Urteil des BVerfG vom 30.09.2015

Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ist auch für den vorgelagerten verfassungsrechtlichen Eilrechtsschutz zu beachten

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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvQ 29/15 -
In dem Verfahren
über den Antrag,
im Wege der einstweiligen Anordnung
die Justizvollzugsanstalt Hohenleuben anzuweisen, den Vollzugsplan der
Justizvollzugsanstalt Tonna vom 1. Juli 2015 fortzuschreiben und in der
Vollzugsplanfortschreibung die Gewährung von Vollzugslockerungen sowie eine
Unterbringung des Beschwerdeführers im offenen Vollzug vorzusehen
Antragsteller:
B...
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Landau
und die Richterinnen Kessal-Wulf,
König
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 30. September 2015 einstimmig beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
G r ü n d e :
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1
BVerfGG liegen nicht vor.
1. Ein Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für
den Erlass einer einstweiligen Anordnung substantiiert dargelegt sind (vgl. BVerfG,
Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Oktober 2006 - 1 BvQ 30/06 -, juris;
BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. November 2006 - 1 BvQ
33/06 -, juris; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. August 2015 - 1
BvQ 28/15 -, juris). Dazu gehört auch die substantiierte Darlegung, dass der - gegebenenfalls
noch zu stellende - Antrag in der Hauptsache weder unzulässig noch offensichtlich
unbegründet ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. August
2015 - 1 BvQ 28/15 -, juris). Soweit der Antragsteller dagegen geltend macht, dass es sich
bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG um
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einen von der Verfassungsbeschwerde unabhängigen Rechtsbehelf handele, verkennt er,
dass die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stets nur mit Blick auf ein
verfassungsgerichtliches Hauptsacheverfahren möglich ist. Das Verfahren über eine
einstweilige Anordnung ist immer nur ein Nebenverfahren in einem Verfassungsrechtsstreit,
für den das Bundesverfassungsgericht nach Art. 93 GG, § 13 BVerfGG zuständig ist (vgl.
BVerfGE 31, 87 <90>).
Den genannten Anforderungen genügt die Antragsbegründung nicht. Da der Antragsteller
trotz eines entsprechenden Hinweises nicht mitgeteilt hat, wann ihm der Vollzugsplan vom 1.
Juli 2015 bekanntgegeben worden ist, kann schon nicht geprüft werden, ob eine gegen den
Vollzugsplan gerichtete Verfassungsbeschwerde noch innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1
BVerfGG erhoben werden kann. Im Übrigen setzt sich der Antragsteller nicht damit
auseinander, dass die Vollzugsbehörden einen akuten Behandlungsbedarf sowie eine hierauf
beruhende Gefahr des Missbrauchs von Vollzugslockerungen festgestellt haben.
2. Zudem gilt der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch für den
vorgelagerten verfassungsrechtlichen Eilrechtsschutz (vgl. BVerfG, Beschluss der 2.
Kammer des Zweiten Senats vom 30. Dezember 2002 - 2 BvQ 59/02 -, juris; BVerfG,
Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Dezember 2009 - 2 BvQ 84/09 -, juris;
BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juli 2014 - 2 BvQ 26/14 -,
juris; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juli 2015 - 2 BvQ
22/15 -, juris; stRspr). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines
Verfassungsbeschwerdeverfahrens oder - wie hier - im Vorfeld eines solchen Verfahrens
kommt daher nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten,
fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat.
An entsprechenden Darlegungen des Antragstellers fehlt es hier. Zwar hat er bei dem
zuständigen Landgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114
Abs. 2 Satz 2 StVollzG gestellt. Eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist jedoch
- soweit ersichtlich - noch nicht ergangen. Ein weiteres Zuwarten ist für den Antragsteller
derzeit auch noch nicht unzumutbar. Insbesondere sind keine hinreichenden Anhaltspunkte
dafür ersichtlich, dass mit einer zeitnahen Entscheidung des Landgerichts nicht zu rechnen
ist.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Landau
Kessal-Wulf
König