahrens gerade nicht aufgrund der seitens des
Beschwerdeführers geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9.
Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, juris, Rn. 4). Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die
Strafkammer des Landgerichts Stade das Begehren des Beschwerdeführers für berechtigt angesehen hätte (vgl. BVerfGE
85, 109, 114 ff.; 87, 394 <397 f.>; 133, 37 <38 Rn. 2>); das Anerkenntnis eines Verfassungsverstoßes, welcher die
Anordnung einer Auslagenerstattung rechtfertigen würde, kann darin nicht gesehen werden (vgl. Lenz/Hansel, BVerfGG, 2.
Aufl. 2015, § 34a Rn. 37).
6
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Huber
Kessal-Wulf
König