Urteil des BVerfG vom 21.10.2014

Informationsrecht der Bundestagsabgeordneten über Rüstungsexporte nach der Genehmigungsentscheidung im Bundessicherheitsrat

Leitsätze
zum Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014
- 2 BvE 5/11 -
1. Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und
Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der
Bundesregierung, dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der
Bundesregierung korrespondiert. Die Rüstungsexportkontrolle ist nicht
wegen der außenpolitischen Bedeutung dieses Teilbereichs des
Regierungshandelns von vornherein jeglicher parlamentarischen Kontrolle
entzogen. Auch die Zuständigkeitszuweisung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG
schafft für sich genommen keinen der parlamentarischen Verantwortung
grundsätzlich entzogenen Raum gubernativen Entscheidens.
2. Der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen
Abgeordneten besteht gleichwohl nicht grenzenlos. Er wird begrenzt durch
das Gewaltenteilungsprinzip, das Staatswohl und Grundrechte Dritter.
a. Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen
dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Die Bundesregierung ist
daher nur verpflichtet, Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf
entsprechende Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat ein
bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des Auftragsvolumens
und des Empfängerlandes konkretisiertes Kriegswaffenexportgeschäft
genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie in der Anfrage
beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist. Darüber hinaus gehende
Angaben sind verfassungsrechtlich nicht geboten.
b. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung
einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen kann die
Bundesregierung ebenso wie die Auskunft über Voranfragen von
Rüstungsunternehmen auch aus Gründen des Staatswohls verweigern.
Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass ein Genehmigungsantrag
abgelehnt wurde. Auch bei durch den Bundessicherheitsrat bereits
gebilligten Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung kann die Verweigerung
der Antwort aus diesen Gründen gerechtfertigt sein.
c. Der mit einer Offenlegung von Informationen zu beabsichtigten
Rüstungsexportgeschäften verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der
Unternehmen der deutschen Rüstungsindustrie ist generell insoweit
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvE 5/11 -
Verkündet
am 21. Oktober 2014
Kunert
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
gerechtfertigt, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort Auskunft darüber
gibt, dass der Bundessicherheitsrat die Genehmigung für ein konkretes
Kriegswaffenausfuhrgeschäft erteilt hat und in diesem Rahmen Angaben
über Art und Anzahl der Kriegswaffen, über das Empfängerland, über die
beteiligten deutschen Unternehmen und über das Gesamtvolumen des
Geschäfts macht. Darüber hinaus gehende Angaben würden grundsätzlich in
unverhältnismäßiger Weise in die Berufsfreiheit der Unternehmen eingreifen.
d. Eine Begründungspflicht besteht insoweit, wie die Bundesregierung die
Auskunft über eine erteilte Genehmigung oder über die in diesem Rahmen
mitzuteilenden Generalia des Exportgeschäfts verweigern will.
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Anträge festzustellen,
1. dass die Antragsgegnerin den Antragsteller zu 1. dadurch in seinen Rechten
aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG (i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) verletzt hat, dass
sie
a) in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 6. Juli 2011 seine
dringliche Frage (Sitzungsprotokoll S. 13807 A), seine Nachfrage zur
dringlichen Frage des Abgeordneten Volker Beck (Sitzungsprotokoll S. 13802
D) und die zwei Nachfragen zu seiner eigenen dringlichen Frage
(Sitzungsprotokoll S. 13807 B, C und S. 13807 D) sowie
b) die schriftlichen Fragen vom 8. Juli 2011 (7/84) und vom 14. Juli 2011 (7/193)
zur Lieferung von Leopard-2-Panzern aus Deutschland an Saudi-Arabien nicht
beziehungsweise unzureichend beantwortet hat,
2. dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 2. in ihren Rechten aus
Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG (i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dadurch verletzt hat,
- Bevollmächtigter: Hans-Christian Ströbele,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin -
dass sie
a) in der Fragestunde im Deutschen Bundestag vom 6. Juli 2011 die dringliche
Frage der Antragstellerin zu 2) (Sitzungsprotokoll S. 13810 D), ihre Nachfrage
zur eigenen dringlichen Frage (Sitzungsprotokoll S. 13811 A) und ihre
Nachfrage zur dringlichen Frage des Abgeordneten Volker Beck
(Sitzungsprotokoll S. 13803 D) zur Lieferung von Leopard-Panzern nach Saudi-
Arabien sowie
b) ihre schriftliche Frage (7/132) zur Lieferung von Panzern nach Algerien nicht
beziehungsweise unzureichend beantwortet hat,
3. dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 3. in ihren Rechten aus
Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG (i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dadurch verletzt hat,
dass sie
a) in der Fragestunde im Deutschen Bundestag vom 6. Juli 2011 die Nachfragen
der Antragstellerin zu 3. zur dringlichen Frage des Abgeordneten Volker Beck
(Sitzungsprotokoll S. 13804 B), des Abgeordneten Movassat (Sitzungsprotokoll
S. 13841 B) sowie
b) zwei schriftliche Fragen (7/174 und 715) vom 14. Juli 2011 zur Lieferung von
200 Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien nicht beziehungsweise
unzureichend beantwortet hat,
Antragsteller:
1.
Hans-Christian Ströbele,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
2.
Katja Keul,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
3.
Claudia Roth,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Antragsgegnerin:
Bundesregierung,
vertreten durch die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel,
- Bevollmächtigter: Prof. Dr. Stefan Korioth,
Himmelreichstraße 2, 80538 München -
Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der
Richterinnen und Richter
Präsident Voßkuhle,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt,
Landau,
Huber,
Hermanns,
Müller,
Kessal-Wulf
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2014 durch
Urteil
für Recht erkannt:
1. Die Antragsgegnerin hat
a) den Antragsteller zu 1. durch die Antworten auf die in der Fragestunde des
Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 gestellte Frage PlenProt 17/119,
S. 13802 D, soweit sich diese auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien
bezieht, und auf die schriftliche Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks
17/6658, S. 28) soweit sich diese darauf bezieht, ob eine positive
Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,
b) die Antragstellerin zu 2. durch die Antwort auf die schriftliche Frage 7/132
von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) soweit sich die Frage darauf bezieht,
ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates
vorliegt,
nach Maßgabe der Gründe in deren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2
1
2
3
und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.
2. In dem unter B.II.2. genannten Umfang werden die Anträge verworfen und im
Übrigen zurückgewiesen.
Gründe:
A.
Die Antragsteller sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Sie wenden sich
dagegen, dass die Bundesregierung, die Antragsgegnerin, verschiedene Anfragen zu
Kriegswaffenexporten nicht oder nur unzureichend beantwortet habe. Die Fragen
betrafen die nach Presseberichten angeblich von der Antragsgegnerin erteilte
Genehmigung für die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard 2 an Saudi-
Arabien sowie Waffenexporte nach Saudi-Arabien und Algerien.
I.
1. Die Ordnung der Kriegswaffenexportkontrolle hat in Deutschland
Verfassungsrang. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG dürfen zur Kriegsführung bestimmte
Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in
Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt nach Satz 2 ein Bundesgesetz.
Das Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die
Kontrolle von Kriegswaffen - Kriegswaffenkontrollgesetz - KWKG) regelt die
Herstellung, das Inverkehrbringen und die Beförderung von Kriegswaffen innerhalb
und außerhalb des Bundesgebietes sowie die Vermittlung und den Abschluss von
Verträgen über den Erwerb oder das Überlassen von Kriegswaffen, die sich
außerhalb
des
Bundesgebietes befinden. Kriegswaffen im Sinne des
Kriegswaffenkontrollgesetzes sind gemäß § 1 Abs. 1 KWKG die in der dem Gesetz
als Anlage beigefügten Kriegswaffenliste aufgeführten Gegenstände, Stoffe und
Organismen. Die Ausfuhr von Kriegswaffen setzt nach § 3 Abs. 3 KWKG eine
Beförderungsgenehmigung voraus. Über diese Genehmigung, die jederzeit
widerrufen werden kann, wird nach Ermessen entschieden, sofern keine zwingenden
Versagungsgründe nach § 6 Abs. 3 KWKG vorliegen. Zu versagen ist die
Genehmigung unter anderem, wenn die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei
einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet
werden, § 6 Abs. 3 Nr. 1 KWKG. Leitlinien für die Ermessensentscheidung bilden die
"Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und
4
5
6
sonstigen Rüstungsgütern" vom 19. Januar 2000 (Bundesanzeiger Nr. 19 vom
28. Januar 2000, S. 1299 ff.). Gemäß § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 2 und § 4a Abs. 4 KWKG
können allgemeine Genehmigungen erteilt werden. Dies erfolgt durch
Rechtsverordnungen der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates
nicht bedürfen, § 8 Abs. 1 und 4 KWKG.
Da alle Kriegswaffen im Sinne des KWKG zugleich in der Ausfuhrliste der
Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWV - Anlage AL)
aufgeführt sind, ist für deren Ausfuhr regelmäßig auch eine Genehmigung nach dem
Außenwirtschaftsgesetz (AWG) erforderlich (Ehrlich, in: Bieneck (Hrsg.), Handbuch
d e s Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 2 Rn. 4). Weitere
Genehmigungsanforderungen für den Export militärisch relevanter Güter können sich
aus Unionsrecht ergeben, namentlich aus der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des
Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der
Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit
doppeltem Verwendungszweck (sogenannte "Dual-Use-Verordnung", ABl L 134 vom
29. Mai 2009, S. 1 ff.) zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 388/2012 vom
19. April 2012 (ABl L 129 vom 16. Mai 2012, S. 12 ff.).
Zuständig für die Erteilung oder Versagung von Ausfuhrgenehmigungen nach dem
AWG und der AWV ist gemäß § 13 Abs. 1 AWG grundsätzlich das zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (ehemals
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) gehörende Bundesamt für
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur
Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts (BGBl I 2013 S. 1482) am 1. September
2013 ergab sich diese Zuständigkeit aus § 28 Abs. 3 Nr. 1 AWG in Verbindung mit § 1
der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten im Außenwirtschaftsverkehr vom
18. Juli 1977 (BGBl I S. 1308), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27.
Juli 2011 zur Umsetzung der Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die
innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (BGBl I S. 1595).
Die Zuständigkeit für die Erteilung der Genehmigung für die Ausfuhr von
Kriegswaffen liegt nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, § 11 Abs. 1 KWKG bei der
Bundesregierung. Durch § 11 Abs. 2 und 3 KWKG wird die Bundesregierung
ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht
bedarf, die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf bestimmte
Bundesministerien für ihren jeweiligen Geschäftsbereich zu übertragen. Von dieser
7
8
Delegationsbefugnis hat die Bundesregierung mit Erlass der Ersten Verordnung zur
Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961
(BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 344 der Verordnung vom 31. Oktober 2006
(BGBl I S. 2407, 2453) Gebrauch gemacht. Durch § 1 der Ersten
Durchführungsverordnung wird die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der
Genehmigung für den Bereich der Bundeswehr auf das Bundesministerium für
Verteidigung (Abs. 1 Nr. 1), für den Bereich des Zollgrenzdienstes auf das
Bundesministerium der Finanzen (Abs. 1 Nr. 2), für den Bereich der für die
Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden oder
Dienststellen sowie der Behörden des Strafvollzugs auf das Bundesministerium des
Innern (Abs. 1 Nr. 3) und für alle übrigen Bereiche auf das Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie (Abs. 1 Nr. 4) übertragen. Für die Beförderung von
Kriegswaffen mit deutschen Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im Ausland überträgt
§ 1 Abs. 2 Satz 1 der Ersten Durchführungsverordnung die Befugnis zur Erteilung und
zum Widerruf der Genehmigung auf das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung, das diese Befugnis nach Satz 2 im Einvernehmen mit dem
Auswärtigen Amt ausübt.
§ 10 KWKG enthält Bestimmungen über Inhalt und Form der Genehmigung, die
weiteren Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens sind geregelt in der auf der
Grundlage von § 11 Abs. 4 KWKG von der Bundesregierung erlassenen Zweiten
Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom
1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 31 des Gesetzes über die
Zusammenlegung des Bundesamtes für Wirtschaft mit dem Bundesausfuhramt vom
21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1956).
In der Praxis der Genehmigungsverfahren nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und
dem Außenwirtschaftsgesetz hat sich das gesetzlich nicht geregelte Institut der
Voranfrage herausgebildet. Durch eine Voranfrage kann ein Unternehmen frühzeitig
klären, ob die für ein beabsichtigtes Exportgeschäft erforderliche Genehmigung
voraussichtlich erteilt würde. Über Voranfragen wird nach den gleichen Kriterien
entschieden wie über Genehmigungsanträge. Voranfragen zu Kriegswaffenausfuhren
sind an das Auswärtige Amt und bei sonstigen Rüstungsgütern an das Bundesamt für
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu richten. Auch das weitere Verfahren entspricht der
Bearbeitung von Anträgen auf Genehmigungserteilung. Bedeutende Vorhaben
werden dem Bundessicherheitsrat vorgelegt. Die Voranfrage ersetzt nicht die - im
Regelfall erst nach Abschluss des jeweiligen Kaufvertrages - zu beantragende
9
10
Genehmigung (siehe zum Ganzen den vom Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie herausgegebenen "Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für
konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2013 - Rüstungsexportbericht 2013" vom Mai
2014, S. 6 f.).
Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder
den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der
Bundessicherheitsrat befasst (Rüstungsexportbericht 2013, S. 7). Beim
Bundessicherheitsrat handelt es sich um einen Kabinettausschuss zur
ressortübergreifenden Koordinierung von Aspekten der Verteidigungs- und
A u ß e n p o l i ti k sowie
von
Gesichtspunkten
des
Außenwirtschaftsrechts
(Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 97). Den
Vorsitz im Bundessicherheitsrat führt die Bundeskanzlerin, weitere Mitglieder sind die
Bundesministerinnen und Bundesminister des Auswärtigen, des Innern, der Justiz
und für Verbraucherschutz, der Finanzen, für Wirtschaft und Energie, der
Verteidigung, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Chef des
Bundeskanzleramtes (Rüstungsexportbericht 2013, ebd.). Andere Teilnehmer werden
bei Bedarf mit beratender Stimme hinzugezogen, so etwa andere
Bundesministerinnen und -minister, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die
Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der
Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und
Rüstungskontrolle usw. Die Abstimmung im Bundessicherheitsrat erfolgt nach den
Grundsätzen, die § 24 der Geschäftsordnung der Bundesregierung für
Kabinettsitzungen vorsieht. Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates werden durch
ein beim Bundeskanzleramt angesiedeltes interministerielles Sekretariat und einen
Ausschuss auf Staatssekretärsebene vorbereitet. Die Ergebnisse der Beratungen des
Bundessicherheitsrates werden in Sitzungsprotokollen festgehalten, die mit dem
Geheimhaltungsgrad
"Geheim"
eingestuft sind
(zum
Ganzen
Glawe,
Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen
Sicherheit, 2011, S. 35 ff.; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <471 ff.>).
2. Die Bundesregierung informiert durch ihre jährlichen Rüstungsexportberichte über
die im vorangegangenen Kalenderjahr erteilten Genehmigungen zur Ausfuhr von
Rüstungsgütern und die tatsächlich erfolgten Ausfuhren von Kriegswaffen. Die
Berichte werden bislang regelmäßig in der zweiten Jahreshälfte des auf das
Berichtsjahr folgenden Jahres veröffentlicht (zu beabsichtigten Änderungen siehe
Rn. 103). Sie enthalten statistische Angaben zu den erteilten Genehmigungen ohne
11
12
13
Nennung des jeweiligen Exportunternehmens und Angaben in allgemeiner Form zu
abgelehnten Anträgen. Begründungen für die Genehmigung oder Ablehnung eines
Rüstungsexportgeschäftes werden nicht mitgeteilt soweit nicht nach dem
Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom
8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von
Militärtechnologie und Militärgütern (ABl L 335 vom 13. Dezember 2008, S. 99 ff.) im
Rahmen der danach vorgesehenen Ablehnungsanzeigen (sogenannte denial
notifications) Ablehnungsgründe mitgeteilt wurden. Auch über die in dem jeweiligen
Berichtsjahr beschiedenen Voranfragen betreffend die Genehmigungsfähigkeit
bestimmter Ausfuhrvorhaben wird nicht berichtet (siehe zum Ganzen
Rüstungsexportbericht 2013, S. 17).
Bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen beruft sich die Bundesregierung
in ständiger Praxis darauf, dass Sitzungen und Entscheidungen des
Bundessicherheitsrates der Geheimhaltung unterlägen und deshalb keine Auskunft
gegeben werden könne (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 2; 14/1466 S. 2; 14/1938,
S. 3; PlenProt 14/68, S. 6063 A, 6066 A; BTDrucks 14/2483, S. 27 f.; 14/3619, S. 4
und 5; 14/3657, S. 3; 14/6958, S. 1 f.; 15/288, S. 26; 15/5998, S. 16; 16/7969, S. 6;
PlenProt 16/97, S. 9947 C; PlenProt 16/99, S. 10101 D, 10102 A; zu einzelnen
Ausnahmen vgl. etwa PlenProt 14/68, S. 6063 D und PlenProt 16/223, S. 24509).
Zu Voranfragen über die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben
äußert sich die Bundesregierung bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen
grundsätzlich nicht (vgl. BTDrucks 17/10520). Teilweise wurde in der Vergangenheit
allerdings mitgeteilt, ob eine Voranfrage hinsichtlich der Genehmigungsaussichten
eines bestimmten Exportgeschäfts (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 1 und 2; 14/1466,
S. 2; PlenProt 14/107, S. 10045 C und D, 10046 B; BTDrucks 14/3619, S. 2 und 3;
16/7969, S. 6) oder ein Genehmigungsantrag vorliegt (vgl. BTDrucks 14/3619, S. 3;
14/4213, S. 25; 14/4364, S. 3; 15/4295, S. 21 f.; 16/3430, S. 3; 17/9710, S. 12;
17/2889, S. 3). Nach Darstellung der Bundesregierung wird über abgelehnte Anträge,
soweit sie den Bundessicherheitsrat involvieren, überhaupt nicht, ansonsten nur in
Form des Rüstungsexportberichts Auskunft gegeben (vgl. PlenProt 17/161, S. 19141
B).
Die Gründe für die Ablehnung von Anträgen teilt die Bundesregierung auf
parlamentarische Anfragen hin grundsätzlich nur mit, wenn diese nach dem
Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP ohnehin als denial notification
anzuzeigen sind (vgl. BTDrucks 16/12673, S. 8; 17/8275, S. 11 f.; 17/3391, S. 8).
15
16
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14
II.
Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1. Anfang Juli 2011 berichteten mehrere Zeitschriften, Saudi-Arabien habe an mehr
als 200 Panzern "Leopard" in der modernsten Version Interesse. Der
Bundessicherheitsrat habe den Export grundsätzlich gebilligt. Die Artikel kritisierten
die Panzerlieferung unter Verweis darauf, dass saudi-arabische Truppen im
benachbarten Bahrain geholfen hätten, Proteste gegen die Regierung
niederzuschlagen, und dass Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien in jüngerer Zeit
stets abgelehnt worden seien. Zudem wurde berichtet, Deutschland wolle mit
Algerien "milliardenschwere Rüstungsexporte abwickeln".
2. In der Fragestunde im Deutschen Bundestag am 6. Juli 2011 stellte der
Abgeordnete Volker Beck die dringliche Frage 1, wie die Bundesregierung die
Genehmigung der Lieferung von mehr als 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-
Arabien vor dem Hintergrund von Saudi-Arabiens Intervention in Bahrain und der
Lage im Nahen Osten rechtfertige. Hierauf antwortete der Parlamentarische
Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Hans-Joachim
Otto, nach allgemeinen Ausführungen über die Entscheidungsgrundlagen für
Rüstungsexporte (PlenProt 17/119, S. 13797 D):
" (...) Bei etwaigen Ausfuhrvorhaben, die besonders brisant oder von
besonderem Interesse sind, entscheidet in der Regel der
Bundessicherheitsrat. (...) Herr Kollege Beck, Sie wissen genauso
gut wie ich, dass der Bundessicherheitsrat seit jeher geheim tagt.
Auch die Tagesordnungen und die Ergebnisse sind als Geheim
eingestuft. Daher kann " dafür haben Sie sicherlich Verständnis " die
Bundesregierung
zu
den Presseberichten über angebliche
Entscheidungen des Bundessicherheitsrates keine Stellung
nehmen. Ich möchte hinzufügen: Das war noch nie anders.
Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung - das will ich noch erläutern -
entsteht nicht aus irgendwelchen subjektiven Interessen oder
Wünschen des Kabinetts oder des Bundessicherheitsrates, sondern
es geht vorrangig um das Schutzbedürfnis der Beziehungen
Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Ein weiterer
Grund ist der Schutz der Interessen des Empfängerlandes.
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19
20
Zu den konkreten Presseberichten kann und darf ich deshalb nicht
Stellung nehmen. Ich will aber trotzdem kurz zu Rüstungsexporten
nach Saudi-Arabien allgemein Stellung nehmen. (...)"
Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Beck hin führte der Parlamentarische
Staatssekretär Otto unter anderem aus:
"Herr Kollege Beck, erstens liegen Sie falsch, wenn Sie meinen,
dass die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats in die
Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Es ist sogar so, dass man
sich strafrechtlich zu verantworten hätte, wenn man der Öffentlichkeit
Dienstgeheimnisse preisgäbe. (...) Weil das so ist - weil der
Bundessicherheitsrat nicht öffentlich, sondern geheim tagt und auch
die Ergebnisse geheim sind -, kann ich zum Thema Bahrain nicht im
Einzelnen Stellung nehmen. (...) Ich kann weder bestätigen noch
dementieren, dass es überhaupt eine Entscheidung gegeben hat."
Nach weiteren Zusatzfragen stellte der Antragsteller zu 1. die Zusatzfrage (PlenProt
17/119, S. 13802 D):
"Herr Staatssekretär, Sie haben gerade auf die Fragen des Kollegen
geantwortet, die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sei anders
als die in Deutschland. Ich frage Sie deshalb: Ist der
Bundesregierung bekannt, dass in Saudi-Arabien von Amts wegen -
also von Staats wegen - Menschen ausgepeitscht, in
entwürdigender Art und Weise hingerichtet und unterdrückt werden,
dass keine Bürgerrechte gelten, dass insbesondere Frauen, die
nicht einmal Auto fahren dürfen, unterdrückt werden? Gibt die
Bundesregierung mir recht, dass es sich hierbei um eine innere
Repression sowie um eine fortdauernde und systematische
Menschenrechtsverletzung handelt? Ist es, wenn solche
Voraussetzungen
vorliegen,
nach
den
Richtlinien
für
Rüstungsexporte in solche Länder so, dass Genehmigungen nicht in
Betracht kommen?"
Antwort Otto:
"Herr Kollege Ströbele, sollte es zu einer Entscheidung gekommen
sein oder sollte es noch zu einer Entscheidung kommen, sind all
diese Dinge zu berücksichtigen. Es ist nicht meine Aufgabe, jetzt
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26
hier eine Menschenrechtslage im Detail zu beurteilen. Ich bin
Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Im Übrigen gibt es
in Bezug auf diese Gesichtspunkte einen Abwägungsprozess. Auch
die Menschenrechtslage ist im Rahmen eines Abwägungsprozesses
zu berücksichtigen. Ich habe Ihnen bzw. Kollegen von Ihnen schon
gesagt, dass wir uns - sonst würden wir den Menschenrechtsdialog
nicht führen - Verbesserungen an dieser Front wünschen und diese
anstreben. Wie Sie wissen, macht die EU das. Das gilt auch für die
Bundesregierung. Detailfragen aber - ob Auspeitschungen und
ähnliche
Dinge
vorkommen
-
sind
nicht
an
den
Bundeswirtschaftsminister zu richten."
Der Bundestagspräsident wies darauf hin, dass die Antworten unbeschadet der
Aufteilung auf die Ressorts an die Regierung gerichtet und von dieser beantwortet
würden.
Nach einer weiteren Zusatzfrage stellte die Antragstellerin zu 2. die Zusatzfrage
(PlenProt 17/119, S. 13803 D):
" (...) Herr Staatssekretär, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen
die Rechtsgrundlagen dargelegt und die Rüstungsexportrichtlinien
der Bundesregierung zitiert. Danach sind Kriegswaffenexporte in
Drittstaaten grundsätzlich verboten. Von diesem Grundsatz darf nur
ausnahmsweise, beim Vorliegen besonderer sicherheitspolitischer
Interessen der Bundesrepublik Deutschland, abgewichen werden."
Antwort Otto:
"Korrekt".
Die Antragstellerin zu 2.:
"Dort steht aber auch: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine
Rolle spielen."
Antwort Otto:
"Keine ausschlaggebende."
Die Antragstellerin zu 2.:
"Können Sie ausschließen, dass bei der Entscheidung des
Bundessicherheitsrates
beschäftigungspolitische
oder
gar
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29
industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt haben?"
Antwort Otto:
"Frau Kollegin, zunächst einmal: Ich kann Ihnen aus den bekannten
Gründen gar keine Auskunft darüber geben, ob diese Entscheidung
getroffen worden ist oder nicht. Ich möchte aber, um das
klarzustellen,
die
entsprechende
Stelle
der
Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitieren. In den
Politischen Grundsätzen heißt es: Beschäftigungspolitische Gründe
dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen. Dies bedeutet
allerdings im Umkehrschluss, dass sie eine gewisse Rolle spielen
dürfen, sozusagen als nachrangige Gründe. Ich kann mir vorstellen,
dass dies auch bei ähnlichen Entscheidungen in der Vergangenheit
der Fall war. Das wäre auch völlig legitim gewesen, weil die
Politischen Grundsätze wie erwähnt niedergelegt worden sind.
Ausschlaggebend ist das sicherheits- und bündnispolitische
Interesse. Nachrangig können auch beschäftigungspolitische
Gründe eine Rolle spielen."
Die Antragstellerin zu 3. schloss die Zusatzfrage an (PlenProt 17/119, S. 13804 A,
B):
" (...) Herr Otto, meine erste Frage. In der heutigen Ausgabe der
s e r i ö s e n Süddeutschen
Zeitung
war
zu
lesen:
Aus
Regierungskreisen verlautete, dass im Vorfeld der Entscheidung im
Bundessicherheitsrat am 27. Juni dieses Jahres die Zustimmung
von Israel und den USA eingeholt worden sei und dass beide
Staaten nicht nur konsultiert worden seien, sondern auch keine
Bedenken angemeldet hätten. - Stimmen diese Verlautbarungen aus
Regierungskreisen? Meine zweite Frage. Sie haben vorhin gesagt,
es gehe darum, dass die deutsche Außenpolitik die Werteordnung in
der Region, in Saudi-Arabien, stabilisieren will. Von welcher
Werteordnung sprechen Sie? Sind Menschenrechte Ihrer Meinung
nach nicht universell gültig, sondern ist ihre Geltung von der
jeweiligen Region abhängig?"
Antwort Otto:
"Ich möchte zunächst zu Ihrer zweiten Frage Stellung nehmen.
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32
Selbstverständlich sind Menschenrechte - sie sind in der UN-
Menschenrechtscharta niedergelegt - weltweit gültig. (...)
Insofern: Die Standards, an denen wir die Menschenrechtslage
messen, sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt, und an
dieser universell geltenden Charta halten wir fest. Ich habe bereits
geschildert, dass es in Saudi-Arabien diesbezüglich Defizite gibt.
Sonst würden wir auch nicht in einem ständigen Dialog stehen.
Zu dem ersten Teil Ihrer Frage würde Herr Staatsminister von
Klaeden gerne Stellung nehmen, wenn, Herr Präsident, das erlaubt
ist."
Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin:
"Frau Kollegin Roth, es gilt das, was Kollege Staatssekretär Otto
bereits gesagt hat, nämlich dass wir zu den Sitzungen des
Bundessicherheitsrates keine Auskunft geben. Das gilt dann eben
auch für die Frage, ob Pressemeldungen dementiert oder bestätigt
werden. Ich will aber gerne noch einmal die Gelegenheit nutzen,
einige Sätze zu unseren Beziehungen zu Saudi-Arabien zu sagen,
damit hier kein unausgewogenes Bild entsteht. Hinsichtlich der
Menschenrechtslage in Saudi-Arabien besteht zwischen der
Einschätzung der seriösen Menschenrechts- und Außenpolitiker des
Bundestages und der Einschätzung der Bundesregierung keine
Differenz.
Warum
Saudi-Arabien
trotz
seiner schwierigen
Menschenrechtssituation gleichwohl ein wichtiger Partner für uns ist,
will ich an folgenden Punkten deutlich machen: (...)"
Nach weiteren Zusatzfragen zur Rolle Saudi-Arabiens in Bezug auf terroristische
Aktivitäten und die Ereignisse in Bahrain stellte der Abgeordnete Dr. Frithjof Schmidt
die Zusatzfrage, ob die Bundeskanzlerin die Ermächtigung erteilen könne, über
Sitzungen des Bundessicherheitsrates Auskunft zu geben, und ob eine politische
Begründung genannt werden könne, weshalb sie dies nicht tue.
Antwort Otto:
"Ich nehme hier nicht die Rolle der Bundeskanzlerin ein. Ich sitze
nicht auf ihrem Platz, sondern daneben. Aber ganz klar ist, dass es
zumindest seit dem Jahr 2000 völlig unstreitig ist, (...) dass der
Verlauf
und
die
Ergebnisse
der
Sitzungen
des
33
34
35
Bundessicherheitsrats als Geheim einzustufen sind, was zur Folge
hat, dass niemand, auch nicht die Bundeskanzlerin, das Recht hat,
dies sozusagen durch freie Entscheidung zu öffnen. (...)"
Anschließend wurde die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1) (BTDrucks
17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13807 A):
"Welche Angaben macht die Bundesregierung zum jetzt bekannt
gewordenen Zustandekommen des Waffengeschäfts über die
Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern von Deutschland an
Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung "nützlicher Aufwendungen"
sow i e der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und
Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"
Antwort Otto:
"Herr Kollege Ströbele, ein Teil Ihrer Frage bezieht sich auf das, was
w ir eben schon ausgiebig diskutiert haben. Ich nehme Bezug auf
das, was ich eben schon gesagt habe, und möchte das nicht
verlängern. Im Übrigen kann ich Ihnen mitteilen, dass der
Bundesregierung
keinerlei
Erkenntnisse
über
geleistete
gesetzeswidrige
Zahlungen vorliegen, die irgendwie im
Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten
Geschäft stehen könnten. Wäre es anders, würde die
Bundesregierung
von irgendeiner gesetzwidrigen Zahlung
Erkenntnisse bekommen, dann wäre das eine Sache der
Strafverfolgungsbehörden. Auch insofern verweise ich auf die
Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der
Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004. Sie werden sie sicherlich
noch gut kennen; sie ist nämlich in der Zeit der rot-grünen
Regierungskoalition verabschiedet worden. Auch sie, Herr Kollege
Ströbele, gilt unverändert fort."
Der Antragsteller zu 1. stellte folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 B,
C):
"Herr Staatssekretär, Ihre Auffassung, dass Sie hier jegliche
Auskunft über das Geschäft verweigern dürfen, ist nicht nur
abenteuerlich, sondern verfassungswidrig. Sie hebeln faktisch das
Recht des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung zu
36
kontrollieren, in diesem wichtigen Punkt, der mindestens die Hälfte
der deutschen Bevölkerung beschäftigt, für ein Jahr aus.
Meine Frage an Sie lautet: Wie viel kosten die 200 Leopard-
Kampfpanzer, wenn man sie in Deutschland kauft bzw. verkauft, und
wie viel soll die saudi-arabische Regierung dafür bezahlen? Denn
der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem, was
tatsächlich gezahlt wird, gilt wie schon im Jahr 1991 als sogenannte
nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder.
Deshalb richte ich als Abgeordneter des Bundestages, der die
Bundesregierung auch bei diesem Geschäft kontrollieren muss,
diese Frage an Sie."
Antwort Otto:
"Herr Kollege Ströbele, mit allem Respekt: Es ist sehr mutig, was Sie
hier machen. Zunächst einmal weise ich den Vorwurf, ich würde
mich verfassungswidrig verhalten, mit allem Nachdruck zurück. Ich
mache genau das, was alle Bundesregierungen bisher aus gutem
Grund gemacht haben. Nennen Sie mir einen einzigen Fall aus den
vergangenen Jahren, auch unter rot-grüner Regierung, in dem sich
ein Staatssekretär hier hingestellt hat und gesagt hat: Herr Ströbele,
das und das ist im Bundessicherheitsrat beschlossen worden. - Das
hat es nie gegeben, und dafür gibt es gute Gründe. Das hat mit
Verfassungswidrigkeit nichts zu tun. Es war die rot-grüne
Bundesregierung, die noch einmal festgestellt hat, dass die
Berichterstattung über die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates
und
die
Rüstungsexportpolitik
in
einem
jährlichen
Rüstungsexportbericht niedergelegt wird. Dadurch wird das
Parlament beteiligt.
Der Rüstungsexportbericht für 2010 wird in Kürze veröffentlicht. Ich
kann Ihnen die Zahlen für Saudi-Arabien geben. Im Übrigen, Herr
Kollege Ströbele, zu dem, was Sie da an Spekulationen geäußert
haben - also zur Preisdifferenz; das, was in der Presse steht -, will
ich in keiner Weise Stellung nehmen. Ich halte Ihre Spekulationen
wirklich für abenteuerlich und weise sie zurück. Die Annahme, dass
ein in Saudi-Arabien gegenüber Deutschland veränderter Preis
automatisch mit nützlichen Aufwendungen, kriminellen Handlungen
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verbunden ist, ist wirklich - mit Verlaub - Ihre private Meinung. Das
ist nicht die Meinung der Bundesregierung."
Der Antragsteller zu 1. stellte folgende zweite Zusatzfrage (PlenProt 17/119,
S. 13807 D, S. 13808 A):
"Herr Staatssekretär, bis zum Jahre 1999 habe ich es auch als
abenteuerlich angesehen, dass ein ausgewachsener deutscher
Bundeskanzler Barbeträge, gebündeltes Bares von Spendern
anonym entgegennimmt und in seine Jackentasche steckt. Ich habe
es auch als abenteuerlich angesehen, dass 220 Millionen Euro an
sogenannten nützlichen Aufwendungen gezahlt wurden, von denen
1 Million an die CDU, an deren Schatzmeister, geflossen sind. Das
war alles abenteuerlich. Seit dem Jahr 1999 weiß ich, dass so etwas
in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist. Deshalb stelle ich
Ihnen nochmals die Frage: Sind Sie bereit, über Einzelheiten dieses
Geschäfts dem Deutschen Bundestag Auskunft zu geben, oder
verweigern Sie diese weiterhin in verfassungswidriger Weise?"
Antwort Otto:
"Herr Kollege Ströbele, in aller Klarheit: Der Vorwurf an ein Mitglied
d e r Bundesregierung, sich verfassungswidrig zu verhalten, ist
starker Tobak. Sie wissen genauso gut wie ich, weil Sie langjähriger
Parlamentarier sind: Niemand von denen, die hier Zwischenrufe
machen, würde sich anders verhalten, wenn er in meiner Situation
wäre, niemand. Ich würde mich sogar strafbar machen, wenn ich
irgendwelche
Erkenntnisse,
die ich
als
Mitglied
der
Bundesregierung erhalten habe, hier offenbarte. Das geht nicht
anders. Das war zu Ihrer Zeit auch nicht anders. Dafür gibt es gute
Gründe;
das
habe
ich schon gesagt. Das hat mit
Verfassungswidrigkeit gar nichts zu tun, Herr Kollege Ströbele, bei
allem Respekt. Zu dem, was Sie zu früheren Zeiten, zu 1999, gesagt
haben - auch ich war in dem Untersuchungsausschuss Mitglied -:
Das ist aufgeklärt worden. Das wird sich auch nicht wiederholen. Ich
hoffe nicht, dass durch Ihre Frage intoniert werden sollte, die jetzige
Bundesregierung hätte Ähnliches vor oder getan. Ich weise das in
aller Klarheit zurück. Das ist aufgearbeitet worden. Es hat auch
Strafverfahren gegeben. Dass Sie das jetzt in einen Zusammenhang
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mit diesen Presseberichten stellen, finde ich schon sehr fragwürdig."
Zu weiteren Zusatzfragen zu bisherigen Anfragen Saudi-Arabiens wegen des
Erwerbs von Panzern führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto aus:
"Diese Antwort habe ich genauso zu verweigern wie jede andere.
Auch solche Anfragen sind geheimschutzbedürftig. Ich bin nicht
befugt, jede Frage nach Anfragen nach Rüstungsgütern zu
beantworten. Das ist sehr naheliegend; denn wenn die
Bundesregierung verpflichtet wäre, schon bei Eingang einer Anfrage
die Öffentlichkeit zu informieren, dann würden viele - vielleicht sogar
nach Ihrer Meinung - notwendige Geschäfte vereitelt. Das gilt
übrigens auch für Anfragen jenseits von Rüstungsgütern, zum
Beispiel nach Dual-use-Gütern. Die Verwaltung ist nicht befugt,
Auskünfte über Anfragen nach Rüstungsgütern oder sonstige
Exportgenehmigungen zu erteilen. Genauso wie bei jedem anderen
Verwaltungshandeln ist das alles diskret zu behandeln. Darüber
werden in der Öffentlichkeit keine Auskünfte gegeben. All das, was
notwendig ist, um das Parlament zu unterrichten, enthält der
Rüstungsexportbericht. Der Rüstungsexportbericht und die Stellung
des Bundessicherheitsrates gehen nicht auf diese Regierung
zurück. Es handelt sich hier um eine jahrzehntelange Praxis."
Nach weiteren Zusatzfragen zur Auslegung und Verbindlichkeit der
Rüstungsexportrichtlinien, zur Bundesregierung als dem "Erfüllungsgehilfen der
d e u t s c h e n Rüstungslobby"
und
zum
Entscheidungsverfahren
im
Bundessicherheitsrat wurde die dringliche Frage 3 der Antragstellerin zu 2.
(BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13810 D):
"Welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt
die Bundesregierung für die Genehmigung der am 4. Juli 2011 durch
das Magazin Der Spiegel gemeldeten Lieferung von 200 Leopard-
Kampfpanzern nach Saudi-Arabien an, und wie bewertet die
Bundesregierung die Vereinbarkeit dieser Lieferung mit den
einzelnen Kriterien des EU-Kodex für Waffenausfuhren?"
Antwort Otto:
"Frau Kollegin Keul, nachdem ich schon recht ausführlich zu den
dringlichen Fragen 1 und 2 Stellung genommen habe, kann ich in
42
43
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Ihrer Frage keinen zusätzlichen Gehalt erkennen, der über den der
dringlichen Frage 1 hinausgeht. Deswegen wiederhole ich das, was
ich auf die Frage des Kollegen Beck gesagt habe, auch Ihnen
gegenüber."
Die Antragstellerin zu 2. stellte die Zusatzfrage (PlenProt 17/119,
S. 13811 A):
"Ich wüsste gerne, auf welche Weise die Bundesregierung
ausschließt,
dass die
für
Saudi-Arabien
genehmigten
Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden."
Antwort Otto:
"Frau Kollegin Keul, wenn ich dazu Stellung nähme, würde ich eine
Auskunft geben, dass es eine Entscheidung gegeben hat oder dass
es keine Entscheidung gegeben hat. Da ich diese Auskunft aus den
bekannten Gründen nicht geben kann, kann ich Ihre Frage nicht
beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Grundsätze,
sowohl die Politischen Grundsätze der Bundesregierung als auch
die des Europäischen Rates, in jedem Einzelfall zu beachten sind
und von der Bundesregierung in jedem Fall auch peinlich beachtet
werden. Das ist die klare Aussage. Das ist eine Selbstbindung der
Bundesregierung, die nach wie vor gilt. Da gibt es keine
Veränderung. Es ist genau so wie in den Jahren vorher."
Als im Folgenden thematisiert wurde, ob es einen Austausch mit anderen
Regierungen im Hinblick auf die Genehmigung gegeben habe, antwortete der
Parlamentarische Staatssekretär Otto:
" (...) Das betrifft nicht den Bundessicherheitsrat, aber dabei handelt
e s sich um sicherheitspolitische Interessen, die hier nicht auf dem
Markt
verhandelt
werden können. (...) Sicherheitspolitische
Absprachen zwischen Bündnisländern können hier nicht im
Einzelfall besprochen werden. Das kann nicht anders sein, und das
gilt
unabhängig
von Rüstungsexportfragen. (...) Das sind
Rücksichtnahmen auch auf bilaterale Beziehungen. (...)"
Später wurde die dringliche Frage 4 des Abgeordneten Niema Movassat aufgerufen:
"Wie vereinbart die Bundesregierung die geplante Lieferung von
46
47
Panzern an Saudi-Arabien mit ihren Äußerungen, an der Seite der
Demokratiebewegung in den arabischen Ländern zu stehen?"
Hierzu stellte die Antragstellerin zu 3. folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S.
13814 B):
"Herr Westerwelle hat in seinen ersten außenpolitischen Leitlinien
dafür plädiert, dass jenen Staaten die Entwicklungshilfe zu streichen
sei, in denen Männer und Frauen nur deshalb hingerichtet werden,
weil sie homosexuell sind.
Unseres Wissens gibt es in Saudi-Arabien eine drakonische
Verfolgung von Schwulen und von Lesben. Sie müssen mit der
Todesstrafe rechnen, wenn man ihnen Homosexualität nachweisen
kann. Muss ich Ihre Äußerungen jetzt so interpretieren, dass Saudi-
Arabien keine Entwicklungshilfe, wenn es welche beantragen würde
- Konjunktiv! -, bekommen würde, weil dort Homosexualität verfolgt
wird, aber Panzer bekommen würde, weil diese zur Stabilisierung
der Region beitragen?"
Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
"Frau Abgeordnete, was die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien
anbelangt, will ich unterstreichen, was Sie gesagt haben: Die
Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist auf keinen Fall zu
akzeptieren. Sie ist sehr unbefriedigend, auch wenn sich die
Regierung seit einigen Jahren für Menschenrechtsthemen öffnet.
2009 gab es 69 Hinrichtungen und 2010 immer noch 29. Schlimm
sind auch die religiöse Intoleranz, Frauendiskriminierung und
Rechtlosigkeit ausländischer Arbeitskräfte und vieles andere mehr.
Bei realistischer Einschätzung muss man sagen, dass die
Bemühungen der Regierung und des Schura-Rates, also des rein
beratenden und vom König ernannten Parlaments, die wichtigsten
internationalen Menschenrechtsstandards in nationales Recht
umzusetzen, sicher erst in Jahren erfolgreich sein werden. Das ist
sehr unbefriedigend; da gebe ich Ihnen recht. Sehen Sie bitte auf der
anderen Seite, dass wir an der Stabilität in dieser Region und an
einer entsprechenden Sicherheitspolitik interessiert sind und
deshalb auch nach Strohhalmen greifen. Es ist wichtig, dass sich
Saudi-Arabien - Staatsminister von Klaeden hat es bereits gesagt -
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für Friedensinitiativen in der Region engagiert, wie es 2002 der Fall
war."
3. Im Juli stellte die Antragstellerin zu 2. die schriftliche Anfrage an die
Bundesregierung (Frage 7/132; BTDrucks 17/6658, S. 24):
"Wann hat die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern
Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und
Sicherheitselektronik für den Grenzschutz bzw. dazu bestimmte
Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt (vgl. Handelsblatt,
"Deutschland gibt Rüstung für Algerien frei", 3. Juli 2011) und
welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt
sie jeweils für die Genehmigung an?"
Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär im Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie, Jochen Homann, am 15. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658,
S. 24 f.):
"Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im
Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation. Grundlage hierfür
sind (...).
Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das
Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung
sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst. (...).
Der Bundessicherheitsrat tagt geheim. Tagesordnung und
Ergebnisse
sind ebenso
eingestuft.
Daher
kann
die
Bundesregierung zu den Presseberichten über Entscheidungen des
Bundessicherheitsrats keine Stellung nehmen.
Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung ergibt sich vorrangig aus dem
Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen
Empfängerländern. Der Schutz der Interessen des Empfängerlands
ist ein weiterer Grund.
Die
Bundesregierung
informiert
über
die
erteilten
Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter
nach Algerien in ihrem jährlichen Rüstungsexportbericht im Rahmen
der gesetzlichen Bestimmungen. Bei der Entscheidung über
Rüstungsexporte nach Algerien werden insbesondere die
Zusammenarbeit mit Algerien im Kampf gegen den Terrorismus, die
50
51
52
legitimen
Sicherheitsinteressen
Algeriens
sowie
die
Menschenrechtslage in Algerien berücksichtigt."
Am 8. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen
Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/84; BTDrucks 17/6658, S. 56):
"Inwieweit trifft im Einzelnen zu, dass die Bundeswehr schon im
3. Quartal dieses Jahres - also in den jetzigen Monaten - Leopard-
Panzer nach Saudi-Arabien schicken (bzw. durch den Hersteller
schicken lassen) wird und dort - wie schon zu Anfang 2011 in Katar -
auf deren Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit
testen lassen will, wie am 24. Mai 2011 der Abteilungsleiter im
Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung, [Herr] E., oder ein anderer Redner von dem
Panzerbataillon 33 in der Wilhelmstein-Kaserne anlässlich der
öffentlichen
Soldaten-Verabschiedung
nach
Afghanistan
angekündigt haben soll, und sofern dies grundsätzlich zutrifft, wie
steht dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar
genehmigten Verkauf von 200 Leopard-Panzern nach Saudi-
Arabien?"
Für die Bundesregierung antwortete der Parlamentarische Staatssekretär im
Bundesverteidigungsministerium Christian Schmidt am 18. Juli 2011 (BTDrucks
17/6658, S. 56):
" (...) Nach den im BMVg vorliegenden Redetexten der
Veranstaltung vom 24. Mai 2011 beim Panzerbataillon 33 lässt sich
nicht erkennen, dass einer der Redner die Aussage getätigt hat,
Leopard-Panzer sollen durch die Bundeswehr, oder in deren Auftrag
durch den Hersteller KMW, in Saudi-Arabien getestet werden.
Ich darf Ihnen mitteilen, dass weder die Bundeswehr selbst noch
d u r c h Beauftragte die Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie
Kampffähigkeit von Leopard-Panzern in Saudi-Arabien feststellen
lässt."
Am 14. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen
Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/193; BTDrucks 17/6658, S. 28):
"Welche Angaben macht die Bundesregierung zu getroffenen
Entscheidungen der Bundesregierung bzw. ihrer Ausschüsse oder
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nachgeordneten Stellen betreffend die Lieferung von ca. 200 Panzer
LEO in die Krisenregion am arabischen Golf nach Saudi-Arabien,
insbesondere zu der bisherigen Verbindlichkeit der Entscheidungen
und zu den Inhalten der Entscheidungen wie Verkaufspreise,
Lieferbedingungen oder eventuellen Auflagen zum Einsatz in
diesem Land oder in anderen Ländern, und wie rechtfertigt die
Bundesregierung Entscheidungen über diese Kriegswaffenexporte
angesichts der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung, nach
denen solche Kriegswaffenlieferungen in Länder wie Saudi-Arabien,
in den fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt
werden, nicht in Betracht kommen?"
Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks
17/6658, S. 29):
"Der Bundesregierung sind die aktuellen Presseberichte über eine
angebl i che rüstungsexportkontrollpolitische Entscheidung des
Bundessicherheitsrats zur Ausfuhr von 200 Panzern Leopard nach
Saudi-Arabien bekannt. Tagesordnung und Entscheidungen des
Bundessicherheitsrats unterliegen der Geheimhaltung. Daher kann
die Bundesregierung hierzu nicht Stellung nehmen.
In allgemeiner Form kann jedoch gesagt werden:
Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im
Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger
Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer
Erwägungen. Grundlage hierfür sind die "Politischen Grundsätze der
Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen
Rüstungsgütern" aus dem Jahr 2000 und der "Gemeinsame
Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union
vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die
Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern". Der
Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland und den
Möglichkeiten eines Missbrauchs des konkreten Rüstungsguts
k o m m e n im
Rahmen
der
hiernach
vorzunehmenden
Gesamtabwägung eine besondere Bedeutung zu.
Saudi-Arabien ist ein stabilisierender Faktor in der Region und
54
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57
wichtiger Partner der Bundesrepublik Deutschland.
Im Rahmen ihrer bilateralen Beziehungen mit Saudi-Arabien setzt
sich die Bundesregierung für die Einhaltung von demokratischen
Werten und Menschenrechten ein. (...)
(...) Die Bundesregierung verfolgt die aktuellen Entwicklungen in
Saudi-Arabien und der Region sehr genau."
Am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die
Bundesregierung (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26):
"Wie begründet die Bundesregierung die Lieferung von 200
Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien angesichts der geltenden
Richtlinien für Rüstungsexporte, die Waffengeschäfte mit [Staaten
wie] Saudi-Arabien aufgrund der hinreichenden Belege für massive
und alltägliche Menschenrechtsverletzungen verbieten?"
Die Antwort des Staatssekretärs beim Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie Dr. Bernhard Heitzer für die Bundesregierung am 21. Juli 2011
(BTDrucks 17/6658, S. 26 f.) ist wortgleich mit der am gleichen Tag erteilten Antwort
auf die Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011.
Ebenfalls am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an
die Bundesregierung (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27):
"Welche Angaben macht die Bundesregierung dem Deutschen
Bundestag gegenüber zum bekannt gewordenen Zustandekommen
der Leopard-Kampfpanzerlieferung an Saudi-Arabien hinsichtlich
der Zahlung "nützlicher Aufwendungen" sowie der Vermittler,
Unterstützer
in der Bundesregierung und Nutznießer dieses
Waffengeschäfts?"
Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks
17/6658, S. 27):
"Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über geleistete
gesetzeswidrige Zahlungen vor, die im Zusammenhang mit dem in
der Presseberichterstattung genannten Geschäfte stehen könnten.
Anderenfalls
wären
bereits die
Strafverfolgungsbehörden
unterrichtet worden. Im Übrigen wird auf die Richtlinie der
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Bundesregierung
zur
Korruptionsprävention
in
der
Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004 verwiesen."
III.
Die Antragsteller begehren die Feststellung, sie seien durch die Antragsgegnerin
dadurch in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs.
2 Satz 2 GG verletzt worden, dass ihre oben wiedergegebenen Fragen
beziehungsweise Nachfragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom
6. Juli 2011 und ihre oben wiedergegebenen schriftlichen Fragen durch die
Antragsgegnerin nicht beziehungsweise unzureichend beantwortet worden seien.
1. Die Antragsteller sehen ihre Anträge als zulässig an. Insbesondere sei die
Bundesregierung die richtige Antragsgegnerin. Sie könne nicht etwa auf eine
Zuständigkeit des Bundessicherheitsrates verweisen, denn der Informationsanspruch
d e r Abgeordneten und des Gesamtparlaments richte sich nach Maßgabe der
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gegen die Bundesregierung.
Außerdem sei der Bundessicherheitsrat ein Ausschuss der Antragsgegnerin und
damit Teil derselben.
2. Durch die Art der Beantwortung der Fragen habe die Antragsgegnerin sie in ihren
verfassungsrechtlichen Rechten verletzt.
a) Aus Art. 38 Abs. 1 GG folge ein Informationsanspruch der Abgeordneten, dem hier
auch angesichts der Regelung des Art. 26 Abs. 2 GG keine wesentlichen Schranken -
etwa durch Geheimhaltungsbedürftigkeit im Hinblick auf den Bundessicherheitsrat als
besonderen Entscheidungsträger - gesetzt werden könnten.
Art. 26 Abs. 2 GG sei als Verbot mit Befreiungsvorbehalt zu verstehen. Die
Genehmigung selbst müsse jeweils unter Berücksichtigung der Ziele des Art. 26 Abs.
1 GG, jede Friedensstörung möglichst weitgehend zu vermeiden, gerechtfertigt
werden. Dass Kriegswaffen nach Art. 26 Abs. 2 GG "nur mit Genehmigung der
Bundesregierung" in Verkehr gebracht werden dürften, spreche im Zusammenhang
m i t Art. 62 GG dafür, dass nur die gesamte Bundesregierung im Kabinett eine
entsprechende Entscheidung treffen könne. Eine Delegation an ein anderes Gremium
sei in höchstem Maße verfassungsrechtlich bedenklich. Jedenfalls müsse die
Bundesregierung selbst dann, wenn eine solche Delegation möglich wäre, in vollem
Umfang die Verantwortung für die getroffenen Maßnahmen übernehmen.
Weil Art. 26 Abs. 2 GG der Bundesregierung eine besondere Verantwortung
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zuweise und die Ausübung dieser Verantwortung effektiv nur durch das Parlament
kontrolliert werden könne, bestehe eine besonders stringente Informationspflicht
gegenüber dem Parlament. Andere Kontrollmechanismen seien nur bedingt wirksam.
Hinsichtlich der Genehmigungen bestehe im Wesentlichen ein ungebundenes
Ermessen mit der Folge besonderer Korruptionsanfälligkeit. Dies zeigten auch die
Feststellungen des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages
in der 14. Wahlperiode zu Schmiergeld im Zusammenhang mit der Lieferung von
Fuchs-Panzern an Saudi-Arabien. Vor dem damaligen Untersuchungsausschuss
hätten die Zeugen Dr. Kohl und Genscher öffentlich über den Gang der Beratungen
und die Entscheidung im Bundessicherheitsrat detailliert ausgesagt.
Das Informationsinteresse der Antragsteller sei vorliegend zudem besonders hoch
gewesen. Die Pressemeldungen über den Export von 200 Leopard-Kampfpanzern
nach Saudi-Arabien hätten bei vielen Mitgliedern des Deutschen Bundestages und in
d e r Öffentlichkeit zu Unruhe und Empörung geführt, weil die Bundesrepublik die
Demokratiebewegungen des "arabischen Frühling(s)" begrüßt und unterstützt habe,
gerade die Regierung des Königreichs Saudi-Arabien aber einige Wochen vorher
nicht
nur Demokraten im eigenen Land unterdrückt und systematisch
Menschenrechte verletzt habe, sondern auch in Bahrain mit Panzern eingerückt sei,
um zu helfen, die Demokratiebewegung dort blutig niederzuwalzen. Dies sei
wiederum von zahlreichen Regierungen und Abgeordneten übereinstimmend
verurteilt worden. Gerade die Leopard-Panzer Typ 2 A7 seien besonders ausgerüstet
und geeignet für den Einsatz gegen Menschenmengen und für den Straßenkampf.
b) Geheimhaltungsgründe, die dem parlamentarischen Informationsrecht
entgegenstehen könnten, habe die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise nicht
substantiiert dargetan. Die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats könne einen
Geheimhaltungsbedarf nicht bindend gegenüber dem Parlament begründen. Im
Übrigen könne und müsse die Geheimhaltung aufgehoben werden, wenn keine
hinreichenden Gründe für diese bestünden.
Die Antragsgegnerin könne nicht auf die Erfüllung des parlamentarischen
Informationsanspruchs durch den jährlichen Rüstungsexportbericht verweisen. Nicht
d i e Antragsgegnerin bestimme, in welcher Weise und wann das Parlament
Informationen erhalte, sondern allein das nach den Maßgaben der Geschäftsordnung
des Bundestages an sie herangetragene Informationsbegehren.
Die Geheimhaltungsbedürftigkeit könne auch nicht mit rechtlich geschützten
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70
Interessen der Exporteure begründet werden. Da deren Geschäfte von der
Verfassung
gerade grundsätzlich missbilligt würden, fehle es an einer
verfassungsrechtlich schützenswerten Rechtsposition. Hersteller und Verkäufer von
Kriegswaffen
müssten
ebenso
wie
Abnehmer mit Rücksicht auf die
Friedensverpflichtung aus Art. 26 GG mit einer nur eingeschränkten Geltung von
Betriebsgeheimnissen jedenfalls gegenüber dem Parlament rechnen. Dass Saudi-
Arabien Interesse am Kauf deutscher Panzer einer bestimmten Firma habe, sei
überdies seit Jahren bekannt und kein schützenswertes Betriebsgeheimnis mehr.
Einen Schutz des Kernbereichs der Entscheidungsfindung könne die
Antragsgegnerin grundsätzlich nur bei laufenden Vorgängen in Anspruch nehmen.
Solange sie nicht klar sage, ob und von wem eine Entscheidung überhaupt getroffen
worden sei, berufe sie sich nicht substantiiert auf den Kernbereichsschutz. Der
Gesichtspunkt der "Aufklärung von Missständen" gebiete zudem vorliegend einen
engen Zuschnitt des Kernbereichs auch bei laufenden Vorgängen. Überdies sei der
Vorgang bereits mit der politischen Entscheidung des Bundessicherheitsrates und
nicht etwa erst mit der Erteilung des Genehmigungsbescheids "abgeschlossen" im
Sinne der Kernbereichs-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dies gelte
auch bei Voranfragen. Die Fragen der Antragsteller seien zudem gerade nicht auf die
Ausforschung der Willensbildung der Regierung gerichtet, sondern wollten nur die
Kontrolle von gefällten Entscheidungen ermöglichen. Bei einer gegenüber Volk und
Parlament verantwortlichen Regierung verbiete es sich, die öffentliche oder
parlamentarische Debatte selbst als Eingriff in den Kernbereich der Regierung oder
als "verbotenes Mitregieren" anzusehen.
Auf eine Beeinträchtigung des Staatswohls durch eine Offenlegung des "Ob" und
der Einzelheiten einer Genehmigungsentscheidung habe sich die Antragsgegnerin
bisher hinsichtlich des Rüstungsexportes nach Saudi-Arabien nicht klar berufen.
Sollte sie anführen wollen, dass die Offenlegung von Einzelheiten über den Export
zur Beeinträchtigung des Verhältnisses zu anderen Staaten führen könne, so stimme
dieses Bild nicht mit den Wertungen des Art. 26 Abs. 2 GG überein. Da vor den
friedenssichernden Zielen des Art. 26 GG jeder Export rechtfertigungsbedürftig sei
und im demokratisch verfassten Deutschland eine Rechtfertigung grundsätzlich
öffentlich vor dem Parlament erfolge, könne die Ausübung der Kontrollpflichten des
Bundestages das Staatswohl nicht beeinträchtigen.
Soweit die Antragsgegnerin nun im Organstreitverfahren auf sicherheits- und
verteidigungspolitische Belange verweise, fehle es am konkreten Bezug zu den
71
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74
Fragen. Das sicherheitspolitische Interesse der Bundesrepublik an Panzerlieferungen
auf die arabische Halbinsel erschließe sich nicht. Auf die Belastung
außenpolitischer Beziehungen durch Bekanntwerden kritischer Bewertungen
potentieller Empfängerländer könne sich die Antragsgegnerin schon deshalb nicht
berufen, weil im Fall Saudi-Arabien die Menschenrechtslage jährlich durch den
Menschenrechtsbericht öffentlich kritisch bewertet werde. Selbst wenn an einzelnen
Punkten Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehen sollte, hätte die Antragsgegnerin das
Parlament vertraulich informieren müssen.
Es handle sich auch nicht um unzulässige hypothetische Fragen. Frageziel der
Antragsteller sei gewesen zu erfahren, ob eine politische Entscheidung getroffen
worden sei und welche Bewertungen dieser Entscheidung zugrunde gelegen hätten.
Die Fragen hinsichtlich der Bewertung seien nur deshalb "hypothetisch" gewesen,
weil die Antragsgegnerin rechtswidrigerweise schon die Antwort auf das "Ob"
verweigert habe.
Angesichts der öffentlichen Diskussion dränge sich der Eindruck auf, dass die
Antragsgegnerin sich hinter dem Argument der Geheimhaltung verstecke. Die
Verfassung berechtige die Antragsgegnerin jedoch nicht zu einer alleinigen
Steuerung
des
gesamten parlamentarischen
und
öffentlichen
Kommunikationsprozesses im Bereich der Rüstungsexporte. Andere Staaten ließen
hier mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle zu. Die Antragsgegnerin dürfe
nicht den Zeitpunkt einer öffentlichen Debatte beeinflussen und diese fern der
politischen Entscheidung halten. Politische Debatten fänden zeitnah zur
Entscheidung der Regierung statt.
3. Die Antragsteller sind der Ansicht, die Antragsgegnerin habe die Frage, ob die
thematisierten Waffenlieferungen von der Bundesregierung genehmigt worden seien,
mit dem bloßen Hinweis auf den geheim tagenden Bundessicherheitsrat beantwortet.
Fragen zu Einzelheiten der Waffenlieferungen habe sie überhaupt nicht beantwortet.
Vielmehr habe sie lediglich allgemeine Erwägungen zu dem Für und Wider von
Waffengeschäften
unter Bezugnahme auf gesetzliche Regelungen und
Rüstungsexportrichtlinien mitgeteilt.
a) Hinsichtlich der dringlichen Anfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S.
13807 A) habe die Antragsgegnerin Bezug genommen auf Antworten, die auf die
vorangegangene dringliche Frage des Abgeordneten Volker Beck und die dazu
gestellten Zusatzfragen gegeben worden seien. Mit dem auf diese Weise in Bezug
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genommenen
Hinweis auf
die
Geheimhaltung
für
Sitzungen
des
Bundessicherheitsrates sei jegliche Antwort darauf verweigert worden, ob überhaupt
schon eine Genehmigung für die Panzerlieferung erteilt worden sei. Schon gar nicht
sei die Teilfrage beantwortet worden, ob "nützliche Aufwendungen" gezahlt worden
seien und wer am Zustandekommen des Kriegswaffengeschäfts beteiligt gewesen
sei.
Hinsichtlich einer Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13802
D) sei seitens der Antragsgegnerin die Antwort mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit
anderer Ressorts verweigert worden. Auch ein Hinweis des Bundestagspräsidenten
habe nicht zu einer ergänzenden Antwort geführt. Insbesondere sei die Teilfrage nicht
beantwortet worden, ob nach dem Wortlaut der Rüstungsexportrichtlinien eine
Lieferung von Kriegswaffen in Länder, in denen fortdauernd und systematisch
Menschenrechte verletzt würden, gar nicht in Betracht komme.
Hinsichtlich der ersten Nachfrage des Antragstellers zu 1. zu seiner dringlichen
Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) habe die Antragsgegnerin Informationen über
den Preis der Leopard-Panzer in Deutschland und darüber, wieviel Saudi-Arabien
dafür zahle, vollständig verweigert. Damit bleibe sie eine Antwort auf die implizite
Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, schuldig.
Mit seiner zweiten Nachfrage zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119,
S. 13807 D, S. 13808 A) habe der Antragsteller zu 1. ersichtlich wiederum
Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht. Die Antragsgegnerin habe
d i e Antwort darauf mit dem generellen Hinweis auf ein Offenbarungsverbot
umfassend verweigert.
Auch die schriftliche Frage des Antragstellers zu 1. nach getroffenen
Entscheidungen betreffend die Panzerlieferung, zu deren Verbindlichkeit und Inhalten
wie Verkaufspreisen, Lieferbedingungen und Auflagen (Frage 7/193) sei wiederum
nicht beantwortet worden.
In ihrer Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 des Antragstellers zu 1. habe die
Bundesregierung verschwiegen, dass in der Zeit vom 26. Juni bis 30. Juli 2011 sehr
wohl deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A7 auf ihre Klima- und
Wüstentauglichkeit unter Beteiligung von Bundeswehrsoldaten getestet worden
seien, und zwar in dem Golfstaat Arabische Emirate. Mit ihrer unvollständigen
Antwort, die ausschließlich am Wortlaut der Frage orientiert sei, ignoriere die
Bundesregierung bewusst den offensichtlichen Sinn und das Ziel der Fragestellung.
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b) Die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. nach den Gründen der
Entscheidung über die Lieferung der Leopard-Panzer (PlenProt 17/119, S. 13810 D)
s e i nicht beantwortet worden, weil die Antragsgegnerin schon den Mantel des
Schweigens darüber decke, ob überhaupt ein Export genehmigt worden sei. Gleiches
gelte für beide Zusatzfragen der Antragstellerin zu 2. nach Vorkehrungen und
Vertragsbedingungen
gegen den Einsatz der Leopard-Panzer zur inneren
Repression in Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13811 A) und nach der Rolle
beschäftigungs- und industriepolitischer Gründe bei der Entscheidung (PlenProt
17/119, S. 13803 D).
Die schriftliche Anfrage 7/132 nach der Genehmigung des Verkaufs von Panzern
und Rüstungsgütern nach Algerien und den Gründen dafür sei mit dem bloßen
Hinweis auf die Geheimhaltung von Entscheidungen des Bundessicherheitsrates
überhaupt nicht beantwortet worden.
c) Die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 3. nach der Konsultation von Israel und den
USA vor der Entscheidung über den Verkauf der Panzer an Saudi-Arabien (PlenProt
17/119, S. 13804 A, B) sei wiederum im Kern allein mit der Begründung nicht
beantwortet worden, dass schon das "Ob" der Entscheidung geheim sei.
Die Antragsgegnerin habe auch nicht die Frage beantwortet, ob Entwicklungshilfe
an Saudi-Arabien nicht gewährt werden könne, weil Homosexualität dort verfolgt
werde, während Panzer geliefert werden könnten (PlenProt 17/119, S. 13814 B).
Die Antwort auf die konkret gestellte schriftliche Frage Nr. 7/174 der Antragstellerin
zu 3. nach der Begründung der Panzerlieferung an Saudi-Arabien werde mit Verweis
auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit verweigert, weil die Antragsgegnerin wiederum
schon die Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, nicht beantworten wolle.
Hinsichtlich der schriftlichen Frage Nr. 7/175 der Antragstellerin zu 3. habe die
Antragsgegnerin eine Frage beantwortet, die gar nicht gestellt worden sei, nämlich
nach "gesetzeswidrigen Zahlungen". Gefragt gewesen sei nach "nützlichen
Aufwendungen", die nicht gesetzeswidrig sein müssten und die bis 1999
steuerabzugsfähig gewesen seien. Den letzten Frageteil nach "Vermittlern,
Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Waffengeschäfts" habe
die Antragsgegnerin vollkommen ignoriert.
IV.
Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.
87
88
1. Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs in Form der
Geheimhaltungsbedürftigkeit und des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung
würden durch Art. 26 Abs. 2 GG nicht relativiert. Ob es sich bei Art. 26 Abs. 2 GG um
ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handle, sei zweifelhaft. Die
Einbindung des Bundessicherheitsrates, dessen Entscheidungen lediglich politische,
nicht aber rechtliche Verbindlichkeit zukomme, sei rechtlich unbedenklicher Ausdruck
d e r Organisationskompetenz der Antragsgegnerin. Jedenfalls begründe aber die
grundgesetzliche Sensibilität gegenüber dem Umgang mit Kriegswaffen, die in Art. 26
GG zum Ausdruck komme, keine herausgehobene Stellung des Parlaments und
damit auch keine gesteigerten Informationsrechte. Die Norm schaffe keinen
Entscheidungsverband von Parlament und Regierung, sondern weise im Gegenteil
gerade der Bundesregierung eine bedeutende Rolle zu. Der Verweis auf fehlende
gerichtliche Kontrolle und Korruptionsgefahr sei nicht ausschlaggebend, da die
Antragsgegnerin ihre Rüstungsexportpolitik einmal im Jahr im Rüstungsexportbericht
offenlege.
Die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Sitzungen des Bundessicherheitsrates gründe
in dem Schutz der Integrität der Bundesrepublik Deutschland, der Länder und des
Kabinetts in sicherheits- und verteidigungspolitischen Belangen sowie dem Schutz
der Beziehungen Deutschlands zu möglichen Empfängerländern. Ferner gehe es um
die grundsätzlich schutzwürdigen Belange anderer Staaten und um die Wahrung von
Betriebsgeheimnissen der jeweiligen Rüstungsunternehmen. Diese Gründe stünden
auch der Veröffentlichung des "Ob" einer Sitzung, von deren Ergebnissen und ihrer
B e g rü n d u n g entgegen. Insbesondere kritische Bewertungen potentieller
Empfängerländer seitens des Bundessicherheitsrates würden im Fall des
Publikwerdens regelmäßig die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik
zu diesen Ländern belasten. Außerdem könnten sie Rückschlüsse auf die
Informationsquelle zulassen und damit die schutzwürdigen Interessen Dritter
beeinträchtigen. Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin sich in ihren
Menschenrechtsberichten kritisch zur Menschenrechtslage in einzelnen Ländern
ä u ß e r e , folge nicht, dass eine öffentliche Debatte über konkrete
Exportgenehmigungsentscheidungen
die
außen-,
sicherheits-
und
verteidigungspolitischen Belange der Bundesrepublik nicht beeinträchtigen könnte.
Das
Bestreben,
im diplomatischen Kontakt auf eine Verbesserung der
Menschenrechtslage hinzuwirken, würde konterkariert, wenn die betroffenen Staaten
in öffentlicher Debatte in verletzender Weise kritisiert würden. Auch in anderen
89
90
europäischen Ländern finde keine direkte Mitwirkung der Parlamente an konkreten
Ausfuhrentscheidungen statt. Dem Bundestag stehe es frei, sich kritisch zu möglichen
Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien zu äußern und die Antragsgegnerin zu einem
entsprechenden Genehmigungsverhalten aufzufordern. Die Antragsgegnerin sei
allerdings nicht verpflichtet, hierfür die begehrten Informationen und Bewertungen
beizusteuern.
Schließlich seien gerade bei den vom Bundessicherheitsrat zu entscheidenden
besonders
sensiblen
Einzelfällen
verfassungsrechtlich
geschützte
Geschäftsgeheimnisse gefährdet, da die betroffenen Unternehmen regelmäßig schon
in einem sehr frühen Stadium der Geschäftsanbahnung eine Voranfrage stellten. In
diesem Stadium könnte ein Bekanntwerden der Geschäftsabsichten jedoch
Konkurrenten auf die Geschäftsgelegenheit hinweisen und potentiellen Gegnern die
Gelegenheit geben, frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Diese Erwägungen
hätten im Grundsatz auch für Anträge auf Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen
Geltung. Deshalb erfolgten Mitteilungen über erteilte Ausfuhrgenehmigungen auch im
Rüstungsexportbericht grundsätzlich in anonymisierter Form (Umschreibung des
ausgeführten Guts und Nennung von Wert und Empfängerland). Auch dort, wo
Gerüchte über Geschäfte kursierten oder potentielle Abnehmer ihr Erwerbsinteresse
öffentlich bekundeten, würde eine Bestätigung den Informationen den "Stempel des
Offiziellen" geben und damit in Geschäftsgeheimnisse eingreifen. Es sei auch nicht
anzunehmen, dass bereits die Überschaubarkeit des jeweiligen Marktes einer
Annahme von Geschäftsgeheimnissen entgegenstehe.
Dem Begehren der Antragsteller nach zeitnaher Information zu Entscheidungen des
Bundessicherheitsrates stehe ferner der Schutz des Kernbereichs exekutiver
Eigenverantwortung entgegen. Eine Offenbarung des Sitzungsverlaufs im
Bundessicherheitsrat komme grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt in Betracht, weil
andernfalls "einengende Vorwirkungen" wegen nachträglich zu erwartender Kontrolle
z u gewärtigen wären. Eine gerade in Sicherheitsfragen existentielle Vertraulichkeit
des Austausches unter Regierungsmitgliedern wäre dann nicht mehr gewährleistet.
Die Bundessicherheitsratsentscheidung sei dem rein regierungsinternen Bereich der
Willensbildung zuzurechnen. Bis zur Umsetzung der Entscheidungen des
Bundessicherheitsrates durch Bescheide gegenüber den antragstellenden
Unternehmen handle es sich noch um einen laufenden Vorgang. Auch nach diesem
Zeitpunkt würde eine Information des Parlaments aber zu einem unzulässigen
"Mitregieren" führen. Durch eine unmittelbar bevorstehende öffentliche Diskussion
91
92
93
entstünde erheblicher Druck auf die Mitglieder des Bundessicherheitsrates. Ihre
Entscheidungsfindung wäre beeinträchtigt, weil sie davon ausgehen müssten, sich
einerseits kurzfristig für die getroffene Entscheidung öffentlich rechtfertigen zu
müssen, sich andererseits aber aus objektiven Geheimhaltungsgründen nicht
umfassend und sachgerecht äußern zu können und der Kritik weitgehend schutzlos
ausgeliefert zu sein. Dies würde dazu führen, dass sachgerechte, aber objektiv
geheimhaltungsbedürftige Aspekte bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt
blieben. Auch in der mit einem frühen Bekanntwerden einhergehenden De-facto-
Vereitelung eines Rüstungsgeschäfts aufgrund der Information von Konkurrenten
oder des Rückzugs des potentiellen Vertragspartners liege ein unzulässiges
Mitregieren in Form eines unmittelbaren Einflusses des Parlaments auf die
Regierungsentscheidung. Eine
Veröffentlichung
nach
Maßgabe
der
Geheimschutzordnung des Bundestages könne diese Folgen nicht verhindern. In
ihrem innersten Bereich müsse die Regierung selbst dann keine parlamentarische
Beteiligung dulden, wenn das Parlament besonderen Verschwiegenheitspflichten
unterliege.
Ein Informationsanspruch des Parlaments komme nur mit zunehmendem zeitlichen
Abstand in Betracht. Die Sensibilität der Informationen nehme ebenso wie das
"Vereitelungspotential" des Parlaments kontinuierlich ab. Bezüglich des
angemessenen Zeitpunkts der Unterrichtung habe die Antragsgegnerin einen
Einschätzungsspielraum. Die Entscheidung, das Parlament über Genehmigungen
grundsätzlich erst mit dem Rüstungsexportbericht im darauf folgenden Jahr zu
unterrichten, sei weder willkürlich noch anderweitig sachwidrig. Die pauschalierte
Handhabung gewähre vielmehr den Abgeordneten wie den betroffenen Unternehmen
Rechtssicherheit. Die nachträgliche parlamentarische Kontrolle werde dadurch nicht
substantiell geschmälert, sie sei nicht auf tagesaktuelle Information angewiesen.
Da diese Handhabung zwischen Parlament und Regierung seit langem üblich sei,
habe die Darlegung der Antragsgegnerin in der Fragestunde auch den
Begründungsanforderungen genügt. Ihre Stellungnahme sei mündlich und im
Wechsel von Rede und Gegenrede erfolgt, die Anforderungen an die Substantiierung
dürften daher nicht überspannt werden.
Nur Fragen mit Realitätsbezug könnten eine Antwortpflicht der Antragsgegnerin
begründen. Zum Anstellen hypothetischer Überlegungen sei sie nicht verpflichtet, da
eine zwangsläufig fiktionale Antwort weder ein Wissensdefizit eines Abgeordneten
beseitige noch zur Kontrolle der Regierung beitrage. Die Antragsgegnerin treffe auch
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keine Pflicht zur Bewertung politisch relevanter Sachverhalte. Meinungen,
Bewertungen und subjektive Stellungnahmen müsse die Regierung nicht artikulieren,
soweit sie nicht notwendig mit der Mitteilung von Sachinformationen verbunden
seien; zumindest müsse sie sich keine Meinung bilden.
2. Die Antragsgegnerin habe danach mit den gerügten Antworten keine Rechte der
Antragsteller verletzt.
a) Hinsichtlich der vom Antragsteller zu 1. gerügten Antwort auf die schriftliche Frage
7/84 - "Test der Klima- und Wüstentauglichkeit" - sei klarstellend zu ergänzen, dass
das Verteidigungsministerium auf konkrete Nachfrage der Presse bereitwillig
mitgeteilt habe, dass Personal der Bundeswehr an einer technischen Erprobung des
Kampfpanzers Leopard 2 in den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt sei. Erst
als der Antragsteller zu 1. daraufhin die Beantwortung der Frage 7/84 als
unangemessen gerügt habe, sei der Antragsgegnerin verdeutlicht worden, dass die
Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien, welches zum damaligen Zeitpunkt
allein im Fokus der öffentlichen Debatte gestanden habe, gezielt habe. Sie habe mit
Schreiben vom 27. September 2011 dem Antragsteller zu 1. gegenüber dann die
Auskunft zu Erprobungen von Kampfpanzern in den Vereinigten Arabischen Emiraten
erteilt und gesondert darauf hingewiesen, dass diese Erprobung in keinem
Zusammenhang mit möglichen Lieferungen in das Königreich Saudi-Arabien stehe.
Die schriftliche Frage 7/193 ziele direkt auf die Aufklärung, ob eine
Exportgenehmigung erteilt worden sei. Diesbezügliche Entscheidungen dürften aus
den dargelegten Gründen geheim gehalten werden.
Soweit weitere Fragen implizit die Vorfrage nach der Genehmigung entsprechender
Exporte nach Saudi-Arabien enthielten, dürfe die Antragsgegnerin auch diese
unbeantwortet lassen. Dies gelte etwa für die Frage nach den Kosten der Panzer
(PlenProt 17/119, S. 13807). Die Antragsgegnerin könne sich darauf beschränken,
die Geheimhaltungsbedürftigkeit zu begründen. Dies sei mehrfach ausführlich getan
worden, obwohl allen Beteiligten die gebräuchliche Praxis bekannt gewesen sei. Die
Frage nach "nützlichen Aufwendungen" sei ersichtlich beantwortet worden. Die
(Nach-)Frage PlenProt 17/119, S. 13802 habe einen hypothetischen Kern und sei
konkret
nicht
sinnvoll beantwortbar.
Angesichts
des
von
den
Rüstungsexportrichtlinien eröffneten Beurteilungsspielraums und des komplexen
Abwägungsprozesses im Einzelfall lasse sie sich nur auf die erfolgte allgemeine
Weise beantworten.
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101
Die schriftliche Frage 7/84 zum Test der Klima- und Wüstentauglichkeit sei
vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet worden. Die Antragsgegnerin habe
nicht etwa eine erkennbare Intention der Frage ignoriert. Wenn sie Fragen zum
Anlass nehmen müsste, beliebige Informationen zusammenzutragen, die für den
Abgeordneten womöglich gleichfalls von Interesse sein könnten, würde der
Antragsgegnerin eine "kurze" (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 1) Beantwortung von Fragen
unmöglich gemacht. Sobald deutlich geworden sei, dass der Antragsteller die Frage
nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien beschränkt verstanden wissen wollte, seien
ihm unverzüglich weitere Informationen mitgeteilt worden.
b) Die Fragen PlenProt 17/119, S. 13811 ("Lieferung") und S. 13803 f.
("beschäftigungspolitische Gründe") zielten direkt auf die Aufklärung, ob eine
Genehmigung erfolgt sei, und hätten daher nicht beantwortet werden müssen. Eine
Begründung hierfür sei während der Debatte mehrfach gegeben worden und habe
nicht wiederholt werden müssen. Gleiches gelte für die auf Aufklärung zielende Frage
7/132, ob eine Genehmigung eines Exports nach Algerien erfolgt sei. Auch auf die
Frage PlenProt 17/119, S. 13811 zu Bemühungen, einen Missbrauch von Panzern zu
verhindern, hätte nur eingegangen werden können, wenn zur Frage der
Genehmigung Stellung bezogen worden wäre.
c) Die Frage PlenProt 17/119, S. 13804 ("Zustimmung Israel/USA") ziele unmittelbar
auf den Vorbereitungsprozess einer Genehmigung, der ebenfalls Bestandteil des
Geheimnisschutzes sei. Bei der Frage PlenProt 17/119, S. 13814
("Entwicklungshilfe/Homosexualität") handle es sich um eine hypothetische Frage, für
welche keine Antwortpflicht bestanden habe. Die schriftliche Frage 7/174 ziele direkt
auf Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei; diesbezügliche Entscheidungen
dürften (vorerst) geheim gehalten werden. Die Frage 7/175 zu "nützlichen
Aufwendungen" sei beantwortet worden. Da "nützliche Aufwendungen" seit 1999
nicht mehr steuerlich abzugsfähig seien, verstehe sich die Frage als Frage nach
rechtswidrigen Mitteln. Überdies ziele sie auch darauf, ob überhaupt eine
Genehmigung erfolgt sei, und habe deshalb nicht beantwortet werden müssen.
3. Zur Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates führte die
Antragsgegnerin auf Anfrage ergänzend aus, der Bundessicherheitsrat lasse die
verfassungsrechtlichen Entscheidungsbefugnisse des Art. 65 GG unberührt.
Rechtlich seien seine Entscheidungen als Empfehlungen zu verstehen, auch wenn
sie faktisch häufig als maßgebliche Richtschnur behandelt würden. Der Ausschuss
unterstütze den zuständigen Bundesminister, indem er ihm vermittle, ob dessen
102
Entscheidung politisch mitgetragen werde. Beschlüsse des Bundessicherheitsrates
über
Genehmigungen
nach
dem Kriegswaffenkontrollgesetz,
dem
Außenwirtschaftsgesetz
und
der Außenwirtschaftsverordnung würden den
zuständigen Genehmigungsbehörden mittels eines Ergebnisprotokolls der Sitzung
des Bundessicherheitsrates mitgeteilt. Die Genehmigungsbehörden setzten die
Beschlüsse, an welche sie politisch, aber nicht rechtlich gebunden seien,
anschließend um. Nach der Befassung des Bundessicherheitsrates werde keine
zusätzliche Kabinettsentscheidung herbeigeführt. Dies gelte auch für
Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und Ausfuhrgenehmigungen
nach dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung.
Antworten auf Voranfragen wegen der beabsichtigten Ausfuhr von Kriegswaffen
komme keine rechtliche Bindungswirkung für die spätere Entscheidung über einen
Genehmigungsantrag zu. Es handele sich vielmehr um eine schlichte Auskunft, ob
das geplante Vorhaben nach der zur Zeit der Beantwortung bestehenden Sachlage
g ru n d sä tzl i ch genehmigungsfähig
sei.
Rechtlich
verpflichtet
sei
der
Bundessicherheitsrat
aber
auch
bei unveränderter Sachlage nicht, die
Genehmigungsfähigkeit bei einer Genehmigungsentscheidung über den Export von
Kriegswaffen genauso zu beurteilen wie bei einer vorangegangenen Voranfrage.
Dies gelte auch bei einer grundlegend neuen politischen Bewertung durch den
Bundessicherheitsrat, da diese regelmäßig auf einer Änderung der außen- und
sicherheitspolitischen Gesamtlage beruhe und daher als Änderung der Sachlage
anzusehen sei.
V.
Als sachkundige Dritte haben der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und
Verteidigungsindustrie e.V. und die Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG
schriftlich Stellung genommen. Diese haben ausgeführt, dass Voranfragen zur
Genehmigungsfähigkeit regelmäßig bereits in einer frühen Phase der Anbahnung
eines Rüstungsexportgeschäfts gestellt würden. Bei positiver Bescheidung schließe
sich eine Akquisitionsphase an, die Monate oder auch Jahre andauern könne und
oftmals sehr kostenträchtig sei. So beliefen sich allein die Kosten für die Vorführung
eines Kampfpanzers vom Typ Leopard 2 im Ausland typischerweise auf über zwei
Millionen Euro. Die potentiellen Vertragspartner, bei denen es sich zumeist um
Staaten handele, bestünden regelmäßig darauf, dass ihr Interesse an Rüstungsgütern
vertraulich behandelt werde. Erst recht werde Vertraulichkeit hinsichtlich der Details
d e r Vertragsverhandlungen erwartet. Auch die sodann abgeschlossenen
103
104
105
Kaufverträge
enthielten nahezu ausnahmslos Vertraulichkeitsvereinbarungen
hinsichtlich des Vertrages und seines Inhaltes. Durch eine frühzeitige Information der
Öffentlichkeit über schwebende Vertragsverhandlungen würden derartige Geschäfte
praktisch vereitelt. Dies gelte insbesondere im Falle einer Offenlegung gestellter oder
beschiedener Voranfragen gegenüber dem Parlament, zumal in diesem Stadium der
entsprechende Kaufvertrag im Regelfall noch nicht geschlossen sei.
VI.
In der mündlichen Verhandlung hat der Bundesminister des Innern für die
Bundesregierung
Stellung
genommen
und
die
Verfahrensabläufe
im
Bundessicherheitsrat erläutert. Ergänzend hat er mitgeteilt, dass die Bundesregierung
beabsichtige,
Parlament und
Öffentlichkeit
künftig
zeitnäher
über
Genehmigungsentscheidungen zu informieren. Der Rüstungsexportbericht solle
jeweils vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause statt zum Ende des
Folgejahres erscheinen. Zudem werde es einen Zwischenbericht für das erste
Halbjahr des laufenden Jahres im jeweiligen Herbst geben. Über abschließende
Genehmigungen des Bundessicherheitsrates werde der Bundestag künftig
unverzüglich, spätestens zwei Wochen nach der Tagung des Bundessicherheitsrates
schriftlich informiert.
B.
Die Anträge des Antragstellers zu 1. sind hinsichtlich der Zusatzfrage (PlenProt
17/119, S. 13802 D) und der dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 A)
teilweise und hinsichtlich der weiteren Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C)
sowie der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28)
vollumfänglich zulässig. Die Anträge der Antragstellerin zu 2. sind insgesamt
zulässig, die der Antragstellerin zu 3. hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/175 vom
14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) teilweise und hinsichtlich der beiden
Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B und PlenProt 17/119, S. 13814 B)
sowie der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26)
vollumfänglich zulässig. Im Übrigen sind die Anträge unzulässig.
I.
1. Die Parteifähigkeit der Antragsteller als Abgeordnete des Deutschen
Bundestages folgt aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dem Abgeordneten kommt gemäß
Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein eigener verfassungsrechtlicher Status zu, der im
106
107
108
Organstreitverfahren gegenüber anderen Verfassungsorganen verteidigt werden kann
(BVerfGE 108, 251 <270>; 124, 161 <184>; stRspr).
2. Die Anträge beziehen sich auf taugliche Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1
BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine Maßnahme
als auch ein Unterlassen sein. Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den
gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der
Verweigerung einer hinreichenden Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer
pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht hinreichenden Beantwortung der
jeweiligen
Anfrage
handelt.
Die
Antwortverweigerung,
die
schlichte
Nichtbeantwortung und die nicht hinreichende Beantwortung der Anfragen der
Antragsteller können diese konkret in ihrem jeweiligen Rechtskreis aus Art. 38 Abs. 1
Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG betreffen. Somit sind die
Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>;
103, 81 <86>; 104, 310 <324>).
3. Die Anträge der Antragstellerin zu 3. sind berichtigend dahin auszulegen, dass
Antragsgegenstand unter anderem die Nichtbeantwortung beziehungsweise
unzureichende Beantwortung der unter Sitzungsprotokoll S. 13814 anstatt "S. 13841"
protokollierten Nachfrage und der schriftlichen Frage 175 anstatt "715" sind. Die
offensichtliche Unrichtigkeit der Bezeichnungen ergibt sich aus der
Antragsbegründung.
II.
1. Die Antragsteller sind hinsichtlich des überwiegenden Teils der
Antragsgegenstände antragsbefugt. Sie beanstanden eine Reaktion der
Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen und berufen sich
auf Rechte, die sich unmittelbar aus dem Grundgesetz selbst ergeben. Ein die
Antragsteller einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes
Verfassungsrechtsverhältnis (vgl. etwa BVerfGE 1, 208 <221>; 84, 290 <297>; 124,
161 <185>) liegt vor. Das - fristgerecht eingeleitete - Organstreitverfahren betrifft die
Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG
abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der grundsätzlichen Verpflichtung
der Bundesregierung, auf dessen Fragen Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE
124, 161 <185> m.w.N.). Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass
das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragsteller,
die aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten
erwachsen, verletzt (vgl. BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>). Es erscheint
109
110
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112
möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten einen Informationsanspruch
der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG
i n unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragsteller haben hinreichend dargelegt,
dass sie durch das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin in Rechten verletzt
sein können, die ihnen durch das Grundgesetz übertragen worden sind. Eine
Verletzung der Rechte der Antragsteller scheidet insbesondere nicht deswegen von
vornherein aus, weil die Bundesregierung deren Auskunftsansprüche bereits durch
die regelmäßige Veröffentlichung von Rüstungsexportberichten erfüllt. Ob und
inwieweit
diese
ausreichen,
um
das berechtigte
parlamentarische
Informationsinteresse zu befriedigen, bedarf vielmehr der Prüfung im Einzelnen
(siehe hierzu Rn. 203 ff.).
a) Hinsichtlich der Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D zu
der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien könnte die Antragsgegnerin
Informationsrechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben, wenn sie unzutreffende
Beschränkungen ihrer Antwortpflicht aufgrund des Ressortprinzips angenommen
hätte.
Hinsichtlich der Teilfrage der dringlichen Frage des Antragstellers zu 1. nach
PlenProt 17/119, S. 13807 A in Bezug auf Vermittler, Unterstützer und Nutznießer des
Panzergeschäfts mit Saudi-Arabien könnte sich eine Rechtsverletzung aus der
Verweigerung einer Sachantwort unter Verkennung der Reichweite des
parlamentarischen Informationsanspruchs oder aus einer unzureichenden
Begründung der Antwortverweigerung ergeben.
Hinsichtlich der Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119,
S. 13807 B, C zum Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis der Panzer in
Deutschland und in Saudi-Arabien liegt eine mögliche Rechtsverletzung zwar nicht
darin, dass auf die "implizite Vorfrage" nach der Genehmigung eines Panzerexports
nicht unmittelbar eingegangen wurde. Eine Antwortplicht kommt nur hinsichtlich
tatsächlich gestellter Fragen in Betracht. Eine Rechtsverletzung könnte sich aber
durch das möglicherweise nicht gerechtfertigte oder nicht hinreichend begründete
Unterlassen einer Sachantwort auf die Frage nach dem Unterschiedsbetrag
hinsichtlich der Kaufpreise ergeben.
Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011
(BTDrucks 17/6658, S. 28) besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung wegen
Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs. Die
113
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115
116
117
Frage, welche Angaben die Antragsgegnerin zu getroffenen Entscheidungen
bezüglich der Lieferung von 200 Panzern "LEO" nach Saudi-Arabien macht, richtete
sich nach ihrem Zusammenhang auch auf Einzelheiten des konkreten Geschäfts.
Dies folgt auch aus der Teilfrage, wie die Antragsgegnerin diese Entscheidungen
rechtfertige. Die so verstandene Frage hat die Antragsgegnerin nicht beantwortet.
b) Gleiches gilt für die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119,
S.13810 D) danach, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe
die Antragsgegnerin für die Genehmigung der Panzerlieferungen anführe und wie sie
deren Vereinbarkeit mit einzelnen Kriterien des EU-Kodexes für Waffenausfuhren
bewerte, sowie für ihre Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A) danach, wie die
Antragsgegnerin ausschließe, dass die für Saudi-Arabien genehmigten
Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt würden.
In Bezug auf die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13803 D, ob ausgeschlossen
werden könne, dass bei der Entscheidung beschäftigungs- oder
industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt hätten, ist die Antragstellerin zu 2.
ebenfalls antragsbefugt. Die Antragsgegnerin gibt zwar an, dass solche Gründe
nachrangig eine Rolle spielen könnten. Sie macht jedoch keine Angaben zum
konkreten Geschäft und verletzt damit möglicherweise unter Verkennung der
Reichweite des Auskunftsrechts der Abgeordneten Rechte der Antragstellerin zu 2.
Antragsbefugt ist die Antragstellerin zu 2. auch hinsichtlich der schriftlichen Frage
7/132 (BTDrucks 17/6658, S. 24) danach, wann die Antragsgegnerin den Verkauf
bestimmter Rüstungsgüter nach Algerien genehmigt habe und welche besonderen
außen- und sicherheitspolitischen Gründe sie für die Genehmigung anführe. Die
Frage zielte mit der Formulierung "besonderen ... Gründe" ersichtlich auf den
Einzelfall. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu den allgemein bei der
Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien zu berücksichtigenden Aspekten
beantworten diese Frage nicht.
c) Die Antragstellerin zu 3. ist hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S.
13804 A, B antragsbefugt. Die Frage, ob es stimme, dass die Zustimmung Israels und
der USA eingeholt und erteilt worden sei, wurde - möglicherweise unter Verkennung
des Auskunftsrechts - in der Sache nicht beantwortet. Auf diese Teilfrage beschränkt
sich die Rüge der Antragstellerin zu 3. Die Teilfrage nach der universellen Gültigkeit
von Menschenrechten ist nicht Streitgegenstand.
Die Antragsbefugnis besteht auch hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt
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122
17/119, S. 13814 B. Mit dieser Frage wollte die Antragstellerin zu 3. ersichtlich einen
Widerspruch in der Haltung der Antragsgegnerin in den Bereichen Entwicklungshilfe
und Rüstungsexporte nachweisen. Eine Rechtsverletzung kann darin liegen, dass für
e i n e vollständige Sachantwort möglicherweise eine Gegenüberstellung der
jeweiligen Kriterien erforderlich gewesen wäre.
Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S.
26) ist die Antragstellerin zu 3. ebenfalls antragsbefugt. Die Frage bezieht sich auf die
Begründung der getroffenen Entscheidungen über die Lieferung von Panzern. Da
konkret nach "getroffenen" Entscheidungen gefragt war, beantworten die allgemeinen
Ausführungen der Antragsgegnerin zu Entscheidungen auf Grundlage der Richtlinien
und zur besonderen Bedeutung der Menschenrechte die Frage nicht vollständig. Die
Antragsgegnerin hat eine Stellungnahme zum konkreten Geschäft unter Hinweis auf
d i e Geheimhaltungsbedürftigkeit abgelehnt und damit möglicherweise unter
Verkennung des Auskunftsrechts Rechte der Antragstellerin zu 3. verletzt.
Auch die Teilfrage der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks
17/6658, S. 27) nach Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und
Nutznießern des Geschäfts wurde nicht beantwortet.
2. Hinsichtlich einzelner vom Antragsteller zu 1. und der Antragstellerin zu 3.
gestellter Fragen fehlt es an der Antragsbefugnis, weil eine Rechtsverletzung von
vornherein ausgeschlossen werden kann.
a) Dem Antragsteller zu 1. fehlt es hinsichtlich einer Teilfrage der Zusatzfrage nach
PlenProt 17/119, S. 13802 D, einer Teilfrage der dringlichen Frage nach PlenProt
17/119, S. 13807 A, der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D und der
schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011 an der Antragsbefugnis. Insoweit kann
ausgeschlossen werden, dass das Antwortverhalten der Antragsgegnerin eigene
Rechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben könnte.
Soweit die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D darauf gerichtet war, ob
bei der geschilderten Menschenrechtslage in Saudi-Arabien nach den Richtlinien für
Rüstungsexporte Genehmigungen nicht in Betracht kämen, ist sie hinreichend
beantwortet worden. Die Antragsgegnerin hat angegeben, dass die
Menschenrechtslage im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen sei.
Damit hat sie den Standpunkt zum Ausdruck gebracht, dass die Menschenrechtslage
als solche eine Genehmigung nicht in jedem Fall ausschließt.
Soweit sich die dringliche Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A auf "nützliche
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125
Soweit sich die dringliche Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A auf "nützliche
Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts bezog, ist sie mit der
Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete
gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden. Es ist
insbesondere nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Frage zu eng auslegt,
wenn sie "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" versteht. Das
Verständnis
"nützlicher Aufwendungen" als Bestechungsgelder und damit
gesetzeswidrige Zahlungen (§§ 331 ff. StGB) steht nicht in Widerspruch zum
allgemeinen Sprachgebrauch. Auch der Antragsteller zu 1. selbst gebraucht den
Begriff in diesem Sinne, etwa in der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C
("sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder").
Auch die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D danach, ob die
Antragsgegnerin bereit sei, über die Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben,
oder ob die Antwort weiter in verfassungswidriger Weise verweigert werde, wurde
beantwortet. Mit ihrer Antwort hat die Antragsgegnerin klar zum Ausdruck gebracht,
dass sie nicht bereit sei, über Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, und den
Vorwurf
der Verfassungswidrigkeit zurückgewiesen. Die Argumentation des
Antragstellers zu 1., er habe "ersichtlich" Einzelheiten über den Waffenexport zu
erfahren versucht und insoweit keine Antwort erhalten, macht die Möglichkeit einer
Rechtsverletzung nicht plausibel. Die Frage lässt sich in dem von der
Antragsgegnerin zugrunde gelegten Sinn verstehen. Wollte der Antragsteller zu 1. sie
nicht so verstanden wissen, so hätte es ihm oblegen, sie von vornherein anders zu
formulieren oder ihren Sinn durch eine entsprechende Nachfrage klarzustellen.
Entsprechendes gilt hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011,
inwieweit es zutreffe, dass die Bundeswehr Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien
schicken und dort testen wolle, und wie dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem
o ffe n b a r genehmigten Verkauf stehe. Die Korrektheit der Antwort der
Antragsgegnerin, dass Leopard-Panzer weder von der Bundeswehr selbst noch
durch Beauftragte in Saudi-Arabien getestet würden, zieht der Antragsteller zu 1. nicht
in Zweifel. Er rügt vielmehr, die Antragsgegnerin habe Tests in den Arabischen
Emiraten verschwiegen und damit bewusst das offensichtliche Ziel der Fragestellung
ignoriert. Dass die Antragsgegnerin die Frage pflichtwidrig zu eng ausgelegt hätte, ist
jedoch nicht ersichtlich. Vom Fragesteller kann eine sorgfältige Formulierung seiner
Fragen erwartet werden. Daher ist bei der Auslegung einer parlamentarischen
Anfrage zunächst vom Wortlaut und dem Zusammenhang auszugehen, in den die
Frage ausdrücklich gestellt ist (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>). Wo allerdings
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Ungenauigkeiten bei der Formulierung der Frage erkennbar aus einem
Informationsdefizit des Fragestellers resultieren, ist bei der Beantwortung dem
dahinter stehenden Informationsbedürfnis so weit wie möglich Rechnung zu tragen.
Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Frage ihrem Wortlaut entsprechend
beantwortet, ohne dabei ein erkennbares Informationsbedürfnis des Fragestellers
außer Acht zu lassen. Zwar könnte die Bezugnahme auf nur gerüchteweise bekannte
Äußerungen bei einer bestimmten Veranstaltung auf ein Informationsdefizit des
Antragstellers zu 1. hinweisen, welches für eine großzügigere Auslegung der Frage
hätte sprechen können. Da die Frage aber im Kontext der Diskussion über Lieferung
von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien erfolgt ist und der Test des Leopard-
Panzers in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach dem unwidersprochenen
Vorbringen der Antragsgegnerin mit einem solchen etwaigen Rüstungsgeschäft nicht
in Zusammenhang stand, bestand für die Antragsgegnerin kein hinreichender Anlass,
die Frage über den Wortlaut hinaus zu verstehen.
b) Der Antragstellerin zu 3. fehlt die Antragsbefugnis im Hinblick auf ihre schriftliche
Frage 7/175 (BTDrucks 17/6658, S. 27), soweit sie sich darin nach "nützliche[n]
Aufwendungen" erkundigt. Mit der Angabe der Antragsgegnerin, es lägen ihr keine
Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, ist die Frage
hinreichend beantwortet worden. Auch hier durfte die Antragsgegnerin "nützliche
Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" verstehen.
III.
Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller in Bezug auf die Fragen zu
Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien besteht fort. Es wird insbesondere nicht
dadurch beseitigt, dass die Antragsgegnerin angekündigt hat, ihre Berichtspraxis zu
ändern
und den Deutschen Bundestag binnen zwei Wochen über
Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, denn die
Antragsgegnerin stellt die streitige Verpflichtung zur Beantwortung von Anfragen zu
Entscheidungen des Bundessicherheitsrates im hiesigen Verfahren weiterhin in
Abrede. Außerdem betrifft die beabsichtigte zeitnahe Information des Deutschen
Bundestages nur erteilte Genehmigungen und nicht auch Entscheidungen des
Bundessicherheitsrates über Voranfragen.
Die Antragsteller haben ein objektives Interesse an der Klärung der Reichweite des
aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden
Fragerechts des Abgeordneten und der Antwortpflicht der Bundesregierung (vgl. zum
Klarstellungsinteresse BVerfGE 121, 135 <152>; 131, 152 <194>; Beschluss des
130
131
129
Zweiten Senats vom 6. Mai 2014 - 2 BvE 3/12 -, juris, Rn. 6). Auch der
zwischenzeitliche Ablauf der Legislaturperiode lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht
entfallen, da die Antragsteller weiterhin Mitglieder des Deutschen Bundestages sind
(vgl. BVerfGE 87, 207 <209>).
C.
Die Anträge sind - soweit zulässig - teilweise begründet.
I.
1. Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und
Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an
dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von
Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des
Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der
Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; stRspr). Aus dem
Frage- und Interpellationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der
Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede
und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen
und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen,
dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen
Informationen
auf
rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die
Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die
Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit innerhalb des Parlaments (vgl. zum
Ganzen BVerfGE 13, 123 <125>; 57, 1 <5>; 105, 252 <270>; 105, 279 <306>; 124,
161 <187 ff.>).
Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des
Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung
verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein
t r a g e n d e s Funktions-
und
Organisationsprinzip
darstellt.
Der
Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der
Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf die politische Machtverteilung, das
Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige
Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl.
BVerfGE 3, 225 <247>; 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95,
1 <15>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal
132
wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive
zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung,
eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch
tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann
das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher
kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu,
soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer
Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100
<130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>).
Die Kontrollfunktion ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden
Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG
gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die
Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch
besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der
Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf
die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf
den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden
(vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>). Dieser
Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer
durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als
Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit
der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss
auf die Politik der Regierung hergestellt. Das "Ausgehen der Staatsgewalt" vom Volk
muss für das Volk wie auch die Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch
wirksam sein. Es muss ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation
erreicht werden, ein bestimmtes Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93,
37 <67>; 107, 59 <87>; 130, 76 <124>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann
den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen ihren Ebenen
demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl
legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der
Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der
Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende
sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche
Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie
trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen
lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung
133
134
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136
137
an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet
Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der
Volksvertretung (BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>).
Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen
Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen
Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (vgl. BVerfGE 130,
76 <128>).
2. Der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten
besteht gleichwohl nicht grenzenlos.
a) Er kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die
Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit
der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (BVerfGE 124, 161
<189>).
b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen
Abgeordneten auch durch das Gewaltenteilungsprinzip (siehe Rn. 131). In seiner
grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen
gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2
GG) dient dieses Prinzip zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher
Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern
öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (BVerfGE
124, 78 <120>). Das Grundgesetz fordert keine absolute Trennung, sondern
gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten (BVerfGE 95, 1
<15>). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander
verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben
und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das
Gewaltenteilungsprinzip
ist
damit
zugleich
Grund
und Grenze
des
Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung. Je weiter ein
parlamentarisches Informationsbegehren in den inneren Bereich der Willensbildung
der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss es sein, um sich gegen ein von der
Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können
(vgl. BVerfGE 110, 199 <222>; 124, 78 <122 f.>).
aa) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt
notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der
einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich
138
139
einschließt. Dazu gehört zum Beispiel die Willensbildung der Regierung selbst,
sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von
K a b i n e t t s - und
Ressortentscheidungen,
die
sich
vornehmlich
in
ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (BVerfGE 67,
100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>). Bei dem einer
konkreten
Positionierung vorgelagerten
Willensbildungsprozess
der
Bundesregierung handelt es sich um einen von verschiedenen innen- und
außenpolitischen sowie innerorganschaftlichen Belangen, Erwägungen und
Entwicklungen abhängigen Vorgang, der den Bereich der Bundesregierung noch
nicht verlässt und über den der Bundestag von Verfassungs wegen grundsätzlich
(noch) nicht zu informieren ist (vgl. BVerfGE 131, 152 <206>). Eine Pflicht der
Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht
danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei
Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen
(BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <120 f.>). Diese Gefahr besteht bei Informationen
a u s dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig,
solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78
<122>). So könnte ein so wesentlicher Teil einer politischen Entscheidung wie die
Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem sie fallen soll, der Regierung weitgehend aus
der Hand genommen werden, wenn das Parlament schon vor diesem Zeitpunkt auf
den Stand der Entscheidungsvorbereitung innerhalb der Regierung zugreifen könnte
(vgl. BVerfGE 110, 199 <214 f.>).
Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich demnach grundsätzlich nur
auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende
Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100
<139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip
folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver
Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen
unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern
wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>).
bb) Die Rüstungsexportkontrolle ist nicht wegen der außenpolitischen Bedeutung
dieses Teilbereichs des Regierungshandelns von vornherein jeglicher
parlamentarischen Kontrolle entzogen. Im Bereich der auswärtigen Politik hat das
Grundgesetz in Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung der Regierung aber
einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung
140
141
überlassen. Die Rolle des Parlaments als Gesetzgebungsorgan ist schon aus
Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (BVerfGE 104, 151
<207>; vgl. auch schon BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <87>). Eine erweiternde
Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages würde
die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung
ungerechtfertigt beschneiden und auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der
Staatsgewalt hinauslaufen (BVerfGE 104, 151 <207>).
Dies bedeutet aber nicht, dass wesentliche Entscheidungen am Bundestag vorbei
getroffen werden könnten. Auch die der Bundesregierung anvertraute auswärtige
Gewalt steht keineswegs außerhalb parlamentarischer Kontrolle. Dem Bundestag,
d e r Entscheidungen der Exekutive in auswärtigen Angelegenheiten missbilligt,
v e rb l e i b e n jedoch auch in diesem Bereich seine parlamentarischen
Kontrollbefugnisse (vgl. BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <89, 109>; 90, 286 <364>; 104,
151 <207>). Er kann sein Frage-, Debatten- und Entschließungsrecht ausüben, seine
Kontroll-
und Haushaltsbefugnisse wahrnehmen und dadurch auf die
Entscheidungen der Regierung einwirken oder durch Wahl eines neuen
Bundeskanzlers die Regierung stürzen (BVerfGE 68, 1 <109 f.>).
Entsprechendes gilt für den Bereich der Rüstungsexportkontrolle. Zwar weist Art. 26
Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung die Zuständigkeit für die Genehmigung von
Kriegswaffenexporten zu. Hierdurch wird die Erfüllung dieser Aufgabe der Kontrolle
durch das Parlament aber nicht von vornherein entzogen (so aber Glawe, DVBl 2012,
S. 329 <335>). Vielmehr ist zwischen parlamentarischer Mitwirkung einerseits und
parlamentarischer Kontrolle andererseits zu unterscheiden. Eine Mitwirkung des
Parlaments bei der Ausübung von Staatsfunktionen kommt nur dort in Betracht, wo
sie durch das Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Die Gewaltenteilung darf
nicht unter Berufung auf das Demokratieprinzip durch Einräumung parlamentarischer
Mitentscheidungsbefugnisse unterlaufen, die grundgesetzliche Kompetenzordnung
nicht durch die Konstruktion eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts überlagert
werden (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>). Daraus ist aber keine Einschränkung der
parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung zu folgern. In der Ausübung
parlamentarischer
Kontrolle liegt kein verfassungswidriger Einbruch in den
Gestaltungsbereich der Exekutive. Sie kommt auch dort zum Tragen, wo das
Grundgesetz eine ausschließliche Zuständigkeit der Regierung begründet. Unter dem
Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns tritt die
parlamentarische Kontrolle an die Stelle der in dem Bereich ausschließlicher
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Zuständigkeit der Regierung fehlenden sachlich-inhaltlichen Mitwirkungsrechte des
Parlaments. Die Zuständigkeitszuweisung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG schafft somit
für sich genommen keinen der parlamentarischen Verantwortung grundsätzlich
entzogenen Raum gubernativen Entscheidens.
cc) Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen dem
Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.
(1) Der Bundesregierung steht es auch ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche
Ermächtigung im Rahmen ihrer Organisationsgewalt zu, Kabinettsausschüsse
einzurichten, die gegenüber dem Regierungskollegium eine vorbereitende und
beratende Funktion ohne eigenes Entscheidungsrecht ausüben (Busse, DVBl 1993,
S. 413 <414>; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2.
Aufl. 1998, S. 246; Detterbeck, in: Isensee/P. Kirchhof, HStR III, 3. Aufl. 2005, § 66 Rn.
63; Schröder, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 65 Rn. 37;
Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 65 Rn. 6). Soweit ein solcher
Ausschuss
Entscheidungen
des
Kabinetts vorbereitet, unterfallen die
Ausschussberatungen und -ergebnisse grundsätzlich in demselben Umfang dem
Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung wie eigene Vorbereitungshandlungen
des Regierungskollegiums.
Nach der derzeitigen Staatspraxis bereitet der Bundessicherheitsrat
Entscheidungen des Kabinetts allerdings nicht vor, sondern wird an seiner Stelle
tätig. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin zufolge wird nach der Befassung des
Bundessicherheitsrates keine Kabinettsentscheidung mehr herbeigeführt (so auch
Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <476>). Folglich können sich die Beschlüsse des
Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz,
d e m Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung allein an den
jeweils zuständigen Fachminister richten, im Bereich der Kriegswaffen also an den
Minister, dem nach § 11 Abs. 2 und 3 KWKG in Verbindung mit § 1 der Ersten
Durchführungsverordnung zum KWKG die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf
der Genehmigung für seinen Geschäftsbereich übertragen ist. Dieser Fachminister
erteilt die Genehmigung gegenüber dem Antrag stellenden Unternehmen durch
entsprechenden Bescheid.
Allerdings dürfen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zur Kriegführung bestimmte Waffen
nur mit Genehmigung "der Bundesregierung" hergestellt, befördert und in Verkehr
gebracht werden. Das Grundgesetz unterscheidet zwischen Befugnissen und
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148
Zuständigkeiten der Bundesregierung und solchen einzelner Bundesminister (vgl. die
Auflistung in BVerfGE 132, 1 <21>). Die Bundesregierung ist ein Kollegialorgan, das
nach Art. 62 GG aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern besteht. Bei
Regelungen des Grundgesetzes, die eine Entscheidungszuständigkeit der
Bundesregierung vorsehen, ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass es
eines Beschlusses des gesamten Kabinetts bedarf (BVerfGE 91, 148 <166>; 115, 118
<149>; 132, 1 <21>). Ausnahmsweise können unter dem Begriff der Bundesregierung
jedoch auch die jeweils ressortzuständigen Minister verstanden werden, wenn Sinn
und Zweck der jeweiligen Regelung eine solche Auslegung gebieten (BVerfGE 26,
338 <396>). So wird etwa zu der Regelung in Art. 86 GG betreffend die bundeseigene
Verwaltung die Ansicht vertreten, dass mangels Betroffenheit der Länder (auch) der
jeweilige Fachminister für seinen Bereich Verwaltungsvorschriften und Regelungen
über die Einrichtung der Behörden erlassen kann (BVerwGE 36, 327 <333>; Hermes,
in: Dreier, GG, Bd. III, 2. Aufl. 2008, Art. 86 Rn. 52; Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, Mai
2008, Art. 86 Rn. 135; Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010,
Art. 86 Rn. 67).
In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG
keine Entscheidung des Kabinetts verlange (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz,
2. Aufl. 1994, § 11 Rn. 2; Frank, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 26 Rn. 47; Hernekamp,
in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29) oder
dass Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG eine Delegationsbefugnis beinhalte (Bieneck,
Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 41 Rn. 4).
Überwiegend wird jedoch davon ausgegangen, dass die Delegation der
Genehmigungserteilung auf einzelne Minister mit Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht
vereinbar und § 11 Abs. 2 KWKG aus diesem Grunde verfassungswidrig sei (Epping,
Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 210?ff.; Hartwig, in: Umbach/
Clemens, Bd. 1, 2002, Art. 26 Rn. 40; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, März 2014,
Art. 26 Rn. 56; Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 28; Fink, in: v.
Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 76; Hillgruber, in: Schmidt-
Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 12; Schmahl, in: Sodan,
GG, 2. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 13; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 46;
Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18; Jarass, in:
Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 10).
(2) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Bundesregierung zur
Einrichtung
des
Bundessicherheitsrates
und
zur
Übertragung
der
149
Entscheidungsbefugnis über Kriegswaffenexportanträge auf diesen oder auf einzelne
Bundesminister berechtigt ist. Denn im Rechtsverhältnis zum Deutschen Bundestag
und seinen Mitgliedern sind die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2
Satz 1 GG der Bundesregierung zuzuordnen und durch diese unmittelbar gegenüber
dem Parlament und mittelbar gegenüber dem Volk zu verantworten, gleich ob sie
durch das Kabinett, durch einen von diesem eingesetzten Ausschuss oder durch
einen einzelnen Minister getroffen werden. Genauso wenig, wie die Bundesregierung
sich durch eine Delegation der ihr durch das Grundgesetz zugewiesenen
Entscheidungsbefugnisse ihrer Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen
entledigen kann, führt eine solche Delegation - gleich ob zulässig oder unzulässig -
dazu, dass die Entscheidung des Ministers und die darauf bezogene Willensbildung
im Bundessicherheitsrat den Charakter des Regierungshandelns verlören und dem
Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung entzogen wären. Ein möglicher Verstoß
gegen ein aus der Verfassung abzuleitendes Delegationsverbot änderte nichts daran,
dass die Willensbildung im Bundessicherheitsrat im System der Gewaltenteilung der
R e g i e r u n g zuzuordnen
ist,
zumal
in
diesem
Unterausschuss
des
Regierungskollegiums allein Regierungsmitglieder stimmberechtigt sind. Der aus
dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den
Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung würde durch einen solchen Verstoß
nicht entbehrlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung, die
den Bundessicherheitsrat durch einen Kabinettsbeschluss eingerichtet hat, dieses
Gremium jederzeit durch entsprechenden Beschluss auflösen oder einzelne
Beratungen "an sich ziehen" könnte.
Der Teilnahme des Bundessicherheitsrates am Kernbereichsschutz steht nicht
entgegen, dass an dessen Sitzungen neben Regierungsmitgliedern auch der Chef
d e s Bundeskanzleramtes, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des
Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung,
d i e Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und
Rüstungskontrolle sowie bei Bedarf weitere Dritte teilnehmen können. Hierdurch
verliert das Gremium nicht den direkten Bezug zu der Willensbildung innerhalb der
Bundesregierung, der die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1
GG vorbehalten sind. Soweit der Senat für die sogenannte Präsidentenrunde
entschieden hat, dass diese an dem Schutz des Kernbereichs exekutiver
Eigenverantwortung nicht im gleichen Umfang teilnimmt wie das Kabinett
(BVerfGE 124, 78 <137>), ist diese Entscheidung auf den Bundessicherheitsrat nicht
übertragbar. Die Funktion der Präsidentenrunde besteht lediglich im Austausch von
150
Informationen, der Beratung sowie in der Vorbereitung einer Entscheidungsfindung in
den zuständigen Ressorts in Fragen der äußeren und inneren Sicherheit. Weder
handelt es sich um ein Entscheidungsgremium, noch dienen die Beratungen der
Präsidentenrunde notwendiger- oder auch nur typischerweise der unmittelbaren
Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen (BVerfG, a.a.O.). Erst recht treten sie nicht
faktisch an deren Stelle.
c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages bildet das
Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden
geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67,
1 0 0 <134 ff.>; 124, 78 <123> jeweils für das Beweiserhebungsrecht
parlamentarischer Untersuchungsausschüsse). Die Frage, welche Grenzen die
Verfassung dem parlamentarischen Frage- und Untersuchungsrecht setzt, ist unter
Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt
auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des
Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der
Bundestag in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen
für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Aufgabenerfüllung des
Bundestages festgelegt hat (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; vgl. auch
BVerfGE
70,
324
<359>). Die
Verschwiegenheitspflicht
aufgrund
parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b
Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt. Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der
Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der
Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das
parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte
(BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>). Zudem ist zu berücksichtigen, dass das
Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein
der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam
anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>). Das Parlament und seine
Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer
gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten
sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann die Berufung auf das Wohl des Bundes
gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen,
wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von
Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur
Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht
dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfGE 67, 100
151
152
153
<136>).
Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene,
aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der
Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67,
100 <137>; 70, 324 <359>). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet,
Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen,
wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen
Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>). Vorkehrungen zur
Geheimhaltung und die Entscheidung, nur ein sehr kleines parlamentarisches
Gremium mit Beratungsgegenständen aus einem vertraulichen Bereich zu befassen,
können daher verfassungsrechtlich zulässig sein, obgleich damit erhebliche
Beschränkungen des Zugangs der meisten Abgeordneten zu diesen Informationen
verbunden sind (BVerfGE 70, 324 <360, 364>; 130, 318 <352 f., 359>; 131, 230
<235>).
Andererseits ist zu beachten, dass der Deutsche Bundestag seine
Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit durch die Mitwirkung
aller seiner Mitglieder wahrnimmt (BVerfGE 130, 318 <342>; vgl. auch schon
BVerfGE 44, 308 <316>; 56, 396 <405>; 80, 188 <218>; ferner BVerfGE 131, 230
<235>). Daher ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen
Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen (BVerfGE 130, 318 <342>).
Soweit Abgeordnete durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen
beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der parlamentarischen
Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden, ist dies nur zum Schutz anderer
Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfGE 131, 230 <235>). Es bedarf eines besonderen
Grundes, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist, das der
Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann (BVerfGE 131, 230 <235>).
Überträgt der Deutsche Bundestag zur Wahrung anderer Rechtsgüter von
Verfassungsrang einem von ihm aufgrund seiner Selbstorganisationsbefugnis
eingerichteten Ausschuss oder einem anderen Untergremium einzelne der von ihm
zu erfüllenden Aufgaben zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung
und bestehen dafür Gründe, die dem Gebot der gleichberechtigten Mitwirkung aller
Abgeordneten die Waage halten, darf die Beschränkung der Statusrechte der
gewählten Abgeordneten und die damit verbundene Ungleichbehandlung nicht weiter
reichen, als dies unbedingt erforderlich ist (BVerfGE 130, 318 <353>). Auch Belange
154
155
des Geheimschutzes im Interesse verfassungsrechtlich geschützter Güter sind als
zwingende Gründe des Staatswohls grundsätzlich geeignet, die Einschränkung von
Statusrechten der Abgeordneten zu rechtfertigen (BVerfGE 70, 324 <358 f.>; 130, 318
<359>; vgl. auch BVerfGE 131, 230 <235>). Die Staatspraxis kennt das aus elf
Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die
nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (BVerfGE 130, 318 <359>). Zudem hat es
das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass über die Wirtschaftspläne der
Geheimdienste des Bundes nicht das Plenum, sondern ein wesentlich kleineres,
geheim verhandelndes und ausschließlich zu diesem Zwecke gebildetes Gremium
berät, weil aus der Vielzahl der Informationen, die bei der Beratung bekannt werden,
mosaikartig auch ein Bild von den konkreten Operationen der Geheimdienste
gewonnen werden und dies darüber hinaus zur Gefährdung von Personen führen
kann (BVerfGE 70, 324 <364>). Ebenso wie bei militärischen Geheimnissen oder
sonstigen aus Gründen des Staatsschutzes geheim zu haltenden Informationen kann
die Geheimschutzordnung möglicherweise auch dann keine ausreichende Vorsorge
bieten, wenn über Maßnahmen entschieden werden muss, bei denen nicht nur der
Inhalt der Beratung, sondern auch die Tatsache der Beratung und der
Beschlussfassung an sich geheim gehalten werden müssen, um den Erfolg einer
Maßnahme nicht von vornherein unmöglich zu machen (BVerfGE 130, 318 <362>).
d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten und die Antwortpflicht der
Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die
Grundrechte zu beachten haben (BVerfGE 67, 100 <142>; 76, 363 <387>; 77, 1 <46>;
124, 78 <125>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offen
gelegt oder verlangt er deren Offenlegung, so ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem
Schutzbereich berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>; 128, 1 <56>).
Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische
Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben,
die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer
natürlichen Person offen steht (BVerfGE 50, 290 <363>; 115, 205 <229>; stRspr). Das
Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG schützt das berufsbezogene Verhalten einzelner
Personen oder Unternehmen am Markt. Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit
nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes
auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und
begrenzen (BVerfGE 105, 252 <265>; 115, 205 <229>). Behindert eine den
Wettbewerb beeinflussende staatliche Maßnahme eine juristische Person in ihrer
156
157
158
beruflichen Tätigkeit, so stellt dies eine Beschränkung ihres Freiheitsrechts aus
Art. 12 Abs. 1 GG dar (BVerfGE 86, 28 <37>; 115, 205 <230>).
Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann die
Ausschließlichkeit der Nutzung des betroffenen Wissens für den eigenen Erwerb
beeinträchtigt werden. Wird exklusives wettbewerbserhebliches Wissen den
Konkurrenten zugänglich, mindert dies die Möglichkeit, die Berufsausübung unter
Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten. So können unternehmerische
Strategien
durchkreuzt werden. Auch kann ein Anreiz zu innovativem
unternehmerischen Handeln entfallen, weil die Investitionskosten nicht eingebracht
werden können, während gleichzeitig Dritte unter Einsparung solcher Kosten das
innovativ erzeugte Wissen zur Grundlage ihres eigenen beruflichen Erfolgs in
Konkurrenz mit dem Geheimnisträger nutzen (vgl. zum Ganzen BVerfGE 115, 205
<230>).
3. Aus der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung,
Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die
Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (BVerfGE
124, 161 <193>). Denn der Bundestag kann seine Aufgabe der parlamentarischen
Kontrolle des Regierungshandelns nur dann effektiv wahrnehmen, wenn er anhand
einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen
und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche
weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest
teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur
Versagung
von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und
Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>). Eine
Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die
Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>).
II.
Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung verpflichtet, Abgeordneten des
Deutschen Bundestages auf entsprechende Anfragen hin mitzuteilen, dass der
Bundessicherheitsrat ein bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des
Auftragsvolumens
und
des
Empfängerlandes
konkretisiertes
Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie
in der Anfrage beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist. Darüber hinaus
gehende Angaben sind verfassungsrechtlich nicht geboten.
159
160
161
1. Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht bereits mit der
positiven oder negativen Antwort auf eine Voranfrage (a), sondern erst mit dem vom
Bundessicherheitsrat gefassten Beschluss zu einem formellen Genehmigungsantrag
abgeschlossen; über eine positive Genehmigungsentscheidung hat die
Bundesregierung den Bundestag und seine Mitglieder daher auf Anfrage zu
unterrichten (b). Keine Antwortpflicht besteht hingegen bei Fragen zu den Gründen
einer getroffenen Entscheidung und zum Inhalt und Verlauf der Beratungen im
Bundessicherheitsrat (c).
a) Die positive Beantwortung einer auf die Genehmigungsfähigkeit eines
Kriegswaffenexportgeschäfts abzielenden Voranfrage eines Unternehmens der
Rüstungsindustrie schließt die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung in
Bezug auf das betreffende Exportvorhaben nicht ab. Etwas anderes könnte für die
Ablehnung einer Voranfrage gelten, die aber nach dem von den Antragstellern nicht
angezweifelten Vorbringen der Antragsgegnerin grundsätzlich nicht erfolgt und
zudem aus anderen, unten näher dargelegten Gründen (vgl. Rn. 174 ff.) nicht
mitzuteilen ist.
Mit einer positiven Beantwortung einer Voranfrage lassen der Bundessicherheitsrat
und der für Voranfragen in Bezug auf Kriegswaffen zuständige Minister erkennen,
dass zum Zeitpunkt der Antwort keine Bedenken gegen das beabsichtigte
Exportgeschäft bestehen, so dass ein entsprechender formgerechter, konkretisierter
und mit ausreichenden Unterlagen unterlegter Antrag Aussicht auf Erfolg hätte. Es
handelt sich folglich bei der Beantwortung einer Voranfrage um eine Auskunft über
d i e Genehmigungsfähigkeit des beabsichtigten Exports zum Zeitpunkt der
Bescheidung dieser Anfrage, nicht aber um eine Zusicherung nach § 38 Abs. 1 Satz 1
Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder gar um eine abschließende Teilregelung
oder Teilgenehmigung (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 9 Rn.
55; a.A. Zähle, Der Staat 44 (2005) S. 462 <475> und VG Frankfurt, Urteil vom 1.
November 2001 - 1 E 6167/00 (1) -, juris, Rn. 21). Eine Zusicherung im Sinne von
§ 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG liegt nur vor, wenn der Wille der Behörde, sich für die
Zukunft zu binden und einen entsprechenden Anspruch des Begünstigten auf die
zugesagte Maßnahme zu begründen, in der Erklärung eindeutig erkennbar ist. Wird
eine Maßnahme lediglich "in Aussicht gestellt", so liegt im Regelfall nur eine
unverbindliche Absichtserklärung vor, wie weiter zu verfahren ist (Stelkens, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 38 Rn. 21 ff. <24>). Die von der
Antragsgegnerin exemplarisch eingereichten Antworten des Auswärtigen Amtes auf
162
163
164
Voranfragen betreffend die Ausfuhr von Kriegswaffen sind so formuliert, dass dem
anfragenden
Unternehmen mitgeteilt wird, dass die Bundesregierung eine
Genehmigung der Ausfuhr in Aussicht stellt, soweit sich die Umstände zum Zeitpunkt
der Stellung des konkreten Antrages nicht wesentlich geändert haben. Aus einer
solchen Mitteilung geht der Wille der Bundesregierung, sich zu binden und entgegen
§ 6 Abs. 1 KWKG einen Anspruch des Unternehmens auf die Genehmigung zu
begründen, nicht eindeutig hervor. Der Bundessicherheitsrat und die beteiligten
Ministerien sind folglich an die positive Beantwortung einer Voranfrage nicht
gebunden, ein anschließender Antrag auf Erteilung der Genehmigung kann auch bei
unveränderten Umständen abgelehnt werden. Ob in einem solchen Fall ein
Amtshaftungsanspruch gegen die Bundesrepublik bestehen kann (so Pottmeyer,
a.a.O., Rn. 56), bedarf hier keiner Klärung.
Dieser Rechtslage entspricht anscheinend die tatsächliche Praxis der
Antragsgegnerin. Nach deren Vorbringen fühlt sich der Bundessicherheitsrat an seine
Antworten auf Voranfragen rechtlich nicht gebunden. Vielmehr wird nach Eingang
des vollständigen Genehmigungsantrages nochmals in die Beratung eingetreten und
kommt es auch zu anschließenden Ablehnungsentscheidungen, die offenbar auch
auf einer geänderten Einschätzung der im Wesentlichen unveränderten Lage in dem
Empfängerland beruhen können.
Eine Verpflichtung der Bundesregierung, den Bundestag generell oder einzelne
Abgeordnete
auf
konkrete
Fragen
hin
über
Entscheidungen
des
Bundessicherheitsrates
zu
Voranfragen
in
Bezug
auf
beabsichtigte
Kriegswaffenexporte zu informieren, würde vor diesem Hintergrund in einen noch
nicht abgeschlossenen ressortübergreifenden Willensbildungsprozess aus dem
Verantwortungsbereich der Bundesregierung eingreifen. Der durch die Beantwortung
der Voranfrage rechtlich nicht gebundene Bundessicherheitsrat würde der
Einflussnahme des Parlaments auf seine von verschiedenen außenpolitischen
Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängige Beratung und Entscheidung
über den nachfolgenden Genehmigungsantrag ausgesetzt. Damit würde dem
Parlament das faktische Mitregieren bei einer Entscheidung ermöglicht, die in der
alleinigen Kompetenz der Regierung liegt. Die Kontrollaufgabe des Parlaments
würde in eine Steuerungsbefugnis verkehrt, die ihm ausweislich von Art. 26 Abs. 2
Satz 1 GG in diesem Bereich nicht zukommt.
b) Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht erst mit dem Erlass
des positiven oder negativen Genehmigungsbescheides durch das jeweils
165
166
zuständige Bundesministerium abgeschlossen. Entscheidender Willensbildungsakt
ist vielmehr die Beratung eines Genehmigungsantrages im Bundessicherheitsrat, die
mit dessen Beschlussfassung ihren Abschluss findet.
Die rechtliche Qualität der Beschlüsse des Bundessicherheitsrates im Bereich der
Kriegswaffenexporte ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird die auch von der
Antragsgegnerin vorgebrachte Ansicht vertreten, es handele sich um rechtlich
unverbindliche Empfehlungen, die dem jeweils zuständigen Minister lediglich
vermitteln, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde (so Stern,
Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 42 IV. 4. c), S. 875; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462
<477>,
im
Wege verfassungskonformer
Auslegung;
Busse/Hofmann,
Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 96 f.; Glawe,
Organkompentenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen
Sicherheit, 2011, S. 32, der allerdings von einer Empfehlung an das Bundeskabinett
ausgeht). Nach anderer Ansicht trifft der Bundessicherheitsrat selbst die
Genehmigungsentscheidung, an die der zuständige Minister gebunden ist und die
s e i n Ministerium als Genehmigungsbehörde durch entsprechenden Bescheid
umsetzen muss (Kadner, Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gegenüber
der Sonderstellung einzelner Bundesminister unter besonderer Berücksichtigung des
Bundesministers für Verteidigung, 1970, S. 111; Epping, Grundgesetz und
Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 227; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im
Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 247). Dieser Auffassung zufolge ist der
Bundessicherheitsrat aufgrund der ihm als Entscheidungsgremium zukommenden
Leitungsgewalt wegen Verstoßes gegen die Ressortselbständigkeit der Minister und
die
Kanzlerprärogative
verfassungswidrig (Kadner, a.a.O.; Epping, a.a.O.;
Böckenförde, a.a.O.; a.A. Steinberg, Abrüstungs- und Rüstungskontrollverwaltung in
der Bundesrepublik Deutschland, 1982, S. 108, der zwar ein Entscheidungsrecht des
Bundessicherheitsrates annimmt, dies aber mit Art. 65 GG für vereinbar hält).
Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob - wie es der Wortlaut von Art. 26 Abs.
2 Satz 1 GG nahe legt - die Bundesregierung beziehungsweise der
Bundessicherheitsrat selbst zur Entscheidung verpflichtet ist (zum Erlass von
Verwaltungsakten durch die Bundesregierung vgl. BVerwGE 117, 322 <328>, Rn. 16)
oder das zuständige Ministerium als Genehmigungsbehörde rechtlich an den
jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates gebunden ist. Nach dem
Vorbringen der Antragsgegnerin erfolgt in der Staatspraxis die abschließende
Entscheidung im Bundessicherheitsrat. An dessen Beschlüsse halten sich die
167
168
169
170
Minister faktisch und fühlen sich durch diese gebunden. Der Antragsgegnerin zufolge
ist ihr kein Fall bekannt, in dem ein Minister von einer Genehmigungsentscheidung
des Bundessicherheitsrates abgewichen ist. Es besteht kein Grund, an dieser
Darstellung zu zweifeln. Eine andere Handhabung würde auf Dauer zu
fortwährenden Konflikten zwischen der Gesamtheit der Mitglieder des
Bundessicherheitsrates und dem von dessen Beschlüssen abweichenden Minister
und zu einer ständigen Befassung des gesamten Kabinetts führen (Art. 65 Satz 3
GG).
Zugunsten der Antragsteller kann daher davon ausgegangen werden, dass die
Willensbildung der Bundesregierung in Bezug auf einen Kriegswaffenexportantrag
mit dem jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates abgeschlossen ist. Damit
endet der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung für die getroffene
Entscheidung in diesem Zeitpunkt. Die Bundesregierung ist verpflichtet, den
Abgeordneten des Bundestages auf Anfragen hin mitzuteilen, dass der
Bundessicherheitsrat
einen
Beschluss
über
die Genehmigung
eines
Kriegswaffenexportgeschäfts gefasst hat.
c) Die Bundesregierung ist jedoch nicht verpflichtet, über die Mitteilung einer
erfolgten Genehmigung hinaus Angaben zu der dieser Entscheidung
vorausgegangenen Willensbildung innerhalb des Bundessicherheitsrates zu machen.
Parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge
scheiden zwar nicht grundsätzlich immer dann aus, wenn es sich um Informationen
aus
dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der
vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen
ihnen handelt (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Dem parlamentarischen
Zugriff
können grundsätzlich auch Informationen aus dem Bereich der
regierungsinternen Willensbildung unterliegen (BVerfGE 124, 78 <122>).
Andererseits würde ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen
Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Anspruch
a u f Informationen aus diesem Bereich vor allem durch seine einengenden
Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das
Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist (BVerfGE 110, 199 <215>; 124, 78 <121>).
Informationen aus dem Vorfeld von Regierungsentscheidungen sind danach zwar
nach Abschluss der jeweiligen Entscheidung nicht mehr im selben Maße geschützt
wie in der Phase, in der die Kenntnisnahme Dritter diesen einen unmittelbaren
171
172
Einfluss auf die Entscheidung verschaffen würde (vgl. BVerfGE 110, 199 <215 f.>).
Jedoch sind auch bei abgeschlossenen Vorgängen Fälle möglich, in denen die
Regierung nicht verpflichtet ist, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich
exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199
<216>; 124, 78 <121>). Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs
lassen sich in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge nur unter Berücksichtigung der
jeweiligen Umstände feststellen (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Die
Notwendigkeit, hier zwischen gegenläufigen Belangen abzuwägen, entspricht der
doppelten Funktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze
parlamentarischer Kontrollrechte (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). In ihr
kommt zum Ausdruck, dass die parlamentarische Kontrolle der Regierung einerseits
gerade dazu bestimmt ist, eine demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen
entsprechende Ausübung der Regierungsfunktion sicherzustellen, andererseits aber
diese Funktion auch stören kann und daher der Begrenzung auf ein
funktionsverträgliches Maß bedarf (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>).
Als funktioneller Belang fällt bei abgeschlossenen Vorgängen nicht mehr die
Entscheidungsautonomie der Regierung, sondern vor allem die Freiheit und Offenheit
der Willensbildung innerhalb der Regierung ins Gewicht. Unter diesem Aspekt sind
Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die
Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je
näher sie der gubernativen Entscheidung stehen (vgl. BVerfGE 110, 199 <221>; 124,
78 <122 f.>).
Die Bundesregierung ist danach nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf
der Beratungen im Bundessicherheitsrat und über das Abstimmungsverhalten seiner
Mitglieder Auskunft zu geben. Die Mitglieder des Gremiums sind auf die
Vertraulichkeit der Beratungen in besonderem Maße angewiesen, da die
Entscheidung über eine beabsichtigte Ausfuhr von Kriegswaffen eine eingehende
Beurteilung des Empfängerlandes erfordert, etwa im Hinblick auf dessen politische
und militärische Stabilität. Müssten die Mitglieder des Bundessicherheitsrates damit
rechnen, dass die von ihnen in den Beratungen abgegebenen Einschätzungen
alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so könnten sie nicht
in auf Vertraulichkeit der Beratungen fußender Offenheit Gründe vorbringen, die für
oder gegen eine Genehmigung sprechen. Es wäre sogar naheliegend, dass in einer
solchen Situation die eigentlichen Beratungen faktisch nicht mehr in dem Gremium
selbst erfolgen, sondern in Vorbesprechungen oder in kleinere, geheim tagende
173
174
175
176
Kreise ausgelagert würden. Derartige einengende Vorwirkungen würden den
Bundessicherheitsrat in seiner Funktion nachhaltig beeinträchtigen. Die Preisgabe
der Beratungsabläufe im Bundessicherheitsrat wäre daher ein erheblicher Eingriff in
den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.
Das parlamentarische Informationsinteresse fällt demgegenüber weniger stark ins
Gewicht. Parlamentarisch verantwortlich für die Genehmigungsentscheidungen nach
Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist die Bundesregierung. Die Information, welcher Minister im
Rahmen der Beratungen welche Position vertreten hat, mag daher von allgemeinem
politischen
Interesse
sein,
für
die
parlamentarische
Kontrolle
des
Regierungshandelns ist sie aber nicht relevant.
2. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer
Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen kann die Bundesregierung ebenso
wie die Auskunft über Voranfragen von Rüstungsunternehmen auch aus Gründen des
Staatswohls verweigern. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass ein
Genehmigungsantrag abgelehnt wurde. Auch bei durch den Bundessicherheitsrat
bereits gebilligten Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung kann die Verweigerung
der Antwort aus diesen Gründen gerechtfertigt sein.
Die Weitergabe der Information, ob der Bundessicherheitsrat eine Voranfrage
beschieden hat, kann zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen
Erwerberland führen. Zum einen können dadurch Rüstungserwerbsabsichten publik
werden, die das jeweilige Land jedenfalls in diesem frühen Stadium der
Geschäftsanbahnung geheim halten möchte, etwa weil durch eine Veröffentlichung
die künftige Verteidigungsstrategie des Landes erkennbar würde. Zum anderen kann
das Bekanntwerden der Tatsache, dass eine Genehmigung verweigert
beziehungsweise eine Voranfrage abschlägig beschieden oder zurückgestellt wurde,
das an dem Erwerb interessierte Land öffentlich brüskieren und damit die
Beziehungen zur Bundesrepublik stören.
Eine erhebliche Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen drohte, wenn auch
die Gründe für die Ablehnung einer Genehmigung oder Voranfrage mitgeteilt werden
müssten, etwa die Gefahr der Verwendung der zur Ausfuhr vorgesehenen
Kriegswaffen
bei einer
friedensstörenden
Handlung
oder
bei
Menschenrechtsverletzungen. Zudem könnten die Gründe in Einzelfällen
Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung
die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz
177
178
seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat.
Das Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte kann auch über das
Verhältnis zum direkt betroffenen Erwerberland hinaus die außenpolitische
Handlungsfähigkeit
der
Bundesregierung
beeinträchtigen.
Rüstungsexportentscheidungen haben in der Regel eine diplomatische Dimension.
So wird der Export von Kriegswaffen in Länder, die nicht Mitglied der NATO oder der
Europäischen Union oder den NATO-Mitgliedsländern gleichgestellt sind, nur
genehmigt, wenn "im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische
Interessen
der
Bundesrepublik
Deutschland
unter Berücksichtigung der
Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen"
(Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und
sonstigen Rüstungsgütern, III. 2., abgedruckt im Rüstungsexportbericht 2013, Anlage
1 , S. 36). Der Handel mit Rüstungsgütern gilt als "wichtiges diplomatisches
Instrument" (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht,
2007, S. 20). Waffenexporte können den Zusammenhalt von Bündnissen und die
militärische Schlagkraft befreundeter Staaten stärken und als "Gegenleistung"
eingesetzt werden, etwa für Stationierungs- oder Überflugrechte (Roeser,
Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen,
1988, S. 41). Die Verweigerung von Rüstungsexporten kann demgegenüber - wie
etwa konzertierte Embargo-Aktionen zeigen - der Erhaltung des eigenen
waffentechnischen Vorsprungs gegenüber anderen Staaten und damit der Sicherheit
des Staates dienen (von Poser und Groß Naedlitz, Die Genehmigungsentscheidung
nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, 1999, S. 56). Die Haltung der
Bundesregierung zu einem beabsichtigten Rüstungsgeschäft kann damit auch
Indikator für die politische Beziehung zu einem Land oder Ausdruck einer bestimmten
Sicherheitsstrategie
sein.
Das
vorzeitige
Öffentlichwerden
solcher
Rüstungsexportgeschäfte kann ebenso wie das Bekanntwerden einer ablehnenden
Entscheidung die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder
erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen. Gleiches
gilt für das Bekanntwerden der Gründe für die Bewilligung oder Ablehnung einer
Genehmigung. Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, die Gründe für eine
vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung mitzuteilen. Auch über die
Ablehnung eines Kriegswaffenausfuhrantrages muss keine Auskunft erteilt werden.
Ein frühzeitiges Bekanntwerden eines beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts und
der Haltung der Bundesregierung bereits im Stadium der Vertragsanbahnung birgt
179
darüber hinaus die Gefahr, dass ein drittes Land, welches mit dem Geschäft nicht
einverstanden ist, versucht, dieses Geschäft vor seiner tatsächlichen Durchführung
durch den Einsatz von Druckmitteln zu verhindern. Zudem kann ein frühzeitiges
Bekanntwerden dazu führen, dass ausländische Konkurrenzunternehmen an den
Kaufinteressenten herantreten und das Geschäft durch Abgabe eines günstigeren
Angebots an sich ziehen. Dies kann jedenfalls dort ein Geheimhaltungsinteresse der
Bundesregierung aus Gründen des Staatswohls rechtfertigen, wo die Durchführung
des Exportgeschäfts im außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik liegt. Zudem
stellt die Aufrechterhaltung eines nationalen Rüstungswesens ein legitimes
staatliches Ziel dar. Eine eigene rüstungsindustrielle Basis führt aus
verteidigungspolitischer Sicht dazu, dass die nationalen Streitkräfte durch die
inländische Industrie ausgerüstet werden können. Gegenüber der Beschaffung der
militärischen Ausrüstung auf dem Weltmarkt werden als Vorteile unter anderem der
staatliche Einfluss als Hauptauftraggeber (Richter, Die Rüstungsindustrie im
Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 24; ähnlich Raidel, Eine Lanze für die
deutsche Verteidigungswirtschaft, Politik & Sicherheit, Heft 8, August 2009, S. 1 f.)
und die daraus folgende passgenaue Ausrichtung nationaler Rüstungsprodukte auf
die taktischen und operativen Konzepte der Streitkräfte sowie die Möglichkeit der
konzeptionellen Weiterentwicklung der Streitkräfte genannt (Küchle, Die deutsche
Heeresindustrie in Europa, 2007, S. 9). Zudem erhöht eine eigene Rüstungsindustrie
die Versorgungssicherheit und dient der Vermeidung von Abhängigkeiten von der
Exportpolitik anderer Staaten.
Diese Gefahren für die Durchführung des Rüstungsexportgeschäfts nehmen mit dem
Fortgang des Verfahrens ab. Sie bestehen vor allem in der oft Monate oder gar Jahre
andauernden Phase der Vertragsanbahnung. Aus diesem Grunde ist die
Bundesregierung nicht verpflichtet, Abgeordneten des Bundestages auf Anfrage
mitzuteilen, ob eine Voranfrage zu einem beabsichtigten Ausfuhrgeschäft gestellt und
wie diese beschieden wurde. Die positive Genehmigungsentscheidung des
Bundessicherheitsrates, die anschließend durch das zuständige Ministerium in dem
Genehmigungsbescheid umgesetzt wird, stellt auch hier eine Zäsur dar. Nach den
Angaben der sachkundigen Dritten ist zum Zeitpunkt des Antrages auf Genehmigung
einer Kriegswaffenausfuhr der Vertrag mit dem Empfängerland im Regelfall jedenfalls
endverhandelt, zumeist sogar bereits geschlossen. Damit verringert sich die Gefahr
einer Einflussnahme Dritter auf das zur Genehmigung anstehende Geschäft
erheblich. Mit der positiven Entscheidung des Bundessicherheitsrates über einen
Genehmigungsantrag entfällt auch die Möglichkeit der Bloßstellung eines
180
181
182
kaufinteressierten Staates, die mit der Ablehnung eines frühzeitig - etwa durch die
Auskunft über eine Voranfrage - bekannt gewordenen Geschäfts verbunden sein
kann.
Die
Zäsurwirkung
der
positiven
Genehmigungsentscheidung
des
Bundessicherheitsrates schließt nicht aus, dass die Bundesregierung aus den
genannten Gründen des Staatswohls in Einzelfällen ausnahmsweise auch die
Antwort auf die Frage verweigern darf, ob eine solche Entscheidung getroffen wurde.
Wann eine solche Antwortverweigerung gerechtfertigt sein kann, bedarf hier keiner
Entscheidung. Denn jedenfalls müsste die Bundesregierung die Verweigerung der
Auskunft in ihrer Antwort gesondert begründen, was vorliegend nicht geschehen ist.
3. Eine weitere Einschränkung der Antwortpflicht der Bundesregierung in Bezug auf
die
Befassung
des
Bundessicherheitsrates
mit
Voranfragen
und
Genehmigungsanträgen zu beabsichtigten Kriegswaffenausfuhrgeschäften ergibt sich
aus dem grundrechtlichen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der
jeweiligen Rüstungsunternehmen.
a) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogenen
Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem
begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der
Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im
Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse
betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen zählen
etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen,
Konditionen,
Marktstrategien,
Unterlagen
zur Kreditwürdigkeit,
Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und
Forschungsprojekte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs
maßgeblich bestimmt werden können (BVerfGE 115, 205 <230 f.>; vgl. auch BVerfGE
128, 1 <56>). Als Betriebsgeheimnisse kommen vorliegend unter anderem die
konkreten technischen Daten und Spezifikationen der einzelnen Kriegswaffen in
Betracht, als Geschäftsgeheimnisse insbesondere die Details der vertraglichen
Vereinbarungen wie etwa Lieferzeiten und -orte, Preise und Preisbestandteile,
Zahlungsbedingungen und Angaben zu den beteiligten Zulieferunternehmen. Der
Umstand, dass ein Unternehmen Verhandlungen mit einem Staat über den Erwerb
von Kriegswaffen bestimmter Gattung führt, stellt für sich genommen ebenfalls ein
Geschäftsgeheimnis dar, weil die Verhandlungspartner in aller Regel eine
Vertraulichkeitsvereinbarung
abschließen
und weil Konkurrenzunternehmen
183
184
versuchen können, die Anbahnung des Geschäfts durch eigene Angebote oder
andere Maßnahmen zu unterminieren. Somit stellen das Kaufinteresse eines Staates
und die Aufnahme von Vertragsverhandlungen exklusives wettbewerbserhebliches
Wissen dar und mindert die Offenlegung dieser Tatsachen die Möglichkeit, die
Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten.
b) Zwar begründet Art. 12 Abs. 1 GG kein ausschließliches Recht der Unternehmen
auf eigene Außendarstellung und auf eine uneingeschränkte unternehmerische
Selbstdarstellung am Markt. Marktbezogene Informationen des Staates
beeinträchtigen den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der Berufsfreiheit der
betroffenen Unternehmen daher nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche
Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen
Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt (BVerfGE 105, 252 <264 ff.,
268>). Unabhängig davon wäre aber durch die Offenlegung von Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen der Kriegswaffen produzierenden Unternehmen durch die
Bundesregierung der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt (vgl. BVerfGE 115, 205
<230>). Dieser Schutzbereich ist jedenfalls insoweit nicht durch Art. 26 Abs. 2 Satz 1
GG
eingeschränkt.
Dabei
kann dahinstehen, ob es sich bei dem
Genehmigungserfordernis um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (so
Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 1991, S. 69 ff.; Epping, Grundgesetz und
Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 120) oder um ein repressives Verbot mit
Befreiungsvorbehalt handelt (so Pernice, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 20;
Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 75; Streinz, in:
Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 45; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2,
6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012,
Art. 26 Rn. 18). Selbst wenn man der Regelung eine grundsätzliche Missbilligung der
Herstellung, der Beförderung und des Inverkehrbringens von Kriegswaffen
entnehmen wollte, sind diese Verhaltensweisen bei Vorliegen einer Genehmigung
erlaubt und von der Berufsfreiheit geschützt. Dieser Schutz erstreckt sich auf solche
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ein Unternehmen zur Erlangung der
Genehmigung gegenüber staatlichen Behörden offenlegen muss, und zwar selbst für
den Fall, dass die Genehmigung versagt werden sollte. Das Grundgesetz missbilligt
nicht die Vorbereitung und Anbahnung eines Kriegswaffenexportgeschäfts, sondern
allenfalls dessen nicht genehmigte Durchführung.
c) Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von
Unternehmen der Rüstungsindustrie im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer
185
186
Anfragen griffe die Bundesregierung in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ein.
Sowohl schriftliche Antworten der Bundesregierung als auch mündliche Antworten im
Rahmen von Fragestunden sind öffentlich. Schriftliche Antworten werden durch den
Bundestag in Drucksachen veröffentlicht (§ 105 Satz 1 und 2 i.V.m. Anlage 4, Ziff. 14
der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages i.d.F. der Bekanntmachung vom
2. Juli 1980, BGBl I S.1237, zuletzt geändert durch Beschluss vom 3. April 2014,
BGBl I S. 534 - GO-BT -), mündliche Antworten in Fragestunden sind den jeweiligen
Plenarprotokollen zu entnehmen, nachgereichte schriftliche Antworten werden in
einen Anhang zu dem betreffenden Protokoll aufgenommen (GO-BT, Anlage 4, Ziff.
12). Damit würde Konkurrenten die Kenntnisnahme von Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Unternehmen ermöglicht (vgl. BVerfGE 115,
205 <231>).
d) Der mit einer Offenlegung von Informationen zu beabsichtigten
Rüstungsexportgeschäften verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Unternehmen
d e r deutschen Rüstungsindustrie ist generell insoweit gerechtfertigt, wie die
Bundesregierung in ihrer Antwort Auskunft darüber gibt, dass der
B u n d e s s i c h e rh e i ts ra t die
Genehmigung
für
ein
konkretes
Kriegswaffenausfuhrgeschäft erteilt hat und in diesem Rahmen Angaben über Art und
Anzahl der Kriegswaffen, über das Empfängerland, über die beteiligten deutschen
Unternehmen und über das Gesamtvolumen des Geschäfts macht. Darüber hinaus
gehende Angaben würden grundsätzlich in unverhältnismäßiger Weise in die
Berufsfreiheit der Unternehmen eingreifen. Dies gilt insbesondere für Angaben, die so
konkret sind, dass aus ihnen auf vertrauliche Informationen, etwa auf den Einzelpreis
eines bestimmten Rüstungsguts, rückgeschlossen werden könnte.
aa) Die Offenlegung von Unternehmensinformationen durch die Bundesregierung in
Antworten auf Anfragen von Abgeordneten betrifft ein mehrpoliges Rechtsverhältnis,
i n welchem die Bundesregierung das Frage- und Informationsrecht des Deutschen
Bundestages und seiner Abgeordneten einerseits und das den Schutz der Betriebs-
u n d Geschäftsgeheimnisse gewährleistende Grundrecht der betroffenen
Unternehmen auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG andererseits zum Ausgleich zu
bringen hat. In einer solchen Konstellation sind Eignung und Erforderlichkeit der
Beeinträchtigungen mit Blick auf beide widerstreitenden Rechtsgüter zu beurteilen.
Dabei sind die Vor- und Nachteile bei der Verwirklichung der verschiedenen
betroffenen Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit abzuwägen. Hat der Gesetzgeber einen
Weg zur Lösung des Konflikts durch eine einfachgesetzliche Regelung
187
vorgezeichnet, so ist sein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum im Rahmen der
Abwägung zu berücksichtigen. Überlässt er die Entscheidung hingegen den Organen
der Rechtsanwendung, so sind deren Eingriffshandlungen verfassungsrechtlich
darauf zu überprüfen, ob die zugrunde gelegten Annahmen und Abwägungsregeln
sowie ihre Abwägung im konkreten Fall den verfassungsrechtlichen Anforderungen
genügen, das heißt auch, ob sie innerhalb des den Entscheidungsträgern gewährten
Einschätzungsspielraums verbleiben und zur Herstellung praktischer Konkordanz im
konkreten Streitfall führen (zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <233 f.>).
bb) § 12a Abs. 2 Satz 1 KWKG ermächtigt die Bundesregierung, die auf Grund einer
Rechtsverordnung nach Absatz 1 erhobenen Daten zusammengefasst ohne
Nennung von Empfängern und Lieferanten zu den in Absatz 1 genannten Zwecken
an internationale Organisationen oder zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages
zu übermitteln oder zu veröffentlichen. Die Vorschrift wurde mit dem Achten Gesetz
zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes vom 9. August 1994 (BGBl I S. 2068) in
das KWKG aufgenommen und dient der Umsetzung einer Resolution der Vereinten
Nationen, mit der beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen ein Waffenregister
eingerichtet wurde und die Mitgliedstaaten aufgerufen wurden, die Ein- und Ausfuhr
bestimmter Kriegswaffen dorthin zu melden (BTDrucks 12/6911, S. 11). Die
Ermächtigung zur Übermittlung oder Veröffentlichung zur Unterrichtung des
Deutschen Bundestages beruhte auf der Erwägung, dass Daten, die wie im Falle des
Waffenregisters der Einsicht aller Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen offen
stehen, grundsätzlich auch zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages oder der
Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollten (BTDrucks 12/6911, S. 12). Diese
Regelung kann den erforderlichen Ausgleich zwischen dem Fragerecht der
Abgeordneten und dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der
Unternehmen
auch unter
Berücksichtigung
des
Einschätzungs-
und
Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht in der verfassungsrechtlich
gebotenen Weise herstellen. Dies folgt schon daraus, dass sie die Weitergabe der
Informationen an den Deutschen Bundestag lediglich ermöglicht, ohne die
Bundesregierung hierzu zu verpflichten. Der Ausgleich der konfligierenden
Rechtsgüter bleibt so letztlich der Bundesregierung überlassen und es kann auch zu
einer völligen Versagung von Auskünften kommen. Der Gesetzgeber hat damit
keinen Lösungsweg bereitgestellt, der stets eine Verwirklichung der gegenläufigen
Interessen in diesem mehrpoligen Rechtsverhältnis sichert (vgl. BVerfGE 115, 205
<235>). Eine erweiternde Auslegung ist angesichts des klaren Wortlautes nicht
möglich.
188
189
190
191
cc) Die somit erforderliche Abwägung unmittelbar zwischen dem Fragerecht der
Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG einerseits und
dem durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse des jeweiligen die Ausfuhr beabsichtigenden Unternehmens
andererseits
ergibt,
dass
die
Genehmigungsentscheidung
des
Bundessicherheitsrates unabhängig von dem jeweils konkret durch Abgeordnete des
Bundestages angefragten Kriegswaffenausfuhrgeschäft die entscheidende Zäsur
darstellt.
Das Interesse des jeweiligen Rüstungsunternehmens an der Geheimhaltung des
beabsichtigten
Rüstungsexportgeschäfts
ist
bis
zur
endgültigen
Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates höher zu bewerten als das
berechtigte
Informationsinteresse der Abgeordneten. In der Phase der
Geschäftsanbahnung ist die Information, dass ein bestimmtes Empfängerland ein
bestimmtes Rüstungsgut erwerben möchte, besonders wettbewerbsrelevant.
Konkurrenzunternehmen, die von einem solchen Erwerbsinteresse Kenntnis
erlangten, könnten versuchen, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit auf den
Genehmigungsprozess Einfluss zu nehmen. Zudem könnten sie ein eigenes Angebot
abgeben und das Geschäft auf diese Weise an sich ziehen; dies gälte erst recht,
wenn die Bundesregierung über die bloße Tatsache des beabsichtigten Geschäfts
hinaus auch Angaben zu Preisen machte.
Es ist nicht zu verkennen, dass das Informationsinteresse des Parlaments und der
einzelnen Abgeordneten in diesem Stadium ebenfalls besonders hoch ist, da noch
auf den Genehmigungsprozess Einfluss genommen werden kann. Im Rahmen der
Abwägung der konfligierenden Interessen ist aber zu berücksichtigten, dass ein dahin
gehendes Informationsinteresse nicht schützenswert ist, da es auf ein dem
Gewaltenteilungsprinzip widersprechendes Mitregieren zielt (siehe oben Rn. 163).
Nach erfolgter Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates ist die
Schutzbedürftigkeit des jeweils betroffenen Unternehmens geringer. In diesem
Stadium besteht für Konkurrenzunternehmen kaum noch die Möglichkeit, auf das
genehmigte Geschäft Einfluss zu nehmen. Der Kaufvertrag ist im Regelfall bereits
geschlossen, und je nach zeitlichem Abstand zwischen der Entscheidung des
Bundessicherheitsrates und dem Erlass des Genehmigungsbescheides durch die
zuständige Behörde kann mit der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen alsbald
begonnen werden.
192
193
194
195
In Bezug auf Angaben, die über die Genehmigungsentscheidung des
Bundessicherheitsrates und die Grunddaten des Kriegswaffenausfuhrgeschäfts, also
die
Art und die Anzahl der Kriegswaffen, das Empfängerland und das
Gesamtvolumen hinausgehen, fällt die Abwägung zwischen den konfligierenden
Rechtsgütern grundsätzlich zugunsten der Unternehmen aus, deren Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse vor der Kenntnisnahme durch Wettbewerber zu schützen sind.
Unverhältnismäßig wäre insbesondere die Offenlegung von Angaben, die
Rückschlüsse auf die Preisgestaltung oder auf Spezifikationen des Rüstungsguts
sowie auf handelnde Personen der an dem Geschäft beteiligten Unternehmen oder
Staaten zuließen. An diesen Daten besteht auch kein berechtigtes
Informationsinteresse, weil sie für die parlamentarische Kontrolle der
Regierungstätigkeit nicht erforderlich sind.
c) Ob die Antwortpflicht der Bundesregierung auch durch das Grundrecht betroffener
Unternehmen aus Art. 14 Abs. 1 GG begrenzt sein kann, bedarf keiner Entscheidung,
weil der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Art. 14 Abs. 1 GG
jedenfalls nicht weiter geht als der durch Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfGE 115, 205
<248>).
4. Der Konflikt zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten auf der einen und dem
Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung, dem Staatswohl und der
Berufsfreiheit der Kriegswaffen ausführenden Unternehmen auf der anderen Seite
k a n n , anders als die Antragsteller meinen, nicht durch Maßnahmen des
Geheimnisschutzes auf Seiten des Parlaments aufgelöst werden. Weder die
Beschränkung des Adressatenkreises der Antworten der Bundesregierung durch
Einrichtung eines parlamentarischen Kontrollgremiums (a) noch die Anwendung der
Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (b) sind geeignet, einen
angemessenen Ausgleich zwischen den konfligierenden Rechtsgütern zu schaffen.
a) Der Deutsche Bundestag könnte zwar für die parlamentarische Kontrolle der
Tätigkeit des Bundessicherheitsrates ein Gremium nach Art des Parlamentarischen
Kontrollgremiums (siehe § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle
nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz) vom 29. Juli
2 0 0 9 , BGBl I S. 2346), des Vertrauensgremiums nach § 10a Abs. 2 der
Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl I S. 1284) oder des
Sondergremiums
nach § 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Übernahme von
Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus
(Stabilisierungsmechanismusgesetz) vom 22. Mai 2010 (BGBl I S. 627) einrichten
196
197
und dieses Gremium der Geheimschutzordnung unterwerfen. Durch die
Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder
eines solchen Gremiums würde ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das
zum Ausgleich der konfligierenden Interessen führen könnte.
Die Beschränkung der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Bundestages auf
parlamentarische Untergremien greift aber ihrerseits in die Rechte der in dem
Sondergremium nicht vertretenen Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein,
über eine Angelegenheit des Deutschen Bundestages zu beraten, zu ihr zu reden,
das Frage- und Informationsrecht des Parlaments auszuüben und schließlich darüber
abzustimmen (BVerfGE 130, 318 <357>). Bei einer solchen Beschränkung der
Statusrechte der Abgeordneten ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren
und ein angemessener Ausgleich zwischen der Funktionsfähigkeit des Deutschen
Bundestages und den Statusrechten der Abgeordneten sicherzustellen. Erfolgt die
Delegation von Beteiligungsrechten im Interesse besonderer Vertraulichkeit, muss sie
deshalb auf wenige Ausnahmen mit begrenztem Anwendungsbereich beschränkt
bleiben und zwingend erforderlich sein (BVerfGE 130, 318 <359 f.>).
Ob die Beratungen des Bundessicherheitsrates einen solchen Ausnahmefall
darstellen können, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Delegation der
Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages auf ein Gremium zur Kontrolle der
Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erscheint nicht
zwingend erforderlich. Eine solche Delegation würde es zwar ermöglichen, das
Parlament mit Informationen zu versehen, die über die bloße Mitteilung einer erfolgten
Genehmigungsentscheidung hinausgehen. So könnte ein der Geheimhaltung
unterliegendes Sondergremium auch über Ablehnungsentscheidungen und vor allem
auch über die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung
unterrichtet werden. Diesem Erhalt zusätzlicher Informationen stünde aber eine
erhebliche Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle und der Statusrechte der
nicht im Gremium vertretenen Abgeordneten gegenüber. Zudem entfiele dadurch,
dass die Kontrolle der Parlamentsöffentlichkeit entzogen würde, auch die Kontrolle
durch die Bürger, die der effektiven Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber
dem Wähler dient (vgl. BVerfGE 125, 104 <124>; 130, 318 <344>). Der Zugewinn an
Informationen über Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates kann derartige
Beschränkungen nicht rechtfertigen. Die Verpflichtung der Bundesregierung, den
Deutschen Bundestag öffentlich über positive Genehmigungsentscheidungen des
Bundessicherheitsrates
zu
informieren, ermöglicht
eine
hinreichende
198
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200
201
parlamentarische Kontrolle. Die Steigerung der Kontrolltiefe, die mit der Information
eines Sondergremiums über Ablehnungsentscheidungen und über die Gründe der
Entscheidungen des Bundessicherheitsrates erreicht würde, steht in keinem
Verhältnis zu den Einbußen für die Funktion der Kontrolle, die durch eine öffentliche
Kontrolle vermittelte Legitimation des staatlichen Handelns und die Statusrechte der
nicht in dem Gremium vertretenen Abgeordneten, die die weit überwiegende Mehrheit
des Deutschen Bundestages darstellten.
b) Auch durch eine Information des Deutschen Bundestages über Belange des
Bundessicherheitsrates nach Maßgabe der Geheimschutzordnung (GO-BT, Anlage 3)
kann der Interessenskonflikt nicht aufgelöst werden.
Verschlusssachen, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" oder "Streng
geheim" versehen sind, dürfen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages
grundsätzlich nur in den Räumen der Geheimregistratur eingesehen werden, § 3a
Satz 1 Geheimschutzordnung. Die Möglichkeit zur Weitergabe der Information ist
durch § 4 Geheimschutzordnung beschränkt; in jedem Fall scheidet eine Information
der Öffentlichkeit aus.
Die Geheimschutzordnung ist grundsätzlich ein taugliches Instrument des
Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem
Informationsinteresse (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>;
siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>). Auch eine systematische
Gesamtschau einer Reihe von Grundgesetzbestimmungen - etwa Art. 42 Abs. 1 Satz
2, Art. 44 Abs. 1 Satz 2, Art. 45a Abs. 3 und Art. 53a GG - zeigt, dass der Ausschluss
der Öffentlichkeit in der Verfassung als eine Möglichkeit zur Wahrung von
Geheimschutzinteressen unter gleichzeitiger Einbeziehung des Parlaments angelegt
ist. Die Anwendung der Geheimschutzordnung konfligiert allerdings mit der
Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments. Die genannten Ausnahmevorschriften ändern
nichts daran, dass die Öffentlichkeit der Beratungen nach Art. 42 Abs. 1 GG für die
parlamentarische Entscheidungsfindung grundsätzlich unverzichtbar ist. Die
Informationsrechte des Parlaments dürfen nicht dazu führen, dass sich über den
parlamentarischen Geheimnisschutz die Arbeits- und Funktionsweise des Parlaments
in den wichtigen Bereichen grundlegend verschiebt und diese spezifische
Öffentlichkeitsfunktion ausgeblendet wird.
Eine unter Bedingungen der Geheimschutzordnung erlangte Information können die
Parlamentarier nicht in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess überspielen. Wenn
202
203
204
205
das Parlament unter Anwendung der Geheimschutzordnung informiert wird, ist daher
zwar formal der Zurechnungszusammenhang zwischen Regierung und Parlament
gewahrt. Der weitere Verantwortungszusammenhang zum Volk ist jedoch insoweit
unterbrochen. Der Wahlvorgang sichert die Kontrolle des Volkes über die Benutzung
der Macht durch die politische Mehrheit (BVerfGE 5, 85 <199>). Ohne die
entsprechende Information kann die Wählerschaft weder das Handeln der Regierung
noch die parlamentarische Reaktion auf die erlangte Information zur Kenntnis
nehmen und bewerten. Beides ist aber für die demokratische Legitimation durch den
Wahlakt essentiell.
Auch im Verhältnis zwischen Regierung und Parlament wird der
Kontrollzusammenhang durch die Anwendung der Geheimschutzordnung
abgeschwächt. Öffentlichkeit ist essentiell für die Ausübung der Kontrollfunktion des
Parlaments. Während die zur Vorbereitung von Gesetzgebung begehrten
Informationen dem Parlament auch dann den gewünschten Sachverstand verschaffen
und damit ihren Zweck erfüllen, wenn sie nicht öffentlich sind, verhält es sich mit
Informationen zum Zweck der politischen oder der Rechtskontrolle anders. In der
politischen Realität ist das Fragerecht in seiner Kontrolldimension ganz überwiegend
ein Mittel der Opposition, welches zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich auf
Öffentlichkeit angewiesen ist. Fällt das Öffentlichkeitselement weg, so scheidet in der
Praxis zumindest eine sanktionierende Kontrolle aus.
5. Die Pflicht der Bundesregierung, parlamentarische Anfragen zu positiven
Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu beantworten, wird
nicht schon durch die jährlich veröffentlichten Rüstungsexportberichte erfüllt.
Die Berichtsform unterscheidet sich systematisch von der Frage- und Antwortstruktur
des Interpellationsrechts. Sowohl die Struktur und der Gehalt der Information als auch
ihr Zeitpunkt werden beim Rüstungsexportbericht nicht durch die Abgeordneten,
sondern durch die Bundesregierung bestimmt. Bereits deshalb ist ein allgemeiner
Bericht dem parlamentarischen Fragerecht grundsätzlich nicht gleichwertig.
Die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung sind zudem nicht hinreichend
präzise, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen.
D i e Berichte differenzieren nicht nach einzelnen Genehmigungsakten, sondern
führen die im Berichtsjahr genehmigten Geschäfte summiert auf. Die Beschreibung
der betroffenen Güter erfolgt pauschal. In der maßgeblichen Anlage 8 des
Rüstungsexportberichts
für
das Jahr 2013 werden unter der Rubrik
206
207
"Ausfuhrgenehmigungen nach Ländergruppen und Ländern" lediglich Anzahl und
Gesamtwert der Genehmigungen sowie von den Genehmigungen betroffene
Ausfuhrlisten-Positionen mitgeteilt. Die insgesamt 22 Ausfuhrlisten-Positionen sind in
der Ausfuhrliste (AWV Anlage AL) näher beschrieben. Sie sind durch einen
überwiegend sehr pauschalen Erfassungsstatus gekennzeichnet (Wahren, in:
Hohmann/John (Hrsg.), Ausfuhrrecht, 2002, Teil 4, Außenwirtschaftsverordnung,
Erläuterungen AL Teil 1, Rn. 40). So fiele der in den streitgegenständlichen Anfragen
angesprochene
Leopard-Panzer als für militärische Zwecke konstruiertes
Landfahrzeug unter die Rubrik A0006 der Ausfuhrliste. Nach der dortigen Anmerkung
1 erfasst diese Rubrik aber auch gepanzerte Fahrzeuge, amphibische und
tiefwatfähige Fahrzeuge, Bergungsfahrzeuge und Fahrzeuge zum Befördern und
Schleppen von Munition oder Waffensystemen und zugehörige Ladesysteme. Da sich
die Rüstungsexportberichte an diesen groben Einteilungen der Ausfuhrliste
orientieren, ist es auf der Grundlage dieser Berichte kaum möglich, die für eine
effektive
parlamentarische
Kontrolle
relevanten
politisch
bedeutsamen
Exportgenehmigungen auszumachen.
Zwar enthält der Rüstungsexportbericht für die 20 wichtigsten Bestimmungsländer
des Jahres 2013 in Anlage 7 eine etwas detailliertere Aufstellung. Hier werden neben
dem Gesamtwert der erteilten Einzelgenehmigungen auch die wesentlichen Güter
und ihr prozentualer Anteil am Gesamtwert der Genehmigungen genannt.
Verlässliche Rückschlüsse auf bedeutsame einzelne Genehmigungen erlaubt jedoch
auch diese Aufstellung nicht. So lässt sich dieser Liste etwa entnehmen, dass für
Ausfuhren nach Katar Genehmigungen im Gesamtwert von 673.377.690 Euro erteilt
wurden, von denen 44,4 % auf Zugmaschinen, LKW, Kranwagen, Auflieger,
Anhänger, Masten und Teile für Panzer, Panzerhaubitzen, gepanzerte Fahrzeuge,
LKW und Landfahrzeuge entfielen. Welcher Anteil hiervon auf LKW und welcher auf
Teile für Panzer oder Panzerhaubitzen entfiel, ist hieraus nicht zu erkennen. Es muss
den Abgeordneten daher im Rahmen einer effektiven parlamentarischen Kontrolle
des Regierungshandelns möglich sein, über diese Rüstungsexportberichte hinaus
durch konkrete Fragen Informationen darüber zu erhalten, in welchem Umfang
Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen besonderer Bedeutung, wie etwa
Kampfpanzer, in bestimmte Staaten erteilt wurden.
6. Die Bundesregierung kann die Antwort auf parlamentarische Anfragen zu
Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates insoweit verweigern, wie die jeweilige
Anfrage auf Informationen abzielt, die über die Mitteilung einer erfolgten positiven
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Genehmigungsentscheidung und die Eckdaten des betreffenden Ausfuhrgeschäfts
hinausgehen. Eine gesonderte Begründung der Antwortverweigerung ist insoweit
nicht erforderlich, die generelle Berufung auf die Geheimhaltung der Beratungen des
Bundessicherheitsrates reicht aus.
Es besteht eine Jahrzehnte währende und allgemein bekannte Praxis der
Bundesregierung, die Beantwortung derartiger Anfragen unter Berufung auf die
Vertraulichkeit der Beratungen des Bundessicherheitsrates zu verweigern, selbst
wenn in Einzelfällen aufgrund besonderer Umstände einzelne Angaben gemacht
worden sein sollten. Angesichts dieser langjährigen Praxis ist nicht zu verlangen,
dass die Bundesregierung in jeder Antwort auf eine entsprechende Anfrage ihre
allgemeine
Auffassung
zu
dem Verhältnis zwischen parlamentarischem
Informationsrecht einerseits und Schutz der exekutiven Eigenverantwortung,
Belangen des Staatswohls und Schutz der Grundrechte Dritter andererseits darlegt.
Eine solche fortwährend wiederholte Darlegung wäre nur formalistisch und nicht
geeignet, den Frage stellenden Abgeordneten einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn
zu verschaffen. Ein Abgeordneter, der die Gründe für die grundsätzliche
Antwortverweigerung hinterfragen möchte, ist daher gehalten, diese selbst zum
Gegenstand einer Anfrage zu machen.
Eine Begründungspflicht besteht allerdings insoweit, wie die Bundesregierung die
Auskunft über eine erteilte Genehmigung oder über die in diesem Rahmen
mitzuteilenden Generalia des Exportgeschäfts verweigern will.
III.
Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der
streitgegenständlichen Fragen teilweise verkannt und hierdurch Rechte der
Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.
1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die Zusatzfrage des
Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli
2011, PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sie sich auf die Menschenrechtslage in
Saudi-Arabien bezieht, nicht und hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 vom 14.
Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) teilweise nicht genügt, im Übrigen sind die
Anträge des Antragstellers - soweit zulässig - unbegründet.
a) Die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen
Bundestages am 6. Juli 2011 (PlenProt 17/119, S. 13802 D) richtete sich unter
anderem darauf, ob der Bundesregierung Erkenntnisse über die Verletzung von
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Menschen- und Bürgerrechten in Saudi-Arabien vorliegen.
Indem der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie die Antwort auf diese Frage unter Hinweis auf die fehlende
Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers endgültig verweigerte, hat die
Antragsgegnerin das Fragerecht des Antragstellers zu 1. in verfassungsrechtlich
unzulässiger Weise verkürzt. Das Fragerecht der Abgeordneten besteht gegenüber
der Bundesregierung, diese ist zur Beantwortung der Fragen verpflichtet. Die Antwort
kann daher nicht durch Verweis auf das Ressortprinzip verweigert werden. Auf
sonstige Geheimhaltungsgründe hat sich die Antragsgegnerin nicht berufen; sie
drängen sich auch nicht auf.
b) Die Antwort auf die zur schriftlichen Beantwortung gestellte Frage des
Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (Frage 7/193, BTDrucks 17/6658, S. 28) hat die
Antragsgegnerin teilweise zu Unrecht verweigert. Es hätte ihr oblegen, dem
Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob der Bundessicherheitsrat die Lieferung von 200
Panzern des Typs Leopard nach Saudi-Arabien genehmigt hat.
Zu darüber hinausgehenden Angaben war die Antragsgegnerin allerdings nicht
verpflichtet. Falls zum Zeitpunkt der Beantwortung der Frage eine positive
Entscheidung des Bundessicherheitsrates nicht vorgelegen haben sollte, wäre sie
daher nicht verpflichtet gewesen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob überhaupt
e i n entsprechender Genehmigungsantrag oder eine entsprechende Voranfrage
vorlag. Dass die Presse über die vermeintlich erteilte Genehmigung einer solchen
Lieferung berichtet hatte, ändert hieran nichts. Unterfällt ein Willensbildungsvorgang
innerhalb der Regierung dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, so wird er
nicht dadurch weniger geheimhaltungsbedürftig, dass Dritte über ihn öffentlich
berichten. Anderenfalls könnte die Regierung durch gezielte Spekulationen zu
Auskünften über geheimhaltungsbedürftige Willensbildungsvorgänge gezwungen
werden. Auch eine ablehnende Entscheidung hätte die Antragsgegnerin nicht als
solche
mitteilen,
sondern
nur
angeben müssen, dass keine positive
Genehmigungsentscheidung vorliegt. Sollte eine positive Entscheidung des
Bundessicherheitsrates vorgelegen haben, so wäre die Antragsgegnerin nicht
verpflichtet gewesen, die Frage insoweit zu beantworten, wie sie sich auf
Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuelle Auflagen zum Einsatz in Saudi-
Arabien oder in anderen Ländern bezog. Auch Angaben zu den Gründen der
Entscheidung wären nicht erforderlich gewesen.
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c) Berechtigterweise hat die Antragsgegnerin die Antwort auf die dringliche Frage 2
des Antragstellers zu 1. (BTDrucks 17/6438, S. 1) verweigert (PlenProt 17/119, S.
13807 A), soweit diese sich auf "Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und
Nutznießer dieses Waffengeschäfts" bezog.
Die Frage, welche Mitglieder der Bundesregierung ein bestimmtes
Rüstungsexportgeschäft unterstützen oder unterstützt haben, betrifft den Kernbereich
exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. An der Offenlegung interner
Abstimmungsvorgänge der Regierung besteht auch kein berechtigtes
Informationsinteresse, da diese als Ganze dem Parlament gegenüber verantwortlich
ist und bei Mehrheitsentscheidungen nur für die getroffene Entscheidung, nicht aber
für etwaige Gegenstimmen einzustehen hat.
Soweit sich die Frage auf "Vermittler und Nutznießer" bezieht, zielt sie ersichtlich
auf die von dem Antragsteller zu 1. angenommene Leistung "nützlicher
Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts und ist mit der Angabe
der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige
Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden (siehe Rn. 123).
Auch die Antwort auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. zu dem konkreten
Kaufpreis für 200 Leopard-Kampfpanzer (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) durfte die
Antragsgegnerin verweigern. Hierbei handelt es sich um ein Geschäftsgeheimnis des
diese Panzer vertreibenden Unternehmens. Die Offenlegung der Kaufpreise aus
konkreten einzelnen Ausfuhrgeschäften würde anderen Unternehmen einen
Wettbewerbsvorteil verschaffen, da diese ihre eigene Preispolitik entsprechend
anpassen könnten. Zudem würde dem betreffenden inländischen Unternehmen ein
Nachteil daraus erwachsen, dass die verschiedenen Abnehmer dieser Panzer einen
Überblick über die Preisspanne erhielten und diese Information in künftigen
Vertragsverhandlungen zu Lasten der Anbieter ausnutzen könnten.
Es besteht auch kein überwiegendes berechtigtes Interesse an dieser Information.
Konkrete Kaufpreise sind für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns
in aller Regel irrelevant. Dafür, dass der Differenzbetrag zwischen einem etwaigen
Kaufpreis für derartige Panzer in Deutschland und dem von Saudi-Arabien gezahlten
Preis als Bestechungsgeld anzusehen sein müsste, ist nichts ersichtlich. Schon die
Annahme, dass es überhaupt einen feststehenden Kaufpreis im Inland gibt, ist wenig
naheliegend. Die jeweiligen Preise dürften nach allgemeinen marktwirtschaftlichen
Regeln schwanken.
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Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die schriftliche Frage
7/132 der Antragstellerin zu 2. von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) nicht genügt,
soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung
des Bundessicherheitsrates vorliegt. Im Übrigen sind die Anträge der Antragstellerin
zu 2. unbegründet.
d) Die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. richtete sich zum einen
darauf, wann die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last-
und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den
Grenzschutz beziehungsweise dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien
genehmigt hat, und zum anderen darauf, welche besonderen außen- und
sicherheitspolitischen Gründe diesen Genehmigungen zu Grunde lagen.
Die Antragsgegnerin war verpflichtet, den ersten Teil der Frage zu beantworten und
der Antragstellerin zu 2. mitzuteilen, ob und - bejahendenfalls - wann der
Bundessicherheitsrat eine entsprechende positive Genehmigungsentscheidung
getroffen hat. Zur Darlegung der Gründe für die etwaige Entscheidung des
Bundessicherheitsrates war sie hingegen nicht verpflichtet (siehe Rn. 177).
e) Hinsichtlich der Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13803
D) und ihrer dringlichen Frage (BTDrucks 17/6438, S. 1; PlenProt 17/119, S. 13810
D) war die Antragsgegnerin zur Antwortverweigerung berechtigt, da diese Fragen
ebenfalls auf die Gründe für eine vermeintlich getroffene Entscheidung des
Bundessicherheitsrates abzielten.
f) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S.
13811 A) hat die Antragsgegnerin in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender
Weise verweigert. Die Frage, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt,
dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression
genutzt werden, könnte durch die Antragsgegnerin nur beantwortet werden, indem sie
Absprachen offenlegt, die sie mit dem Empfängerstaat getroffen hat. Hierzu ist sie aus
Gründen des Staatswohls nicht verpflichtet.
Die Antragsgegnerin müsste zur Beantwortung der Frage zunächst offenlegen, ob
sie davon ausgegangen ist, dass die Nutzung der zur Ausfuhr vorgesehenen
Rüstungsgüter zu innerer Repression durch den Empfängerstaat konkret drohte.
D e ra rti g e Ausführungen könnten zu einer erheblichen Beeinträchtigung
außenpolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland führen und unter
Umständen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren
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Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land
zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat (siehe Rn. 176).
Sollte hingegen auf konkrete Absprachen oder Auflagen verzichtet worden sein,
könnte dies für bestimmte außenpolitische Interessen der Bundesrepublik an dem
konkreten Exportgeschäft sprechen, deren Öffentlichwerden die Abschätzbarkeit der
deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und
Gestaltungsspielräume verengen kann (siehe Rn. 177). Auch wenn nicht zu
verkennen
ist,
dass
die
maßgebenden
Gründe
für
eine
solche
Genehmigungsentscheidung für die parlamentarische Kontrolle von Bedeutung sind,
darf die Antragsgegnerin die Offenlegung der Gründe daher verweigern.
2. Soweit die Anträge der Antragstellerin zu 3. zulässig sind, haben sie keinen
Erfolg, da die Antragsgegnerin die Antwort auf die betreffenden Fragen verweigern
durfte.
a) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) danach, ob im Vorfeld der
vermeintlichen Entscheidung des Bundessicherheitsrates die Zustimmung Israels
und der USA zu dem Rüstungsexportgeschäft eingeholt worden sei, betrifft den
Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. Die Bundesregierung ist
n i c h t verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im
Bundessicherheitsrat Auskunft zu geben (Rn. 172). Dies gilt auch für Gespräche, die
zur Vorbereitung einer Entscheidung des Gremiums mit anderen Staaten geführt
wurden. Müssten Drittstaaten damit rechnen, dass ihre der Bundesregierung
gegenüber vertraulich abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen
Entscheidung veröffentlicht werden, so wäre zu befürchten, dass die Bundesrepublik
künftig nicht mehr mit derartigen Informationen versorgt würde. Die Antwort kann
insoweit folglich auch aus Gründen des Staatswohls verweigert werden.
b) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B, im Antrag bezeichnet mit
"S. 13841 B") der Antragstellerin zu 3., ob die Verfolgung Homosexueller durch ein
Land der Genehmigungsfähigkeit einer Ausfuhr von Panzern an diesen Staat
entgegenstünde, betrifft wiederum einen Abwägungsvorgang innerhalb des
Bundessicherheitsrates,
der
als Teil
des
Kernbereichs
exekutiver
Eigenverantwortung geschützt ist.
c) Entsprechendes gilt für die schriftliche Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/174;
BTDrucks 17/6658, S. 26), mit der die Antragstellerin zu 3. direkt nach den Gründen
für die vermeintliche Genehmigung der Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an
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Saudi-Arabien fragt.
d) Hinsichtlich der weiteren schriftlichen Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/175;
BTDrucks 17/6658, S. 27) kann auf die Ausführungen zu der entsprechenden Frage
des Antragstellers zu 1. verwiesen werden (siehe Rn. 216 ff.). Auch insoweit durfte
die Antragsgegnerin die Antwort verweigern.
D.
Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach
§ 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE
96, 66 <67>), liegen nicht vor.
Voßkuhle
Die Richterin Lübbe-
Wolff ist aus dem
Amt
ausgeschieden und
deshalb an der
Unter-
schrift gehindert
Voßkuhle
Der Richter Gerhardt
ist aus dem Amt
ausgeschieden und
deshalb an der
Unter-
schrift gehindert
Voßkuhle
Landau
Huber
Herrmanns
Müller
Kessal-Wulf