Urteil des BVerfG vom 05.05.2015

R 1-Besoldung der Jahre 2008 bis 2010 in Sachsen-Anhalt verfassungswidrig

Leitsätze
zum Urteil des Zweiten Senats vom 5. Mai 2015
- 2 BvL 17/09 u.a. -
1. Dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der praktischen
Umsetzung der aus Art. 33 Abs. 5 GG resultierenden Pflicht zur
amtsangemessenen Alimentierung der Richter und Staatsanwälte entspricht
eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte
verfassungsgerichtliche Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung. Ob die
Bezüge evident unzureichend sind, muss anhand einer Gesamtschau
verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der konkret in Betracht
kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden.
2. Im Rahmen dieser Gesamtschau liegt es nahe, mit Hilfe von aus dem
Alimentationsprinzip ableitbaren und volkswirtschaftlich nachvollziehbaren
Parametern einen durch Zahlenwerte konkretisierten Orientierungsrahmen
für eine grundsätzlich verfassungsgemäße Ausgestaltung der
Alimentationsstruktur und des Alimentationsniveaus zu ermitteln.
3. Hierzu eignen sich fünf Parameter, die in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zum Alimentationsprinzip angelegt sind und
denen indizielle Bedeutung bei der Ermittlung des verfassungsrechtlich
geschuldeten Alimentationsniveaus zukommt (deutliche Differenz zwischen
einerseits der Besoldungsentwicklung und andererseits der Entwicklung der
Tarifentlohnung im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex sowie des
Verbraucherpreisindex, systeminterner Besoldungsvergleich und
Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder). Ist die
Mehrheit dieser Parameter erfüllt (1. Prüfungsstufe), besteht eine Vermutung
für eine verfassungswidrige Unteralimentation. Diese Vermutung kann durch
die Berücksichtigung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien im Rahmen
einer Gesamtabwägung widerlegt oder weiter erhärtet werden (2.
Prüfungsstufe).
4. Ergibt die Gesamtschau, dass die als unzureichend angegriffene
Alimentation grundsätzlich als verfassungswidrige Unteralimentation
einzustufen ist, bedarf es der Prüfung, ob dies im Ausnahmefall
Verkündet
am 5. Mai 2015
Kunert
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann. Der Grundsatz der
amtsangemessenen Alimentation ist Teil der mit den hergebrachten
Grundsätzen verbundenen institutionellen Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG.
Soweit er mit anderen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen oder
Instituten kollidiert, ist er entsprechend dem Grundsatz der praktischen
Konkordanz im Wege der Abwägung zu einem schonenden Ausgleich zu
bringen (3. Prüfungsstufe). Verfassungsrang hat namentlich das Verbot der
Neuverschuldung in Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG.
5. Jenseits der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestalimentation genießt
die Alimentation des Richters oder Staatsanwalts einen relativen
Normbestandsschutz. Der Gesetzgeber darf hier Kürzungen oder andere
Einschnitte in die Bezüge vornehmen, wenn dies aus sachlichen Gründen
gerechtfertigt ist.
6. Die Festlegung der Besoldungshöhe durch den Gesetzgeber ist an die
Einhaltung prozeduraler Anforderungen geknüpft. Diese Anforderungen
treffen ihn insbesondere in Form von Begründungspflichten.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvL 17/09 -
- 2 BvL 18/09 -
- 2 BvL 3/12 -
- 2 BvL 4/12 -
- 2 BvL 5/12 -
- 2 BvL 6/12 -
- 2 BvL 1/14 -
IM NAMEN DES VOLKES
In den Verfahren
zu der verfassungsrechtlichen Prüfung,
ob die auf §§ 1 Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 Nummer 2
und 4, 37 Absatz 1, 38 Absatz 1 in Verbindung mit Anlage IV Nummer 4
Bundesbesoldungsgesetz in den Fassungen der Bekanntmachungen vom 6.
August 2002 und vom 10. September 2003 in Verbindung mit § 1 Absatz 1
Nummer 2, §§ 2, 4 Absatz 1 Urlaubsgeldgesetz in der Fassung der
Bekanntmachung vom 16. Mai 2002 in Verbindung mit Artikel 1 Nr. 5
Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004, § 85
Absatz 1 Bundesbesoldungsgesetz in Verbindung mit Artikel 13 Nummer 7
Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004, § 67
Absatz 1 Bundesbesoldungsgesetz und Artikel 18 Absatz 1 Nummer 1
Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 vom 10.
September 2003 in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Nummer 2, §§ 2, 5, 6 Absätze
1 und 2 Nummer 1 Sonderzahlungsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 20.
November 2003 beruhende Netto-Alimentation des Klägers im Kalenderjahr
2003 – bezogen auf die Besoldungsgruppe R 1 Bundesbesoldungsordnung –
mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes in seiner bis zum 31. August 2006
geltenden Fassung nicht vereinbar gewesen ist.
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 2009 - 1 A 373/08 -
- 2 BvL 17/09 -,
ob die auf § 1 Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2 Nummer 1 und 3, Absatz 3
Nummer 2 und 4, §§ 37 Absatz 1, 38 Absatz 1, 39 Absatz 1, 40 Absatz 1
Nummer 1 und Absatz 2 in Verbindung mit Anlage IV Nummer 4 und Anlage V
Bundesbesoldungsgesetz in den Fassungen der Bekanntmachungen vom 6.
August 2002 und vom 10. September 2003 in Verbindung mit § 1 Absatz 1
Nummer 2, §§ 2, 4 Absatz 1 Urlaubsgeldgesetz in der Fassung der
Bekanntmachung vom 16. Mai 2002 in Verbindung mit Artikel 1 Nummer 5
Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004, § 85
Absatz 1 Bundesbesoldungsgesetz in Verbindung mit Artikel 13 Nummer 7
Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004, § 67
Absatz 1 Bundesbesoldungsgesetz und in Verbindung mit Artikel 18 Absatz 1
Nummer 1 Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz
2003/2004 vom 10. September 2003 in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Nummer 2,
§§ 2, 5, 6 Absätze 1 und 2 Nummer 1, 8 Absatz 1 Sonderzahlungsgesetz
Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2003 beruhende Netto-Alimentation
des Klägers im Kalenderjahr 2003 – bezogen auf die Besoldungsgruppe R 1
Bundesbesoldungsordnung – mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes in
seiner bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung nicht vereinbar gewesen
ist.
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 2009 - 1 A 1416/08 -
- 2 BvL 18/09 -,
ob die
- im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. April 2008 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005,
- im Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis 28. Februar 2009 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert
durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007,
- im Zeitraum vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2010 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert
durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007 sowie Landesbesoldungs- und -
versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 vom 9. Dezember 2009,
- im Zeitraum vom 1. März 2010 bis 31. Dezember 2010 auf §§ 1 Absatz 1 Satz
1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert
durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007 sowie Landesbesoldungs- und -
versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 vom 9. Dezember 2009,
beruhende Netto-Alimentation des Klägers - bezogen auf die
Besoldungsgruppe R 1 - mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes in seiner
ab dem 1. September 2006 geltenden Fassung nicht vereinbar gewesen ist.
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 28.
September 2011 - 5 A 206/09 HAL -
- 2 BvL 3/12 -,
ob die
- im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. April 2008 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005,
- im Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis 28. Februar 2009 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert
durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007,
- im Zeitraum vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2010 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert
durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007 sowie Landesbesoldungs- und -
versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 vom 9. Dezember 2009,
- im Zeitraum vom 1. März 2010 bis 31. Dezember 2010 auf §§ 1 Absatz 1 Satz
1, Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert
durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007 sowie Landesbesoldungs- und -
versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 vom 9. Dezember 2009,
beruhende Netto-Alimentation des Klägers - bezogen auf die
Besoldungsgruppe R 1 - mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes in seiner
ab dem 1. September 2006 geltenden Fassung nicht vereinbar gewesen ist.
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 28.
September 2011 - 5 A 207/09 HAL -
- 2 BvL 4/12 -,
ob die
- im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. April 2008 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005,
- im Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis 28. Februar 2009 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert
durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007,
- im Zeitraum vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2010 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert
durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007 sowie Landesbesoldungs- und -
versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 vom 9. Dezember 2009,
- im Zeitraum vom 1. März 2010 bis 31. Dezember 2010 auf §§ 1 Absatz 1 Satz
1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert
durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007 sowie Landesbesoldungs- und -
versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 vom 9. Dezember 2009,
beruhende Netto-Alimentation des Klägers - bezogen auf die
Besoldungsgruppe R 1 - mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes in seiner
ab dem 1. September 2006 geltenden Fassung nicht vereinbar gewesen ist.
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 28.
September 2011 - 5 A 208/09 HAL -
- 2 BvL 5/12 -,
ob die
- im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. April 2008 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005,
- im Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis 28. Februar 2009 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert
durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007,
- im Zeitraum vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2010 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1,
Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert
durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007 sowie Landesbesoldungs- und -
versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 vom 9. Dezember 2009,
- im Zeitraum vom 1. März 2010 bis 31. Dezember 2010 auf §§ 1 Absatz 1 Satz
1, Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des
Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert
durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007 sowie Landesbesoldungs- und -
versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 vom 9. Dezember 2009,
beruhende Netto-Alimentation des Klägers - bezogen auf die
Besoldungsgruppe R 1 - mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes in seiner
ab dem 1. September 2006 geltenden Fassung nicht vereinbar gewesen ist.
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 28.
September 2011 - 5 A 216/09 HAL -
- 2 BvL 6/12 -,
ob die im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 30. Juni 2013 auf §§ 1 Absatz 1, 2 a
Absatz 1 in Verbindung mit der Anlage II des Landesbesoldungsgesetzes für
das Land Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 12. April 2005, geändert durch
Artikel 1 des Ersten Dienstrechtsänderungsgesetzes zur Verbesserung der
Haushaltsfinanzierung vom 20. Dezember 2011, beruhende Netto-Alimentation
des Klägers - bezogen auf die Besoldungsgruppe R 3 - mit Artikel 33 Absatz 5
des Grundgesetzes in seiner ab dem 1. September 2006 geltenden Fassung
unvereinbar gewesen ist,
und
ob die seit dem 1. Juli 2013 auf §§ 1 Absatz 1, 4 Absatz 1 und 34 in Verbindung
mit der Anlage 6 des Landesbesoldungsgesetzes für das Land Rheinland-Pfalz
in der Fassung vom 18. Juni 2013 beruhende Netto-Alimentation des Klägers -
bezogen auf die Besoldungsgruppe R 3 - mit Artikel 33 Absatz 5 des
Grundgesetzes in seiner ab dem 1. September 2006 geltenden Fassung
unvereinbar ist.
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom
12. September 2013 - 6 K 445/13.KO -
- 2 BvL 1/14 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat -
unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Präsident Voßkuhle,
Landau,
Huber,
Hermanns,
Müller,
Kessal-Wulf,
König,
Maidowski
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2014 durch
Urteil
für Recht erkannt:
1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. a) Anhang 1 Anlage 2 Nummer 4 (Grundgehaltssätze Besoldungsordnung R
ab 1. Januar 2008) zu § 18c Absatz 1 des Landesbesoldungsgesetzes für das
Land Sachsen-Anhalt (LBesG LSA, in der Fassung des Gesetzes zur
Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom
25. Juli 2007 [Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt
Seite 236]) in der Fassung des Anhangs 1 Anlage 2 Nummer 4 zu Artikel 1
Nummer 7 des Gesetzes zur Änderung landesbesoldungs- und
versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007 (Gesetz- und
Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt Seite 236),
b) Anhang 2 Anlage 2 Nummer 4 (Grundgehaltssätze Besoldungsordnung R
ab 1. Mai 2008) zu § 18c Absatz 1 des Landesbesoldungsgesetzes für das
Land Sachsen-Anhalt (LBesG LSA, in der Fassung des Gesetzes zur
Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom
25. Juli 2007 [Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt
Seite 236]) in der Fassung des Anhangs 2 Anlage 2 Nummer 4 zu Artikel 1
Nummer 7 des Gesetzes zur Änderung landesbesoldungs- und
versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007 (Gesetz- und
Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt Seite 236),
c) Anhang 1 Anlage 2 Nummer 4 (Grundgehaltssätze Besoldungsordnung R
ab 1. März 2009) zu § 18c Absatz 1 des Landesbesoldungsgesetzes für das
Land Sachsen-Anhalt (LBesG LSA, in der Fassung des Gesetzes über die
Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen 2009/2010
[Landesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 –
LBVAnpG 2009/2010] vom 9. Dezember 2009 [Gesetz- und Verordnungsblatt
für das Land Sachsen-Anhalt Seite 598]) in der Fassung des Anhangs 1
Anlage 2 Nummer 4 zu Artikel 1 Nummer 4 des Gesetzes über die Anpassung
von Dienst- und Versorgungsbezügen 2009/2010 (Landesbesoldungs- und -
versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 – LBVAnpG 2009/2010) vom 9.
Dezember 2009 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt
Seite 598),
d) Anhang 2 Anlage 2 Nummer 4 (Grundgehaltssätze Besoldungsordnung R
ab 1. März 2010) zu § 18c Absatz 1 des Landesbesoldungsgesetzes für das
Land Sachsen-Anhalt (LBesG LSA, in der Fassung des Gesetzes über die
Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen 2009/2010
[Landesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 –
LBVAnpG 2009/2010] vom 9. Dezember 2009 [Gesetz- und Verordnungsblatt
für das Land Sachsen-Anhalt Seite 598]) in der Fassung des Anhangs 2
Anlage 2 Nummer 4 zu Artikel 1 Nummer 4 des Gesetzes über die Anpassung
von Dienst- und Versorgungsbezügen 2009/2010 (Landesbesoldungs- und -
versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 – LBVAnpG 2009/2010) vom 9.
Dezember 2009 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt
Seite 598)
sind, soweit sie die Besoldungsgruppe R 1 betreffen, mit Artikel 33 Absatz 5
des Grundgesetzes unvereinbar.
3. Der Gesetzgeber des Landes Sachsen-Anhalt hat verfassungskonforme
Regelungen mit Wirkung spätestens vom 1. Januar 2016 an zu treffen.
4. Anlage IV Nummer 4 (Grundgehaltssätze Bundesbesoldungsordnung R ab 1.
Januar 2003) zu § 37 Absatz 1 Satz 2 des Bundesbesoldungsgesetzes
(BBesG, in der Fassung vom 6. August 2002 [Bundesgesetzblatt I Seite 3020])
sowie Anlage IV Nummer 4 (Grundgehaltssätze Bundesbesoldungsordnung
R ab 1. Juli 2003) zu § 37 Absatz 1 Satz 2 des Bundesbesoldungsgesetzes
(BBesG in der Fassung vom 6. August 2002 [Bundesgesetzblatt I Seite 3020])
in der Fassung des Anhangs 1 zu Artikel 1 Nummer 6 des Gesetzes über die
Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern
2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften
(Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 –
BBVAnpG 2003/2004) vom 10. September 2003 (Bundesgesetzblatt I Seite
1798) in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Nummer 2, §§ 2, 5, 6 Absätze 1 und 2
Nummer 1 Sonderzahlungsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 20. November
2003 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Seite
696) sind, soweit sie die Besoldungsgruppe R 1 betreffen, mit Artikel 33
Absatz 5 des Grundgesetzes in der bis zum 31. August 2006 geltenden
Fassung vereinbar.
5. a) Anlage II Nummer 4 (Grundgehaltssätze Besoldungsordnung R ab 1.
Januar 2012) zu § 2a Absatz 1 Satz 1 des Landesbesoldungsgesetzes
Rheinland-Pfalz (LBesG RP, vom 12. April 2005 [Gesetz- und
Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz Seite 119]) in der durch
Artikel 3 des Landesgesetzes zur Anpassung der Besoldung und
Versorgung 2011 (LBVAnpG 2011) vom 25. August 2011 (Gesetz- und
Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz Seite 303) geänderten
Fassung,
b) Anlage II Nummer 4 (Grundgehaltssätze Besoldungsordnung R ab 1. Juli
2012) zu § 2a Absatz 1 Satz 1 des Landesbesoldungsgesetzes Rheinland-
Pfalz (LBesG RP, vom 12. April 2005 [Gesetz- und Verordnungsblatt für das
Land Rheinland-Pfalz Seite 119]) in der durch Artikel 1 des Ersten
Dienstrechtsänderungsgesetzes zur Verbesserung der
Haushaltsfinanzierung (DienstRÄndG 2011) vom 20. Dezember 2011 (Gesetz-
und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz Seite 430) geänderten
1
2
3
4
5
Fassung,
c) Anlage 6 Nummer 4 (Grundgehaltssätze Landesbesoldungsordnung R ab
1. Juli 2013) zu § 34 Satz 2 des Landesbesoldungsgesetzes Rheinland-Pfalz
(LBesG RP 2013, in der Fassung des Landesgesetzes zur Reform des
finanziellen öffentlichen Dienstrechts [Dienstrechtsreformgesetz -
DienstrechtsreformG]) vom 18. Juni 2013 (Gesetz- und Verordnungsblatt für
das Land Rheinland-Pfalz Seite 157)
sind, soweit sie die Besoldungsgruppe R 3 betreffen, mit Artikel 33 Absatz 5
des Grundgesetzes vereinbar.
G r ü n d e :
A.
Gegenstand der Entscheidung sind mehrere Richtervorlagen zur Frage der
Verfassungsmäßigkeit der sogenannten „R-Besoldung“ von Richtern und
Staatsanwälten in verschiedenen Ländern und zu unterschiedlichen Zeiträumen.
Zwei Vorlagen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen 2
BvL 17/09 und 2 BvL 18/09 betreffen die Frage, ob die Besoldung der Richter und
Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen der Besoldungsgruppe R 1 im Jahr 2003 mit
dem Grundgesetz vereinbar war.
Vier Vorlagen des Verwaltungsgerichts Halle (2 BvL 3/12, 2 BvL 4/12, 2 BvL 5/12
und 2 BvL 6/12) betreffen die Frage, ob die Besoldung der Richter und Staatsanwälte
der Besoldungsgruppe R 1 in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2008 bis 2010 mit dem
Grundgesetz vereinbar war.
Die Vorlage des Verwaltungsgerichts Koblenz (2 BvL 1/14) betrifft die Frage, ob die
Besoldung eines Leitenden Oberstaatsanwalts in der Besoldungsgruppe R 3 in
Rheinland-Pfalz seit dem 1. Januar 2012 mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
1. Seit Anfang der 1970er Jahre bis zum Jahr 2003 war für die Besoldung der
Richter und Staatsanwälte allein der Bundesgesetzgeber zuständig. Er hatte von
seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in Art. 74a Abs. 1 a.F. GG für die
Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes (eingefügt
6
7
durch Art. 1 Nr. 1 des Achtundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des
Grundgesetzes vom 18. März 1971 [BGBl I S. 206]) durch den Erlass des
Bundesbesoldungsgesetzes abschließend Gebrauch gemacht. Bis zum Jahr 2003
war auch die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung (sogenanntes
Weihnachtsgeld) und eines jährlichen Urlaubsgeldes bundeseinheitlich geregelt.
Nach § 67 Bundesbesoldungsgesetz (in der Fassung der Bekanntmachung vom 6.
August 2002 – BBesG a.F. –, BGBl I S. 3020) erhielten die Richter und Staatsanwälte
eine Sonderzuwendung nach besonderer bundesgesetzlicher Regelung; gleiches
galt nach § 68a BBesG a.F. bezüglich des Urlaubsgeldes.
Die Sonderzuwendung war im Gesetz über die Gewährung einer jährlichen
Sonderzuwendung (Sonderzuwendungsgesetz – SoZuwG) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (BGBl I S. 3642) geregelt. Nach § 6 Abs. 1
Satz 1 SoZuwG wurde der Grundbetrag in Höhe der nach dem Besoldungsrecht für
den Monat Dezember maßgebenden Bezüge gewährt, wobei gemäß § 13 SoZuwG
ein Bemessungsfaktor galt, der sich nach dem Verhältnis der Bezüge im Dezember
1993 zu denjenigen im Dezember des laufenden Jahres errechnete. Im Jahr 2002
betrug die jährliche Sonderzuwendung 86,31 v.H. des für Dezember 2002
maßgebenden Grundbetrages. Bei Fortgeltung dieser Regelung hätte die
Sonderzuwendung im Jahr 2003 84,29 v.H. der Dezemberbezüge betragen.
Das Urlaubsgeld war im Gesetz über die Gewährung eines jährlichen
Urlaubsgeldes (Urlaubsgeldgesetz – UrlGG) in der Fassung der Bekanntmachung
vom 16. Mai 2002 (BGBl I S. 1780) geregelt. Richter und Staatsanwälte zählten zu
dem nach § 1 Abs. 1 UrlGG berechtigten Personenkreis. § 1 UrlGG lautete wie folgt:
§ 1
Berechtigter Personenkreis
(1) Ein jährliches Urlaubsgeld erhalten nach diesem Gesetz
1. Bundesbeamte, Beamte der Länder, der Gemeinden, der
Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes
unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des
öffentlichen Rechts; ausgenommen sind die Ehrenbeamten und die
Beamten auf Widerruf, die nebenbei verwendet werden, sowie
entpflichtete Hochschullehrer,
2. Richter des Bundes und der Länder; ausgenommen sind die
ehrenamtlichen Richter,
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3. Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit mit Anspruch auf
Besoldung oder Ausbildungsgeld (§ 30 Abs. 2 des
Soldatengesetzes).
(2) Dieses Gesetz gilt nicht für die öffentlich-rechtlichen
Religionsgesellschaften und ihre Verbände.
§ 2 UrlGG regelte die Voraussetzungen eines Urlaubsgeldanspruchs und lautete
wie folgt:
§ 2
Anspruchsvoraussetzungen
(1) Voraussetzung für den Anspruch ist, dass der Berechtigte
1. am ersten allgemeinen Arbeitstag des Monats Juli in einem der
in § 1 Abs. 1 bezeichneten Rechtsverhältnisse steht und nicht für
den gesamten Monat Juli ohne Bezüge beurlaubt ist und
2. seit dem ersten allgemeinen Arbeitstag des laufenden Jahres
ununterbrochen bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn (§ 29
Abs. 1 des Bundesbesoldungsgesetzes) in einem Dienst-, Arbeits-
oder Ausbildungsverhältnis steht oder gestanden hat.
Sind die Anspruchsvoraussetzungen nach Nummer 1 nur deshalb
nicht erfüllt, weil wegen einer Elternzeit kein Anspruch auf Bezüge
besteht, so ist dies in dem Kalenderjahr unschädlich, in dem Dienst-
oder Anwärterbezüge für mindestens drei volle Kalendermonate des
ersten Kalenderhalbjahres zugestanden haben oder Dienst- oder
Anwärterbezüge unmittelbar nach Beendigung der Elternzeit wieder
zustehen. Auf die Wartezeit nach Nummer 2 wird der während dieser
Zeit geleistete Wehr- oder Zivildienst angerechnet.
(2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch als
erfüllt für die Zeit zwischen der Beendigung eines
Beamtenverhältnisses
oder
eines
öffentlich-rechtlichen
Ausbildungsverhältnisses kraft Rechtsvorschrift oder allgemeiner
Verwaltungsanordnung infolge Bestehens einer Laufbahnprüfung
(Abschlussprüfung) und der Begründung eines Dienst- oder
Arbeitsverhältnisses bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn,
längstens bis zum ersten allgemeinen Arbeitstag des auf die
9
10
11
Laufbahnprüfung folgenden Monats.
Nach § 4 Abs. 1 UrlGG betrug das Urlaubsgeld für Richter und Staatsanwälte
255,65 €. § 4 UrlGG lautete:
§ 4
Höhe des Urlaubsgeldes
(1) Das Urlaubsgeld beträgt 255,65 Euro, für Beamte und Soldaten
mit Grundgehalt aus den Besoldungsgruppen A 1 bis A 8 332,34
Euro.
(2) Ein Berechtigter, dessen regelmäßige Arbeitszeit oder dessen
Dienst und dessen Bezüge ermäßigt worden sind, erhält ein im
gleichen Verhältnis verringertes Urlaubsgeld.
(3) Erhält der Berechtigte ein Urlaubsgeld aus einem anderen
Beschäftigungsverhältnis, so ist diese Leistung auf das nach diesem
Gesetz zustehende Urlaubsgeld anzurechnen.
2 . Ab dem Jahr 2002 gab es Bestrebungen, die Richter-/Beamtenbesoldung für
eigenständige Regelungen der Länder zu öffnen, die schließlich in eine zunächst auf
das Sonderzahlungsrecht begrenzte Teilföderalisierung der Besoldung mündeten.
a ) Durch einen Gesetzesantrag des Landes Berlin vom 5. November 2002 zur
Änderung dienstrechtlicher Vorschriften sollte erreicht werden, die Besoldung in
bestimmtem Umfang für eigenständige Regelungen der Länder zu öffnen. Der
Gesetzentwurf sah ein vollständiges oder teilweises Absehen oder ein zeitlich von
Land zu Land unterschiedliches Inkraftsetzen von Besoldungsanpassungen, die
Reduzierung der jährlichen Sonderzuwendung und das Absenken des
Urlaubsgeldes vor (vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher
Vorschriften, Bundesrat Drucksache [BRDrucks] 819/02; Bundestag Drucksache
[BTDrucks] 15/1021, S. 1). Der Bundesrat beschloss einen Gesetzentwurf zur
Einbringung beim Deutschen Bundestag, der den Ländern die Möglichkeit einräumte,
in begrenzten Bereichen der Besoldung – beim Urlaubsgeld und der jährlichen
Sonderzuwendung – vom Bund abweichende Regelungen aufgrund regionaler
Besonderheiten zu treffen. Auf das im Gesetzesantrag des Landes Berlin enthaltene
Ziel einer Öffnung bei der Besoldungsanpassung wurde hingegen verzichtet
(BRDrucks 819/02). Im Einzelnen führte die Begründung zum Gesetzentwurf aus,
dass die besoldungs- und finanzpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten der Länder bei
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ihrem beamteten Personal den unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen
Verhältnissen der einzelnen Länder nicht gerecht würden, und zwar weder im
Hinblick auf eine schwierige, teils extrem belastete Situation ihrer Haushalte noch im
Hinblick auf regionale, soziale und leistungsbezogene Handlungsmöglichkeiten und
Erfordernisse. Deshalb seien im Tarifbereich wie im Bereich der Beamtenbesoldung
schrittweise geeignete Flexibilisierungen und Regionalisierungen zur Eröffnung
eines breiteren Handlungsspielraums für die Länder erforderlich (vgl. BTDrucks
15/1021, S. 7).
b) Die Teilföderalisierung des Besoldungsrechts wurde vollzogen durch das Gesetz
über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern
2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (BBVAnpG 2003/2004)
vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798). Durch Art. 18 Abs. 1 BBVAnpG 2003/2004
wurden das Sonderzuwendungsgesetz und das Urlaubsgeldgesetz aufgehoben. Art.
18 Abs. 2 BBVAnpG 2003/2004 regelte ihre übergangsweise geltende weitere
Anwendung. Die Vorschrift lautet:
Artikel 18
Aufhebung von Vorschriften
(1) Es werden aufgehoben:
1. das Gesetz über die Gewährung einer jährlichen
Sonderzuwendung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.
Dezember 1998 (BGBl I S. 3642), zuletzt geändert durch Artikel 3
des Gesetzes vom 16. Februar 2002 (BGBl I S. 686), und
2. das Urlaubsgeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung
vom 16. Mai 2002 (BGBl I S. 1780).
(2) Das Gesetz über die Gewährung einer jährlichen
Sonderzuwendung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.
Dezember 1998 (BGBl I S. 3642), zuletzt geändert durch Artikel 3
des Gesetzes vom 16. Februar 2002 (BGBl I S. 686), und das
Urlaubsgeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.
Mai 2002 (BGBl I S. 1780) sind bis zum Inkrafttreten bundes- oder
landesgesetzlicher Regelungen zur Gewährung von jährlichen
Sonderzahlungen weiter anzuwenden.
(…)
13
Den Ländern wurde gemäß Art. 18 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 13 Nr. 7 BBVAnpG
2003/2004 im Wege einer Neufassung des § 67 BBesG zugleich die Befugnis
eingeräumt, eigene Regelungen bezüglich einer jährlichen Sonderzahlung zu
erlassen. Diese „Öffnungsklausel“ schreibt einen bundeseinheitlichen Höchstbetrag
der Sonderzahlungen vor, gewährt dem Bund und den Ländern aber im Übrigen –
hinsichtlich Höhe, Zweck, Struktur und Zahlungsweise – umfassende inhaltliche
Gestaltungsfreiheit. Die Passage lautet:
Artikel 13
Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
Das
Bundesbesoldungsgesetz
in
der
Fassung
der
Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3020), zuletzt
geändert durch Artikel 3 dieses Gesetzes, wird wie folgt geändert:
1.- 6. (…)
7. § 67 wird wie folgt gefasst:
„§ 67 Jährliche Sonderzahlungen
(1) Soweit der Bund oder die Länder durch Gesetz jährliche
Sonderzahlungen gewähren, dürfen diese im Kalenderjahr die
Bezüge eines Monats nicht übersteigen. Daneben kann für jedes
Kind eines Berechtigten ein Sonderbetrag bis zur Höhe von 25,56 €
gewährt werden. Bei den Bezügen nach Satz 1 sind die
Auslandsdienstbezüge nach dem 5. Abschnitt, Zulagen und
Vergütungen nach den §§ 42a, 45, 47, 48, 50a und 51 sowie
sonstige Einmalzahlungen nicht zu berücksichtigen. Abweichend
von Satz 1 kann die jährliche Sonderzahlung für die
Besoldungsgruppen A 2 bis A 8 um bis zu 332,34 Euro und für alle
übrigen Besoldungsgruppen um bis zu 255,65 Euro erhöht werden.
(2) In der bundes- oder landesgesetzlichen Regelung ist die
Zahlungsweise zu bestimmen. Außerdem kann festgelegt werden,
dass die Sonderzahlungen nach Absatz 1 Satz 1 und 3
ruhegehaltfähig sind. Gleichzeitig kann bestimmt werden, dass sie
an den allgemeinen Anpassungen nach § 14 teilnehmen.“
8. (…)
14
Für die Jahre 2003 und 2004 enthielt das BBVAnpG 2003/2004 spezielle
Regelungen, die neben die bereits zitierten Bestimmungen traten. Art. 1 Nr. 5
BBVAnpG 2003/2004 in Verbindung mit § 85 BBesG betraf die Einmalzahlung im
Jahr 2003; Art. 2 Nr. 2 BBVAnpG 2003/2004 in Verbindung mit § 85 BBesG betraf die
Einmalzahlung im Jahr 2004. Diese Einmalzahlungen kamen als weiterer
Besoldungsbestandteil zu der sonstigen Besoldung in den Jahren 2003
beziehungsweise 2004 hinzu. Die betreffenden Vorschriften lauten:
Artikel 1
Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes für das Jahr 2003
Das
Bundesbesoldungsgesetz
in
der
Fassung
der
Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3020), geändert
durch Artikel 10 des Gesetzes vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3082),
wird wie folgt geändert:
1. - 4. (…)
5. Nach § 83 werden folgende §§ 84 und 85 angefügt:
„(…)
§ 85 Einmalzahlung im Jahr 2003
(1) Beamte, Richter und Soldaten mit Anspruch auf Besoldung für
den gesamten Monat April 2003 und mindestens einen Tag im
Monat Mai 2003 erhalten eine Einmalzahlung in Höhe von 7,5 vom
Hundert der Dienstbezüge, die ihnen im Monat März 2003
(Basismonat) zugestanden haben, höchstens 185 Euro, soweit von
der Ermächtigung nach Absatz 6 innerhalb von drei Monaten nach
dem 16. September 2003 kein Gebrauch gemacht wird. Satz 1 gilt
nicht für Empfänger von Bezügen aus der Besoldungsgruppe B 11.
(…)
(6) Die Länder werden ermächtigt, jeweils für ihren Bereich durch
Gesetz zu regeln, dass die Einmalzahlung nach Absatz 1 für die
Ämter der den Staatssekretären des Bundes vergleichbaren
Beamten in den Ländern entsprechend Absatz 1 Satz 2 bestimmt
werden kann.“
6. (…)
15
16
Artikel 2
Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes für das Jahr 2004
Das
Bundesbesoldungsgesetz
in
der
Fassung
der
Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3020), zuletzt
geändert durch Artikel 1 dieses Gesetzes, wird wie folgt geändert:
1. (…)
2. § 85 wird wie folgt gefasst:
㤠85 Einmalzahlung im Jahr 2004
(1) Beamte, Richter und Soldaten, die im Monat November 2004
ununterbrochen bei demselben Dienstherrn in einem Beamten-,
Richter- oder Soldatenverhältnis stehen und mindestens für einen
Tag in diesem Monat Anspruch auf Besoldung haben, erhalten eine
Einmalzahlung in Höhe von 50 Euro, Anwärter in Höhe von 30 Euro,
soweit von der Ermächtigung nach Absatz 4 innerhalb von drei
Monaten nach dem 16. September 2003 kein Gebrauch gemacht
wird. Satz 1 gilt nicht für Empfänger von Bezügen aus der
Besoldungsgruppe B 11.
(2) - 3. …
3 . Die drei Länder, deren Besoldungsvorschriften verfahrensgegenständlich sind,
haben von der Möglichkeit, jährliche Sonderzahlungen in eigener Zuständigkeit für
ihren Bereich neu zu regeln, in unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht.
a ) Der nordrhein-westfälische Landtag verabschiedete am 20. November 2003 als
Art. I des Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung und über die Bezüge
der Staatssekretäre und entsprechender Versorgungsempfänger in den Jahren 2003
und 2004 für das Land Nordrhein-Westfalen das Gesetz über die Gewährung einer
Sonderzahlung an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger für das Land
Nordrhein-Westfalen (Sonderzahlungsgesetz NRW − SZG-NRW [GVBl S. 696 ]). Das
Gesetz, das am 30. November 2003 in Kraft trat, sah eine gegenüber der alten
Rechtslage geringere jährliche Sonderzahlung vor; ein gesondertes Urlaubsgeld
wurde nicht mehr gewährt. Nach § 6 des Gesetzes betrug der Grundbetrag der
Sonderzahlung für das Jahr 2003 für Richter und Staatsanwälte der
Besoldungsgruppen R 1 und höher 50 v.H. der für den Monat Dezember
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maßgeblichen Bezüge.
Im Einzelnen lauteten die maßgeblichen Vorschriften des SZG-NRW in der Fassung
vom 30. November 2003:
§ 1
Geltungsbereich
(1) Eine jährliche Sonderzahlung erhalten nach diesem Gesetz
1. Beamtinnen und Beamte des Landes, der Gemeinden, der
Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes
unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des
öffentlichen Rechts; ausgenommen sind die Ehrenbeamtinnen und
Ehrenbeamten,
2. Richterinnen und Richter des Landes mit Ausnahme der
ehrenamtlichen Richterinnen und Richter,
3. - (2) …
§ 2
Anspruchsvoraussetzungen für Beamte und Richter
(1) Voraussetzung für den Anspruch ist, dass die Berechtigten
1. am 1. Dezember in einem der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2
bezeichneten Rechtsverhältnisse stehen,
2. seit dem ersten nicht allgemein freien Tag des Monats Oktober
ununterbrochen oder im laufenden Kalenderjahr insgesamt sechs
Monate bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn (§ 29 Abs. 1 des
Bundesbesoldungsgesetzes) in einem hauptberuflichen Dienst- oder
Arbeitsverhältnis oder einem Ausbildungsverhältnis stehen oder
gestanden haben und
3. mindestens bis einschließlich 31. März des folgenden Jahres im
Dienst dieses Dienstherrn verbleiben, es sei denn, dass sie ein
früheres Ausscheiden nicht selbst zu vertreten haben.
(2) - (6) …
§ 5
Zusammensetzung der Sonderzahlung
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Die Sonderzahlung besteht aus einem Grundbetrag und einem
Sonderbetrag für Kinder.
§ 6
Grundbetrag für Beamte und Richter
(1) Der Grundbetrag wird in den Jahren 2003, 2004 und 2005 für
die Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppen A 2 bis A 6 in
Höhe von 84,29 vom Hundert, für die Beamtinnen und Beamten der
Besoldungsgruppen A 7 und A 8 sowie für die Empfängerinnen und
Empfänger von Anwärterbezügen in Höhe von 70 vom Hundert und
im Übrigen in Höhe von 50 vom Hundert aus den nach dem
Besoldungsrecht für den Monat Dezember maßgebenden Bezügen
berechnet und gewährt, und zwar auch dann, wenn der/dem
Berechtigten die Bezüge für diesen Monat nur teilweise zustehen
oder in den Fällen einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge nicht
zustehen. Ab dem Jahr 2006 tritt an die Stelle der in Satz 1
genannten Vomhundertsätze der Vomhundertsatz, der sich aus dem
Verhältnis der regelmäßig anzupassenden Bezüge nach dem Stand
Dezember 1993 und denen im Dezember des laufenden Jahres
errechnet. Das Finanzministerium wird ermächtigt, den jeweils
maßgebenden Vomhundertsatz festzusetzen.
(2) Bezüge im Sinne des Absatzes 1 sind unter Berücksichtigung
des § 6 des Bundesbesoldungsgesetzes
1. das Grundgehalt, der Familienzuschlag, Amts-, Stellen-,
Ausgleichs- und Überleitungszulagen, Leistungsbezüge für
Professoren sowie für hauptberufliche Leiter und Mitglieder von
Leitungsgremien an Hochschulen, soweit diese nicht als
Einmalzahlungen gewährt werden, sowie Anwärterbezüge,
2. - (4) …
In der Begründung zum Gesetzentwurf vom 15. September 2003 wird die Lage der
öffentlichen Haushalte im Land, die insbesondere aufgrund der negativen
wirtschaftlichen Entwicklung und der hohen Steuerausfälle äußerst angespannt sei,
als Problem benannt. Von der daher zwingend gebotenen Entlastung der Haushalte
von Land und Kommunen könnten die Personalkosten als größter Ausgabenblock
nicht ausgenommen werden; vielmehr müsse die Entlastung auch einen
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angemessenen Beitrag der Beamten und Versorgungsempfänger einschließen
(Landtag Drucksache [LTDrucks] 13/4313, S. 1, 17).
b ) In Sachsen-Anhalt wurde zum 1. Dezember 2003 die Höhe der jährlichen
Sonderzahlung für Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppe R 1 auf 1.500 €
festgesetzt und das Urlaubsgeld, das bisher 255,65 € betragen hatte, entfiel durch die
Aufhebung des UrlGG. Die maßgeblichen Vorschriften des Beamtenrechtlichen
Sonderzahlungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (BSZG-LSA) vom 25.
November 2003 (GVBl S. 334) in der vom 29. November 2003 bis 31. Dezember
2004 geltenden Fassung lauteten:
§ 1
Geltungsbereich
(1) Eine jährliche Sonderzahlung nach diesem Gesetz erhalten
1. Beamte des Landes, der Gemeinden, der Landkreise sowie der
sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften,
Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
2. Richter des Landes,
3. - (2) …
§ 2
Anspruchsvoraussetzung
Voraussetzung für den Anspruch ist, dass der Berechtigte am 1.
Dezember in einem der in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3
bezeichneten Rechtsverhältnisse steht.
§ 4
Höhe der Sonderzahlung für Beamte und Richter
(1) Die Höhe der Sonderzahlung bei Beamten und Richtern
bemisst sich nach der Besoldungsgruppe des am 1. Dezember
bereits verliehenen Amtes. Sie beträgt
1. im einfachen und mittleren Dienst
950 Euro,
2. im gehobenen Dienst
1250 Euro,
3. im höheren Dienst für die Besoldungsgruppen A 13
bis A 16, C 1 bis C 3, R 1, R 2, W 1 und W 2
1500 Euro,
20
21
4. für die übrigen Besoldungsgruppen
1900 Euro,
5. für Anwärter
350 Euro.
Soweit Beamten und Richtern am 1. Dezember noch kein Amt
verliehen wurde, bemisst sich die Höhe der Sonderzahlung nach der
Besoldungsgruppe des Eingangsamtes ihrer Laufbahn.
(2) - (4) …
Nach der Begründung des Gesetzentwurfs (LTDrucks 4/1016, S. 4 f.) sollte im
Hinblick auf Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung der Regelungsinhalt des
Sonderzahlungsrechts wesentlich gekürzt und transparent gestaltet werden. Zugleich
sollte den wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen des Landes
Sachsen-Anhalt dadurch Rechnung getragen werden, dass die Höhe der künftigen
Sonderzahlung unter das bisherige Niveau abgesenkt werde, um die Haushalte zu
entlasten.
Durch das Gesetz zur Änderung des Beamtenrechtlichen Sonderzahlungsgesetzes
des Landes Sachsen-Anhalt als Art. 1 des Haushaltsbegleitgesetzes 2005/2006 vom
17. Dezember 2004 (GVBl S. 834) wurde das Sonderzahlungsgesetz bezogen auf
Richter und Staatsanwälte schließlich dahingehend geändert, dass an die Stelle der
jährlichen Sonderzahlung in Höhe von 1.500 € eine jährliche Sonderzahlung in Höhe
von 25,56 € für jedes Kind tritt. § 2 BSZG-LSA wurde zum 1. Januar 2005 wie folgt
neu gefasst:
§ 2
Jährliche Sonderzahlung
(1) Beamtinnen und Beamte in den Besoldungsgruppen A 2 bis A 8
erhalten neben ihren Dienstbezügen für den Monat Dezember eine
jährliche Sonderzahlung in Höhe von 120 Euro. § 6 Abs. 1 des
Bundesbesoldungsgesetzes ist entsprechend anzuwenden.
(2)
Beamtinnen,
Beamte,
Richterinnen,
Richter,
Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger erhalten
neben ihren Dienst-, Anwärter- oder Versorgungsbezügen für den
Monat Dezember für jedes Kind, für das ihnen in Bezug auf den
Monat Dezember ein Familienzuschlag gewährt wird, eine jährliche
Sonderzahlung in Höhe von 25,56 Euro. Waisen, denen der
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23
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Familienzuschlag zusteht, erhalten die Sonderzahlung selbst.
Der Gesetzentwurf zielte darauf ab, durch eine dauerhafte Senkung des
Ausgabenniveaus insgesamt eine Konsolidierung des Landeshaushaltes und die
Rückführung der Neuverschuldung zu erreichen (vgl. die Gesetzesbegründung
LTDrucks 4/1799, S. 7).
c) In Rheinland-Pfalz wurde durch Art. 1 des Zweiten Landesgesetzes zur Änderung
besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 20. November 2003 (GVBl
S. 343) mit Wirkung vom 27. November 2003 das Recht der Sonderzahlung neu
geregelt.
a a ) Art. 1 des Zweiten Landesgesetzes zur Änderung besoldungs- und
versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 20. November 2003 (GVBl S. 343) fügte in
das Landesbesoldungsgesetz Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 14. Juli 1978
(GVBl S. 459) § 17 ein, der für das Jahr 2003 die Gewährung einer Sonderzahlung in
Höhe von nur noch 70 v.H. statt bisher 86,31 v.H. der für den Monat Dezember
maßgebenden Bezüge vorsah. Die Vorschrift lautete:
§ 17
Jährliche Sonderzahlung für das Jahr 2003
Auf die jährliche Sonderzahlung für das Jahr 2003 finden die
Bestimmungen des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen
Sonderzuwendung in der Fassung vom 15. Dezember 1998 (BGBl I
S. 3642), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 16.
Februar 2002 (BGBl I S. 686), mit der Maßgabe Anwendung, dass
der Bemessungsfaktor im Sinne von § 13 des vorgenannten
Gesetzes 0,70 beträgt.
bb) Ab dem Jahr 2004 wurde auf der Grundlage des durch Art. 1 des Zweiten
Landesgesetzes zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften
vom 20. November 2003 (GVBl S. 343) in das Landesbesoldungsgesetz Rheinland-
Pfalz neu eingefügten § 11 Nr. 1 die Sonderzahlung in der Weise auf einen Betrag
von 50 v.H. eines Monatsgehalts gekürzt, dass als jährliche Sonderzahlung (vgl. § 8
Nr. 1 des Landesbesoldungsgesetzes Rheinland-Pfalz in der Fassung des Zweiten
Landesgesetzes zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften
vom 20. November 2003) eine laufende monatliche Zahlung gewährt wurde, die sich
auf 4,17 v.H. der monatlichen Bezüge belief. § 11 Nr. 1 lautete in der Fassung des
Zweiten Landesgesetzes zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher
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Vorschriften vom 20. November 2003:
§ 11
Grundbetrag der laufenden monatlichen Zahlung
Der monatliche Grundbetrag beläuft sich auf 4,17 v. H. und bemisst
sich nach den Bezügen, die dem Berechtigten für den jeweiligen
Monat zustehen. Bezüge im Sinne des Satzes 1 sind
1. bei Empfängern von Dienstbezügen das Grundgehalt, der
Familienzuschlag,
Amts-,
Stellen-,
Ausgleichs-
und
Überleitungszulagen, Leistungsbezüge für Professoren und
hauptberufliche Leiter und Mitglieder von Leitungsgremien an
Hochschulen, soweit diese nicht als Einmalzahlungen gewährt
werden, Zuschüsse zum Grundgehalt für Professoren an
Hochschulen in Ämtern der Bundesbesoldungsordnung C (§ 77 des
Bundesbesoldungsgesetzes),
2. - 4. …
Der Grundbetrag der laufenden monatlichen Zahlung wurde mit Wirkung zum 1.
Januar 2009 durch Erhöhung der Bezüge des jeweiligen Monats um 4,17 v.H. in die
Besoldung integriert (vgl. § 1 Nr. 1 des Art. 1 des Landesgesetzes zur Integration der
jährlichen Sonderzahlung und zur Anpassung der Besoldung und Versorgung
2009/2010 vom 7. April 2009 [GVBl S. 142]).
cc) Schließlich wurde im Jahr 2004 das Urlaubsgeld für die Besoldungsgruppen A 9
und höher sowie die Besoldungsordnung R gestrichen und die Zahlung eines
Sonderbetrags in Höhe von 40 € je Kind im Monat Juli eingeführt (Art. 1 des Zweiten
Landesgesetzes zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften
vom 20. November 2003 [GVBl S. 343]). Zu diesem Zweck wurden die §§ 14 und 15
in das Landesbesoldungsgesetz Rheinland-Pfalz eingefügt:
§ 14
Bestandteile, allgemeine Anspruchsvoraussetzungen und
Zahlungsweise der Einmal-Sonderzahlung
(1) Die Einmal-Sonderzahlung besteht aus einem Grundbetrag (§
15 Abs. 1) und einem Sonderbetrag für Kinder (§ 15 Abs. 2).
(2) - (6) …
§ 15
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29
30
Beträge der Einmal-Sonderzahlung
(1) Der Grundbetrag beträgt 200 EUR und wird den Berechtigten
mit Grundgehalt aus den Besoldungsgruppen A 2 bis A 8 gewährt. §
6 des Bundesbesoldungsgesetzes gilt entsprechend.
(2) Alle Beamten und Richter erhalten für jedes Kind, für das ihnen
im Monat Juli des jeweiligen Kalenderjahres Familienzuschlag
zusteht, einen Sonderbetrag für Kinder in Höhe von 40 EUR. § 6 des
Bundesbesoldungsgesetzes ist nicht anzuwenden.
Eingangs der Begründung zu dem Entwurf dieses Gesetzes weist die
Landesregierung
darauf
hin,
dass
angesichts
der
haushalts-
und
gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf Einsparungen auch im
Personalkostenbereich nicht verzichtet werden könne. Dem dadurch entstehenden
Regelungsbedürfnis werde mit dem Gesetzentwurf Rechnung getragen (vgl.
LTDrucks 14/2505, S. 1). Weiter wird ausgeführt, dass „[h]auptsächlicher
Regelungsgegenstand des Vorhabens […] die Neugestaltung und gleichzeitige
Absenkung der jährlichen Sonderzuwendungen der Beamten und Richter im
Landesdienst zur Erzielung der vorbezeichneten Einsparvolumina als Beitrag zur
Konsolidierung des Landeshaushaltes“ sei (LTDrucks 14/2505, S. 9).
4. Im Jahr 2006 ging infolge der sogenannten Föderalismusreform I die
Gesetzgebungskompetenz für die Richter-/Beamtenbesoldung und -versorgung auf
die Länder über.
Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a,
75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c)
vom 28. August 2006 (BGBl I S. 2034) führte mit Wirkung vom 1. September 2006 zu
einer föderalen Neuordnung der dienstrechtlichen Regelungskompetenzen. Durch
Art. 1 Nr. 8 des Änderungsgesetzes wurde unter anderem der im Jahr 1971
eingefügte Art. 74a GG (vgl. Art. I Nr. 1 des 28. Gesetzes zur Änderung des
Grundgesetzes vom 18. März 1971, BGBl I S. 206) aufgehoben, der dem Bund die
konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung und Versorgung aller
Angehörigen des öffentlichen Dienstes zugewiesen hatte. An die Stelle des in dieser
Bestimmung zum Ausdruck kommenden Grundsatzes der bundeseinheitlichen
Besoldung und Versorgung trat die Regelung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG, wonach der
Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz über „die Statusrechte und -
pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des
31
32
33
öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen,
Besoldung und Versorgung“ innehat. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 125a
Abs. 1 GG gilt das Bundesbesoldungsgesetz als Bundesrecht fort; es kann aber durch
Landesrecht ersetzt werden.
5. Die Vorlagen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (2
BvL 17/09 und 2 BvL 18/09) beziehen sich auf das Kalenderjahr 2003, also einen
Zeitraum der zwischen Bund und Ländern geteilten Gesetzgebungskompetenz im
Besoldungsrecht. Die Vorlagen des Verwaltungsgerichts Halle (2 BvL 3/12 bis 6/12)
betreffen die Kalenderjahre 2008 bis 2010, die Vorlage des Verwaltungsgerichts
Koblenz (2 BvL 1/14) die Verfassungsmäßigkeit der Besoldung seit dem Jahr 2012,
also Zeiträume, in denen die Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung der
Richter und Staatsanwälte der Länder ausschließlich bei den Ländern lag.
a) Grundlage der Besoldung der Richter und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen
im Jahr 2003 war das BBesG a.F.
aa) § 1 BBesG a.F. regelte den personellen und sachlichen Anwendungsbereich
des Gesetzes und lautete wie folgt:
§ 1
Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz regelt die Besoldung der
1. Bundesbeamten, der Beamten der Länder, der Gemeinden, der
Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes
unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des
öffentlichen Rechts; ausgenommen sind die Ehrenbeamten und die
Beamten auf Widerruf, die nebenbei verwendet werden,
2. Richter des Bundes und der Länder; ausgenommen sind die
ehrenamtlichen Richter,
3. Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit.
(2) Zur Besoldung gehören folgende Dienstbezüge:
1. Grundgehalt,
2. Leistungsbezüge für Professoren sowie hauptberufliche Leiter
und Mitglieder von Leitungsgremien an Hochschulen,
34
3. Familienzuschlag,
4. Zulagen,
5. Vergütungen,
6. Auslandsdienstbezüge.
(3) Zur Besoldung gehören ferner folgende sonstige Bezüge:
1. Anwärterbezüge,
2. jährliche Sonderzuwendungen,
3. vermögenswirksame Leistungen,
4. jährliches Urlaubsgeld.
(4) Die Länder können besoldungsrechtliche Vorschriften im Sinne
der Absätze 1 bis 3 nur erlassen, soweit dies bundesgesetzlich
ausdrücklich geregelt ist.
(5) Dieses Gesetz gilt nicht für die öffentlich-rechtlichen
Religionsgesellschaften und ihre Verbände.
bb) Die Besoldungsordnung R und die Bemessung des Grundgehaltes waren in §
37 und § 38 BBesG a.F. samt Anlagen geregelt:
§ 37
Besoldungsordnung R
(1) Die Ämter der Richter und Staatsanwälte, mit Ausnahme der
Ämter der Vertreter des öffentlichen Interesses bei den Gerichten der
Verwaltungsgerichtsbarkeit, und ihre Besoldungsgruppen sind in der
Bundesbesoldungsordnung R (Anlage III) geregelt. Die
Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen sind in der Anlage IV
ausgewiesen.
(2) In Landesbesoldungsordnungen R können geregelt werden:
1. die Ämter der Richter und Staatsanwälte am Bayerischen
Obersten Landesgericht einschließlich des Präsidenten und seines
ständigen Vertreters,
2. die Ämter der badischen Amtsnotare.
Der
Aufbau
der
Besoldungsgruppen
in
den
Landesbesoldungsordnungen
R
muss
dem
der
Bundesbesoldungsordnung R entsprechen. Die Grundgehaltssätze
der Anlage IV gelten auch für diese Landesbesoldungsordnungen.
§ 38
Bemessung des Grundgehalts
(1) Das Grundgehalt wird, soweit die Besoldungsordnung nicht
feste Gehälter vorsieht, nach Lebensaltersstufen bemessen. Der in
der Lebensaltersstufe ausgewiesene Grundgehaltssatz steht vom
Ersten des Monats an zu, in dem das maßgebende Lebensjahr
vollendet wird.
(2) Wird der Richter oder Staatsanwalt nach Vollendung des 35.
Lebensjahres eingestellt, wird für die Berechnung des
Grundgehaltes ein Lebensalter zugrunde gelegt, das um die Hälfte
der vollen Lebensjahre vermindert ist, die der Richter oder
Staatsanwalt seit Vollendung des 35. Lebensjahres bis zu dem bei
der Einstellung vollendeten Lebensjahr zurückgelegt hat. Bei einer
Einstellung, die sich ohne erhebliche Unterbrechung an eine
Tätigkeit im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 des Deutschen
Richtergesetzes oder an eine Tätigkeit als Richter oder Staatsanwalt
nach dem Recht der ehemaligen Deutschen Demokratischen
Republik oder nach dem Einigungsvertrag Anlage I Kapitel III
Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 Buchstabe o und z anschließt, gilt
als Tag der Einstellung der Tag, von dem an der Richter oder
Staatsanwalt Tätigkeiten der genannten Art ununterbrochen
ausgeübt
hat.
Bei
der
Wiedereinstellung
eines
Versorgungsempfängers wird der für das frühere Dienstverhältnis
maßgebende Tag der Einstellung um die Zeit des Ruhestandes
hinausgeschoben.
(3) Richter und Staatsanwälte, die das 27. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben, erhalten das Anfangsgrundgehalt ihrer
Besoldungsgruppe so lange, bis sie das für das Aufsteigen in den
Lebensaltersstufen vorgesehene Lebensalter vollendet haben.
(4) Das Lebensalter wird, vorbehaltlich des Absatzes 2 Satz 2 und
35
36
3, um die Hälfte der Zeit nach Vollendung des 35. Lebensjahres, in
der kein Anspruch auf Besoldung bestand, hinausgeschoben. § 28
Abs. 3 und § 30 gelten entsprechend. Der Anspruch auf das
Aufsteigen in den Lebensaltersstufen ruht für die Dauer einer
vorläufigen Dienstenthebung. Führt ein Disziplinarverfahren zur
Entfernung aus dem Dienst oder endet das Dienstverhältnis durch
Entlassung auf Antrag des Richters oder Staatsanwaltes oder
infolge strafgerichtlicher Verurteilung, so erlischt der Anspruch auch
für die Zeit des Ruhens.
Anlage III zum BBesG a.F. enthielt die einzelnen Besoldungsgruppen der
Bundesbesoldungsordnung R; in Anlage IV Nr. 4 zum BBesG a.F. waren die
Grundgehaltssätze der Bundesbesoldungsordnung R aufgeführt.
cc) Eine lineare Besoldungsanpassung im Jahr 2003 erfolgte im Wege einer
Änderung des § 14 BBesG a.F. durch Art. 1 BBVAnpG 2003/2004. Zum 1. Juli 2003
wurden in der Besoldungsordnung R die Grundgehaltssätze um 2,4 v.H. erhöht. § 14
BBesG in der Fassung vom 10. September 2003 lautete:
§ 14
Anpassung der Besoldung
(1) Die Besoldung wird entsprechend der Entwicklung der
allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und unter
Berücksichtigung der mit den Dienstaufgaben verbundenen
Verantwortung durch Bundesgesetz regelmäßig angepasst.
(2) Um 2,4 vom Hundert werden erhöht
1. die Grundgehaltssätze,
2. der Familienzuschlag mit Ausnahme der Erhöhungsbeträge für
die Besoldungsgruppen A 2 bis A 5,
3. die Amtszulagen sowie die allgemeine Stellenzulage nach
Vorbemerkung Nummer 27 der Bundesbesoldungsordnungen A und
B,
4. die Anwärtergrundbeträge.
Die Erhöhung gilt für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 11 und
Anwärter ab 1. April 2003, für die übrigen Besoldungsgruppen ab 1.
37
38
Juli 2003, soweit von der Ermächtigung nach Absatz 4 innerhalb von
drei Monaten nach dem 16. September 2003 kein Gebrauch
gemacht wird. Die Erhöhung nach Satz 1 Nr. 1 gilt in den Jahren
2003 und 2004 nicht für die Besoldungsgruppe B 11. Die erhöhten
Beträge ergeben sich aus den Anlagen IV, V, VIII und IX in der ab
dem 1. April 2003 geltenden Fassung.
(3) - (4) …
b) Grundlage der Besoldung der Richter und Staatsanwälte in Sachsen-Anhalt war
das Landesbesoldungsgesetz Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005 (LBesG LSA 2005
[GVBl S. 108]).
aa) § 1 Abs. 1 Satz 1 LBesG LSA 2005 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung
landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007 (GVBl
S. 236) regelte den sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des
Landesbesoldungsgesetzes in dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum. Gemäß §
1 Abs. 2 Satz 1 dieses Gesetzes galten für die Besoldung bundesrechtliche Gesetze
und Verordnungen als Landesrecht fort, soweit sie nicht durch Landesrecht ersetzt
wurden. § 1 LBesG LSA 2005 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung
landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007 lautete
wie folgt:
§ 1
Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz regelt, soweit nicht bundesrechtliche
Vorschriften fortgelten, die Besoldung der Beamten, Beamtinnen,
Richter und Richterinnen des Landes und der Beamten und
Beamtinnen der Gemeinden, der Landkreise und der sonstigen der
Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und
Stiftungen des öffentlichen Rechts; ausgenommen sind die
Ehrenbeamten und Ehrenbeamtinnen, die Beamten und Beamtinnen
auf Widerruf sowie die in einem öffentlich-rechtlichen
Ausbildungsverhältnis stehenden Personen, die nebenbei
verwendet werden, und die ehrenamtlichen Richter und
Richterinnen. Soweit versorgungsrechtliche Regelungen auf die
Besoldung Bezug nehmen, gilt Satz 1 entsprechend.
(2) Für die Besoldung und Versorgung der in Absatz 1 Satz 1
39
40
genannten Personen gelten die am 31. August 2006 gültigen
bundesrechtlichen Gesetze und Verordnungen als Landesrecht fort,
soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. Die §§ 45 und
46 des Bundesbesoldungsgesetzes finden keine Anwendung.
(3) Dieses Gesetz gilt nicht für die öffentlich-rechtlichen
Religionsgesellschaften und ihre Verbände.
Das LBesG LSA 2005 enthielt keine abschließende Regelung der Besoldung in der
Besoldungsordnung R. Ergänzend war das bis zur vollständigen Ersetzung als
Landesrecht fortgeltende Bundesbesoldungsgesetz heranzuziehen.
bb) Für die Höhe der Besoldung verwies § 18c LBesG LSA 2005 (eingefügt durch
Art. 1 des Gesetzes zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007) auf die Anlagen der Anhänge zum
Landesbesoldungsgesetz. Er lautete in der der vom 1. August 2007 bis 28. Februar
2009 geltenden Fassung:
§ 18c
Höhe der Besoldung
(1) Die Höhe der Besoldung ergibt sich aus den Anlagen in den
Anhängen 1 und 2 für die dort genannten Besoldungsbestandteile.
(2) Es treten ab 1. Januar 2008 die in dem Anhang 1 abgedruckten
Anlagen an die Stelle von Anlagen des Bundesbesoldungsgesetzes
und der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung in der Fassung
der Bekanntmachung vom 27. November 1997 (BGBl I S. 2764),
zuletzt geändert durch Artikel 350 der Verordnung vom 31. Oktober
2006 (BGBl I S. 2407, 2454):
– Anlage 2 die Anlage IV zum Bundesbesoldungsgesetz,
– Anlage 3 die Tabelle der Grundgehaltssätze der
Bundesbesoldungsordnung C in der Anlage 1 der Bekanntmachung
des Bundesministeriums des Innern vom 10. September 2003 (BGBl
I S. 1843, 1846),
– Anlage 4 die Anlage V zum Bundesbesoldungsgesetz,
– Anlage 5 die Anlage VIII zum Bundesbesoldungsgesetz,
– Anlage 6 die Anlage IX zum Bundesbesoldungsgesetz,
– Anlage 7 die Tabelle der Amtszulagen, Stellenzulagen, Zulagen,
Vergütungen der Bundesbesoldungsordnung C in der Anlage 1 der
Bekanntmachung des Bundesministeriums des Innern vom 10.
September 2003 (BGBl I S. 1843, 1846),
– Anlage 9 die Anlage VIa zum Bundesbesoldungsgesetz,
– Anlage 10 die Anlage Vlb zum Bundesbesoldungsgesetz,
– Anlage 11 die Anlage Vlc zum Bundesbesoldungsgesetz,
– Anlage 12 die Anlage Vld zum Bundesbesoldungsgesetz,
– Anlage 13 die Anlage VIe zum Bundesbesoldungsgesetz,
– Anlage 14 die Anlage VIf zum Bundesbesoldungsgesetz,
– Anlage 15 die Anlage VIg zum Bundesbesoldungsgesetz,
– Anlage 16 die Anlage Vlh zum Bundesbesoldungsgesetz,
– Anlage 17 die Anlage Vli zum Bundesbesoldungsgesetz,
– Anlage 18 die Beträge aus § 4 Abs. 1 und 3 der Verordnung über
die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte,
– Anlagen 19 bis 24 die Anlage 6 zu Nr. 6 der Bekanntmachung
des Bundesministeriums des Innern vom 10. September 2003 (BGBl
I S. 1843, 1883 bis 1891),
– Anlage 26 die Beträge aus § 4 Abs. 1 und 3 Satz 1 der
Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für
Beamte unter Berücksichtigung der Zweiten Besoldungs-
Übergangsverordnung.
(3) Es ersetzen ab 1. Mai 2008 die im Anhang 2 abgedruckten
Anlagen die Anlagen des Anhanges 1.
(4) Die im Anhang 2 abgedruckten Anlagen 19 bis 26, die die auf
92,5 v.H. abgesenkte Besoldung nach der Zweiten Besoldungs-
Übergangsverordnung regeln, treten am 31. Dezember 2009 außer
Kraft.
(5) Wird in besoldungsrechtlichen Vorschriften auf die nach den
41
42
43
Absätzen 2 bis 4 nicht geltenden bundesrechtlichen Anlagen
verwiesen, so tritt an die Stelle der jeweiligen Anlage die
entsprechende Anlage dieses Gesetzes.
Für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. April 2008 fanden sich die
Grundgehaltssätze der R-Besoldung, soweit nicht nach § 1 Abs. 2 LBesG LSA 2005 §
2 der Zweiten Besoldungsübergangsverordnung (Zweite BesÜV) vom 27. November
1997 (BGBl I S. 2764) in der Fassung des Gesetzes vom 10. September 2003 (BGBl I
S. 1798) anzuwenden war, in Anhang 1 Anlage 2 Nr. 4 zum LBesG LSA 2005 und für
den Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis 28. Februar 2009 in Anhang 2 Anlage 2 Nr. 4 zum
LBesG LSA 2005, jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Änderung
landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007.
§ 18c LBesG LSA 2005 wurde durch Art. 1 des Gesetzes über die Anpassung von
Dienst- und Versorgungsbezügen 2009/2010 vom 9. Dezember 2009 (GVBl LSA S.
598) mit Wirkung vom 1. März 2009 geändert und lautete wie folgt:
§ 18c
Höhe der Besoldung
(1) Die Höhe der Besoldung ergibt sich vom 1. März 2009 bis zum
28. Februar 2010 aus den Anlagen in Anhang 1 für die dort
genannten Besoldungsbestandteile.
(2) Es ersetzen ab 1. März 2010 die im Anhang 2 abgedruckten
Anlagen die Anlagen des Anhanges 1.
(3) Die im Anhang 1 abgedruckten Anlagen 16 bis 23, die die auf
92,5 v.H. abgesenkte Besoldung nach der Zweiten Besoldungs-
Übergangsverordnung regeln, treten am 31. Dezember 2009 außer
Kraft.
(4)
Wird
in
besoldungsrechtlichen
Vorschriften
auf
bundesrechtliche Anlagen verwiesen, so tritt an die Stelle der
jeweiligen Anlage die entsprechende Anlage dieses Gesetzes.
In Anhang 1 Anlage 2 Nr. 4 zum LBesG LSA 2005 in der Fassung des Gesetzes
über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen 2009/2010 vom 9.
Dezember 2009 waren die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnung R für den
Zeitraum vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2010 und in Anhang 2 Anlage 2 Nr. 4 für
den Zeitraum ab 1. März 2010 enthalten, soweit nicht nach § 1 Abs. 2 LBesG LSA
44
45
46
2005 § 2 der Zweiten Besoldungsübergangsverordnung (Zweite BesÜV) vom 27.
November 1997 (BGBl I S. 2764) in der Fassung des Gesetzes vom 10. September
2003 (BGBl I S. 1798) anzuwenden war.
cc) Eine lineare Anhebung der Bezüge um 2,9 v.H. in dem die Kläger der
Ausgangsverfahren betreffenden Zeitraum nahm der sachsen-anhaltinische
Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Mai 2008 vor. § 18b LBesG LSA 2005 lautete in der
Fassung des Gesetzes zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher
Vorschriften vom 25. Juli 2007:
§ 18b
Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge
(1) Um 2,9 v.H. werden ab 1. Mai 2008 erhöht
1. die Grundgehaltssätze,
2. - (3) …
Ausweislich des Gesetzentwurfs der Landesregierung sollte durch die lineare
Erhöhung ein Beitrag zur Anpassung der Bezüge an die Entwicklung der allgemeinen
wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse geleistet werden, zumal durch den
Wegfall des Urlaubsgeldes ab dem Jahr 2004 und der Kürzung der
Sonderzuwendung ab dem Jahr 2003 bis zur vollständigen Streichung deutliche
Einschnitte im Bereich der Sonderzahlungen vorgenommen worden seien (LTDrucks
5/674, S. 81).
Ab dem 1. März 2009 erhöhten sich die Grundgehaltssätze in allen
Besoldungsordnungen gemäß § 18b Abs. 1 Satz 1 LBesG LSA 2005, geändert durch
das Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen 2009/2010
vom 9. Dezember 2009, um 40 €. Zeitgleich erfolgte auf der Grundlage des § 18b
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBesG LSA 2005 eine Anhebung der so erhöhten
Grundgehaltssätze um 3,0 v.H. Zum 1. März 2010 erhöhten sich die
Grundgehaltssätze um 1,2 v.H. gemäß § 18b Abs. 2 Nr. 1 LBesG LSA 2005. § 18b
LBesG LSA 2005 in der Fassung des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und
Versorgungsbezügen 2009/2010 vom 9. Dezember 2009 lautete:
§ 18b
Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge
(1) Ab 1. März 2009 erhöhen sich die Grundgehaltssätze um 40
Euro und die Anwärtergrundbeträge um 60 Euro. Um 3,0 v.H.
47
48
werden ab 1. März 2009 erhöht
1. die nach Satz 1 erhöhten Grundgehaltssätze,
2. - 12. …
(2) Um 1,2 v.H. werden ab 1. März 2010 erhöht
1. die Grundgehaltssätze,
2. - (5) …
Damit sollte – mit Ausnahme der Einmalzahlung – das Tarifergebnis vom 1. März
2009 zeit- und inhaltsgleich auf Richter und Beamte übertragen werden (vgl.
LTDrucks 5/2020, S. 41).
dd) Ferner gehörte zur Besoldung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum neben
der jährlichen Sonderzahlung in Höhe von 25,56 € für jedes Kind eine im Jahr 2007
gemäß § 18a LBesG LSA 2005 in der Fassung vom 25. Juli 2007 gewährte
Einmalzahlung in Höhe von 620 €. § 18a LBesG LSA 2005 lautet wie folgt:
§ 18a
Einmalzahlung 2007
( 1 ) Die Berechtigten nach § 1 Abs. 1 Satz 1,
Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger und
Anwärterinnen und Anwärter erhalten mit den Bezügen,
Versorgungsbezügen oder Anwärterbezügen des Monats August
2007 nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 eine Einmalzahlung, wenn
sie im Monat August 2007 einen Anspruch auf Besoldung, laufende
Versorgungsbezüge oder Anwärterbezüge haben.
(2) - (3) …
( 4 ) Berechtigte nach § 1 Abs. 1 Satz 1 mit Anspruch auf
Dienstbezüge erhalten eine Einmalzahlung in Höhe von 620 Euro.
Anwärterinnen und Anwärter erhalten eine Einmalzahlung in Höhe
von 310 Euro. Teilzeitbeschäftigte und begrenzt Dienstfähige (§ 42a
des Beamtengesetzes Sachsen-Anhalt) erhalten die Einmalzahlung
entsprechend dem Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit.
(5) - (7) …
49
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51
52
53
Diese Vorschrift wurde mit Wirkung vom 1. März 2009 durch das Gesetz über die
Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen 2009/2010 vom 9. Dezember 2009
aufgehoben.
c) In Rheinland-Pfalz regelte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zunächst das
Landesbesoldungsgesetz Rheinland-Pfalz vom 12. April 2005 (LBesG RP 2005
[GVBl S. 119]), an dessen Stelle seit dem 1. Juli 2013 das Landesbesoldungsgesetz
Rheinland-Pfalz vom 18. Juni 2013 (LBesG RP 2013 [GVBl S. 157]) getreten ist, die
Besoldung der Richter und Staatsanwälte.
aa) Das LBesG RP 2005 enthielt nur punktuelle Regelungen des Besoldungsrechts.
Im Übrigen richtete sich die Besoldung nach den gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG
fortgeltenden Bestimmungen des Bundes.
(1) Der personelle und sachliche Anwendungsbereich des LBesG RP 2005 ergab
sich für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum aus § 1 Abs. 1 LBesG RP in der
Fassung des Ersten Dienstrechtsänderungsgesetzes zur Verbesserung der
Haushaltsfinanzierung vom 20. Dezember 2011 (DienstRÄndG RP 2011 [GVBl S.
430]). § 1 LBesG RP 2005 lautete in dieser Fassung wie folgt:
§ 1
Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz regelt die Besoldung der Beamten und Richter
des Landes und der Beamten der Gemeinden, der
Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes
unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des
öffentlichen Rechts; ausgenommen sind die Ehrenbeamten, die
Beamten auf Widerruf, die nebenbei verwendet werden, und die
ehrenamtlichen Richter.
(2) Soweit in diesem Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes
bestimmt
ist,
gelten
Verweisungen
auf
das
Bundesbesoldungsgesetz
als
Verweisungen
auf
das
Bundesbesoldungsgesetz in der Fassung vom 6. August 2002
(BGBl I S. 3020), zuletzt geändert durch Artikel 3 Abs. 4 des
Gesetzes vom 12. Juli 2006 (BGBl I S. 1466).
(2a) - (4) …
(2) Hinsichtlich der Höhe der Besoldung in der Besoldungsordnung R verwies § 2a
54
55
Abs. 1 LBesG RP 2005 auf die Anlagen zu diesem Besoldungsgesetz und lautete in
der Fassung des DienstRÄndG RP 2011 folgendermaßen:
§ 2a
Höhe der Besoldung
(1) Die Höhe der Besoldung ergibt sich aus den Anlagen II bis VII
für die dort genannten Besoldungsbestandteile. Die Anlagen II, III
und V ersetzen die Anlagen IV, V und VIII des
Bundesbesoldungsgesetzes. Die Anlage IV ersetzt die Anlage IX
des Bundesbesoldungsgesetzes im Hinblick auf Amtszulagen und
die
allgemeine
Stellenzulage
nach
Nummer
27
der
Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B.
Die Anlage VI ersetzt die Anlage 1 zu Nummer 1 der
Bekanntmachung des Bundesministeriums des Innern vom 10.
September 2003 (BGBl I S. 1843). Die Beträge der Anlage VII treten
an die Stelle der Beträge nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und § 22 Abs. 2 der
Erschwerniszulagenverordnung (EZulV) in der Fassung vom 3.
Dezember 1998 (BGBl I S. 3497), zuletzt geändert durch Artikel 67
des Gesetzes vom 21. Juni 2005 (BGBl I S. 1818), und der Beträge
nach § 4 Abs. 1 und 3 Satz 1 der Verordnung über die Gewährung
von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV) in der Fassung vom
3. Dezember 1998 (BGBl I S. 3494), zuletzt geändert durch Artikel 2
des Gesetzes vom 9. November 2004 (BGBl I S. 2774).
(2) - (6) …
Anlage II Nr. 4 zum LBesG RP 2005 regelte die Grundgehaltssätze in der
Besoldungsordnung R ab 1. Januar 2012.
(3) Mit Art. 1 Abs. 1 DienstRÄndG RP 2011 wurden die Grundgehaltssätze und
sonstige Besoldungsbestandteile der Besoldungsordnungen A, B, R und W sowie der
fortgeltenden Besoldungsordnung C der Hochschullehrer um 1,0 v.H. linear erhöht.
Hinsichtlich der Besoldungsordnung B, der Besoldungsgruppe R 3 und höher der
Besoldungsordnung R, der Besoldungsgruppe C 4 der Besoldungsordnung C und
der Besoldungsgruppe W 3 der Besoldungsordnung W trat die Besoldungserhöhung
zum 1. Juli 2012 in Kraft, hinsichtlich der übrigen Besoldungsordnungen und -
gruppen bereits zum 1. Januar 2012 (vgl. Art. 18 Nr. 3 DienstRÄndG RP 2011). Art. 1
DienstRÄndG RP 2011 lautet wie folgt:
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Artikel 1
Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge für das
Jahr 2012 sowie Neustrukturierung des Familienzuschlags
(1) Die in den Anlagen II bis VIII des Landesbesoldungsgesetzes in
der Fassung vom 12. April 2005 (GVBl S. 119), zuletzt geändert
durch die Artikel 2 und 3 des Gesetzes vom 25. August 2011 (GVBl
S. 303), BS 2032-1, ausgewiesenen Beträge werden wie folgt
geändert:
Um 1,0 v. H. werden erhöht
1. die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnungen A, B, R und W
sowie der fortgeltenden Besoldungsordnung C der Hochschullehrer,
2. - (4) …
Für die Jahre 2013 bis einschließlich 2016 regeln die Art. 2 bis 5 DienstRÄndG RP
2011 in gleicher Weise eine Anhebung der Bezüge um 1,0 v.H. und zwar hinsichtlich
der Besoldungsordnung B, der Besoldungsgruppe R 3 und höher der
Besoldungsordnung R, der Besoldungsgruppe C 4 der Besoldungsordnung C und
der Besoldungsgruppe W 3 der Besoldungsordnung W zum 1. Juli, hinsichtlich der
übrigen Besoldungsordnungen und Besoldungsgruppen bereits zum 1. Januar jedes
Jahres (vgl. Art. 18 Nr. 6 bis 9 DienstRÄndG RP 2011).
Nach der Gesetzesbegründung dient die Deckelung der Gehaltserhöhungen auf 1,0
v.H. bis zum Jahr 2016 einerseits – auch mit Blick auf die Einhaltung der
sogenannten
Schuldenbremse
im
Grundgesetz
dem
Ziel
der
Haushaltskonsolidierung und soll andererseits den Bediensteten angesichts der
schwierigen Haushaltssituation Planungssicherheit geben (vgl. LTDrucks 16/281, S.
1 und 51 f.). Das zeitversetzte Inkrafttreten für Angehörige der höheren
Besoldungsgruppen sei Ausdruck einer sozialen Staffelung innerhalb der
vorgesehenen linearen Anpassungen, die jedoch nur temporären Charakter habe
(vgl. LTDrucks 16/281, S. 50).
bb) Mit dem LBesG RP 2013 (verkündet als Art. 1 des Landesgesetzes zur Reform
des finanziellen öffentlichen Dienstrechts vom 18. Juni 2013 [GVBl S. 157]) hat der
rheinland-pfälzische Gesetzgeber schließlich eine landesrechtliche Vollkodifikation
des Besoldungsrechts geschaffen.
§ 1 LBesG RP 2013 legt den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich des
60
61
62
Gesetzes fest und lautet wie folgt:
§ 1
Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz regelt die Besoldung der Beamtinnen und
Beamten sowie der Richterinnen und Richter des Landes, der
Beamtinnen und Beamten der Gemeinden, der Gemeindeverbände
und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden
Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.
Ausgenommen sind die Ehrenbeamtinnen und Ehrenbeamten sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.
(2) …
Einen Anspruch auf Besoldung dem Grunde nach gewährt § 4 Abs. 1 LBesG RP
2013:
§ 4
Anspruch auf Besoldung
(1) Auf die Besoldung besteht ein Anspruch.
(2) – (6) …
In § 34 LBesG RP 2013 samt Anlagen ist die Landesbesoldungsordnung R
folgendermaßen geregelt:
§ 34
Landesbesoldungsordnung R
Die Ämter der Richterinnen und Richter sowie der
Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, mit Ausnahme der Ämter der
Vertreterinnen und Vertreter des öffentlichen Interesses bei den
Gerichten
der
Verwaltungsgerichtsbarkeit,
und
ihre
Besoldungsgruppen sind in der Landesbesoldungsordnung R
(Anlage 3) geregelt. Die Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen
sind in der Anlage 6 ausgewiesen.
Das Grundgehalt wird, soweit die Besoldungsordnung nicht feste Gehälter vorsieht,
nach Stufen bemessen (§ 35 Abs. 1 Satz 1 LBesG RP 2013). Anlage 6 Nr. 4 zu § 34
LBesG RP 2013 enthält die Grundgehaltssätze in der Besoldungsordnung R.
II.
64
65
66
63
Den fachgerichtlichen Verfahren liegen die folgenden Sachverhalte zugrunde:
1. a) Kläger des Ausgangsverfahrens in dem Verfahren 2 BvL 17/09 (Aktenzeichen
des Oberverwaltungsgerichts: 1 A 373/08) ist ein im Jahr 1971 geborener Richter am
Landgericht. Kläger des Ausgangsverfahrens in dem Verfahren 2 BvL 18/09
(Aktenzeichen des Oberverwaltungsgerichts: 1 A 1416/08) ist ein im Jahr 1946
geborener Richter am Landgericht. Beide bezogen im Kalenderjahr 2003
Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe R 1 und standen im Dienst des beklagten
Landes Nordrhein-Westfalen. Nach erfolglosem Widerspruch der Kläger gegen ihre
Bezügemitteilungen für den Monat Dezember 2003 wiesen das Verwaltungsgericht
Düsseldorf mit Urteil vom 20. Dezember 2007 (Az.: 26 K 2544/04) und das
Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 2. April 2008 (Az.: 3 K 1775/04) ihre Klagen
auf Zahlung des Differenzbetrags zwischen der Sonderzahlung nach § 6 Abs. 1
SoZuwG und § 6 Abs. 1 SZG-NRW ab. Nach Zulassung der Berufung beantragten
beide Kläger hilfsweise auch die Feststellung, dass ihre Alimentation im Kalenderjahr
2003 verfassungswidrig zu niedrig bemessen gewesen sei.
b) aa) Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit
Beschluss vom 9. Juli 2009 das Verfahren 1 A 373/08 ausgesetzt und dem
Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt,
ob die auf §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 und 4, § 37
Abs. 1, 38 Abs. 1 i.V.m. Anlage IV Nr. 4 BBesG in den Fassungen
der Bekanntmachungen vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3020) und
vom 10. September 2003 (BGBl I S.1843) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§
2, 4 Abs. 1 UrlGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai
2002 (BGBl I S. 1780) i.V.m. Art. 1 Nr. 5 BBVAnpG 2003/2004, § 85
Abs. 1 BBesG i.V.m. Art. 13 Nr. 7 BBVAnpG 2003/2004, § 67 Abs. 1
BBesG und Art. 18 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG 2003/2004 vom 10.
September 2003 (BGBl I S. 1798) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 2, 5, 6
Abs. 1 und 2 Nr. 1 SZG NRW vom 20. November 2003 (GV NRW S.
696) beruhende Netto-Alimentation des Klägers im Kalenderjahr
2003 - bezogen auf die Besoldungsgruppe R 1 BBesG - mit Art. 33
Abs. 5 GG in seiner bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung
(BGBl I 1949 S. 1) nicht vereinbar gewesen ist.
bb) Ebenfalls mit Beschluss vom 9. Juli 2009 hat das Oberverwaltungsgericht für
das Land Nordrhein-Westfalen das Verfahren 1 A 1416/08 ausgesetzt und dem
67
68
Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt,
ob die auf § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und 3, Abs. 3 Nr. 2 und 4,
§§ 37 Abs. 1, 38 Abs. 1, 39 Abs. 1, 40 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 i.V.m.
Anlage IV Nr. 4 und Anlage V BBesG in den Fassungen der
Bekanntmachungen vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3020) und vom
10. September 2003 (BGBl I S. 1843) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 2, 4
Abs. 1 UrlGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai
2002 (BGBl I S. 1780) i.V.m. Art. 1 Nr. 5 BBVAnpG 2003/2004, § 85
Abs. 1 BBesG i.V.m. Art. 13 Nr. 7 BBVAnpG 2003/2004, § 67 Abs. 1
BBesG und i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG 2003/2004 vom 10.
September 2003 (BGBl I S. 1798) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 2, 5, 6
Abs. 1 und 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 SZG NRW vom 20. November 2003 (GV
NRW S. 696) beruhende Netto-Alimentation des Klägers im
Kalenderjahr 2003 - bezogen auf die Besoldungsgruppe R 1 BBesO
- mit Art. 33 Abs. 5 GG in seiner bis zum 31. August 2006 geltenden
Fassung (BGBl I 1949 S. 1) nicht vereinbar gewesen ist.
c) Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hält in beiden
Verfahren mit im Wesentlichen gleichlautender Begründung die vorgelegten
Vorschriften für entscheidungserheblich. Erwiesen sich die für die Besoldung der
Kläger in den streitgegenständlichen Jahren maßgeblichen Vorschriften als
verfassungswidrig, müsste der Senat – bei allfälliger Abweisung der Klagen
betreffend die Hauptanträge – den Klagen im Übrigen, das heißt den feststellenden
Teil des klägerischen Begehrens betreffend, stattgeben.
Das Oberverwaltungsgericht ist von der Verfassungswidrigkeit der Besoldung der
Kläger in den streitgegenständlichen Zeiträumen überzeugt. Die den
Vorlagegegenstand bildenden Normen, aus denen sich in der gebotenen
Gesamtbetrachtung die Besoldung der Kläger ergebe, verstießen gegen das von Art.
33 Abs. 5 GG geschützte Alimentationsprinzip. Die Richter und Beamten in
Nordrhein-Westfalen hätten im Jahr 2003 Besoldungsabsenkungen hinnehmen
müssen, die – zumal gemessen an einer fiktiven Weiterzahlung der
Sonderzuwendung in der bisherigen Höhe – in den überwiegenden Fällen deutlich
über die „Marginalitätsgrenze“ hinausgingen. Zwar hätte im Falle einer
Überalimentation die Besoldung auf das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß
abgesenkt werden dürfen. Eine derartige Überalimentation lasse sich für das Jahr
2003 jedoch nicht feststellen. Verfassungsrechtlich tragfähige Gründe für eine
69
70
71
Besoldungsabsenkung seien vom Besoldungsgesetzgeber weder genannt noch
sonst ersichtlich. Die Löhne und Gehälter vergleichbarer Angestellter innerhalb und
außerhalb des öffentlichen Dienstes seien im hier zu betrachtenden Zeitraum
zwischen 1991 – dem Zeitpunkt, zu dem der Bund als damals alleiniger
Besoldungsgesetzgeber mit der Festlegung der Besoldungshöhe für in den
Beitrittsgebieten verwendete Besoldungsempfänger zu erkennen gegeben habe,
dass er die im bisherigen Bundesgebiet gewährte Alimentation für amtsangemessen
ansah – und 2003 weitaus stärker gestiegen als die Beamtenbesoldung, die somit
greifbar von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt worden sei. Die
wirtschaftliche Situation der Beamten erschließe sich ergänzend aus der Entwicklung
der Einschnitte im Leistungsbereich der Beihilfe, welche nicht unerheblich zur
Gesamtbelastung der Nettoeinkommen der Beamten beigetragen hätten. Die
Belastungen der Richter und Beamten im Jahr 2003 stellten im Übrigen lediglich
einen Ausschnitt aus der Gesamtbelastung dar, die sich in einer Abfolge von weiteren
Einschnitten vor und nach den hier streitgegenständlichen Jahren manifestieren.
2. a) Kläger des Ausgangsverfahrens 5 A 206/09 HAL (Aktenzeichen des
Bundesverfassungsgerichts: 2 BvL 3/12) ist ein 1962 geborener Staatsanwalt. Kläger
des
Ausgangsverfahrens
5
A
207/09
HAL
(Aktenzeichen
des
Bundesverfassungsgerichts: 2 BvL 4/12) ist ein 1961 geborener Richter am
Verwaltungsgericht. Kläger des Ausgangsverfahrens 5 A 208/09 HAL (Aktenzeichen
des Bundesverfassungsgerichts: 2 BvL 5/12) ist ein 1966 geborener Richter am
Verwaltungsgericht. Der Kläger des Ausgangsverfahrens 5 A 216/09 HAL
(Aktenzeichen des Bundesverfassungsgerichts: 2 BvL 6/12) ist Richter am
Amtsgericht.
Alle Kläger stehen im Dienst des Landes Sachsen-Anhalt und bezogen in den
Jahren 2008 bis 2010 Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe R 1. Sie erhielten
bis zum 31. Dezember 2009 einen Zuschuss nach § 4 der Zweiten
Besoldungsübergangsverordnung (Zweite BesÜV) vom 27. November 1997 (BGBl I
S. 2764) in der Fassung des Gesetzes vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) in
Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 der Zweiten
BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden
Dienstbezügen.
Nach Widerspruch gegen die Bezügemitteilungen ab Januar 2008 verbunden mit
dem Antrag, sie rückwirkend zum 1. Januar 2008 und für die Zukunft
amtsangemessen zu alimentieren, erhoben sie Untätigkeitsklage zum
72
73
Verwaltungsgericht Halle und beantragten festzustellen, dass ihre jeweiligen
Nettoeinkommen seit dem 1. Januar 2008 verfassungswidrig zu niedrig bemessen
seien.
Soweit die Kläger die Feststellung begehrten, dass ihre Nettoeinkommen seit dem
1. Januar 2011 verfassungswidrig zu niedrig bemessen seien, hat das
Verwaltungsgericht die Verfahren jeweils mit Beschluss vom 28. September 2011
abgetrennt.
b) Mit vier Beschlüssen vom 28. September 2011 hat das Verwaltungsgericht die
Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur
Entscheidung vorgelegt,
ob die
- im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. April 2008 auf §§ 1 Abs. 1
Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nr. 4 des
Besoldungsgesetzes
für
das
Land
Sachsen-Anhalt
(Landesbesoldungsgesetz - LBesG) vom 3. März 2005 (GVBl LSA S.
108),
- im Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis 28. Februar 2009 auf §§ 1 Abs. 1
Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nr. 4 des
Besoldungsgesetzes
für
das
Land
Sachsen-Anhalt
(Landesbesoldungsgesetz - LBesG) vom 3. März 2005 (GVBl LSA S.
108), geändert durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und
versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007 (GVBl LSA S.
236),
- im Zeitraum vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2010 auf §§ 1 Abs.
1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nr. 4
des Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt
(Landesbesoldungsgesetz - LBesG) vom 3. März 2005 (GVBl LSA S.
108), geändert durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und
versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007 (GVBl LSA S.
236) sowie Landesbesoldungs- und versorgungsanpassungsgesetz
2009/2010 vom 9. Dezember 2009 (GVBl LSA S. 598),
- im Zeitraum vom 1. März 2010 bis 31. Dezember 2010 auf §§ 1
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2
74
75
Nr. 4 des Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt
(Landesbesoldungsgesetz - LBesG) vom 3. März 2005 (GVBl LSA S.
108), geändert durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und
versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007 (GVBl LSA S.
236) sowie Landesbesoldungs- und versorgungsanpassungsgesetz
2009/2010 vom 9. Dezember 2009 (GVBl LSA S. 598),
beruhende Netto-Alimentation der Kläger - bezogen auf die
Besoldungsgruppe R 1 - mit Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes in
seiner ab dem 1. September 2006 geltenden Fassung (BGBl I 2034)
nicht vereinbar gewesen ist.
Das Verwaltungsgericht Halle hält in allen vier Verfahren mit im Wesentlichen
gleichlautender Begründung die vorgelegten Vorschriften für entscheidungserheblich.
Erwiesen sich die für die Besoldung der Kläger maßgeblichen Vorschriften als
verfassungswidrig, müssten die Feststellungsklagen Erfolg haben. Umgekehrt wären
die Klagen abzuweisen, wenn sich die Besoldung aufgrund der vorgelegten
Vorschriften als verfassungsgemäß erwiesen.
Das Verwaltungsgericht ist weiter von der Verfassungswidrigkeit der Besoldung der
Kläger in den streitgegenständlichen Zeiträumen überzeugt. Für die angenommene
Verfassungswidrigkeit des Normenkomplexes sprächen die folgenden Erwägungen:
Die finanzielle Ausstattung der Richter sei in dem streitgegenständlichen Zeitraum
greifbar hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung zurückgeblieben.
Vergleichsmaßstab sei ein Referenzsystem, anhand dessen die Fortentwicklung der
Alimentation geprüft werden könne. Aus dem Vergleich zwischen der Entwicklung im
Referenzsystem und der Alimentation könne bestimmt werden, ob die Steigerung der
Alimentation hinter den allgemeinen Entwicklungen zurückbleibe und gegebenenfalls
in welchem Umfang. In dieses Referenzsystem seien – beginnend ab dem Jahr 1983,
in dem die gesetzgeberische Entscheidung zur generellen Erhöhung der
Grundgehälter einerseits und zur Absenkung der Eingangsbesoldung zum Zwecke
der Haushaltskonsolidierung andererseits den Schluss zulasse, dass der
Gesetzgeber die Grenze zur Unteralimentation als erreicht angesehen habe – die
Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst und die Entwicklung der Einkommen
vergleichbarer Beschäftigter außerhalb des öffentlichen Dienstes mit einem Gewicht
von jeweils 40 v.H. sowie die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse mit 20 v.H.
einzustellen, wobei die allgemeine Entwicklung der Tariflöhne und das
Bruttoinlandsprodukt je zur Hälfte eingingen. Die Einkommensentwicklung werde
76
77
dabei statistisch nur als Bruttoanpassung erfasst. Im Wesentlichen ergebe sich
nämlich nach Abzug der Einkommensteuer und der typischen Aufwendungen für eine
beihilfekonforme Krankenversicherung oder für die soziale Sicherung (Renten-,
Kranken- und Arbeitslosenversicherung) ein Gleichlauf zwischen dem
Nettoeinkommen und der Nettobesoldung. Weder durch die Besteuerung noch durch
die Sozialabgaben gebe es Unterschiede der Nettozuwächse in einem Umfang, dass
diese eine typisierende Berechnung der Belastung nach Jahren erfordern würden.
Hinter diesem Referenzsystem sei die Besoldung im Jahr 2008 um 30,98 v.H., im
Jahr 2009 um 25,53 v.H. und im Jahr 2010 um 27,1 v.H. zurückgeblieben. Diese
Abweichung sei nicht durch andere, dem Beamten oder Richter zustehende
Leistungen ausgeglichen worden. Im Gegenteil hätten die über Leistungskürzungen
in der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehenden Kürzungen der
Beihilfeleistungen zu einem noch stärkeren Zurückbleiben der Besoldung gegenüber
dem Referenzsystem geführt. Es gebe auch außerhalb des Referenzsystems weder
Vorteile der Beamten oder Richter gegenüber Arbeitnehmern noch zusätzliche
Belastungen der Arbeitnehmer wie etwa einen außergewöhnlichen Anstieg der
Sozialversicherungsbeiträge, die Auswirkungen auf den aktuellen Lebensstandard
hätten. Die Differenz zwischen der Entwicklung des Referenzsystems und der
Besoldung springe derart „ins Auge“, dass von einer greifbaren Abkoppelung der
Besoldung gesprochen werden könne. Weder die Finanzlage der öffentlichen
Haushalte noch die Herausforderungen durch die Globalisierung, der
demographische
Wandel
oder
die
finanziellen
Nachwirkungen
der
Wiedervereinigung könnten eine Einschränkung des Grundsatzes der
amtsangemessenen Alimentation begründen. Eine Überalimentation der Richter, die
eine Besoldungsabsenkung aus sachlichen Gründen rechtfertigen könnte, lasse sich
jedenfalls seit dem Jahr 1983 nicht mehr feststellen.
3. a) Der im Jahr 1964 geborene Kläger des fachgerichtlichen Ausgangsverfahrens
6 K 445/13.KO (Aktenzeichen des Bundesverfassungsgerichts: 1 BvL 1/14) wurde mit
Wirkung zum 18. Mai 2009 zum Leitenden Oberstaatsanwalt (Besoldungsgruppe R 3
LBesG RP 2005) im Dienst des Landes Rheinland-Pfalz ernannt. Nach erfolglosem
Widerspruch gegen die Bezügemitteilung für den Monat Januar 2012 erhob er Klage
zum Verwaltungsgericht Koblenz, die darauf gerichtet ist festzustellen, dass sein
Nettoeinkommen seit dem 1. Januar 2012 verfassungswidrig zu niedrig bemessen
sei.
b) Das Verwaltungsgericht Koblenz hat das Verfahren mit Beschluss vom 12.
78
79
September 2013 ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Fragen zur
Entscheidung vorgelegt,
- ob die im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 30. Juni 2013 auf §§ 1
Abs.
1,
2a
Abs.
1
i.V.m.
der
Anlage
II
des
Landesbesoldungsgesetzes für das Land Rheinland-Pfalz in der
Fassung vom 12. April 2005 (GVBl S. 119), geändert durch Art. 1
des Ersten Dienstrechtsänderungsgesetzes zur Verbesserung der
Haushaltsfinanzierung vom 20. Dezember 2011 (GVBl S. 430),
beruhende Netto-Alimentation des Klägers - bezogen auf die
Besoldungsgruppe R 3 – mit Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes in
seiner ab dem 1. September 2006 geltenden Fassung (BGBl I S.
2034) unvereinbar gewesen ist, und
- ob die seit dem 1. Juli 2013 auf §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 34 i.V.m.
der Anlage 6 des Landesbesoldungsgesetzes für das Land
Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 18. Juni 2013 (GVBl S. 157)
beruhende Netto-Alimentation des Klägers – bezogen auf die
Besoldungsgruppe R 3 – mit Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes in
seiner ab dem 1. September 2006 geltenden Fassung (BGBl I S.
2034) unvereinbar ist.
c) Das Verwaltungsgericht Koblenz hält die vorgelegten Vorschriften für
entscheidungserheblich. Erwiesen sich die für die Besoldung des Klägers
maßgeblichen Vorschriften als verfassungswidrig, müsste die Klage im
Ausgangsverfahren Erfolg haben. Umgekehrt wäre die Klage abzuweisen, wenn sich
die Besoldungsvorschriften als verfassungsgemäß erwiesen.
Das Verwaltungsgericht ist von der Verfassungswidrigkeit der Besoldung des
Klägers in dem streitgegenständlichen Zeitraum überzeugt. Die Nettoalimentation
unterschreite aus den folgenden Erwägungen das durch Art. 33 Abs. 5 GG
verfassungsrechtlich garantierte Minimum: Die dem Kläger gewährten Bezüge seien
evident unzureichend im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Maßstab für die Prüfung, ob die Besoldungserhöhungen ausreichend gewesen seien,
sei ein Referenzsystem, in das mit gleicher Gewichtung die durchschnittliche
Steigerung der Arbeitnehmerentgelte, die Entwicklung der Einkommen der
tarifbeschäftigten Angestellten im öffentlichen Dienst sowie die Entwicklung der
Einkommen vergleichbarer Beschäftigter außerhalb des öffentlichen Dienstes, jeweils
80
seit dem Jahr 1983, einzubeziehen seien. Die Kammer halte dabei im Grundsatz an
einer Nettobetrachtung fest. Rechnerisch gehe sie dabei jedoch zunächst von
Bruttowerten aus. Durch eine entsprechende rechnerische Sicherheitsmarge, die für
die streitgegenständliche Besoldung in der Besoldungsgruppe R 3 mit 3 v.H.
anzusetzen sei, könne ausgeschlossen werden, dass bei der Referenzgruppe
Gehaltserhöhungen anteilig in einem stärkeren Maße durch eine höhere
Einkommensteuer oder höhere Aufwendungen für die soziale Sicherung aufgezehrt
worden seien, als dies bei der Beamtenbesoldung der Fall gewesen sei. Folglich
könne der Schluss gezogen werden, dass eine im Verhältnis zur Entwicklung der
Alimentation von Beamten und Richtern höhere Steigerung bei den Bruttogehältern
auch zu einer entsprechend höheren Steigerung der Nettogehälter gegenüber der
Netto-Alimentation geführt habe. Hinter der Entwicklung der in dem Referenzsystem
berücksichtigten Einkommen sei die R 3-Besoldung im Jahr 2012 um 20,8 v.H.
zurückgeblieben. Bringe man zusätzlich die oben genannte Sicherheitsmarge von 3
v.H. in Abzug, ergebe sich immer noch ein Zurückbleiben der R 3-Besoldung um 17,8
v.H. Diesen Wert lege die Kammer zugrunde.
Angesichts dieses Zurückbleibens der Alimentationshöhe gegenüber der
allgemeinen Entwicklung liege in jedem Fall eine greifbare Abkopplung vor. Des
Weiteren spreche die folgende Erwägung für die evidente Unangemessenheit der
Besoldung: Seit dem Jahr 1983 sei die Besoldungsordnung dadurch gekennzeichnet,
dass das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe R 2 um 9 v.H. und das
Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe R 1 um 17 v.H. unter dem der
Besoldungsgruppe R 3 liege. In Relation zu dem Referenzsystem stelle „sich die R 3
Besoldung bei wertender Betrachtung nunmehr nur noch als eine solche in der Höhe
der Besoldungsgruppe R 1 dar“ (vgl. S. 61 des Beschlusses des VG Koblenz vom 12.
September 2013 - 6 K 445/13.KO). Für die danach festgestellte Unterschreitung des
durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich garantierten Minimums lägen keine
rechtfertigenden Gründe vor. Die Finanzlage der öffentlichen Haushalte vermöge
nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Einschränkung
des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentation nicht zu begründen.
Systemimmanente Sachgesichtspunkte im Sinne dieser Rechtsprechung, welche die
hier festgestellte Unterschreitung des durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierten
verfassungsrechtlichen Minimums rechtfertigen könnten, seien weder den
Gesetzgebungsmaterialien der Besoldungsgesetze zu entnehmen noch sonst
ersichtlich.
III.
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82
83
84
85
III.
1. Zu den Vorlagen in den Verfahren 2 BvL 17/09 und 2 BvL 18/09 haben die
Bundesregierung, die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, die Präsidentin des
Bundesverwaltungsgerichts, der Deutsche Richterbund, der Bund Deutscher
Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen, die Neue Richtervereinigung, der
dbb beamtenbund und tarifunion, der Deutsche BundeswehrVerband, der Deutsche
Gewerkschaftsbund sowie der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands
schriftlich Stellung genommen.
2. In den Verfahren 2 BvL 3/12, 2 BvL 4/12, 2 BvL 5/12 und 2 BvL 6/12 haben sich
die Bundesregierung, die Landesregierung Sachsen-Anhalt, die Präsidentin des
Bundesverwaltungsgerichts, der Deutsche Richterbund, der Bund Deutscher
Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen, der dbb beamtenbund und tarif-
union, der Deutsche Gewerkschaftsbund sowie der Christliche Gewerkschaftsbund
Deutschlands schriftlich geäußert.
3. In dem Verfahren 2 BvL 1/14 haben die Bundesregierung, die Landesregierung
Rheinland-Pfalz sowie der Landtag Rheinland-Pfalz schriftliche Stellungnahmen
abgegeben.
IV.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Vorfeld der mündlichen Verhandlung anhand
eines Katalogs von 20 Fragen bei den Justizministerien der Länder Informationen zu
deren Einstellungspraxis im höheren Justizdienst eingeholt. Die Fragen betrafen die
Entwicklung der Bewerberzahlen, der Noten der Bewerber, der Zahl der
Einstellungen in den höheren Justizdienst, der Noten der in den höheren Justizdienst
Eingestellten, der Einstellungsvoraussetzungen für das Eingangsamt im höheren
Justizdienst, des Frauenanteils im Eingangsamt im höheren Justizdienst, des Anteils
der Teilzeitbeschäftigten im höheren Justizdienst, der Noten in der Zweiten
juristischen Staatsprüfung sowie der Beförderungen in die Besoldungsgruppe R 2.
V.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 3. Dezember 2014 eine mündliche
Verhandlung durchgeführt, in der die Beteiligten sowie Vertreter der Landtage
Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ihre Rechtsstandpunkte erläutert und
vertieft haben. Das Gericht hat Vertreter des Statistischen Bundesamtes als
sachverständige Auskunftspersonen (§ 27a BVerfGG) zur Entwicklung der
Einkommen der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst, der durchschnittlichen
Bruttoverdienste inländischer Arbeitnehmer ausweislich des Nominallohnindex sowie
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89
87
des Verbraucherpreisindex gehört. Außerdem haben sich Vertreter des Deutschen
Richterbundes,
des
Bundes
Deutscher
Verwaltungsrichter
und
Verwaltungsrichterinnen, des dbb beamtenbund und tarifunion sowie des Deutschen
Gewerkschaftsbundes geäußert.
VI.
Nach der mündlichen Verhandlung hat das Statistische Bundesamt auf Anforderung
durch das Gericht weitere Auskünfte zur Entwicklung der Einkommen der
Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst und der Entwicklung der durchschnittlichen
Bruttoverdienste inländischer Arbeitnehmer ausweislich des Nominallohnindex sowie
zur Entwicklung des Verbraucherpreisindex in den Ländern Nordrhein-Westfalen,
Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz vorgelegt, die die Verfahrensbeteiligten zur
Kenntnis- und Stellungnahme erhalten haben.
B.
Die Vorlagen sind zulässig.
Das gilt auch für die Vorlage des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen (2 BvL 17/09 und 2 BvL 18/09). Gegenstand sind ausweislich des
Beschlusstenors und der Entscheidungsgründe die Vorschriften, aus denen sich die
Besoldung der Kläger der Ausgangsverfahren in dem streitgegenständlichen Jahr
ergibt. Die vom Vorlagegericht benannten Besoldungsbestandteile entsprechen den
Komponenten, die einfach-rechtlich in § 1 Abs. 2 und Abs. 3 BBesG aufgezählt sind.
Auf diese Besoldungsbestandteile bezieht sich auch die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zur Alimentation von Beamten mit mehr als zwei Kindern
(vgl. BVerfGE 99, 300 <321>). Im Einzelnen handelt es sich dabei um das
Grundgehalt, den Ortszuschlag (jetzt: Familienzuschlag), die jährliche
Sonderzuwendung und das Urlaubsgeld sowie etwaige Einmalzahlungen. Inwieweit
all diese Komponenten tatsächlich bei der Bestimmung des amtsangemessenen
Besoldungsniveaus heranzuziehen sind, ist eine Frage der Begründetheit.
Der Umstand, dass die verfahrensgegenständlichen Feststellungsanträge in den
Verfahren 2 BvL 17/09 und 2 BvL 18/09 erstmals im Berufungsverfahren gestellt
worden sind, steht der Zulässigkeit dieser Vorlagen nicht entgegen. Das
Oberverwaltungsgericht hat die dadurch aufgeworfene Frage der Klageänderung
einer vertretbaren Lösung zugeführt und die behauptete Verfassungswidrigkeit der
Gesamtalimentation wird im Kern mit dem Argument der Neuregelung des
Sonderzahlungsrechts
begründet,
das
bereits
den
ursprünglichen
90
91
92
Verfahrensgegenstand bildete. Zudem hat das Vorlagegericht zu Recht darauf
hingewiesen, dass die Kläger bereits im Verwaltungsverfahren die
Verfassungswidrigkeit ihrer Gesamtalimentation geltend gemacht hatten und dass
das Landesamt für Besoldung zum diesbezüglichen Vortrag bereits inhaltlich Stellung
genommen hatte. Die Rechtsansicht des Vorlagegerichts, dass der Streitstoff deshalb
im Wesentlichen derselbe geblieben und die Sachdienlichkeit der Klageänderung zu
bejahen sei, ist daher weder als willkürlich noch als offensichtlich unhaltbar
anzusehen.
C.
Die im Tenor näher bezeichneten Vorschriften des Landesbesoldungsgesetzes
Sachsen-Anhalt 2005 (Vorlagen des Verwaltungsgerichts Halle 2 BvL 3/12, 2 BvL
4/12, 2 BvL 5/12 und 2 BvL 6/12) sind mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar, soweit sie
die Besoldungsgruppe R 1 betreffen. Die Vorlagen des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Nordrhein-Westfalen (2 BvL 17/09 und 2 BvL 18/09) und des
Verwaltungsgerichts Koblenz (2 BvL 1/14) sind unbegründet.
I.
1. Der verfassungsrechtliche Maßstab, an dem die Rechtsgrundlagen für die die
Besoldung der Richter und Staatsanwälte zu messen ist, ergibt sich aus Art. 33 Abs. 5
GG. Nach der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung dieser Bestimmung ist
das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten
Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln; diese Formulierung wurde durch Art.
1 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl I
S. 2034) um die Wörter „und fortzuentwickeln“ ergänzt (vgl. dazu BVerfGE 119, 247
<272 f.>; 121, 205 <232>).
a) Zu den vom Gesetzgeber wegen ihres grundlegenden und strukturprägenden
Charakters nicht nur zu berücksichtigenden, sondern zu beachtenden (vgl. BVerfGE
8, 1 <16>; 117, 330 <349>; 119, 247 <263, 269>; 130, 263 <292>; stRspr)
hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt das auch für die
Besoldung der Richter und Staatsanwälte maßgebliche (vgl. BVerfGE 12, 81 <88>;
55, 372 <392>; 107, 218 <238>) Alimentationsprinzip. Art. 33 Abs. 5 GG ist
unmittelbar geltendes Recht und enthält einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber
sowie eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums (vgl. BVerfGE 106, 225
<232>; 117, 330 <344>; 130, 263 <292>). Des Weiteren begründet Art. 33 Abs. 5 GG
ein grundrechtsgleiches Recht der Beamten, Richter und Staatsanwälte, soweit deren
subjektive Rechtsstellung betroffen ist (vgl. BVerfGE 99, 300 <314>; 107, 218 <236
93
94
f.>; 117, 330 <344>; 119, 247 <266>; 130, 263 <292>).
b) Der Inhalt des Alimentationsprinzips wird von verschiedenen Determinanten
geprägt. Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, Richter und
Staatsanwälte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und
ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung
und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums
für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen
und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen
angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Damit wird der Bezug der Besoldung
sowohl zu der Einkommens- und Ausgabensituation der Gesamtbevölkerung als
auch zur Lage der Staatsfinanzen, das heißt zu der sich in der Situation der
öffentlichen Haushalte ausdrückenden Leistungsfähigkeit des Dienstherrn, hergestellt
(vgl. BVerfGE 8, 1 <14>; 107, 218 <238>; 117, 330 <351>; 119, 247 <269>; 130, 263
<292>). Im Rahmen dieser Verpflichtung zu einer dem Amt angemessenen
Alimentierung hat der Gesetzgeber die Attraktivität der Dienstverhältnisse von
Richtern und Staatsanwälten für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das
Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte
Ausbildung und seine Beanspruchung zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 44, 249
<265 f.>; 99, 300 <315>; 107, 218 <237>; 114, 258 <288>; 130, 263 <292>). Für die
Beurteilung der Angemessenheit der Alimentation kommt es auf deren Gesamthöhe
an,
zu
deren
Ermittlung
neben
dem
Grundgehalt
auch
weitere
Besoldungsbestandteile wie Sonderzahlungen oder Stellenzulagen (vgl. BVerfGE 99,
300 <321>) heranzuziehen sind, auch wenn diese für sich betrachtet nicht den
verfassungsrechtlichen
Schutz
eines
hergebrachten
Grundsatzes
des
Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG genießen (vgl. BVerfGE 83, 89 <98>;
117, 330 <350>; 130, 52 <67>).
c) Bei der praktischen Umsetzung der aus Art. 33 Abs. 5 GG resultierenden Pflicht
zur amtsangemessenen Alimentierung besitzt der Gesetzgeber einen weiten
Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 8, 1 <22 f.>; 114, 258 <288>; 117, 372 <381>;
121, 241 <261>; 130, 263 <294>). Dies gilt sowohl hinsichtlich der Struktur als auch
hinsichtlich der Höhe der Besoldung (vgl. BVerfGE 81, 363 <375 f.>; 130, 263 <294>);
diese ist der Verfassung nicht unmittelbar, als fester und exakt bezifferbarer Betrag, zu
entnehmen (vgl. BVerfGE 44, 249 <264 ff.>; 117, 330 <352>; 130, 263 <294>).
Insofern stellt die in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Garantie eines
„amtsangemessenen“ Unterhalts lediglich eine den Besoldungsgesetzgeber in die
95
96
97
98
Pflicht nehmende verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive dar (vgl. BVerfGE 117,
330
<352>;
130,
263
<294>).
Innerhalb
des
ihm
zukommenden
Entscheidungsspielraums muss der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den
tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung der allgemeinen
wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anpassen. Die von ihm jeweils
gewählte Lösung – Struktur und Höhe der Alimentation – unterliegt allerdings der
gerichtlichen Kontrolle.
Es ist jedoch nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, ob der
Gesetzgeber dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung
gewählt hat (vgl. BVerfGE 103, 310 <320>; 117, 330 <353>; 121, 241 <261>; 130, 263
<294>).
Dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers entspricht vielmehr eine
zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte Kontrolle der
einfachgesetzlichen Regelung (vgl. BVerfGE 65, 141 <148 f.>; 103, 310 <319 f.>; 110,
353 <364 f.>; 117, 330 <353>; 130, 263 <294 f.>). Im Ergebnis beschränkt sich die
materielle Kontrolle dabei auf die Frage, ob die Bezüge der Richter und
Staatsanwälte evident unzureichend sind. Ob dies der Fall ist, muss anhand einer
Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der konkret in
Betracht kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden (vgl. BVerfGE 44, 249 <263,
267 f.>; 114, 258 <288 f.>; 130, 263 <295>).
2. Im Rahmen dieser Gesamtschau liegt es nahe, mit Hilfe von aus dem
Alimentationsprinzip ableitbaren und volkswirtschaftlich nachvollziehbaren
Parametern einen durch Zahlenwerte konkretisierten Orientierungsrahmen für eine
grundsätzlich verfassungsgemäße Ausgestaltung der Alimentationsstruktur und des
Alimentationsniveaus zu ermitteln. Hierzu eignen sich fünf Parameter, die in der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Alimentationsprinzip angelegt
sind und denen indizielle Bedeutung bei der Ermittlung des verfassungsrechtlich
geschuldeten Alimentationsniveaus zukommt. Ist die Mehrheit dieser Parameter erfüllt
(1. Prüfungsstufe), besteht eine Vermutung für eine verfassungswidrige
Unteralimentation (a). Diese Vermutung kann durch die Berücksichtigung weiterer
alimentationsrelevanter Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung widerlegt oder
weiter erhärtet werden (2. Prüfungsstufe) (b).
a) Der Gesetzgeber muss den für die Bemessung der amtsangemessenen
Alimentation relevanten Kriterien sowohl bei strukturellen Neuausrichtungen im
99
100
Besoldungsrecht als auch bei der kontinuierlichen Fortschreibung der
Besoldungshöhe über die Jahre hinweg Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 130, 263
<292 f.>). Ebenso wenig wie die exakte Höhe der angemessenen Besoldung lässt
sich dabei der Zeitpunkt, zu dem diese als gerade noch amtsangemessen anzusehen
ist, unmittelbar der Verfassung entnehmen. Ob der Gesetzgeber seiner Pflicht zur
Anpassung der Alimentierung an die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen
Verhältnisse bei der Fortschreibung der Besoldungshöhe nachkommt, zeigt sich
vielmehr erst anhand einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung einerseits
mit verschiedenen Vergleichsgrößen andererseits über einen aussagekräftigen
Zeitraum hinweg. Die hierbei regelmäßig heranzuziehenden Schwellenwerte, ab
denen eine erkennbare Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung oder -höhe
und der heranzuziehenden Vergleichsgröße vorliegt, haben dabei lediglich
Orientierungscharakter.
aa) Eine deutliche Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und den
Tarifergebnissen der Angestellten im öffentlichen Dienst in dem jeweils betroffenen
Land oder – bei der Bundesbesoldung – auf Bundesebene ist ein wichtiger
Parameter für eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes (erster
Parameter).
Bezugsrahmen für die Amtsangemessenheit der Alimentation sind zunächst die
Einkommen der Arbeitnehmer mit vergleichbarer Ausbildung und Tätigkeit innerhalb
des öffentlichen Dienstes (vgl. BVerfGE 114, 258 <293>). Dem Einkommensniveau
dieser privatrechtlich beschäftigten Arbeitnehmer kommt eine besondere Bedeutung
für die Bestimmung der Wertigkeit des Amtes und damit der Angemessenheit der
Besoldung zu (vgl. BVerfGE 114, 258 <293 f.>; ferner BVerfGK 12, 189 <202>), zumal
die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst ein gewichtiges Indiz für die Entwicklung
der (sonstigen) allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse sowie des
allgemeinen Lebensstandards sind (vgl. Bamberger, ZBR 2008, S. 361 <363>;
Lindner, ZBR 2014, S. 9 <10>). Zwar ist der Besoldungsgesetzgeber − auch
angesichts der grundsätzlichen Unterschiede zwischen der Tarifentlohnung und der
Beamtenbesoldung − von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, bei Anpassungen der
Bezüge eine strikte Parallelität zu den Tarifergebnissen des öffentlichen Dienstes zu
gewährleisten (vgl. BVerfGK 12, 189 <202>). Zugleich darf er aber auch die
Tarifergebnisse bei der Festsetzung der Beamtenbesoldung nicht in einer über die
Unterschiedlichkeit der Entlohnungssysteme hinausgehenden Weise außer Betracht
lassen. Wird bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung mit der
101
102
103
104
Entwicklung der Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst eine Abkoppelung der Bezüge
der Amtsträger hinreichend deutlich sichtbar, ist dies mit der von Verfassungs wegen
gebotenen Orientierungsfunktion der Tarifergebnisse für die Besoldungsanpassung
unvereinbar.
Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Differenz zwischen den Tarifergebnissen
und der Besoldungsanpassung mindestens fünf Prozent des Indexwertes der
erhöhten Besoldung beträgt. Eine solche Differenz entspräche, legt man die
Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst seit 1980 um durchschnittlich jährlich 2,35 %
zugrunde, mehr als einer vollständigen Nichtanpassung der Besoldung im Anschluss
an zwei aufeinanderfolgende durchschnittliche Tariferhöhungen.
Ausgehend von dem jeweils streitgegenständlichen Zeitabschnitt ist die Betrachtung
dabei auf den Zeitraum der zurückliegenden 15 Jahre − dies entspricht etwa der
Hälfte der Lebensdienstzeit eines Richters oder Staatsanwaltes − zu erstrecken, um
einerseits zufällige Ausschläge aufzufangen und andererseits eine methodische
Vergleichbarkeit noch zu gewährleisten. Ergänzend ist gegebenenfalls für einen
weiteren gleichlangen Zeitraum, der auch den Zeitraum der fünf Jahre vor Beginn des
oben genannten 15-jährigen Betrachtungszeitraums abdeckt und sich mit diesem
Zeitraum überlappt, eine Vergleichsberechnung durchzuführen. Durch eine derartige
Staffelprüfung soll sichergestellt werden, dass etwaige statistische Ausreißer
bereinigt werden.
bb) Eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung
des Nominallohnindex im jeweils betroffenen Land ist ein weiteres Indiz für eine
evidente Missachtung des Alimentationsgebotes (zweiter Parameter).
Die Verpflichtung zur Anpassung der Besoldung an die Entwicklung der
allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. BVerfGE 114, 258 <287>; 119, 247
<269>; 130, 263 <292>) erfordert, dass die Besoldung der Richter und Staatsanwälte
zu der Einkommenssituation und -entwicklung der Gesamtbevölkerung in Bezug
gesetzt wird (vgl. BVerfGE 107, 218 <238>). Zur Orientierung eignet sich insoweit der
Nominallohnindex, der ein allgemein anerkannter Indikator für die Einkommens- und
Wohlstandsentwicklung der abhängig Beschäftigten in Deutschland ist (vgl.
Stuttmann, DVBl. 2014, S. 746 <749>). Dieser Index misst die Veränderung des
durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes inklusive Sonderzahlungen der vollzeit-,
teilzeit- und geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer. Er ist weitgehend repräsentativ
für die Verdienstentwicklung und bildet sie transparent, exakt, zeitnah und in
105
106
107
regelmäßigen Zeitabständen ab (vgl. auch BTDrucks 18/477, S. 11). Auch wenn der
Senat in anderem Zusammenhang die absolute Höhe der Nettobezüge als
Beurteilungsgrundlage für die Amtsangemessenheit herangezogen hat (vgl. BVerfGE
44, 249 <266, 272>; 81, 363 <376>; 99, 300 <321>; 107, 218 <237>; 114, 258 <286>;
117, 330 <350>), kann zur Gewährleistung der Vergleichbarkeit im Rahmen der hier
vorgenommenen Gegenüberstellung der prozentualen Entwicklung des
bruttolohnbasierten Nominallohnindex mit der Besoldung über einen längeren
Zeitraum auf die Bruttobesoldung abgestellt werden; Verzerrungen infolge der
Steuerprogression oder der Belastung mit Sozialabgaben fallen bei dieser
relationalen Betrachtung nicht signifikant ins Gewicht und könnten gegebenenfalls im
Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden.
Beträgt die Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und der Entwicklung des
Nominallohnindex bei Zugrundelegung eines Zeitraums von 15 Jahren bis zu dem
verfahrensgegenständlichen Zeitabschnitt sowie in einem überlappenden Zeitraum in
der Regel mindestens fünf Prozent des Indexwertes der erhöhten Besoldung, ist dies
ein weiteres Indiz für die evidente Unangemessenheit der Alimentation.
cc) Eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung
des Verbraucherpreisindex in dem jeweils betroffenen Land oder – bei der
Bundesbesoldung – auf Bundesebene ist ein weiteres Indiz für die Bestimmung des
Kerngehalts der Alimentation (dritter Parameter).
Der Gesetzgeber hat bei der Bemessung der Besoldung zu berücksichtigen, dass
diese dem Richter oder Staatsanwalt über die Befriedigung der Grundbedürfnisse
hinaus einen seinem Amt angemessenen Lebensunterhalt ermöglichen muss (vgl.
BVerfGE 8, 1 <14>; 44, 249 <265 f.>; 117, 330 <351>; 119, 247 <269>; 130, 263
<292>). Das Alimentationsprinzip verlangt − parallel zu der Konstellation eines
familiär bedingten Unterhaltsbedarfs (vgl. BVerfGE 44, 249 <275>; 117, 330 <351 f.>)
−, durch eine entsprechende Bemessung der Bezüge zu verhindern, dass das Gehalt
infolge eines Anstiegs der allgemeinen Lebenshaltungskosten aufgezehrt wird und
dem Richter oder Staatsanwalt infolge des Kaufkraftverlustes die Möglichkeit
genommen wird, den ihm zukommenden Lebenszuschnitt zu wahren. Zur Ermittlung
der wirtschaftlichen Situation des Richters oder Staatsanwalts ist der Entwicklung
seines
Einkommens
die
allgemeine
Preisentwicklung
anhand
des
Verbraucherpreisindex gegenüberzustellen. Der Verbraucherpreisindex bemisst die
durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen (Mieten,
Nahrungsmittel, Bekleidung, Kraftfahrzeuge, Friseur, Reinigung, Reparaturen,
108
109
110
111
Energiekosten, Reisen etc.), die von privaten Haushalten für Konsumzwecke in
Anspruch genommen werden.
Bleibt die Besoldungsentwicklung im verfahrensgegenständlichen Zeitabschnitt
hinter der Entwicklung des Verbraucherpreisindex in den zurückliegenden 15 Jahren
und in einem weiteren gleichlangen überlappenden Zeitraum in der Regel um
mindestens fünf Prozent zurück, ist dies ein weiteres Indiz für die evidente
Unangemessenheit der Alimentation.
dd) Der vierte Parameter ergibt sich aus einem systeminternen
Besoldungsvergleich.
Aus dem Leistungsgrundsatz in Art. 33 Abs. 2 GG und dem Alimentationsprinzip in
Art. 33 Abs. 5 GG folgt ein Abstandsgebot, das es dem Gesetzgeber ungeachtet
seines weiten Gestaltungsspielraums untersagt, den Abstand zwischen
verschiedenen Besoldungsgruppen dauerhaft einzuebnen. Die Amtsangemessenheit
der Alimentation der Richter und Staatsanwälte bestimmt sich daher auch durch ihr
Verhältnis zur Besoldung anderer Beamtengruppen (vgl. BVerfGE 130, 263 <293 f.>).
Der systeminterne Besoldungsvergleich ist insoweit ein weiterer Parameter für die
Konkretisierung der durch Art. 33 Abs. 5 GG gebotenen Alimentation (vierter
Parameter).
Durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar
amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang soll sichergestellt werden, dass die
Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind.
Daher bestimmt sich ihre Amtsangemessenheit auch im Verhältnis zur Besoldung
und Versorgung anderer Beamtengruppen. Gleichzeitig kommt darin zum Ausdruck,
dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe
widerspiegeln muss. Die Wertigkeit wird insbesondere durch die Verantwortung des
Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Die „amts“-
angemessene Besoldung ist notwendigerweise eine abgestufte Besoldung (vgl.
BVerfGE 114, 258 <293>; 117, 330 <355>; 130, 263 <293>). Die Organisation der
öffentlichen Verwaltung stellt darauf ab, dass in den höher besoldeten Ämtern die für
den Dienstherrn wertvolleren Leistungen erbracht werden. Deshalb muss im Hinblick
auf das Leistungs- und das Laufbahnprinzip mit der organisationsrechtlichen
Gliederung der Ämter eine Staffelung der Gehälter einhergehen. Vergleiche sind
dabei nicht nur innerhalb einer Besoldungsordnung, sondern gerade auch zwischen
den verschiedenen Besoldungsordnungen geboten (vgl. BVerfGE 130, 263 <293>).
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114
Amtsangemessene Gehälter sind auf dieser Grundlage so zu bemessen, dass sie
Richtern und Staatsanwälten eine Lebenshaltung ermöglichen, die der Bedeutung
ihres jeweiligen Amtes entspricht (vgl. BVerfGE 117, 330 <355>).
Eine deutliche Verringerung der Abstände der Bruttogehälter in den
Besoldungsgruppen infolge unterschiedlich hoher linearer Anpassungen bei
einzelnen Besoldungsgruppen oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen
indiziert daher einen Verstoß gegen das Abstandsgebot. Ein Verstoß liegt in der
Regel vor bei einer Abschmelzung der Abstände zwischen zwei vergleichbaren
Besoldungsgruppen um mindestens 10 v.H. in den zurückliegenden fünf Jahren.
ee) Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl
I S. 2034) hat der Gesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für die Richter-
/Beamtenbesoldung und -versorgung auf die Länder (zurück-)übertragen. Der
Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) hindert den Landesgesetzgeber zwar grundsätzlich
nicht, von der Gesetzgebung anderer Länder abweichende Regelungen zu treffen
und dabei den unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen der
Länder Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 30, 90 <103>; 93, 319 <349>). Gleichwohl
ist eine unbegrenzte Auseinanderentwicklung der Bezüge im Bund und in den
Ländern durch die infolge der Neuordnung der Kompetenzverteilung im Grundgesetz
eröffnete Befugnis zum Erlass jeweils eigener Besoldungsregelungen nicht gedeckt.
Art. 33 Abs. 5 GG setzt der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers insoweit Grenzen,
ohne ein besoldungsrechtliches Homogenitätsgebot zu postulieren. Vor diesem
Hintergrund bildet der Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer
Länder schließlich ein weiteres Indiz für die Bestimmung des Kerngehalts der
Alimentation (fünfter Parameter).
Die Alimentation muss es Richtern und Staatsanwälten ermöglichen, sich ganz der
rechtsprechenden Tätigkeit und dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf zu widmen
und in rechtlicher wie wirtschaftlicher Sicherheit und Unabhängigkeit zur Erfüllung der
ihnen zugewiesenen Aufgaben beizutragen (vgl. BVerfGE 44, 249 <265 f.>; 114, 258
<287 f.>; 119, 247 <269>; 130, 263 <293>). Sie dient damit nicht allein dem
Lebensunterhalt, sondern hat – angesichts der Bedeutung des Berufsbeamtentums
für die Allgemeinheit – zugleich eine qualitätssichernde Funktion (vgl. BVerfGE 114,
258 <294>; 130, 263 <293>). Damit die Entscheidung für eine Tätigkeit als Richter
oder Staatsanwalt für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte attraktiv ist, muss sich
die Amtsangemessenheit der Alimentation auch durch ihr Verhältnis zu den
Einkommen bestimmen, die für vergleichbare und auf der Grundlage vergleichbarer
115
116
Ausbildung erbrachte Tätigkeiten außerhalb des in Rede stehenden öffentlichen
Dienstes erzielt werden (vgl. BVerfGE 114, 258 <293 f.>; 117, 330 <354>; 119, 247
<268>; 130, 263 <293 f.>; BVerfGK 12, 189 <202>; 12, 253 <263 f.>). Neben einem
Vergleich mit den Bezahlungssystemen in der Privatwirtschaft (vgl. BVerfGE 130, 263
<293 f.>) ist dabei vor allem die Besoldung in anderen Ländern zu berücksichtigen.
Die Attraktivität eines Amtes als Richter/Staatsanwalt bemisst sich – gerade
angesichts einer erfahrungsgemäß erhöhten Flexibilität von Berufseinsteigern –
daher auch nach der Höhe der Bezüge im Ländervergleich. Eine Verengung des
Blicks ausschließlich auf die wirtschaftliche und finanzielle Situation des betreffenden
Landes verlöre aus dem Blick, dass im föderalen System des Grundgesetzes die
optimale Erledigung der eigenen Aufgaben bei gleichzeitig begrenzten personellen
Ressourcen durch den Wettbewerb mit anderen Dienstherren bestimmt wird. Insoweit
ist neben dem ebenfalls bundesweiten Vergleich mit der Privatwirtschaft der
Vergleich mit den Konditionen des Staatsdienstes und der Besoldung im Dienste des
Bundes und anderer Länder aussagekräftig.
Zeigt sich eine erhebliche Gehaltsdifferenz im Vergleich zum Durchschnitt der
Bezüge der jeweiligen Besoldungsgruppe im Bund oder in den anderen Ländern,
spricht dies dafür, dass die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion nicht mehr
erfüllt. Wann eine solche Erheblichkeit gegeben ist, kann nicht pauschal beantwortet
werden. Liegt das streitgegenständliche jährliche Bruttoeinkommen einschließlich
etwaiger Sonderzahlungen 10 Prozent unter dem Durchschnitt der übrigen Ländern
im gleichen Zeitraum, was gemessen an der streitgegenständlichen Besoldung
regelmäßig einem Besoldungsunterschied von mehr als einem Monatsgehalt
entsprechen dürfte, ist dies jedenfalls ein weiteres Indiz für eine verfassungswidrige
Unteralimentation.
b) Es besteht die Vermutung der einer angemessenen Beteiligung an der
allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des
Lebensstandards
nicht
genügenden
und
damit
verfassungswidrigen
Unteralimentation, wenn jedenfalls drei der oben genannten fünf Parameter erfüllt
sind. Diese Vermutung kann im Rahmen einer Gesamtabwägung durch
Berücksichtigung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien widerlegt oder erhärtet
werden. Zu diesen weiteren Kriterien zählen neben dem Ansehen des Amtes in den
Augen der Gesellschaft sowie der vom Amtsinhaber geforderten Ausbildung und
Beanspruchung (vgl. BVerfGE 44, 249 <265>; 99, 300 <315>; 114, 258 <288>; 130,
263 <292>) insbesondere die Entwicklung der Qualifikation der eingestellten
117
118
119
120
Bewerber (aa), die besondere Qualität der Tätigkeit und Verantwortung eines
Richters oder Staatsanwalts (bb), Entwicklungen im Bereich der Beihilfe (cc) und der
Versorgung (dd), sowie der Vergleich mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten
sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und
Verantwortung (ee).
aa) Ob die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion erfüllt (vgl. BVerfGE 114,
258 <294>; 130, 263 <292>), zeigt sich auch daran, ob es in dem betreffenden Land
gelingt, überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte für den höheren Justizdienst
anzuwerben. Gradmesser für die fachliche Qualifikation der eingestellten Richter und
Staatsanwälte sind vorrangig die Ergebnisse in der Ersten Prüfung und der Zweiten
juristischen Staatsprüfung. Sinkt – auch im Vergleich zu den Ergebnissen dieser
beiden Prüfungen aller Absolventen in dem Vergleichszeitraum insgesamt – das
Notenniveau über einen Zeitraum von fünf Jahren in erheblicher Weise und/oder
werden die Voraussetzungen für die Einstellung in den höheren Justizdienst spürbar
herabgesetzt, kann man in der Regel davon ausgehen, dass die Ausgestaltung der
Besoldung nicht genügt, um die Attraktivität des Dienstes eines Richters oder
Staatsanwalts zu gewährleisten.
bb) In der Höhe der Alimentation muss sich auch die besondere Qualität und
Verantwortung eines Amtsträgers widerspiegeln.
(1) Die Alimentation bildet die Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem
öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in rechtlicher und wirtschaftlicher
Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz
zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue
Verwaltung zu sichern, beitragen kann (vgl. BVerfGE 119, 247 <264>). Insoweit
entfaltet das Alimentationsprinzip eine Schutzfunktion für den Beamten (vgl. BVerfGE
130, 263 <299>).
(2) Zu den hergebrachten Grundsätzen des Richteramtsrechts, die der Gesetzgeber
zu beachten hat, zählt insbesondere auch der Grundsatz der sachlichen und
persönlichen Unabhängigkeit (vgl. BVerfGE 12, 81 <88>; 55, 372 <391 f.>; BVerfG,
Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Februar 1996 - 2 BvR 136/96,
NJW 1996, S. 2149 <2150>; BVerfGK 8, 395 <399>). Nach Art. 97 Abs. 1 GG müssen
Richter "unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen" sein. Diese sachliche
Unabhängigkeit ist gewährleistet, wenn der Richter seine Entscheidungen frei von
Weisungen fällen kann (vgl. BVerfGE 14, 56 <69>). Die sachliche Unabhängigkeit
121
122
wird durch die Garantie der persönlichen Unabhängigkeit in Art. 97 Abs. 2 GG
institutionell gesichert (vgl. BVerfGE 4, 331 <346>; 14, 56 <70>; 17, 252 <259>; 18,
241 <255>; 26, 186 <198 f.>; 42, 206 <209>; 87, 68 <85>).
Die richterliche Unabhängigkeit muss auch durch die Besoldung der Richter
gewährleistet werden (vgl. BVerfGE 12, 81 <88>; 26, 141 <154 ff.>; 55, 372 <392>;
107, 257 <274 f.>). Die Art und Weise der Regelung von Besoldung und Versorgung
des Richters sind von ganz erheblicher Bedeutung für das innere Verhältnis des
Richters zu seinem Amt und für die Unbefangenheit, mit der er sich seine richterliche
Unabhängigkeit bewahrt (vgl. BVerfGE 26, 141 <155 f.>). Durch die Festlegung der
Besoldung in angemessener Höhe wird gewährleistet, dass der Richter unabhängig
nach Gesetz und Gewissen entscheiden kann (vgl. BVerfGE 107, 257 <274 f.>; vgl.
zur internationalen Perspektive die Studie der European Commission for the
Efficiency of Justice des Europarates vom 9. Oktober 2014 „Report on European
judicial systems – Edition 2014 (2012 data): efficiency and quality of justice“).
cc) Die Amtsangemessenheit der Alimentation ist ferner im Lichte des Niveaus der
Beihilfeleistungen zu bewerten. Die Gewährung von Beihilfen findet ihre Grundlage in
der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. BVerfGE 83, 89 <99>; 106, 225 <232>). Das
gegenwärtige System der Beihilfe ist zwar nicht Bestandteil der verfassungsrechtlich
geschuldeten Alimentation des Beamten; von Verfassungs wegen muss die
amtsangemessene Alimentation lediglich die Kosten einer Krankenversicherung
decken, die zur Abwendung krankheitsbedingter, durch Leistungen aufgrund der
Fürsorgepflicht nicht ausgeglichener Belastungen erforderlich ist (vgl. BVerfGE 83, 89
<98>; 106, 225 <233>). Die Alimentation ist aber dann nicht mehr ausreichend, wenn
die Krankenversicherungsprämien, die zur Abwendung von krankheitsbedingten und
nicht von der Beihilfe ausgeglichenen Belastungen erforderlich sind, einen solchen
Umfang erreichen, dass der angemessene Lebensunterhalt des Beamten oder
Versorgungsempfängers nicht mehr gewährleistet ist. Das Prinzip der
amtsangemessenen Alimentation verlangt parallel zu der Konstellation familiär
bedingter Unterhaltslasten, eine Auszehrung der allgemeinen Gehaltsbestandteile
durch krankheitsbezogene Aufwendungen zu verhindern (vgl. BVerfGE 117, 330
<351 f.>; BVerfGK 12, 253 <260 f.>). Bei einer solchen Sachlage kann daher eine
entsprechende Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze, die das
Alimentationsprinzip konkretisieren, verfassungsrechtlich geboten sein (vgl. BVerfGE
58, 68 <78>; 106, 225 <233>). Gleiches gilt, wenn eine Vielzahl zeitlich gestaffelter,
für sich genommen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Einschnitte des
123
124
Gesetzgebers im Beihilfebereich das für den sonstigen Lebensunterhalt des
Richters/Beamten zur Verfügung stehende Einkommen unangemessen reduzieren
(„Salami-Taktik“).
dd) Weder die Versorgung noch die Besoldung des Beamten stellt ein Entgelt für
bestimmte Dienstleistungen des Beamten dar. Beides ist vielmehr „Gegenleistung“
des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit seiner ganzen Persönlichkeit dem
Dienstherrn zur Verfügung stellt und gemäß den jeweiligen Anforderungen seine
Dienstpflicht nach Kräften erfüllt (vgl. BVerfGE 39, 196 <200 f.>; 121, 241 <261>; vgl.
zur passenden Bezeichnung als „Korrelat“ des Dienstherrn für die mit der Berufung in
das Beamtenverhältnis verbundene Pflicht des Beamten, unter Einsatz seiner ganzen
Persönlichkeit diesem – grundsätzlich auf Lebenszeit – seine volle Arbeitskraft zur
Verfügung zu stellen BVerfGE 37, 167 <179>, 70, 69 <80>; 119, 247 <264>).
Versorgung und Besoldung sind Teilelemente des einheitlichen Tatbestands der
Alimentation und schon bei Begründung des Beamtenverhältnisses garantiert (vgl.
BVerfGE 114, 258 <298>). Der Dienstherr ist gehalten, den Unterhalt des Beamten
lebenslang – und damit auch nach Eintritt in den Ruhestand – zu garantieren (vgl.
BVerfGE 76, 256 <298>; 114, 258 <298>). Dieser Verpflichtung kommt er
gegenwärtig durch Bereitstellung einer Vollversorgung nach. Der Beamte hat seine
Altersversorgung und die seiner Hinterbliebenen nicht selbst zu veranlassen (vgl.
BVerfGE 39, 196 <202>; 114, 258 <298>); stattdessen sind die Bruttobezüge der
aktiven Beamten von vornherein – unter Berücksichtigung der künftigen
Pensionsansprüche – niedriger festgesetzt (vgl. BVerfGE 105, 73 <115, 125>; 114,
258 <298>). Kürzungen im Bereich des Versorgungsrechts haben zur Konsequenz,
dass der Amtsträger einen größeren Teil seiner Bezüge zum Zwecke der privaten
Altersvorsorge aufwenden muss, um nicht übermäßige Einbußen seines
Lebensstandards bei Eintritt in den Ruhestand hinnehmen zu müssen. Auch dies
kann zu einer Unterschreitung der verfassungsrechtlich gebotenen Alimentation
führen.
ee) Schließlich muss sich die Amtsangemessenheit der Alimentation, um ihre
qualitätssichernde Funktion zu erfüllen, auch durch ihr Verhältnis zu den Einkommen
bestimmen, die für vergleichbare und auf der Grundlage vergleichbarer Ausbildung
erbrachte Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt werden (vgl.
BVerfGE 114, 258 <293 f.>; 117, 330 <354>; 119, 247 <268>; 130, 263 <293 f.>;
BVerfGK 12, 189 <202>; 12, 253 <263 f.>). Ob die Alimentation einem Amt, das für
überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte attraktiv sein soll, angemessen ist, zeigt auch
125
126
127
ein Vergleich der Besoldungshöhe mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten
sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und
Verantwortung in der Privatwirtschaft, wobei die Besonderheiten des Status und des
beamtenrechtlichen Besoldungs- und Versorgungssystems nicht außer Acht
gelassen werden dürfen (vgl. BVerfGE 130, 263 <294>).
3. Ergibt die Gesamtschau, dass die als unzureichend angegriffene Alimentation
grundsätzlich als verfassungswidrige Unteralimentation einzustufen ist, bedarf es der
Prüfung, ob dies im Ausnahmefall verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann. Der
Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation ist Teil der mit den hergebrachten
Grundsätzen verbundenen institutionellen Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG. Soweit er
mit anderen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen oder Instituten kollidiert, ist
er – wie dies auch sonst der Fall ist – entsprechend dem Grundsatz der praktischen
Konkordanz im Wege der Abwägung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen (3.
Prüfungsstufe).
a) Verfassungsrang hat namentlich das Verbot der Neuverschuldung in Art. 109 Abs.
3 Satz 1 GG (eingeführt durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes [Artikel
91c, 91d, 104b, 109, 109a, 115, 143d] vom 29. Juli 2009 [BGBl I S. 2248]). Gemäß
Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG sind Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne
Einnahmen aus Krediten auszugleichen (sogenannte Schuldenbremse).
Ausnahmsweise ist eine Neuverschuldung bei konjunkturellen Abweichungen von
der Normallage (vgl. Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Var. 1 GG) sowie bei Naturkatastrophen
oder außergewöhnlichen Notsituationen zulässig (vgl. Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Var. 2
GG). Die Haushalte der Länder sind in den Haushaltsjahren 2011 bis 2019 so
aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe aus Art. 109 Abs. 3 Satz 5 GG
(keine strukturelle Nettokreditaufnahme) erfüllt wird (vgl. Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG).
Dabei müssen die Haushaltsgesetzgeber der Länder das Ziel der
Haushaltskonsolidierung im Jahr 2020 im Blick behalten. Konkretere Verpflichtungen
zur Erreichung dieses Ziels ergeben sich aus Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG nicht (vgl.
Kube, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 143d Rn. 14 [Januar 2010] mit Verweis auf
BTDrucks 16/12410, S. 13; Reimer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143d Rn.
9 [Dezember 2014]). Zum vollständigen Abbau der Finanzierungsdefizite bis zum
Jahr 2020 sind lediglich die Länder verpflichtet, die gemäß Art. 143d Abs. 2 Satz 1
GG Konsolidierungshilfen aus dem Haushalt des Bundes erhalten (vgl. Art. 143d Abs.
2 Satz 4 GG).
b) Der in Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG angelegten Vorwirkung des Verbots der
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129
strukturellen Nettokreditaufnahme hat der Haushaltsgesetzgeber auch bei der
Anpassung der Bezüge der Richter und Beamten Rechnung zu tragen. Ungeachtet
der Verschärfung der Regeln für die Kreditaufnahme durch die Neufassung des Art.
109 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 129, 124 <170>; 132, 195 <245>) vermögen indes allein
die Finanzlage der öffentlichen Haushalte oder das Ziel der Haushaltskonsolidierung
den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentierung nicht einzuschränken.
Andernfalls liefe die Schutzfunktion des Art. 33 Abs. 5 GG ins Leere (vgl. BVerfGE 44,
249 <264 f.>; 76, 256 <311>; 81, 363 <378>; 99, 300 <320>; 114, 258 <291>; 117,
372 <388>; stRspr). Auch das besondere Treueverhältnis verpflichtet Richter und
Beamte nicht dazu, stärker als andere zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte
beizutragen (vgl. Wolff, ZBR 2005, S. 361 <368>). Eine Einschränkung des
Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentierung aus rein finanziellen Gründen
kann zur Bewältigung einer der in Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG genannten
Ausnahmesituationen in Ansatz gebracht werden, wenn die betreffende
gesetzgeberische Maßnahme ausweislich einer aussagekräftigen Begründung in den
Gesetzgebungsmaterialien Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der
Haushaltskonsolidierung ist.
4. Jenseits der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestalimentation, wie sie sich
aufgrund der oben dargestellten Gesamtabwägung ergibt, genießt die Alimentation
des Beamten einen relativen Normbestandsschutz. Der Gesetzgeber darf hier
Kürzungen oder andere Einschnitte in die Bezüge vornehmen, wenn dies aus
sachlichen Gründen gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 8, 1 <12 ff.>; 18, 159 <166 f.>; 70,
69 <79 f.>; 76, 256 <310>; 114, 258 <289>; 130, 263 <295 f.>). Kürzungen oder
andere Einschnitte können durch solche Gründe sachlich gerechtfertigt werden, die
im Bereich des Systems der Beamtenbesoldung liegen (vgl. BVerfGE 76, 256 <311>;
114, 258 <288 f.>). Zu solchen systemimmanenten Gründen können finanzielle
Erwägungen zwar hinzutreten (vgl. BVerfGE 44, 249 <264 f.>; 76, 256 <311>; 81, 363
<378>; 99, 300 <320>; 114, 258 <291>; 117, 372 <388>; stRspr); das Bemühen,
Ausgaben zu sparen, kann aber nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung
der Besoldung angesehen werden (vgl. BVerfGE 76, 256 <311>; 114, 258 <291 f.>),
soweit sie nicht als Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts dem in Art. 109 Abs. 3
GG verankerten Ziel der Haushaltskonsolidierung dient.
5. Die Festlegung der Besoldungshöhe durch den Gesetzgeber ist an die Einhaltung
prozeduraler Anforderungen geknüpft (vgl. BVerfGE 130, 263 <301 f.>). Diese
Anforderungen treffen ihn insbesondere in Form von Begründungspflichten (vgl.
130
131
132
BVerfGE 130, 263 <302>).
Der Gesetzgeber ist gehalten, bereits im Gesetzgebungsverfahren die
Fortschreibung der Besoldungshöhe zu begründen. Die Ermittlung und Abwägung
der berücksichtigten und berücksichtigungsfähigen Bestimmungsfaktoren für den
verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der Anpassung der Besoldung müssen sich
in einer entsprechenden Darlegung und Begründung des Gesetzgebers im
Gesetzgebungsverfahren niederschlagen. Eine bloße Begründbarkeit genügt nicht
den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Prozeduralisierung. Der mit der
Ausgleichsfunktion der Prozeduralisierung angestrebte Rationalisierungsgewinn
kann − auch mit Blick auf die Ermöglichung von Rechtsschutz − effektiv nur erreicht
werden, wenn die erforderlichen Sachverhaltsermittlungen vorab erfolgen und dann
in der Gesetzesbegründung dokumentiert werden. Die Prozeduralisierung zielt auf
die Herstellung von Entscheidungen und nicht auf ihre Darstellung, das heißt
nachträgliche Begründung (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-
Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 2. Aufl. 2012, § 27
Rn. 61).
II.
Hieran gemessen sind die Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG in der ab dem 1.
September 2006 gültigen Fassung in den Verfahren 2 BvL 3/12 bis 6/12 (Vorlagen
des Verwaltungsgerichts Halle) nicht erfüllt. Eine Gesamtbetrachtung der für die
Bestimmung der Besoldungshöhe maßgeblichen Parameter ergibt insoweit, dass die
gewährte R 1-Besoldung evident unzureichend ist (1.). In den Verfahren 2 BvL 17/09
und 18/09 (Vorlagen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen)
sowie 2 BvL 1/14 (Vorlage des Verwaltungsgerichts Koblenz) ist die Bemessung der
Besoldung für den jeweils verfahrensgegenständlichen Zeitraum dagegen
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (2. und 3.).
1. Die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnung R genügen in der
Besoldungsgruppe R 1 in Sachsen-Anhalt in dem Zeitraum der Jahre 2008 bis 2010
nicht, um einem Richter oder Staatsanwalt nach der mit seinem Amt verbundenen
Verantwortung und nach der Bedeutung dieser Ämter für die Allgemeinheit einen der
Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des
allgemeinen Lebensstandards angemessenen Lebensunterhalt zu ermöglichen. Der
Gesetzgeber hat bei der Festlegung der Grundgehaltssätze die Sicherung der
Attraktivität des Amtes eines Richters oder Staatsanwalts für entsprechend
qualifizierte Kräfte, das Ansehen dieses Amtes in den Augen der Gesellschaft, die
133
134
135
vom Richter und Staatsanwalt geforderte Ausbildung, seine Verantwortung und seine
Beanspruchung nicht hinreichend berücksichtigt. Dies ergibt sich in erster Linie aus
einem Vergleich der Entwicklung der Grundgehaltssätze zuzüglich etwaiger
Sonderzahlungen in der Besoldungsgruppe R 1 mit der Entwicklung der Einkommen
der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst, der Entwicklung des Nominallohn- und
des Verbraucherpreisindex (a) und wird durch die Heranziehung weiterer
alimentationsrelevanter Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung bestätigt (b).
Kollidierendes Verfassungsrecht steht diesem Befund nicht entgegen (c).
a) Indizien für die evidente Unangemessenheit der Alimentation ergeben sich aus
einer Gegenüberstellung der Anpassung der Besoldung mit der Entwicklung der
Einkommen der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst, der Entwicklung des
Nominallohn- und des Verbraucherpreisindex in Sachsen-Anhalt.
aa) Die Entwicklung der Grundgehaltssätze zuzüglich Sonderzahlungen in der
Besoldungsgruppe R 1 in Sachsen-Anhalt stellt sich für die hier zu betrachtenden
verfahrensgegenständlichen Zeiträume der Jahre 1994 bis 2008, 1995 bis 2009 und
1996 bis 2010 folgendermaßen dar (nicht verfahrensgegenständlich ist vorliegend die
Alimentation kinderreicher Familien [vgl. dazu BVerfGE 99, 300]): Die
Grundgehaltssätze wurden zum 1. Januar 1995 um 2,0 v.H. durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 des
Art. 2 BBVAnpG 1994 vom 24. August 1994 (BGBl I S. 2229), zum 1. Mai 1995 um 3,2
v.H. durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Art. 2 BBVAnpG 1995 vom 18. Dezember 1995 (BGBl
I S. 1942), zum 1. März 1997 um 1,3 v.H. durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG
1996/1997 vom 24. März 1997 (BGBl I S. 590), zum 1. Januar 1998 um 1,5 v.H. durch
Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG 1998 vom 6. August 1998 (BGBl I S. 2026), zum 1. Juni
1999 um 2,9 v.H. durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG 1999 vom 19. November 1999
(BGBl I S. 2198), durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG 2000 vom 19. April 2001 (BGBl I
S. 618) zum 1. Januar 2001 um 1,8 v.H. und zum 1. Januar 2002 um 2,2 v.H. sowie
durch Art. 1 bis 3 BBVAnpG 2003/2004 vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798)
zum 1. Juli 2003 um 2,4 v.H., zum 1. April 2004 um 1,0 v.H. und zum 1. August 2004
um 1,0 v.H. erhöht.
Mit Wirkung vom 1. Dezember 2003 wurde Beamten und Richtern in der
Besoldungsgruppe R 1 durch § 4 Abs. 1 Nr. 3 BSZG-LSA eine jährliche
Sonderzahlung in Höhe von 1.500 € gewährt. Das SoZuwG, das zuletzt im Jahr 2002
eine jährliche Sonderzuwendung in Höhe von 86,31 v.H. der für Dezember 2002
maßgebenden Bezüge vorsah (vgl. § 6 Abs. 1 SoZuwG), war durch Art. 18 Abs. 1 Nr.
1 BBVAnpG 2003/2004 aufgehoben worden. Durch das Haushaltsbegleitgesetz
136
137
138
139
140
2005/2006 vom 17. Dezember 2004 (GVBl S. 834) wurde § 2 Abs. 2 BSZG-LSA
dahingehend geändert, dass Beamten und Richtern an Stelle der jährlichen
Sonderzahlung in Höhe von 1.500 € für jedes Kind, für das ihnen im Monat Dezember
ein Familienzuschlag gewährt wurde, eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von
25,56 € erhielten. Der Wegfall der Sonderzahlung entsprach einer fiktiven
Besoldungskürzung von 6,71 v.H. für das Jahr 2005. Beamte und Richter, die ihre
Befähigungsvoraussetzungen im bisherigen Bundesgebiet erworben hatten, erhielten
gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 der Zweiten BesÜV eine Sonderzahlung in Höhe von 75
v.H. der Bezüge für den Monat Dezember, weshalb sich die fiktive
Besoldungskürzung für diese Gruppe auf 5,88 v.H. belief.
Zum 1. Mai 2008 wurden die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnung R 1 um 2,9
v.H. erhöht (vgl. § 18b Abs. 1 Nr. 1 LBesG LSA 2005, eingefügt durch das Gesetz zur
Änderung landesbesoldungs- und -versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli
2007 [GVBl S. 236]). Zum 1. März 2009 wurden die Grundgehaltssätze um 40 €
erhöht und die so erhöhten Grundgehaltssätze um 3,0 v.H. angehoben (vgl. § 18b
Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 LBesG LSA 2005 in der Fassung des
Landesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes [LBVAnpG] 2009/2010
vom 9. Dezember 2009 [GVBl S. 598]). Zum 1. März 2010 wurden die
Grundgehaltssätze um 1,2 v.H. erhöht (vgl. § 18b Abs. 2 Nr. 1 LBesG LSA 2005 in der
Fassung des LBVAnpG 2009/2010 vom 9. Dezember 2009 [GVBl S. 598]).
Damit stieg die R 1-Besoldung in dem Zeitraum 1994 bis 2008 bei Zugrundelegung
einer ursprünglich gewährten Sonderzahlung in Höhe von 86,31 v.H. des
Grundbetrags der für den Monat Dezember gewährten Bezüge um 16,18 v.H. und bei
Zugrundelegung einer ursprünglich gewährten Sonderzahlung in Höhe von 75 v.H.
um 17,22 v.H.
In dem Zeitraum 1995 bis 2009 stieg die Besoldung bei Zugrundelegung einer
ursprünglich gewährten Sonderzahlung in Höhe von 86,31 v.H. des Grundbetrags der
für den Monat Dezember gewährten Bezüge um 19,67 v.H. und bei Zugrundelegung
einer Sonderzahlung in Höhe von 75 v.H. um 20,74 v.H.
In dem Zeitraum 1996 bis 2010 stieg die Besoldung bei Zugrundelegung einer
ursprünglich gewährten Sonderzahlung in Höhe von 86,31 v.H. des Grundbetrags der
für den Monat Dezember gewährten Bezüge um 15,05 v.H. und bei Zugrundelegung
einer Sonderzahlung in Höhe von 75 v.H. um 16,08 v.H.
Die Streichung des Urlaubsgeldes in Höhe von 255,65 € durch Aufhebung des
141
142
143
144
Urlaubsgeldgesetzes (vgl. Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 BBVAnpG 2003/2004) ab dem Jahr
2004 sowie die Anhebung der Grundgehaltssätze um 40 € zum 1. März 2009 kann
rechnerisch an dieser Stelle vernachlässigt werden.
bb) Die Verdienste der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder, die bis
Oktober 2005 nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag entlohnt wurden und für die
mit Ausnahme der Länder Berlin und Hessen seit dem 1. November 2006 der
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder gilt, stiegen ausweislich der vom
Statistischen Bundesamt vorgelegten Daten in den Jahren 1994 bis 2008 um 25,23
v.H., in den Jahren 1995 bis 2009 um 26,44 v.H. sowie in den Jahren 1996 bis 2010
um 24 v.H.
cc) Zur Ermittlung des Nominallohnindex in Sachsen-Anhalt hat das Statistische
Bundesamt für den Zeitraum bis zu dem Jahr 2006 auf die Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnungen der Länder nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ
2008) zurückgegriffen. Als Datenquelle des Nominallohnindex für den Zeitraum ab
dem Jahr 2007 zieht das Statistische Bundesamt die Vierteljährliche
Verdiensterhebung heran. Die Zeitreihen dieser Erhebung beruhen auf einer
vierteljährlichen Befragung von 40.500 Betrieben im Produzierenden Gewerbe und
im
Dienstleistungsbereich.
Demgemäß
stiegen
die
durchschnittlichen
Bruttomonatsverdienste zwischen 1994 und 2008 um 34,17 v.H., zwischen 1995 und
2009 um 28,26 v.H. sowie zwischen 1996 und 2010 um 23,5 v.H.
dd) Der Verbraucherpreisindex stieg nach den vom Statistischen Bundesamt
vorgelegten Daten in Sachsen-Anhalt zwischen 1994 und 2008 um 29,84 v.H.,
zwischen 1995 und 2009 um 25,74 v.H. und zwischen 1996 und 2010 um 24,5 v.H.
ee) Die Differenz zwischen der Entwicklung der Tarifeinkommen, des
Nominallohnindex und des Verbraucherpreisindex (100 + x) einerseits und der
Besoldungsentwicklung (100 + y) andererseits stellt sich damit in Relation zur
Besoldungsentwicklung wie folgt dar: (
). Die Entwicklung der
Besoldung blieb ausgehend von der Basis 100 im Jahr 1993 im Jahr 2008 bei
Zugrundelegung einer ursprünglich gewährten Sonderzahlung in Höhe von 86,31
v.H. eines Monatsgehaltes um 7,79 v.H. hinter dem Anstieg der Tarifverdienste, um
15,48 v.H. hinter dem Anstieg des Nominallohnindex und um 11,76 v.H. hinter dem
Anstieg des Verbraucherpreisindex zurück. Legt man eine Sonderzahlung in Höhe
von 75 v.H. eines Monatsgehaltes zugrunde, beträgt die Differenz 6,83 v.H. in Bezug
auf die Entwicklung der Tarifverdienste, 14,46 v.H. in Bezug auf den Anstieg des
145
146
147
148
Nominallohnindex
und
10,77
v.H.
hinsichtlich
des
Anstiegs
des
Verbraucherpreisindex.
Ausgehend von der Basis 100 im Jahr 1994 blieb die Besoldung im Jahr 2009 bei
Zugrundelegung einer ursprünglich gewährten Sonderzahlung in Höhe von 86,31
v.H. eines Monatsgehaltes um 5,66 v.H. hinter dem Anstieg der Tarifverdienste, um
7,18 v.H. hinter dem Anstieg des Nominallohnindex und um 5,07 v.H. hinter dem
Anstieg des Verbraucherpreisindex zurück. Legt man eine Sonderzahlung in Höhe
von 75 v.H. eines Monatsgehaltes zugrunde, beträgt die Differenz 4,72 v.H. in Bezug
auf die Entwicklung der Tarifverdienste, 6,23 v.H. in Bezug auf den Anstieg des
Nominallohnindex
und
4,14
v.H.
hinsichtlich
des
Anstiegs
des
Verbraucherpreisindex.
Ausgehend von der Basis 100 im Jahr 1995 blieb die Besoldung im Jahr 2010 bei
Zugrundelegung einer ursprünglich gewährten Sonderzahlung in Höhe von 86,31
v.H. eines Monatsgehaltes um 7,78 v.H. hinter dem Anstieg der Tarifverdienste, um
7,34 v.H. hinter dem Anstieg des Nominallohnindex und um 8,21 v.H. hinter dem
Anstieg des Verbraucherpreisindex zurück. Legt man eine Sonderzahlung in Höhe
von 75 v.H. eines Monatsgehaltes zugrunde, beträgt die Differenz 6,82 v.H. in Bezug
auf die Entwicklung der Tarifverdienste, 6,39 v.H. in Bezug auf den Anstieg des
Nominallohnindex
und
7,25
v.H.
hinsichtlich
des
Anstiegs
des
Verbraucherpreisindex.
Eine zusätzliche Staffelprüfung ist vorliegend nicht angezeigt, da nicht auf
belastbare und aussagekräftige Daten für einen zurückliegenden überlappenden
Zeitraum zurückgegriffen werden kann. Für die Zeit vor dem Jahr 1990 liegen für das
Land Sachsen-Anhalt keine Daten vor. Die Daten über die Entwicklung des
Nominallohnindex in Sachsen-Anhalt in den ersten Jahren nach der
Wiedervereinigung
sind
kaum
aussagekräftig
und
daher
für
eine
Vergleichsbetrachtung nicht geeignet (Anstieg im Jahr 1992 gegenüber dem Vorjahr
um 29,1 v.H.; Anstieg im Jahr 1993 um 14,8 v.H.). Gleiches gilt für den
Verbraucherpreisindex, der im Jahr 1992 gegenüber dem Vorjahr um 12,5 v.H. und im
Jahr 1993 um 10,2 v.H. anstieg.
ff) Die Gesamtbetrachtung der angeführten Parameter begründet somit die
Vermutung, dass die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnung R 1 in Sachsen-
Anhalt in den Jahren 2008 bis 2010 das Mindestmaß amtsangemessener
Alimentation unterschritten haben. Das gilt auch, soweit die Differenz der
149
150
151
Besoldungsentwicklung zu der Entwicklung der Tariflöhne und zum
Verbraucherpreisindex im öffentlichen Dienst den Wert von 5 v.H. für den Zeitraum
der Jahre 1995 bis 2009 bei jenen Richtern/Staatsanwälten nicht übersteigt, denen
eine Sonderzahlung in Höhe von 75 v.H. aufgrund § 3 Abs. 3 Satz 1 der Zweiten
BesÜV gewährt wurde. Auch hier besteht ausnahmsweise die Vermutung einer
Unteralimentation, weil das Zusammenspiel zweier Maßnahmen des
Besoldungsgesetzgebers, die sich isoliert betrachtet nachteilig auf das
Alimentationsniveau auswirken, gerade in diesem Zeitraum zu einem relativ gesehen
höheren Anstieg der Besoldung führt. Zum einen wurde den Richtern und
Staatsanwälten nur eine gekürzte Sonderzahlung (75 v.H. statt 86,31 v.H. eines
Monatsgehaltes) gewährt, weshalb auch deren vollständiger Wegfall rechnerisch
weniger ins Gewicht fällt. Zum anderen erhöhten sich die Grundgehaltssätze in der
Besoldungsordnung R (ebenso in den Besoldungsgruppen A 9 bis A 16 sowie in den
Besoldungsordnungen B und C) erst mit Wirkung zum 1. Januar 1995 und nicht
bereits wie in den Besoldungsgruppen bis einschließlich A 8 zum 1. Oktober 1994
(vgl. § 3 des Art. 9 BBVAnpG 1994 vom 24. August 1994 [BGBl I S. 2229]). Diese
zeitversetzte Besoldungsanpassung ist zwar für sich genommen verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden, führt hier aber zu einer Verzerrung der
Besoldungsentwicklung, die sich in der Gesamtbetrachtung nicht zum Nachteil der
Besoldungsempfänger auswirken darf. Hätte der Besoldungsgesetzgeber die
Anhebung bereits im Jahr 1994 vorgenommen, wäre die Besoldung in den Jahren
1995 bis 2009 nur um 18,37 v.H. angestiegen. In diesem Fall hätte die Differenz zur
Tariflohnentwicklung im öffentlichen Dienst 6,82 v.H. und zur Entwicklung des
Verbraucherpreisindex 6,23 v.H. betragen.
b) Im Rahmen einer Gesamtabwägung unter Einbeziehung weiterer
alimentationsrelevanter Determinanten erhärtet sich die Vermutung der evidenten
Unangemessenheit der Besoldung der Besoldungsgruppe R 1 in Sachsen-Anhalt in
den Jahren 2008 bis 2010.
aa) Die Ämter eines Richters oder Staatsanwaltes in der Besoldungsgruppe R 1
stellen hohe Anforderungen an den akademischen Werdegang und die Qualifikation
ihrer Inhaber.
Nach § 5 Abs. 1 Hs. 1 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) in der Fassung des
Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 (BGBl
I S. 2592) erwirbt die Befähigung zum Richteramt, wer ein rechtswissenschaftliches
Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden
152
153
154
Vorbereitungsdienst von zwei Jahren mit der zweiten Staatsprüfung abschließt;
gleiches gilt für die Befähigung zum Amt des Staatsanwaltes (vgl. § 122 Abs. 1
DRiG). Die Studienzeit beträgt grundsätzlich vier Jahre (vgl. § 5a Abs. 1 Hs. 1 DRiG).
Der Vorbereitungsdienst dauert zwei Jahre (vgl. § 5b Abs. 1 DRiG). Zum Richter auf
Lebenszeit kann gemäß § 10 Abs. 1 DRiG ernannt werden, wer nach Erwerb der
Befähigung zum Richteramt mindestens drei Jahre im richterlichen Dienst tätig
gewesen ist; dem richterlichen Dienst steht eine staatsanwaltliche Tätigkeit gleich
(vgl. § 122 Abs. 2 DRiG).
Für die Einstellung in den höheren Justizdienst wird seitens der Justizverwaltungen
der Länder das Erreichen einer Mindestnote in der Ersten Prüfung und der Zweiten
juristischen Staatsprüfung erwartet. Das Land Sachsen-Anhalt hat entsprechende
Einstellungsvoraussetzungen nicht veröffentlicht. Ausweislich eines Schreibens des
Justizministeriums Sachsen-Anhalt an das Finanzministerium Sachsen-Anhalt vom 3.
September 2009 anlässlich des Ausgangsverfahrens werden bei Einstellungen in
den höheren Justizdienst in Sachsen-Anhalt „in den letzten Jahren […] grundsätzlich
zwei Prädikatsexamina“, also mindestens 9 Punkte in beiden Examina, vorausgesetzt
(vgl. Anlage B 8 der Akte des Ausgangsverfahrens 5 A 206/09). Diese Anforderungen
werden nur von einem geringen Teil der Absolventen erfüllt. So bestanden im
verfahrensgegenständlichen Jahr 2010 in Sachsen-Anhalt 13,04 % der geprüften
Kandidaten die staatliche Pflichtfachprüfung der Ersten Prüfung mit der Note
„vollbefriedigend“ oder besser. Bei der Zweiten juristischen Staatsprüfung lag der
Anteil bei 15,16 % (vgl. den Jahresbericht des Landesjustizprüfungsamtes im
Ministerium der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt für das Jahr 2010, S. 2 und 5).
Damit dürften regelmäßig nicht mehr als 10 % der Absolventen die Voraussetzungen
für die Einstellung in den höheren Justizdienst erfüllen. Vor diesem Hintergrund muss
die Besoldung so ausgestaltet sein, dass sie in der Regel auch für diese
verhältnismäßig kleine Gruppe besonders gut qualifizierter Absolventen hinreichend
attraktiv ist.
bb) Mit dem Amt des Richters und Staatsanwaltes sind vielfältige und
anspruchsvolle Aufgaben verbunden.
(a) Das Grundgesetz bestimmt in Art. 92 Hs. 1 GG, dass den Richtern die
rechtsprechende Gewalt anvertraut ist. Die Rechtsprechung hat im rechtsstaatlichen
Gefüge des Grundgesetzes vor allem die Aufgabe, einen wirkungsvollen
Rechtsschutz zu gewährleisten und so zur Verwirklichung materieller Gerechtigkeit
beizutragen. Durch die umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung eines
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157
Streitgegenstandes in einem geregelten Verfahren und die sich daran anschließende
verbindliche Entscheidung durch eine unparteiische Instanz kann das Recht
durchgesetzt und Rechtsfrieden hergestellt werden (vgl. auch BVerfGE 54, 277
<291>; 103, 111 <137 f.>). Das Grundgesetz weist den Gerichten daneben spezielle
Aufgaben zu, die die Bedeutung der Judikative im Verfassungsgefüge unterstreichen.
Zum einen überträgt eine Vielzahl von Rechtsweggarantien für besondere Fälle
ausdrücklich den Gerichten die Gewährung − in der Regel nachträglichen −
Rechtsschutzes (vgl. nur Art. 13 Abs. 4 Satz 2 Hs. 2 GG, Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG, Art.
15 Satz 2 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 34 Satz 3 GG, Art. 41 Abs. 2 GG und Art. 93 Abs.
1 und 2 GG). Zum anderen sind im Grundgesetz präventive Richtervorbehalte in Art.
13 Abs. 2 bis 5 GG und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG verankert, die zum Zwecke des
Grundrechtsschutzes auf eine vorbeugende Kontrolle dieser eingriffsintensiven
Maßnahmen durch eine unabhängige und neutrale Instanz zielen (vgl. BVerfGE 115,
166 <196>).
Zur Erfüllung dieser Rechtsprechungsaufgaben garantiert das Grundgesetz in Art.
97 Abs. 1 und 2 GG den Richtern die sachliche und persönliche Unabhängigkeit; sie
gehört zum Wesen richterlicher Tätigkeit (vgl. BVerfGE 4, 331 <346>; 27, 312 <322>;
87, 68 <85>; 103, 111 <140>; stRspr).
Die Zuweisung zentraler Aufgaben innerhalb der rechtsstaatlichen Ordnung des
Grundgesetzes verbunden mit einem einzigartigen durch Art. 97 GG gewährleisteten
Maß an Eigenverantwortung muss sich auch bei der Bestimmung der Wertigkeit des
Amtes innerhalb des besoldungsrechtlichen Gefüges niederschlagen.
(b) Die Staatsanwaltschaft ist Teil der Beamtenschaft und zugleich notwendiges
Organ der Strafrechtspflege (vgl. BVerfGE 32, 199 <216>). Mit ihrer Verpflichtung zur
Objektivität (§ 160 Abs. 2 StPO) ist sie Garantin für Rechtsstaatlichkeit und
gesetzmäßige Verfahrensabläufe; als Vertreterin der Anklage gewährleistet sie eine
effektive Strafrechtspflege. Diese Bedeutung der Staatsanwaltschaft ist nicht auf die
erstinstanzliche Hauptverhandlung beschränkt, sondern setzt sich in ihrer
Aufgabenstellung im Rechtsmittelverfahren fort (vgl. § 296 Abs. 2, § 301 StPO [vgl.
BVerfGE 133, 168 <219 Rn. 92>]). In ihrer Rolle als „Wächterin des Gesetzes“ obliegt
ihr die Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess (vgl.
BVerfG, a.a.O., S. 220 Rn. 93). Dieser besonderen Stellung der Staatsanwaltschaft im
Verfassungsgefüge ist bei der Bemessung der Besoldung ebenfalls Rechnung zu
tragen.
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cc) In die Gesamtschau zur Beurteilung der Amtsangemessenheit der Alimentation
der Richter und Staatsanwälte sind auch die spürbaren Einschnitte im Bereich des
Versorgungsrechts einzubeziehen. Ins Gewicht fällt hier neben der Kürzung der
Besoldungs- und Versorgungsanpassungen gemäß § 14a Abs. 1 Satz 2 BBesG um
jährlich 0,2 v.H. mit Wirkung zum 1. Januar 1999 zur Bildung einer
Versorgungsrücklage (durch das Versorgungsreformgesetz 1998 vom 29. Juni 1998
[BGBl I S. 1666]) die Kürzung des Ruhegehalts von 75 v.H. auf höchstens 71,75 v.H.
der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001
vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926). Diese Einschnitte sind in der
Vergangenheit isoliert betrachtet als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft
worden (vgl. BVerfGK 12, 189 − Versorgungsrücklage; BVerfGE 114, 258 −
Absenkung Ruhegehaltssatz). Ungeachtet dessen führt insbesondere die Absenkung
des Pensionsniveaus und die daraus resultierende Notwendigkeit eines erhöhten
Eigenanteils an der Altersvorsorge − gerade angesichts einer steigenden
Lebenserwartung − zu einer weiteren Aufzehrung der Bezüge mit der Folge, dass die
Gewährleistung eines der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und
finanziellen Verhältnissen angemessenen Lebensunterhalts des Richters und
Staatsanwalts nicht mehr zweifelsfrei sichergestellt ist.
dd) Gegenüberstellungen mit Vergleichsgruppen außerhalb des öffentlichen
Dienstes führen im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau zu keiner anderen
Beurteilung, sondern bekräftigen die aufgrund des Besoldungsvergleichs getroffene
Vermutung einer evidenten Unangemessenheit der Besoldung.
Das Statistische Bundesamt hat vor der mündlichen Verhandlung Daten aus der
Verdienststrukturerhebung 2010 vorgelegt, die es ermöglichen, die R 1-Besoldung in
Sachsen-Anhalt mit dem Verdienst von ausgewählten, nach Beruf,
Universitätsabschluss, Berufserfahrung und Anforderungsniveau verwandten
Beschäftigtengruppen in der Privatwirtschaft zu vergleichen und die relative Position
der nach R 1 besoldeten Amtsträger in der jeweiligen gruppenspezifischen Verteilung
der Verdienste zu bestimmen. Ein auf dieser Grundlage durchgeführter Vergleich der
R 1-Besoldung in Sachsen-Anhalt mit den Verdiensten (ohne Sonderzahlung) der
Gruppe aller Vollzeitbeschäftigten der Leistungsgruppe 1 (Arbeitnehmer in leitender
Stellung), die über einen Universitätsabschluss verfügen, ergibt, dass im Jahr 2010
nur 14 v.H. der Vergleichsgruppe weniger verdienten als ein Amtsträger in der
Besoldungsgruppe R 1 in der ersten Stufe (nur Grundgehalt). Gleichzeitig lag dessen
Besoldung im Jahr 2010 unter dem mittleren Verdienst aller Arbeitnehmer in leitender
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Stellung mit Universitätsabschluss in ausgewählten Berufen (Ingenieure;
Bankfachleute;
Unternehmer,
Geschäftsführer,
Geschäftsbereichsleiter;
Unternehmensberater, Organisatoren; Rechtsanwälte, Notare u.ä.; Wirtschaftsprüfer,
Steuerberater; leitende und administrativ entscheidende Verwaltungsleute). Immerhin
44 v.H. aller Vollzeitbeschäftigten der Leistungsgruppe 1 mit Universitätsabschluss
verdienten im Jahr 2010 mehr als ein Amtsträger in der Besoldungsgruppe R 1 in der
Endstufe (Grundgehalt). In allen oben aufgeführten ausgewählten Berufsgruppen lag
der mittlere Verdienst im Jahr 2010 über dem Grundgehalt eines Amtsträgers der
Besoldungsgruppe R 1 in der Endstufe.
Noch deutlicher ist die Diskrepanz im Vergleich zu ausgewählten juristischen
Berufen. So verdienten in der Gruppe der „Rechtsanwälte, Notare u.ä.“ 10 v.H.
weniger als ein Richter oder Staatsanwalt der ersten Stufe in der Besoldungsgruppe
R 1 in Sachsen-Anhalt und nur 45 v.H. weniger als ein Amtsträger, der das
Grundgehalt aus der Endstufe der R 1-Besoldung in Sachsen-Anhalt bezog.
Nach der mündlichen Verhandlung hat das Statistische Bundesamt auf der
Grundlage der Gehalts- und Lohnstrukturerhebung 2001 sowie der
Verdienststrukturerhebung 2010 Daten vorgelegt, die die Entwicklung der relativen
Position der R-Besoldung im Vergleich zu den Beschäftigten in der Privatwirtschaft
für den Zeitraum der Jahre 2001 bis 2010 abbilden. Demnach hat sich die relative
Position eines Amtsträgers in der Besoldungsgruppe R 1 (Grundgehalt, erste Stufe)
im Vergleich zu dem Medianverdienst der Gruppe der Vollzeitbeschäftigten in
Leistungsgruppe 1 mit Universitätsabschluss (im produzierenden Gewerbe) um 7 v.H.
verschlechtert. Der Abstand zu dem Grundgehalt (Endstufe) der R 1-Besoldung in
Sachsen-Anhalt stieg bezüglich dieser Vergleichsgruppe um 13 v.H.
Diese Gegenüberstellungen zeigen, dass die Verdienste der R 1-Besoldeten im
Jahr 2010 gegenüber denen vergleichbarer Beschäftigter der Privatwirtschaft
überwiegend deutlich geringer sind und dass sich die relative Entwicklung ihrer
Einkünfte im Verhältnis zu dem Medianverdienst seit dem Jahr 2001 merklich
verschlechtert hat. Dies spricht zusätzlich für eine evidente Unangemessenheit der
Besoldung.
ee) In der Gesamtabwägung ergibt sich, dass die Bemessung der
Grundgehaltssätze
der
R
1-Besoldung
in
Sachsen-Anhalt
im
verfahrensgegenständlichen Zeitraum verfassungsrechtlich nicht mehr angemessen
war. Gegenläufige Aspekte, die die Vermutung der evidenten Unangemessenheit der
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169
Alimentation rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
c) Kollidierendes Verfassungsrecht steht dem Befund der evidenten
Unangemessenheit der Besoldung nicht entgegen. Insbesondere unterlag der
sachsen-anhaltinische Gesetzgeber noch nicht dem in Art. 109 Abs. 3 GG in der
Fassung des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2248) verankerten Ziel der
Haushaltskonsolidierung (sogenannte Schuldenbremse). Dabei kann dahinstehen,
ob und wenn ja, welche konkreten Verpflichtungen sich für die Länder vor dem 1.
Januar 2020 aufgrund Art. 143d Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 4 und 5 GG ergeben. Art.
109 GG ist gemäß Art. 143d Abs. 1 Satz 2 GG in der oben genannten Fassung
jedenfalls erstmals für das Haushaltsjahr 2011, das mit dem Kalenderjahr 2011
identisch ist (vgl. § 4 Satz 1 des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts
des Bundes und der Länder vom 19. August 1969 [BGBl I S. 1273]), anzuwenden und
gilt damit nicht für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum der Jahre 2008 bis
2010.
2. In Nordrhein-Westfalen entsprach die R 1-Besoldung im Jahr 2003 den
Anforderungen des Art. 33 Abs. 5 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden
Fassung. Es sprechen bereits nicht ausreichend Indizien dafür, dass die Bezüge
verfassungsrechtlich nicht mehr akzeptabel waren und damit ein Verstoß gegen den
absoluten Schutz des Alimentationsprinzips vorliegt (a). Sonstige Gründe für eine
evidente Unangemessenheit der Besoldung sind ebenfalls nicht ersichtlich (b). Auch
ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine
Besoldungskürzung liegt nicht vor (c).
a) Eine Gesamtschau der besoldungsrelevanten Parameter begründet nicht die
Vermutung, dass die gewährte Besoldung im streitgegenständlichen Zeitraum evident
unzureichend war.
aa) Die Entwicklung der Grundgehaltssätze zuzüglich Sonderzahlungen in der
Besoldungsgruppe R 1 in Nordrhein-Westfalen stellt sich ausgehend vom 31.
Dezember 2003 − dem Endpunkt des verfahrensgegenständlichen Zeitraums − in den
davor liegenden 15 Jahren folgendermaßen dar (nicht verfahrensgegenständlich ist
vorliegend die Alimentation kinderreicher Familien [vgl. dazu BVerfGE 99, 300]):
Die Grundgehaltssätze wurden zum 1. Januar 1989 um 1,4 v.H. durch § 2 Abs. 1 Nr.
1 des Art. 1 BBVAnpG 1988 vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S. 2363), zum 1. Januar
1990 um 1,7 v.H. durch § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Art. 1 BBVAnpG 1988 vom 20. Dezember
1988 (BGBl I S. 2363), zum 1. März 1991 um 6,0 v.H. durch § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Art. 1
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BBVAnpG 1991 vom 21. Februar 1992 (BGBl I. S. 266), zum 1. Juni 1992 um 5,4 v.H.
durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Art. 2 BBVAnpG 1992 vom 23. März 1993 (BGBl I S. 342),
zum 1. Mai 1993 um 3,0 v.H. durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Art. 2 BBVAnpG 1993 vom
20. Dezember 1993 (BGBl I S. 2139), zum 1. Januar 1995 um 2,0 v.H. durch § 1 Abs.
1 Nr. 1 des Art. 2 BBVAnpG 1994 vom 24. August 1994 (BGBl I S. 2229), zum 1. Mai
1995 um 3,2 v.H. durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Art. 2 BBVAnpG 1995 vom 18. Dezember
1995 (BGBl I S. 1942), zum 1. März 1997 durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG
1996/1997 vom 24. März 1997 (BGBl I S. 590) um 1,3 v.H., zum 1. Januar 1998 durch
Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG 1998 vom 6. August 1998 (BGBl I S. 2026) um 1,5 v.H.,
zum 1. Juni 1999 durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG 1999 vom 19. November 1999
(BGBl I S. 2198) um 2,9 v.H., durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG 2000 vom 19. April
2001 (BGBl I S. 618) zum 1. Januar 2001 um 1,8 v.H. und zum 1. Januar 2002 um 2,2
v.H. sowie durch Art. 1 bis 3 BBVAnpG 2003/2004 vom 10. September 2003 (BGBl I
S. 1798) zum 1. Juli 2003 um 2,4 v.H. erhöht.
Mit Wirkung zum 1. Dezember 2003 wurde Beamten und Richtern in der
Besoldungsgruppe R 1 durch § 6 Abs. 1 SZG-NRW eine jährliche Sonderzahlung in
Höhe von 50 v.H. aus den nach dem Besoldungsrecht für den Monat Dezember
maßgebenden Bezügen gewährt. Das SoZuwG, das zuletzt im Jahr 2002 eine
jährliche Sonderzuwendung in Höhe von 86,31 v.H. der für Dezember 2002
maßgebenden Bezüge vorsah (§ 6 Abs. 1 SoZuwG), war durch Art. 18 Abs. 1 Nr. 1
BBVAnpG 2003/2004 aufgehoben worden. Die daraus resultierende Kürzung der
Sonderzahlung entspricht (unter weiterer Berücksichtigung einer Einmalzahlung von
185 € im Jahr 2003) einer fiktiven Besoldungskürzung von 2,82 v.H. für das Jahr
2003.
Daraus ergibt sich ein Anstieg der R 1-Besoldung in dem Zeitraum 1989 bis 2003
um 36,83 v.H.
bb) In demselben Zeitraum stiegen in Nordrhein-Westfalen die Einkommen der
Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst um 41,6 v.H., der Nominallohnindex um 37,9
v.H. und der Verbraucherpreisindex um 36,1 v.H.
cc) Insgesamt stellt sich damit die Differenz zwischen der Entwicklung der
Tarifeinkommen, des Nominallohnindex und des Verbraucherpreisindex einerseits
und der Besoldungsentwicklung andererseits in Relation zur Besoldungsentwicklung
wie folgt dar: Die Entwicklung der Besoldung blieb im Jahr 2003 um 3,49 v.H. hinter
dem Anstieg der Tarifverdienste und um 0,78 v.H. hinter dem Anstieg des
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Nominallohnindex zurück. Der Anstieg des Verbraucherpreisindex fiel hinter den
Anstieg der Besoldung um 0,54 v.H. zurück. Damit ist bereits hinsichtlich dieser drei
Parameter die Grenze einer 5 %-igen Abweichung von der Besoldungsentwicklung
nicht überschritten.
dd) Einem systeminternen Besoldungsvergleich lässt sich ein Abschmelzen der
Abstände zwischen den Besoldungsgruppen und -ordnungen, das eine
unangemessene Alimentation der Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppe
R 1 indizieren könnte, ebenfalls nicht entnehmen. So betrug der Abstand zwischen
dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 1 und dem Grundgehaltssatz der
Besoldungsgruppe A 5 (jeweils Endstufe) in den Jahren 1998 und 2003 konstant
etwa 62 v.H., zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 1 und dem
Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe A 9 (jeweils Endstufe) konstant etwa 48 v.H.
und zwischen dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 1 und dem
Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe A 13 (jeweils Endstufe) konstant etwa 22
v.H.
ee) Aus einem Quervergleich mit anderen Ländern ergibt sich wegen der im Jahr
2003 hinsichtlich der Grundgehaltssätze als zentralem Gehaltsbestandteil
bundeseinheitlichen Besoldung auf der Grundlage des BBesG a.F. ebenfalls kein
Indiz dafür, dass die Bezüge in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2003 evident
unangemessen waren.
b) Es sind auch keine weiteren Umstände ersichtlich, aus denen sich bei der
gebotenen Gesamtabwägung eine evidente Unangemessenheit der Bezüge ergibt.
Zwar entspricht die Kürzung der Sonderzahlung im Jahr 2003 einer realen
Besoldungsabsenkung in Höhe von 2,82 v.H. Angesichts der Anhebung der Bezüge
zum 1. Juli 2003 um 2,4 v.H. sowie der Gewährung einer Einmalzahlung in diesem
Jahr in Höhe von 185 € beläuft sich der Einkommensverlust brutto auf etwa 1 v.H.
gegenüber dem Vorjahr. Dass eine einmalige Kürzung in dieser Höhe
verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbar wäre, ist in diesem konkreten Fall nicht
zweifelsfrei erkennbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum der Jahre
1989 bis 2003 die Besoldung ein wenig stärker als die Verbraucherpreise und nur
geringfügig schwächer als der Nominallohnindex gestiegen ist. Die Anhebung der
Kostendämpfungspauschale zum 1. Januar 2003 um 50 v.H. auf 300 € in der
Besoldungsgruppe R 1 (vgl. § 12a Abs. 1 Verordnung über die Gewährung von
Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen Nordrhein-Westfalen in der durch
Art. II des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-
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Westfalen für das Haushaltsjahr 2003 [Haushaltsgesetz 2003] und des Gesetzes zur
Änderung der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts-
und Todesfällen [Beihilfenverordnung-BVO] vom 18. Dezember 2002 geänderten
Fassung [GVBl S. 655]) genügt bei der gegebenen Besoldungsentwicklung ebenfalls
nicht für die Annahme eines Verfassungsverstoßes.
c) Ein Verstoß gegen den relativen Schutz des Alimentationsprinzips angesichts der
Kürzung der Besoldung um 1 v.H. im Jahr 2003 liegt ebenfalls nicht vor.
Zwar ist es verfassungsrechtlich nicht unbedenklich, dass der Landesgesetzgeber in
der Begründung des Gesetzentwurfs zum SZG-NRW keine umfassenden
Berechnungen und Vergleiche mit sämtlichen Parametern einer amtsangemessenen
Besoldung angestellt beziehungsweise solche nicht dokumentiert hat (vgl. LTDrucks
13/4313, S. 1, 17). Allerdings trafen den Landesgesetzgeber in der Phase der
Teilföderalisierung zwischen den Jahren 2003 und 2006 wegen der zwischen Bund
und Ländern geteilten Alimentationsverantwortung auch nur eingeschränkte
Begründungspflichten, weil er für die Bemessung des zentralen Gehaltsbestandteils,
die Grundgehaltssätze, nicht zuständig war. Im Übrigen lag aus materieller Sicht die
alleinige Ursache der in ihrem Umfang überschaubaren Besoldungskürzung in der
Kürzung der Sonderzahlung. Dieser Besoldungsbestandteil steht im Rahmen einer
insgesamt amtsangemessenen Alimentation grundsätzlich zur Disposition des
Besoldungsgesetzgebers.
3. In Rheinland-Pfalz genügte in den Jahren 2012 und 2013 das Grundgehalt in der
Besoldungsgruppe R 3 noch den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Auch
insoweit fehlt es an ausreichenden Indizien dafür, dass die Bezüge
verfassungsrechtlich nicht mehr akzeptabel waren (a). Sonstige Gründe, die für eine
evident unzureichende Besoldung sprechen könnten, liegen ebenfalls nicht vor (b).
Auch ein Verstoß gegen den relativen Schutz des Alimentationsprinzips ist nicht
gegeben (c).
a) Ein Indiz für die evidente Unangemessenheit der Alimentation ergibt sich lediglich
aus einer Gegenüberstellung der Anpassung der Besoldung mit der Entwicklung der
Einkommen der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst. Die Voraussetzungen der
weiteren Parameter für einen Verstoß gegen den Kern des Alimentationsprinzips
(Vergleich mit der Entwicklung des Nominallohn- und des Verbraucherpreisindex,
Abstandsgebot und Quervergleich mit anderen Ländern) liegen nicht vor.
aa) Die Entwicklung des Grundgehaltssatzes zuzüglich Sonderzahlungen in der
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Besoldungsgruppe R 3 in Rheinland-Pfalz stellt sich für die hier zu betrachtenden
Zeiträume der Jahre 1998 bis 2012 und 1999 bis 2013 folgendermaßen dar (nicht
verfahrensgegenständlich ist vorliegend die Alimentation kinderreicher Familien [vgl.
dazu BVerfGE 99, 300]): Der Grundgehaltssatz wurde mit Wirkung zum 1. Januar
1998 durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG 1998 vom 6. August 1998 (BGBl I S. 2026)
um 1,5 v.H., zum 1. Juni 1999 durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG 1999 vom 19.
November 1999 (BGBl I S. 2198) um 2,9 v.H., durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG
2000 vom 19. April 2001 (BGBl I S. 618) zum 1. Januar 2001 um 1,8 v.H. und zum 1.
Januar 2002 um 2,2 v.H. sowie durch Art. 1 bis 3 BBVAnpG 2003/2004 vom 10.
September 2003 (BGBl I S. 1798) zum 1. Juli 2003 um 2,4 v.H., zum 1. April 2004 um
1,0 v.H. und zum 1. August 2004 um 1,0 v.H. erhöht.
Für das Jahr 2003 wurde die jährliche Sonderzahlung von 86,31 v.H. des für den
Monat Dezember maßgebenden Grundbetrags auf 70 v.H. gekürzt (vgl. § 17
Landesbesoldungsgesetz Rheinland-Pfalz vom 14. Juli 1978 [GVBl S. 459] in der
durch Art. 1 des Zweiten Landesgesetzes zur Änderung besoldungs- und
versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 20. November 2003 [GVBl S. 343]
geänderten Fassung). Dies entspricht einer fiktiven Besoldungskürzung für das Jahr
2003 in Höhe von 1,27 v.H.
Für das Jahr 2004 wurde die Sonderzahlung auf 50 v.H. eines Monatsgehaltes
gekürzt (vgl. § 11 Nr. 1 Landesbesoldungsgesetz Rheinland-Pfalz vom 14. Juli 1978
[GVBl S. 459] in der durch Art. 1 des Zweiten Landesgesetzes zu Änderung
besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 20. November 2003 [GVBl
S. 343] geänderten Fassung). Dies entspricht einer fiktiven Besoldungskürzung für
das Jahr 2004 in Höhe von 1,57 v.H.
Mit Wirkung zum 1. Juli 2007 und zum 1. Juli 2008 wurden die Grundgehaltssätze
jeweils um 0,5 v.H. erhöht (durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1a) und Art. 3 Abs. 1 Nr. 1a)
LBVAnpG 2007/2008 vom 21. Dezember 2007 [GVBl S. 283]). Zum 1. März 2009
wurden die Grundgehaltssätze um 40 € erhöht und die so erhöhten
Grundgehaltssätze um 3,0 v.H. angehoben (durch Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3a)
LBVAnpG 2009/2010 vom 7. April 2009 [GVBl S. 142]). Zum 1. März 2010 wurden die
Grundgehaltssätze durch Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 LBVAnpG 2009/2010 um 1,2 v.H. erhöht.
Im Jahr 2011 erhielten Beamte und Richter, die im Anwendungsbereich des
Landesbesoldungsgesetzes an mindestens einem Tag im Monat April 2011 Anspruch
auf Dienstbezüge hatten, auf der Grundlage des Art. 1 Abs. 1 LBVAnpG 2011 vom 25.
August 2011 (GVBl S. 303) eine Einmalzahlung in Höhe von 360 €. Mit Wirkung zum
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1. April 2011 wurden die Grundgehaltssätze durch Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 LBVAnpG 2011
um 1,5 v.H. erhöht. Zum 1. Juli 2012 und zum 1. Juli 2013 wurden die
Grundgehaltssätze um jeweils 1,0 v.H. erhöht (durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 und Art. 2 Abs.
1 Nr. 1 DienstRÄndG RP 2011 [GVBl S. 430]).
Dementsprechend stieg die R 3-Besoldung in dem Zeitraum 1997 bis 2012 um
19,05 v.H. und zwischen 1998 und 2013 um 18,47 v.H. Die Einmalzahlung im Jahr
2011, die Streichung des Urlaubsgeldes zum Jahr 2004 sowie die Anhebung der
Grundgehaltssätze um 40 € zum 1. März 2009 können rechnerisch an dieser Stelle
vernachlässigt werden.
bb) In den Jahren 1998 bis 2012 verzeichneten in Rheinland-Pfalz die Einkommen
der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst einen Anstieg von 26,62 v.H., der
Nominallohnindex von 20,73 v.H. und der Verbraucherpreisindex von 23,32 v.H.
Zwischen 1999 und 2013 stiegen die Tarifeinkommen im öffentlichen Dienst um 28,1
v.H., der Nominallohnindex um 23,2 v.H. und der Verbraucherpreisindex um 23,9 v.H.
cc) Insgesamt blieb damit die Entwicklung der Besoldung im Jahr 2012 um 6,36 v.H.
hinter dem Anstieg der Tarifverdienste, um 1,41 v.H. hinter dem Anstieg des
Nominallohnindex und um 3,59 v.H. hinter dem Anstieg des Verbraucherpreisindex.
Im Jahr 2013 betrug die Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und den
Tarifverdiensten 8,13 v.H., dem Nominallohnindex 3,99 v.H. und dem
Verbraucherpreisindex 4,58 v.H.
dd) Einem Vergleich der Entwicklung des Abstands zwischen der R 3-Besoldung
und anderen Besoldungsgruppen in den Jahren 2008 bis 2013 kann ein Indiz für
einen Verstoß gegen den Kerngehalt der Alimentation ebenfalls nicht entnommen
werden. So betrug der Abstand zwischen dem Grundgehaltssatz der
Besoldungsgruppe R 3 und dem Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe A 9
(jeweils Endstufe) in den Jahren 2008 und 2013 konstant etwa 56 v.H., zwischen dem
Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 3 und dem Grundgehaltssatz der
Besoldungsgruppe A 13 (jeweils Endstufe) konstant etwa 34 v.H. und zwischen dem
Grundgehaltssatz der Besoldungsgruppe R 3 und dem Grundgehaltssatz der
Besoldungsgruppe R 1 (jeweils Endstufe) konstant etwa 16 v.H. Für die Jahre 2007
bis 2012 ergibt sich kein anderer Befund.
ee)
Im
Quervergleich
mit
anderen
Ländern
bewegte
sich
das
Jahresbruttoeinkommen in der Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2013 mit 83.050,20 €
nur leicht unterhalb des Durchschnitts der übrigen Länder, der bei 83.655,36 €
190
191
192
(einschließlich etwaiger Sonderzahlungen) lag. Auf dem gleichen Niveau bewegte
sich die R 3-Besoldung in Rheinland-Pfalz im länderübergreifenden Vergleich auch
im Jahr 2012.
ff) Diese Vergleiche zeigen, dass bezogen auf das Jahr 2012 und bezogen auf das
Jahr 2013 vier von fünf der zur Konkretisierung des Evidenzkriteriums
herangezogenen Parameter nicht erfüllt sind. Folglich ist eine Vermutung der
evidenten Unangemessenheit der Bezüge in der Besoldungsgruppe R 3 nicht
begründet.
b) Ungeachtet des Umstandes, dass der Vergleich der Tarifentwicklung im
öffentlichen Dienst mit der Besoldungsentwicklung für die Jahre 2012 und 2013 einen
Verstoß gegen den Kern des Alimentationsprinzips indiziert und dass hinsichtlich
zweier weiterer Kriterien im Jahr 2013 (Vergleich mit der Entwicklung des
Nominallohn- und des Verbraucherpreisindex) die 5-%-Grenze nicht erheblich
unterschritten wurde, waren die Bezüge auch im Übrigen jedenfalls in der
Besoldungsgruppe R 3 in Rheinland-Pfalz noch nicht evident unangemessen. Daran
ändert auch die Deckelung der Besoldungsanpassung für einen Zeitraum von fünf
Jahren durch das DienstRÄndG RP 2011 nichts, obwohl diese im Hinblick auf die
aus Art. 33 Abs. 5 GG folgende Verpflichtung des Besoldungsgesetzgebers, die
Alimentation der Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und
des allgemeinen Lebensstandards anzupassen und dabei die Orientierungsfunktion
der Tarifabschlüsse des öffentlichen Dienstes nicht außer Betracht zu lassen,
verfassungsrechtlich bedenklich erscheint.
Aus einer Gegenüberstellung der R 3-Besoldung mit Vergleichsgruppen außerhalb
des öffentlichen Dienstes ergibt sich nämlich, dass sich die relative Verdienstposition
der Richter und Staatsanwälte dieser Besoldungsgruppe auf einem angemessenen
Niveau bewegte. Ausweislich der vom Statistischen Bundesamt aus der
Verdienststrukturerhebung 2010 vorgelegten Daten verdienten 73 v.H. aller
Vollzeitbeschäftigten in der Leistungsgruppe 1, die über einen Universitätsabschluss
verfügen, weniger als ein nach R 3 Besoldeter in Rheinland-Pfalz. Sein Einkommen
lag außerdem über dem mittleren Verdienst in fast allen zum Vergleich ausgewählten
Berufsgruppen mit Ausnahme der Gruppen der „Bankfachleute“ und der
„Unternehmer, Geschäftsführer, Geschäftsbereichsleiter“. Des Weiteren verdienten in
der Gruppe der „Rechtsanwälte, Notare u.ä.“ 62 v.H. der Beschäftigten weniger als
ein Richter oder Staatsanwalt in der Besoldungsgruppe R 3. Schließlich verdienten
76 v.H. aller Universitätsabsolventen mit langjähriger Unternehmenszugehörigkeit (21
193
194
195
Jahre und mehr) weniger als ein nach R 3-Besoldeter. Diese Daten lassen den
Schluss nicht zu, dass die R 3-Besoldung in Rheinland-Pfalz die Grenze der
Amtsangemessenheit offensichtlich unterschritt.
c) Der relative Schutz des Alimentationsprinzips ist ebenfalls nicht verletzt, da in
Rheinland-Pfalz weder in dem Vorlagezeitraum der Jahre 2012 und 2013 noch über
den Zeitraum der Jahre 1998 bis 2012 und 1999 bis 2013 hinweg in der
Besoldungsgruppe R 3 eine reale Besoldungsabsenkung erfolgte.
D.
Der Verstoß einer Norm gegen das Grundgesetz kann entweder zur
Nichtigerklärung (vgl. § 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 BVerfGG) oder dazu führen, dass das
Bundesverfassungsgericht
die
mit
der
Verfassungswidrigkeit
gegebene
Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz feststellt (vgl. § 82 Abs. 1 i.V.m. § 79
Abs. 1 und § 31 Abs. 2 BVerfGG). Eine Nichtigerklärung hätte zur Folge, dass es für
die Besoldung an der gesetzlichen Grundlage fehlen würde, der es mit Blick auf den
verfassungsrechtlich vorgegebenen und einfachrechtlich in § 2 Abs. 1 BBesG
angeordneten
Gesetzesvorbehalt,
der
in
Sachsen-Anhalt
im
verfahrensgegenständlichen Zeitraum noch fortgalt, bedarf. Damit würde ein Zustand
geschaffen, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt wäre als
der bisherige (vgl. BVerfGE 119, 331 <382 f.>; 125, 175 <255 f.>; 130, 263 <312>).
Stellt das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit einer Norm oder mehrerer
Normen mit dem Grundgesetz fest, folgt daraus grundsätzlich die Verpflichtung des
Gesetzgebers, die Rechtslage rückwirkend verfassungsgemäß umzugestalten.
Ausnahmen
von
dieser
Regelfolge
der
Unvereinbarkeit
hat
das
Bundesverfassungsgericht wiederholt bei haushaltswirtschaftlich bedeutsamen
Normen bejaht (vgl. BVerfGE 93, 121 <148>; 105, 73 <134>; 117, 1 <70>; 130, 263
<312 f.>). Speziell bei besoldungsrechtlichen Normen gilt es zu beachten, dass die
Alimentation des Beamten der Sache nach die Befriedigung eines gegenwärtigen
Bedarfs aus gegenwärtig zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln darstellt. Eine
allgemeine rückwirkende Behebung des Verfassungsverstoßes ist daher mit Blick auf
die Besonderheiten des Beamtenverhältnisses nicht geboten (vgl. BVerfGE 81, 363
<383 ff.>; 99, 300 <330 f.>; 130, 263 <313>). Sie ist jedoch sowohl hinsichtlich des
Klägers des Ausgangsverfahrens als auch hinsichtlich etwaiger Kläger erforderlich,
über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist (vgl. BVerfGE
99, 300 <331>; 130, 263 <313>).
E.
196
E.
Die Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Voßkuhle
Landau
Huber
Hermanns
Müller
Kessal-Wulf
König
Maidowski