Urteil des BVerfG vom 14.01.2015

Regelung im thüringischen Ladenöffnungsgesetz zur Freistellung der Beschäftigten in Verkaufsstellen an zwei Samstagen im Monat ist verfassungsgemäß

- Bevollmächtigte:
KDU Krist Deller & Partner Rechtsanwälte,
Clemensstraße 26 - 30, 56068 Koblenz -
L e i t s ä t z e
zum Beschluss des Ersten Senats vom 14. Januar 2015
- 1 BvR 931/12 -
1. Eine landesrechtliche Begrenzung der Samstagsarbeit in Verkaufsstellen ist
dem Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zuzuordnen. Die Kompetenz für das Recht des
Ladenschlusses in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG erstreckt sich nicht auf
arbeitszeitrechtliche Regelungen.
2. Der Bund hat von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für
Regelungen zur Arbeitszeit in Verkaufsstellen an Samstagen bisher nicht
erschöpfend im Sinne des Art. 72 Abs. 1 GG Gebrauch gemacht.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 931/12 -
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der H… GmbH & Co. KG,
vertreten durch die H…GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer,
gegen
§ 12 Abs. 3 des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes vom 24. November
2006 (GVBl S. 541) in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung
des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes vom 21. Dezember 2011 (GVBl
S. 540)
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat -
unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
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Vizepräsident Kirchhof,
Gaier,
Eichberger,
Schluckebier,
Masing,
Paulus,
Baer,
Britz
am 14. Januar 2015 beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob der Thüringer Landesgesetzgeber
mit der im Jahr 2011 im Thüringer Ladenöffnungsgesetz neu geregelten
Beschränkung der Einsatzmöglichkeiten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
an Samstagen in Verkaufsstellen gegen Art. 12 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1
GG verstoßen hat, weil das Land für eine derartige Regelung nicht
gesetzgebungsbefugt war.
I.
1. Die Öffnungs- und Schließzeiten von Verkaufsstellen sowie diese flankierende
Arbeitnehmerschutzvorschriften sind bundesrechtlich im Gesetz über den
Ladenschluss (LadSchlG) vom 28. November 1956 (BGBl I S. 875, zuletzt geändert
durch Art. 228 der Neunten Zuständigkeitsverordnung vom 31. Oktober 2006, BGBl I
S. 2407) geregelt (zur Vorgeschichte BVerfGE 1, 283 <284 ff.>). Das
Ladenschlussrecht zielte schon immer sowohl auf die Schaffung funktionierender
Wettbewerbsverhältnisse als auch auf den Schutz der Beschäftigten; die
konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergab sich dementsprechend
sowohl aus der Vorgängerregelung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für Regelungen über
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den Handel als auch aus derjenigen des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für Regelungen
zum Arbeitsschutz (vgl. BVerfGE 1, 283 <292, 297 f.>; 13, 230 <233>; 111, 10 <28>;
stRspr). Generell finden sich Vorgaben zu Arbeitszeiten auf der Grundlage der
Gesetzgebungskompetenz zum Arbeitsschutz im Arbeitszeitgesetz des Bundes, das
mit Wirkung vom 1. Juli 1994 die Arbeitszeitordnung aus dem Jahr 1938 abgelöst hat.
a) Im Ladenschlussgesetz des Bundes gibt § 17 Abs. 4 LadSchlG vor, dass
Beschäftigte die Freistellung an einem Samstag im Monat verlangen können. In
anderen Bestimmungen des Gesetzes finden sich Regelungen zu Sonn- und
Feiertagen, zur Höchstzeit der Beschäftigung in Verkaufsstellen während der
ausnahmsweise zugelassenen Öffnungszeiten sowie 30 Minuten darüber hinaus und
zur maximalen Tagesarbeitszeit. Für Betriebe, die an Sonn- und Feiertagen geöffnet
sein dürfen, wird auch die maximale Anzahl der Beschäftigungstage pro Jahr
festgelegt und für den Einsatz an Sonn- und Feiertagen ist ein Ausgleich durch
Freistellungen an Werktagen vorgesehen. § 17 Abs. 4 LadSchlG lautet:
(4) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Verkaufsstellen
können verlangen, in jedem Kalendermonat an einem Samstag von
der Beschäftigung freigestellt zu werden.
b) Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG; BGBl I 1994, S. 1170, zuletzt geändert durch Art. 3
Abs. 6 des Gesetzes zur Umsetzung des Seearbeitsübereinkommens 2006 der
Internationalen Arbeitsorganisation vom 20. April 2013, BGBl I S. 868), regelt
allgemein für alle abhängig Beschäftigten die Arbeitszeiten an Werktagen, zu denen
auch der Samstag zählt (§§ 3 bis 8 ArbZG); dazu kommen Regelungen über die
Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen (§§ 9 bis 13 ArbZG). Ein Gesetzentwurf der
Fraktion der SPD und weiterer Abgeordneter vom 28. Juni 1993 enthielt den
Vorschlag, in das Gesetz zur Neuregelung des Arbeitszeitgesetzes die bislang in §
17 LadSchlG geregelte Möglichkeit der Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen
aufzunehmen und § 17 LadSchlG aufzuheben (BTDrucks 12/5282, S. 6 und 8).
Gleiches schlug der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 24. September 1993 zu
dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. Oktober 1993 vor, die diesen
Vorschlag aber nicht aufgegriffen hat (BTDrucks 12/5888, S. 41, 7 und 8). Eine solche
Neuregelung kam nicht zustande.
2. Im Zuge der Föderalismusreform wurden die Gesetzgebungskompetenzen für den
Ladenschluss geändert. Die Kompetenz für das „Recht des Ladenschlusses“ wurde
aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG a.F. herausgenommen und damit in die
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Gesetzgebungskompetenz der Länder übertragen (vgl. Gesetz zur Änderung des
Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl I S. 2034). Die Reform ging insgesamt
auf die Initiative der Länder zurück, wonach die bundesstaatliche Ordnung einer
kritischen Prüfung unterzogen werden sollte, um den Ländern wieder mehr
Kompetenzen zu verschaffen. Im Oktober 2003 wurde die „Kommission zur
Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ eingesetzt. Dort schlugen die
Länder Berlin und Baden-Württemberg im Januar 2004 vor, die Kompetenz für den
Ladenschluss auf die Länder zu übertragen (vgl. Deutscher Bundestag/Bundesrat,
Dokumentation der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung
der
bundesstaatlichen
Ordnung,
2005,
Anlage
CD-Rom
Zusatzmaterial/Arbeitsunterlagen/AU 15); die für das Recht des Ladenschlusses
zuständige Arbeitsgruppe behandelte das Thema erstmals im April 2004. Im Ergebnis
sahen die Länder und einige Sachverständige das Ladenschlussrecht als Materie an,
die auf die Länder übertragen werden könne (a.a.O., S. 444 ff.); dem schloss sich die
Bundesregierung
später
an
(a.a.O.,
Anlage
CD-Rom
Dokumentation/Zusatzmaterial/Ergebnisvermerk der Projektgruppen/PG 5/5. Sitzung,
S. 4). Da insgesamt keine Einigung erreicht werden konnte, erklärte die Kommission
ihre Arbeit zwar im November 2005 ohne konkretes Ergebnis für beendet. Der von
den Vorsitzenden der Kommission erarbeitete Kompromissvorschlag enthielt aber
bereits den Wortlaut des späteren Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (a.a.O., Anlage CD-Rom
Dokumentation/Zusatzmaterial/Sprechzettel der Vorsitzenden/Sprechzettel vom
3.12.2004). Später wurde dies aufgegriffen und Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG a.F.
dementsprechend durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.
August 2006 (BGBl I S. 2034) geändert, das am 1. September 2006 in Kraft trat.
3. Nachfolgend erließen 15 Länder Ladenschluss- oder Ladenöffnungsgesetze.
Derzeit hat einzig Bayern keine eigenen Regelungen erlassen; dort gilt weiterhin das
Ladenschlussgesetz des Bundes.
a) Das in der Bundesregierung für die Regelungsmaterie zuständige
Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat in einem Rundschreiben vom 14. Juli
2006 und darauf verweisend nochmals am 22. Februar 2012 gegenüber dem
entsprechend zuständigen Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und
Gesundheit erklärt, es gehe zwar von einer fortbestehenden konkurrierenden
Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Vorschriften zur Arbeitszeit aus, sehe aber
keine abschließende Bundesregelung. Es sei sinnvoll, Ladenschluss und Arbeitszeit
gemeinsam zu regeln, weshalb der Bund derzeit keine Initiative zur Regelung der
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besonderen arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen für die Beschäftigten im
Einzelhandel plane, das Thema aber im Hinblick auf seine konkurrierende
Gesetzgebungskompetenz im Auge behalte.
b) Der thüringische Landesgesetzgeber verabschiedete am 24. November 2006 das
Thüringer Ladenöffnungsgesetz (ThürLadÖffG; GVBl S. 541). Zur Arbeitszeit in
Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen regelt § 12 Abs. 1 Satz 1 ThürLadÖffG, dass
eine Beschäftigung nur während der ausnahmsweise zugelassenen Öffnungszeiten
und in Ausnahmefällen 30 Minuten darüber hinaus erfolgen darf. Im Übrigen verweist
§ 12 Abs. 2 Satz 1 ThürLadÖffG auf die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes des
Bundes; § 12 Abs. 2 Satz 2 ThürLadÖffG begrenzt die Beschäftigung einzelner
Personen auf höchstens 22 Sonn- und Feiertage jährlich. Im Jahr 2011 hat der
Landesgesetzgeber den vorliegend angegriffenen § 12 Abs. 3 ThürLadÖffG
eingefügt. Nach Satz 1 sind für im Verkauf Beschäftigte zwingend zwei Samstage im
Monat arbeitsfrei, wovon nach Satz 2 im Verordnungswege Ausnahmen zugelassen
werden können; nach Satz 3 müssen Belange der Beschäftigten und insbesondere
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beachtet werden. Die vollständige Regelung
lautet:
§ 12 Besonderer Arbeitnehmerschutz
(1) In Verkaufsstellen dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und
Feiertagen nur während der ausnahmsweise zugelassenen
Öffnungszeiten und, falls dies zur Erledigung von Vorbereitungs-
und Abschlussarbeiten unerlässlich ist, während insgesamt weiterer
30 Minuten beschäftigt werden. Die Dauer der Arbeitszeit des
einzelnen Arbeitnehmers darf acht Stunden nicht überschreiten.
(2) Für die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und
Feiertagen finden die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes vom 6.
Juni 1994 (BGBl. I S. 1170) in der jeweils geltenden Fassung
entsprechend Anwendung. Eine Beschäftigung des einzelnen
Arbeitnehmers ist jährlich an höchstens 22 Sonn- und gesetzlichen
Feiertagen erlaubt.
(3) Arbeitnehmer in Verkaufsstellen dürfen mindestens an zwei
Samstagen in jedem Monat nicht beschäftigt werden. Das für das
Ladenöffnungsrecht zuständige Ministerium kann im Einvernehmen
mit dem zuständigen Ausschuss des Landtags für bestimmte
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Personengruppen sowie in Einzelfällen Ausnahmen von Satz 1
durch Rechtsverordnung regeln. Bei der Häufigkeit der
Arbeitseinsätze an Werktagen ab 20.00 Uhr sowie der
Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen hat der Arbeitgeber die
sozialen Belange der Beschäftigten, insbesondere die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf, zu berücksichtigen.
Die Länder haben die Öffnungszeiten von Verkaufsstellen ansonsten weitgehend
freigegeben. Durch das Gesetz Thüringens wurde eine Öffnung der Geschäfte von
Montag 0:00 Uhr bis Samstag 20:00 Uhr ermöglicht. Gesetzliche Vorgaben zum
Ladenschluss gerade an Werktagen gibt es im Übrigen in Bayern, wo das
Ladenschlussgesetz des Bundes fortgilt, landesrechtlich sonst in Rheinland-Pfalz
und im Saarland. Hinsichtlich der möglichen Arbeitszeiten an Samstagen enthält das
Gesetz Mecklenburg-Vorpommerns die Vorgabe, dass ein Wochenende im Monat frei
bleiben muss, in Hamburg, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bremen
existieren § 17 Abs. 4 LadSchlG entsprechende Regelungen. An Sonn- und
Feiertagen lassen die Ladenöffnungsgesetze der Länder für den Verkauf von
bestimmten Waren (Zeitungen, Backwaren, Blumen und Pflanzen, landwirtschaftliche
Produkte, Milch- und Milcherzeugnisse) und für Verkaufsstellen in besonderen Lagen
(in Bahnhöfen, Fernbahnhöfen, Flughäfen und in Apotheken, an Tankstellen und in
Touristenregionen) begrenzte Öffnungszeiten zu. Zudem können in den Ländern
unterschiedlich viele verkaufsoffene Sonntage allgemein freigegeben werden. Die
tatsächlichen Öffnungszeiten der Verkaufsstätten variieren stark; sie schöpfen die
zulässigen Ladenöffnungszeiten nicht aus.
II.
Die Beschwerdeführerin betreibt als ein Unternehmen der Möbelbranche
bundesweit Verkaufsstellen, unter anderem in E… in Thüringen.
Dieses Möbelhaus hat wochentags einschließlich samstags von 10:00 bis 19:00 Uhr
und an verkaufsoffenen Sonntagen in der Regel von 13:00 bis 18:00 Uhr geöffnet.
Zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde waren dort insgesamt 125
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, davon 90 im Verkauf und zwölf im
Kassenbereich. Insgesamt 44 % der Beschäftigten waren in Teilzeit tätig.
Die Vergütung im Verkauf erfolgt provisionsabhängig, wobei das Unternehmen eine
monatliche und eine jährliche Mindestvergütung garantiert. Der höchste Umsatzanteil
mit 45 % des wöchentlichen Umsatzes fällt nach Angaben der Beschwerdeführerin
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auf den Samstag. Die Ursache hierfür sei, dass das Einkaufen von
Einrichtungsgegenständen heutzutage weniger als notwendige Tätigkeit und auch
nicht als Entscheidung Einzelner, sondern häufig als Freizeitbeschäftigung mit
Erlebniswert für die ganze Familie angesehen werde. Aufgrund der starken
Kundenfrequenz gebe es an Samstagen einen hohen Verkaufsberatungsbedarf.
Daher seien im Betrieb in E… in der Vergangenheit samstags rund 80 Beschäftigte
im Verkauf tätig gewesen, die aufgrund des Vergütungsmodells bei hohem Umsatz
auch erhebliche Provisionsgewinne hätten erzielen können.
III.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von
Art. 12 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1 GG. Die unmittelbar angegriffene
Regelung sei formell verfassungswidrig. Dem Land Thüringen fehle die für einen
Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit oder in Art. 9 Abs. 3 GG erforderliche
Gesetzgebungskompetenz. § 12 Abs. 3 ThürLadÖffG sei eine arbeitszeitrechtliche
Regelung, die unter die bereits in Anspruch genommene konkurrierende
Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Arbeitsrecht aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12
GG falle. Die Regelungskompetenz für die Arbeitszeit an Wochenenden sei den
Ländern
durch
die
Föderalismusreform
mit
der
Verschiebung
der
Gesetzgebungszuständigkeit für den Ladenschluss nicht mit übertragen worden.
Zudem verstoße die Regelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG, denn die Beschwerdeführerin
werde im Vergleich zu Betreibern von Verkaufsstellen mit abhängig Beschäftigten
außerhalb Thüringens benachteiligt.
Die Beschwerdeführerin trägt vor, sie sei seit Inkrafttreten des in § 12 Abs. 3 Satz 1
ThürLadÖffG geregelten Beschäftigungsverbots mit massiven Problemen konfrontiert.
Die Regelung belaste sie selbst, aber auch einen Großteil der Beschäftigten. Die
bislang an mehr als zwei - hinsichtlich der Verdienstmöglichkeiten attraktiven -
Samstagen tätigen Beschäftigten verlören in erheblichem Maße Provisionen. Da an
den übrigen Wochentagen kein Bedarf für weitere Einsätze bestehe, müssten sie ihre
Arbeitszeit reduzieren, was wiederum die Mindestvergütung herabsetze. Das wirke
sich insbesondere für Teilzeitkräfte negativ aus, die ihre Provisionen zum größten
Teil an Samstagen erwirtschafteten. Es sei zudem unmöglich, an Samstagen
ausreichend erfahrene Kräfte einzusetzen. Neue Kräfte ausschließlich für die
Samstage seien nicht nur unerfahren, sondern auch nicht zu gewinnen, da eine
solche Beschäftigung zu geringfügig sei. Die Beschränkung der Samstagsarbeit führe
so dazu, dass die Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin unattraktiv werde. Zudem
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belaste sie die Beschwerdeführerin mit erheblichen Kosten. Die Fixkosten blieben
gleich oder stiegen, etwa durch die Einstellung von weiteren Aushilfskräften. Ohne
erfahrene Beschäftigte an Samstagen könne sie ihre qualitativ hochwertige
Verkaufsberatung nicht aufrechterhalten. Es stehe zu befürchten, dass Kunden in
benachbarte Einkaufsstädte in anderen Ländern abwanderten, denn im
Möbeleinzelhandel würden ohne weiteres 90 Minuten Fahrzeit in Kauf genommen.
Wenn die Anzahl der zur Verfügung stehenden Verkaufsberater und -beraterinnen um
50 % abgesenkt werden müsse, führe dies zu einem Umsatzrückgang von 20 bis 25
%.
IV.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Landesregierung des Freistaats
Thüringen, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, der Deutsche
Gewerkschaftsbund, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
und der Handelsverband Deutschland Stellung genommen.
1. Die Landesregierung des Freistaats Thüringen hält die Verfassungsbeschwerde
bereits mangels hinreichender Begründung für unzulässig, denn Ausführungen zu
den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 1 GG fehlten. Die Regelung verstoße aber
auch nicht gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Die
Arbeitnehmerschutzvorschrift des § 12 Abs. 3 Satz 1 ThürLadÖffG unterfalle nach
ihrem Wortlaut dem Recht des Ladenschlusses gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Der
verfassungsändernde Gesetzgeber habe die Zuständigkeit für das Ladenschlussrecht
genau in dem Umfang rezipiert und auf die Länder zurückverlagern wollen, wie dies
bisher durch Bundesgesetz geregelt war. Das Ladenschlussrecht habe zum Zeitpunkt
des Zuständigkeitstransfers nicht nur Wirtschaftsrecht, sondern auch spezielles, für
den Einzelhandel geltendes Arbeitsschutzrecht umfasst. Mit dem „Recht des
Ladenschlusses“ würden die beiden traditionellen Kompetenzgehalte Wirtschaft und
Arbeitsschutz inkorporiert. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der
verfassungsändernde Gesetzgeber diesen Zusammenhang habe auflösen wollen.
Für ihn spreche auch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
zur Auslegung von Kompetenznormen, nach der sachlich Zusammenhängendes
nicht durch begriffsjuristische Engführung auseinandergerissen werden solle
(Verweis auf BVerfGE 97, 228; 97, 332). Eine Landeskompetenz sei aber selbst dann
gegeben, wenn die angegriffene Regelung dem Arbeitsschutz im Sinne von Art. 74
Abs. 1 Nr. 12 GG zuzuordnen wäre. Dann hätte der Bund insoweit von seiner
Gesetzgebungskompetenz nicht abschließend Gebrauch gemacht.
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2. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Deutsche
Gewerkschaftsbund
sehen
keine
Verletzung
von
Grundrechten
der
Beschwerdeführerin durch § 12 Abs. 3 ThürLadÖffG. Für die Regelung der Arbeitszeit
an Samstagen sei eine Gesetzgebungskompetenz des Landes gegeben, denn es
fehle an einer sperrenden Regelung des Bundes. Mit der Föderalismusreform seien
die Kompetenzzuordnungen für den Ladenschluss und den Arbeitsschutz
auseinandergefallen. Arbeitszeitrechtliche Regelungen fielen nicht unter das
„Ladenschlussrecht“ des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Auch eine Zuständigkeit der
Länder zur Regelung der Arbeitszeiten im Einzelhandel aufgrund eines
Sachzusammenhangs mit dem Ladenschluss komme nicht in Betracht. Dennoch
verfüge das Land über die Kompetenz zur Regelung der Arbeitszeiten an Werktagen
aus Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, da der Bund von seiner Kompetenz durch
das Arbeitszeitgesetz nicht abschließend Gebrauch gemacht habe. Abschließend
seien lediglich die Regelungen im Hinblick auf die Beschäftigung an Sonn- und
Feiertagen, nicht jedoch für die Werktage einschließlich des Samstags.
Die Regelung sei auch materiell verfassungsgemäß. Der Eingriff in die
Berufsausübungsfreiheit durch § 12 Abs. 3 ThürLadÖffG sei durch hinreichende, dem
Gewicht der Beeinträchtigung entsprechende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt
und entspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine Verletzung des
Grundrechts der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG sei nicht gegeben, denn
dieses enthalte kein Normsetzungsmonopol.
3. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der
Handelsverband Deutschland halten die Verfassungsbeschwerde für begründet, da
das Land Thüringen nicht zum Erlass von § 12 Abs. 3 ThürLadÖffG
gesetzgebungsbefugt sei. Als arbeitszeitrechtliche Regelung falle die Norm unter Art.
74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Zwischen Ladenöffnungszeiten und Arbeitszeitregelungen
bestehe kein zwingender Sachzusammenhang. Der Bund habe das Arbeitszeitrecht
umfassend geregelt und damit im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG abschließend
Gebrauch gemacht. Die angegriffene Regelung stelle die Einzelhandelsunternehmen
in Thüringen auch vor erhebliche praktische Probleme.
B.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. § 12 Abs. 3 ThürLadÖffG
verstößt nicht gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Die Vorschrift ist
auch materiell mit dem Grundgesetz vereinbar.
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I.
Die Verfassungsbeschwerde ist ausweislich ihrer Begründung auf eine Überprüfung
lediglich der Sätze 1 und 2 des § 12 Abs. 3 ThürLadÖffG gerichtet und insoweit
zulässig.
1. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich in zulässiger Weise unmittelbar gegen
die bereits in Kraft befindliche Regelung des § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 ThürLadÖffG,
wonach im Verkauf Beschäftigte zwingend zwei Samstage im Monat arbeitsfrei
gestellt werden müssen. Davon können im Verordnungswege Ausnahmen
zugelassen werden. Das ist hier nicht geschehen. Es besteht die Möglichkeit, dass
die
Beschwerdeführerin
durch
diese
Regelung
in
einem
verfassungsbeschwerdefähigen Recht (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1
BVerfGG) selbst, unmittelbar und gegenwärtig verletzt ist. Sie betreibt eine
Verkaufsstelle in Thüringen, so dass die Regelung auf sie Anwendung findet, ohne
dass es eines weiteren Vollzugsaktes bedarf (vgl. BVerfGE 126, 112 <133> m.w.N.).
Sie darf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - anders als in der Vergangenheit
üblich - nicht an mehr als zwei Samstagen im Monat im Verkauf einsetzen.
2. Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert allerdings, dass vor Einlegung einer
Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten
ergriffen werden, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu
erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 123, 148
<172>; 134, 242 <285 Rn. 150>; stRspr). Daher ist eine Verfassungsbeschwerde
unzulässig, wenn in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die Anrufung der
Fachgerichte erlangt werden kann. Damit soll unter anderem erreicht werden, dass
das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und
Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen trifft (vgl. BVerfGE 123, 148 <172>
m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat die Pflicht zur Anrufung der Fachgerichte
aber ausnahmsweise verneint, wenn sie nicht zumutbar ist, weil dies offensichtlich
sinn- und aussichtslos wäre. Dies kann der Fall sein, wenn der Misserfolg eines
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von vornherein feststeht, weil die Norm der
Verwaltung keinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum einräumt (vgl. BVerfGE
123, 148 <172>). Wirft ein Sachverhalt allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen
auf, die das Bundesverfassungsgericht letztlich zu beantworten hat, ohne dass von
einer
vorausgegangenen
fachgerichtlichen
Prüfung
verbesserte
Entscheidungsgrundlagen zu erwarten wären, ist die vorherige Nutzung
fachgerichtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten auch im Hinblick auf einen in zeitlicher
24
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und tatsächlicher Hinsicht effektiven Rechtsschutz nicht zumutbar (vgl. BVerfGE 123,
148 <172 f.> m.w.N.). Außerdem verlangt der Grundsatz der Subsidiarität nicht, dass
Betroffene vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen eine straf- oder
bußgeldbewehrte Rechtsnorm verstoßen und sich dem Risiko einer entsprechenden
Ahndung aussetzen müssen, um dann im Straf- oder Bußgeldverfahren die
Verfassungswidrigkeit der Norm geltend machen zu können (vgl. BVerfGE 81, 70 <82
f.>; 97, 157 <165>).
Danach
musste
die
Beschwerdeführerin
hier
vor
Einlegung
der
Verfassungsbeschwerde keinen fachgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch
nehmen. Zwar ist ein Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Satz 1 ThürLadÖffG weder straf-
noch bußgeldbewehrt, doch normiert § 12 Abs. 3 Satz 1 ThürLadÖffG ein unmittelbar
geltendes
Beschäftigungsverbot
ohne
jeden
Auslegungsspielraum.
Die
Beschwerdeführerin müsste bewusst gegen dieses gesetzliche Verbot verstoßen, um
Unterlassungsverfügungen gemäß § 13 Abs. 2 ThürLadÖffG und in der Folge wohl
auch Zweifel an ihrer gewerberechtlichen Zuverlässigkeit zu provozieren. Auch ist
hier mangels Auslegungsspielraums nicht ersichtlich, dass die weitere
Fallanschauung
der
Fachgerichte
die
Entscheidungsgrundlage
des
Bundesverfassungsgerichts
verbessern
könnte.
Im
Mittelpunkt
der
Verfassungsbeschwerde stehen Fragen der Gesetzgebungskompetenz, deren
Klärung ohnehin letztlich dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist.
3. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde genügt den Anforderungen an § 23
Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Dafür reicht es aus, dass die Beschwerdeführerin die
fehlende Gesetzgebungskompetenz für die unmittelbar angegriffene Vorschrift
hinreichend substantiiert gerügt hat.
II.
Die angegriffene Regelung ist formell und materiell verfassungsmäßig. Sie verstößt
weder gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes noch gegen materielles
Verfassungsrecht.
1. Die angegriffene Vorschrift kann einen Eingriff in Grundrechte rechtfertigen, denn
sie ist vom Landesgesetzgeber kompetenzgemäß erlassen worden. Die Länder
haben gemäß Art. 70 Abs. 1 GG das Recht der Gesetzgebung, soweit das
Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Für die
Gesetzgebungsmaterie des Ladenschlusses sind nach Art. 70 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG die Länder zur Gesetzgebung befugt; das Arbeitszeitrecht
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ist demgegenüber gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG Gegenstand der konkurrierenden
Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Die angegriffene Regelung fällt nicht als
Regelung des „Ladenschlusses“ unter die Bereichsausnahme des Art. 74 Abs. 1 Nr.
11 GG zugunsten der Länder, sondern ist gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG
Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Von dieser
Kompetenz hat der Bund aber nicht abschließend im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG
Gebrauch gemacht (vgl., dies noch offen lassend, zum Berliner Ladenschlussrecht
BVerfGE 125, 39 <88 f.>).
a) Die Systematik des Grundgesetzes fordert im Sinne einer möglichst eindeutigen
vertikalen Gewaltenteilung eine strikte, dem Sinn der Kompetenznorm gerecht
werdende Auslegung der Art. 70 ff. GG (vgl. BVerfGE 12, 205 <228 f.>; 15, 1 <17>; 26,
281 <297 f.>; 42, 20 <28>; 61, 149 <174>; 132, 1 <6 Rn. 19>).
aa) Für die Zuweisung einer Gesetzgebungsmaterie an Bund oder Länder ist der in
Betracht kommende Kompetenztitel anhand des Wortlauts, historisch, systematisch
und mit Blick auf den Normzweck auszulegen (vgl. BVerfGE 109, 190 <212>). Dabei
ist insbesondere das Gewicht der historischen Interpretation von der Struktur und
Ausformung des Kompetenztitels abhängig. Die Regelungsgeschichte des jeweiligen
Normbestandes ist weniger relevant, wenn die Kompetenzmaterie einen
Lebenssachverhalt benennt, und maßgeblicher, wenn die Regelungsmaterie
normativ-rezeptiv einen vorgefundenen Normbereich aufgegriffen hat; dann kommt
dem Gesichtspunkt des Traditionellen oder Herkömmlichen wesentliche Bedeutung
zu (vgl. BVerfGE 3, 407 <414 f.>; 61, 149 <175>; 97, 198 <219>; 106, 62 <105>; 109,
190 <213>; 134, 33 <55 Rn. 55>). Hat der Verfassungsgeber also eine normativ
ausgeformte Materie vorgefunden und sie als solche nachvollziehend im
Kompetenztitel benannt, ist davon auszugehen, dass die einfachgesetzliche
Ausformung in der Regel den Zuweisungsgehalt auch der Kompetenznormen
bestimmt (vgl. BVerfGE 109, 190 <218>).
bb) Bei der Zuordnung von Gesetzesmaterien zu Kompetenznormen dürfen die
einzelnen Vorschriften eines Gesetzes allerdings nicht isoliert betrachtet werden.
Ausschlaggebend ist vielmehr der Regelungszusammenhang. Eine Teilregelung, die
bei isolierter Betrachtung einer Materie zuzurechnen wäre, für die der
Kompetenzträger nicht zuständig ist, kann nur dann gleichwohl in seine Kompetenz
fallen, wenn sie mit dem kompetenzbegründenden Schwerpunkt der Gesamtregelung
derart eng verzahnt ist, dass sie als Teil dieser Gesamtregelung erscheint (vgl.
BVerfGE 97, 228 <251 f.>; 97, 332 <342 f.>; 98, 265 <299>). Daneben kann eine
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32
33
ungeschriebene
Gesetzgebungskompetenz
als
Kompetenz
kraft
Sachzusammenhangs bestehen. Sie stützt und ergänzt eine zugewiesene
Zuständigkeit, wenn die entsprechende Materie verständigerweise nicht geregelt
werden kann, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere
Materie mitgeregelt wird, wenn also das Übergreifen unerlässliche Voraussetzung für
die Regelung der zugewiesenen Materie ist (vgl. BVerfGE 3, 407 <421>; 98, 265
<299>). Ein solcher Sachzusammenhang kann auch eine Kompetenz der Länder
begründen (vgl. BVerfGE 7, 29 <38 ff.>; 28, 119 <145 ff.>).
b) Danach ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz des Landes Thüringen für § 12
Abs. 3 Satz 1 und 2 ThürLadÖffG vorliegend nicht aus Art. 70 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Die angegriffene Regelung lässt sich weder dem „Recht
des Ladenschlusses“ als ausdrückliche Ausnahme von der konkurrierenden
Gesetzgebung zuordnen noch ist sie mit den übrigen ladenschlussrechtlichen
Vorschriften des Gesetzes zwingend kompetenzbegründend verzahnt. Der
Landesgesetzgeber verfügt hier auch nicht über eine ungeschriebene
Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs.
aa) Das Grundgesetz selbst bestimmt den Begriff „Ladenschluss“ nicht näher. Nach
dem Wortlaut des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wird mit dem Begriff „Ladenschluss“ der
gesetzlich geregelte Rahmen der täglichen Verkaufszeit in Einzelhandelsgeschäften
umschrieben. Beschäftigungsbedingungen sind dem gängigen Wortsinn nach
hiervon nicht umfasst.
bb) Gegen die Zuordnung arbeitszeitrechtlicher Regelungen zum Kompetenztitel
Ladenschluss spricht - entgegen der Auffassung des Verfassungsgerichtshofs des
Freistaates Sachsen (Urteil vom 21. Juni 2012 - Vf. 77-II-11 -, juris, Rn. 97) - auch die
Entstehungsgeschichte des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Über das gängige
Wortverständnis hinaus sind für die Zuordnung zudem das rechtliche und historische
Umfeld sowie die Zielrichtung einer Verfassungsnorm von Bedeutung (vgl. BVerfGE
74, 102 <116>; 83, 119 <126>). Hier ist zu berücksichtigen, dass der
verfassungsändernde
Gesetzgeber
in
Ansehung
des
damaligen
Ladenschlussgesetzes lediglich eine Kompetenznorm zugunsten des Bundes (Art. 74
Abs. 1 Nr. 11 GG) verändert hat, obwohl das Gesetz stets auf zwei Kompetenztitel
(Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) gestützt wurde. Das
Ladenschlussgesetz war sowohl dem Arbeitsschutz als auch dem Handel
zugeordnet;
es
sollte
zum
einen
zur
Schaffung
funktionierender
Wettbewerbsverhältnisse einer übermäßigen Konkurrenz durch beliebige
34
35
Ladenöffnungszeiten entgegensteuern sowie zum anderen dem Arbeitsschutz dienen
(vgl. BVerfGE 1, 283 <292>; 13, 230 <233>; 13, 237 <239>; 111, 10 <28>). Daraus
ergab sich für die damaligen Vorschriften der §§ 1 - 16, 19, 20 LadSchlG eine -
verfassungsrechtlich im Grundsatz unproblematische (vgl. BVerfGE 103, 197 <215
f.>) - doppelte Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes sowohl aus Art. 74 Abs. 1 Nr.
11 GG a.F. als auch z u gleich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (vgl. BVerfGE 1, 283
<292>; 13, 230 <233>; 13, 237 <239>; 111, 10 <28>). Daneben gibt es im
Ladenschlussgesetz aber auch Regeln über speziell arbeitsschutzrechtliche Aspekte
(§ 17 LadSchlG), die immer schon ausschließlich dem Kompetenztitel des Art. 74
Abs. 1 Nr. 12 GG zugeordnet waren.
Der Zuständigkeitstransfer im Rahmen der Föderalismusreform hat nicht beide
Kompetenzgrundlagen erfasst. Es ist nicht ersichtlich, dass mit der
Verfassungsänderung zur Kompetenz für den Ladenschluss die Zuständigkeit für alle
bislang im Ladenschlussgesetz des Bundes getroffenen Regelungen auf die
Landesgesetzgeber übergehen sollte. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hatte
hier ausschließlich die handelsbezogenen Aspekte des Ladenschlussrechts im Blick.
In den Arbeitsgruppen und Projektgruppen der Föderalismusreform bezogen sich die
politischen Beratungen wie auch die Aussprachen auf die allgemeinen Begriffe
„Ladenschluss“,
„Ladenöffnung“
oder
„Ladenschlussrecht“
(Deutscher
Bundestag/Bundesrat, Dokumentation der Kommission von Bundestag und
Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, 2005, S. 356, 360,
370 - 372, 444 ff.; Anlage CD-Rom Dokumentation/Zusatzmaterial/Protokollvermerke
der AG 1/7. Sitzung, S. 22 f.) im Sinne der Möglichkeiten des Handels. Nur an einer
Stelle wird pauschal auf die „Übertragung des Ladenschlussgesetzes“ (a.a.O., S. 444
- Schmitz -) verwiesen. Die einstige regulatorische Entscheidung des
Bundesgesetzgebers, innerhalb des Ladenschlussgesetzes und nicht etwa im
Arbeitszeitgesetz Vorgaben zu den Arbeitszeiten an Samstagen, Sonn- und
Feiertagen für Verkaufsstellen zu normieren, ist für die neue kompetenzrechtliche
Zuordnung im Zuge der Föderalismusreform damit nicht prägend geworden.
Der Zuständigkeitstransfer wurde zudem ausschließlich im Rahmen von Art. 74 Abs.
1 Nr. 11 GG a.F. und an keiner Stelle im Zusammenhang mit dem Kompetenztitel für
das Arbeitsschutzrecht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG diskutiert; diese Kompetenz
verblieb vielmehr unangetastet beim Bund. Auch in der Begründung des 52.
Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes 2006 (BTDrucks 16/813, S. 13) finden
sich keine Hinweise darauf, dass durch die veränderte Zuständigkeit für das „Recht
36
37
38
des Ladenschlusses“ auch Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG berührt sein könnte. Ziel des
verfassungsändernden Gesetzgebers war es vielmehr, Gesetzgebungskompetenzen
wegen nur regionaler Auswirkungen auf die Länder zu übertragen, und dies nur
insoweit, wie das Prinzip der Wirtschaftseinheit nicht gefährdet werde (vgl. BTDrucks
16/813, S. 9; Deutscher Bundestag/Bundesrat, Dokumentation der Kommission von
Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, 2005,
S. 356 - Kröning und Funke -, S. 371, 446 - Huber -; Anlage CD-Rom
Dokumentation/Zusatzmaterial/ Protokollvermerke der AG 1/7. Sitzung, S. 22 f.). Dies
trifft auf den Ladenschluss zu, nicht aber auf den Arbeitsschutz als Teil des
Arbeitsrechts oder auf das spezielle Arbeitszeitrecht.
cc) Auch der Vergleich zu anderen Gesetzgebungsmaterien, die mit der
Föderalismusreform anknüpfend an einen gewerberechtlichen Bestand von der
konkurrierenden Gesetzgebung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG ausgenommen wurden
(das Recht „der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der
Messen, der Ausstellungen und der Märkte“), spricht dafür, dass die konkurrierende
Kompetenz zur Regelung der Arbeitszeit auch für den Einzelhandel beim Bund
verblieben ist. Benannt wurden ausschließlich Materien des Wirtschaftsrechts, die
insofern einheitlich Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG a.F. und nicht mehreren Kompetenztiteln
zugeordnet waren.
dd) Der Zweck der Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, eine neu
konturierte, klare föderale Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten im Recht der
Wirtschaft zu erzielen, steht einer nunmehr divergierenden Kompetenz für
Ladenschluss im Wortsinn einerseits und Arbeitszeitregelungen andererseits nicht
entgegen. Zwar können strenge arbeitszeitrechtliche Vorgaben des Bundes faktisch
Ladenschlussregelungen sein und so die Länderzuständigkeit für den Ladenschluss
begrenzen. Allerdings träfe dies nur Unternehmen mit abhängig Beschäftigten, denn
für Selbständige gelten die arbeitnehmerschützenden Bestimmungen nicht. Zudem
stießen arbeitszeitrechtliche Regelungen, die einer Liberalisierung der
Ladenöffnungszeiten in den Ländern deutlich entgegengesetzt wären, wegen des bei
der Ausübung der Gesetzgebungskompetenzen regelmäßig geltenden Gebots
wechselseitiger bundesstaatlicher Rücksichtnahme auf verfassungsrechtliche
Grenzen (vgl. BVerfGE 43, 291 <348>; 98, 106 <118 f.>; 98, 265 <301>).
ee) Die Gesetzgebungskompetenz des Landes ergibt sich weder aus einer engen
Verzahnung von § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 ThürLadÖffG mit den übrigen, der Materie
des Ladenschlusses zuzuordnenden Vorschriften des Gesetzes (1) noch kraft
39
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Sachzusammenhangs (2). Der arbeitszeitliche Ausgleich für den Einsatz von
Beschäftigten im Rahmen der verlängerten Ladenöffnung an Samstagen, den das
Land Thüringen mit § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 ThürLadÖffG schaffen wollte (vgl.
ThürLTDrucks 5/3191, S. 9), ist keine unerlässliche Bedingung für diese
Verlängerung von Ladenöffnungszeiten.
(1) Eine Regelung der samstäglichen Arbeitszeit im Wege eines
Freistellungsanspruchs ist mit dem Ladenschlussrecht nicht derart zwingend
verzahnt,
dass
sie
von
der
diesbezüglichen
geschriebenen
Gesetzgebungskompetenz der Länder mit erfasst wäre. Es handelt sich lediglich um
Materien, die aufeinander wirken, aber nicht zwingend zusammen geregelt werden
müssen. Das Auseinanderfallen von Gesetzgebungskompetenzen in Bereichen, die
einander beeinflussen, ist dem Grundgesetz nicht fremd. So regelt der Bund etwa
Ausnahmen vom Verbot der Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen im
Rettungswesen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG oder in den Gaststätten in § 10 Abs. 1
Nr. 4 ArbZG ungeachtet der im Übrigen bestehenden Landeskompetenzen für diese
Materien. Die Landesgesetzgeber sind auch nicht gehindert, von ihrer
Gesetzgebungskompetenz für den Ladenschluss Gebrauch zu machen, wenn sie
nicht zugleich Regelungen zur Arbeitszeit treffen können. Vielmehr haben die Länder
den Ladenschluss größtenteils neu geregelt, ohne jeweils auch den Arbeitsschutz
neu zu fassen. Die Mehrzahl der Länder hat die Ladenöffnung an Werktagen
weitgehend freigegeben, ohne die Beschäftigungsmöglichkeiten an Samstagen in
größerem Maße einzuschränken, als dies durch § 17 Abs. 4 LadSchlG der Fall ist.
(2) Eine Landeskompetenz ergibt sich auch nicht kraft Sachzusammenhangs. Zwar
liegt es nicht fern, auch die Arbeitszeit zu regeln, wenn der Ladenschluss normiert
wird. Doch genügen reine Zweckmäßigkeitserwägungen zur Begründung von
Gesetzgebungskompetenzen aus dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs
nicht (vgl. BVerfGE 3, 407 <421>). Notwendig ist vielmehr, dass das Übergreifen in
den Kompetenzbereich des Bundes für den Arbeitsschutz unerlässlich ist, um eine
Regelung des Ladenschlusses verständigerweise treffen zu können. Daran fehlt es
hier. Arbeitszeitrechtliche Regelungen erfassen weite Teile des Arbeitslebens und
sind nicht ladenschlussspezifisch. Ein verfassungsrechtlicher Schutzauftrag für Sonn-
und Feiertage ist hier nicht einschlägig (dazu BVerfGE 125, 39 <80 ff.>;
SächsVerfGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - Vf. 77-II-11 -, juris, Rn. 98).
c) Für die Regelungen in § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 ThürLadÖffG besteht gleichwohl
eine Gesetzgebungskompetenz des Landes Thüringen. Der Bund hat zwar nach Art.
42
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74 Abs. 1 Nr. 12 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für
arbeitszeitrechtliche Vorschriften zum Einsatz von Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern an Samstagen. Er hat von dieser jedoch nicht abschließend im Sinne
von Art. 72 Abs. 1 GG Gebrauch gemacht. Der Bund hat die Arbeitszeiten nicht
erkennbar erschöpfend geregelt. Damit ist dem Land die Regelungskompetenz
derzeit auch durch den weiterhin geltenden § 17 Abs. 4 LadSchlG nicht vollständig
entzogen.
aa) Zwar darf der Bund die Arbeitszeiten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts (Art. 74
Abs. 1 Nr. 12 GG) regeln, ohne dass dies zur Herstellung gleichwertiger
Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur Wahrung der Rechts- oder
Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich ist (Art. 72 Abs. 2 GG).
Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder nach Art. 72 Abs. 1
GG allerdings die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von
seiner in Art. 74 GG benannten Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz
Gebrauch gemacht hat.
Ein Gebrauchmachen von einer Gesetzgebungskompetenz in einer den
Landesgesetzgeber im Sinne des Art. 72 Abs. 1 GG ausschließenden Weise liegt vor,
wenn ein Bundesgesetz eine bestimmte Frage erschöpfend regelt (vgl. BVerfGE 7,
342 <347>; 20, 238 <248>; 49, 343 <359>; 67, 299 <324>). Auch diese Vorgabe ist
zur Sicherung einer klaren vertikalen Kompetenzordnung strikt auszulegen (dazu
oben II 1 a). Die Sperrwirkung für die Länder setzt voraus, dass der erschöpfende
Gebrauch der Kompetenz durch den Bund hinreichend erkennbar ist (vgl. BVerfGE
98, 265 <301>). Bloße Wert- und Zielvorstellungen entfalten keine Sperrwirkung (vgl.
BVerfGE 49, 343 <359>). Eine erschöpfende Regelung kann allerdings positiv durch
eine Regelung erfolgen oder negativ durch das Unterlassen einer Regelung (vgl.
BVerfGE 2, 232 <236>; 34, 9 <28>); auch durch absichtsvollen Regelungsverzicht
kann eine Kompetenzmaterie erschöpft sein (vgl. BVerfGE 32, 319 <327 f.>; 98, 265
<300>).
Die Sperrwirkung tritt nach Art. 72 Abs. 1 GG ein, solange und soweit der Bund die
Materie regelt; sie ist also zeitlich und sachlich begrenzt. Maßgeblich für die
Bestimmung ihrer Reichweite sind die gesetzliche Regelung selbst und der hinter ihr
stehende Regelungszweck sowie die Gesetzgebungsgeschichte (vgl. BVerfGE 98,
265 <300>; 109, 190 <230 f.>). Entscheidend ist, dass ein bestimmter Sachbereich
tatsächlich umfassend und lückenlos geregelt ist oder nach dem aus
Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des
45
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Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte (BVerfGE 102, 99 <115>). Der
abschließende Charakter einer Regelung bestimmt sich insofern nach einer
Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes (vgl. BVerfGE 67, 299 <324>;
98, 265 <301>; 102, 99 <114>; 109, 190 <229>) und kann auch durch mehrere
zusammenwirkende Gesetze erreicht werden (vgl. BVerfGE 34, 9 <28>). Ist die
Regelung abschließend, ist es dem Landesgesetzgeber verwehrt, die Materie
ergänzend oder unter neuen Gesichtspunkten zu regeln; das Grundgesetz weist den
Ländern nicht die Aufgabe zu, Entscheidungen des Bundesgesetzgebers
nachzubessern (vgl. BVerfGE 36, 193 <211 ff.>; 102, 99 <115>).
bb) Hiernach ergibt sich aus der Regelung des § 17 Abs. 4 LadSchlG gegenüber
den Ländern keine Sperrwirkung, soweit die Länder eine über den dort
bundesgesetzlich vorgesehenen Freistellungsanspruch von nur einem Samstag im
Monat hinausgehende Freistellung von Samstagsarbeit in Verkaufsstellen gesetzlich
vorschreiben. Zwar hatte die bundesrechtliche Regelung zum Zeitpunkt ihrer
Verabschiedung insofern faktisch abschließende Wirkung, als die Länder damals
keine Regelungskompetenz für den Ladenschluss hatten. Doch liegen keine
Anhaltspunkte dafür vor, dass § 17 Abs. 4 LadSchlG nach der Verlagerung der
Gesetzgebungskompetenzen für den Ladenschluss auf die Länder in der hier zu
entscheidenden Frage der Beschäftigung im Einzelhandel an Samstagen
abschließend gelten soll. Der Bundesgesetzgeber musste sich darüber zum
damaligen Zeitpunkt schlicht keine Gedanken machen; weder war die Regelung
damals aus der Sicht des Gesetzgebers bewusst abschließend konzipiert noch ist sie
heute objektiv eindeutig als abschließend zu verstehen. Es liegt damit also keine
verfassungsrechtlich unzulässige nachträgliche Umdeutung (vgl. BVerfGE 109, 190
<235>), sondern ein Handeln in einer umfassend veränderten legislativen Situation
vor.
Die bundesgesetzliche Norm beschränkt nach ihrem Wortlaut den
Freistellungsanspruch auf einen Samstag im Kalendermonat, legt aber objektiv nicht
ausdrücklich fest, dass dies als abschließende Vorgabe für eine diesbezüglich
zwingende Arbeitszeitregelung zu verstehen ist. Ein Anhaltspunkt, dass der
Freistellungsanspruch auf genau einen Samstag begrenzt sein soll, ist der Regelung
nicht zu entnehmen. Insofern lässt sich die Regelung auch als eine bloße
Minimalgarantie verstehen. Ausweislich der Beschlussempfehlung des Ausschusses
für Wirtschaft und Arbeit im Deutschen Bundestag zur Erweiterung der
Ladenöffnungszeiten am Samstag sollte ein gesetzlicher Anspruch eingeführt
47
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werden, der „zumindest einen arbeitsfreien Samstag im Monat ermöglichen soll“
(BTDrucks 15/591, S. 2).
Die Regelung des § 17 Abs. 4 LadSchlG bezieht sich, wird er im Zusammenhang
mit den übrigen arbeitszeitrechtlichen Vorgaben des § 17 LadSchlG betrachtet,
zudem erkennbar auf die damals geltenden bundeseinheitlichen Bestimmungen zum
Ladenschluss. Dieser Normenkomplex ist jedoch als Grundlage für die
arbeitszeitrechtlichen Vorgaben im Wege der Föderalismusreform entfallen. Auch das
steht der Annahme entgegen, es liege unter den Bedingungen der heutigen
Kompetenzverteilung eine klar erkennbare abschließende Bundesregelung vor.
Die Regelungsgeschichte spricht ebenfalls nicht für eine eindeutig abschließende
Regelung des Bundes, die eine Regelung der Länder sperren würde. Vorgaben zur
Arbeitszeit finden sich seit jeher in mehreren gesetzlichen Regelungen (dazu oben A
I 1). So gelten neben dem Arbeitszeitgesetz des Bundes besondere Vorschriften für
Jugendliche im Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) und Sonderregelungen für
werdende und stillende Mütter im Mutterschutzgesetz (MuSchG). Desgleichen ist § 17
LadSchlG eine Sonderregelung für Verkaufsstellen des Einzelhandels. Da der Bund
für diese bis zur Föderalismusreform eine Regelungskompetenz besaß, ohne dass
die Länder daneben über eine solche Kompetenz verfügten, kam es auf den
Charakter der Regelung im Verhältnis zu eventuell unterschiedlichen Vorstellungen
der Länder überhaupt nicht an.
Auch sonst liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, die bundesrechtliche Regelung
zur Beschäftigung an Samstagen unter den geänderten Vorzeichen für abschließend
zu halten. Jedenfalls seit der Föderalismusreform ist nicht hinreichend eindeutig
erkennbar, dass die alten Bundesregelungen abschließenden Charakter haben.
Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens zur Neuregelung des
Arbeitszeitgesetzes im Jahr 1993 hat der Bund die Möglichkeit einer
Vereinheitlichung und Klarstellung der Reichweite der Ausnahmen vom generellen
Beschäftigungsverbot an Sonntagen ungenutzt gelassen (dazu oben A I 1 b; anders
hingegen die Konstellation in BVerfGE 109, 190 <231>, wo eine umfassende Reform
des Rechts der Sicherungsverwahrung durch den Bund vor Verabschiedung eines
entsprechenden Landesgesetzes anzeigte, dass eine abschließende Regelung
vorlag). Auch nach dem Zuständigkeitstransfer durch die Föderalismusreform ist eine
solche Klarstellung mit Blick auf eine klare Kompetenzabgrenzung nicht erfolgt.
Vielmehr ist nicht nur das Land Thüringen nachfolgend davon ausgegangen, dass
eigene Regeln zur Samstagsarbeit zum Ausgleich der Folgen weiter liberalisierter
50
51
Ladenöffnungszeiten nicht durch Bundesrecht gesperrt seien. Auch das fachlich
zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat aus der Perspektive des
Bundes in einem Rundschreiben vom 14. Juli 2006 und darauf verweisend nochmals
am 22. Februar 2012 ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass die Regelung nicht
abschließend sei (oben A I 3 a); sie werde das Thema im Hinblick auf die eigene
konkurrierende Gesetzgebungskompetenz lediglich im Auge behalten. Entsprechend
hat auch Mecklenburg-Vorpommern mit § 7 Abs. 5 Satz 5 LöffG (vom 18. Juni 2007,
GVOBl 2007 S. 226) eine strengere Schutzvorschrift als § 17 Abs. 4 LadSchlG
beschlossen und haben Hamburg (§ 9 Abs. 6 Satz 1 LÖG HA vom 22. Dezember
2006, HmbGVBl 2006 S. 611 in der Fassung des Gesetzes vom 15. Dezember 2009,
HmbGVBl S. 444), Rheinland-Pfalz (§ 13 Abs. 3 LadöffnG vom 21. November 2006,
GVBl 2006 S. 351), Baden-Württemberg (§ 12 Abs. 4 LadÖG vom 14. Februar 2007,
GBl 2007 S. 135 in der Fassung des Gesetzes vom 10. November 2009, GBl S. 628)
und Brandenburg (§ 10 Abs. 3 BbgLöG vom 27. November 2006, GVBl II 2006 S. 158
in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2010, GVBl I Nr. 46) § 17 Abs. 4
LadSchlG entsprechende Regelungen erlassen. Die Länder haben mit dem Erlass
von 15 unterschiedlichen Landesgesetzen das Ladenschlussrecht heterogen
normiert, ohne dass der Bund eigene Regelungen zur Samstagsarbeit auf den Weg
gebracht hätte, aus denen ein anderweitiger Regelungswille erkennbar würde.
Dem Bundesgesetzgeber ist es im Rahmen der grundgesetzlichen
Kompetenzordnung allerdings unbenommen, einheitliche und, wenn er dies für
angezeigt hält, auch abschließende arbeitszeitrechtliche Vorgaben zum
Ladenschluss zu machen. Werden solche eindeutig abschließenden
Bundesregelungen verabschiedet, träte gemäß Art. 72 Abs. 1 GG eine Sperrwirkung
ein, die zur Nichtigkeit des bereits erlassenen Landesrechts führen würde (vgl. Huber,
in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 31 Rn. 29; Degenhart, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014,
Art. 70 Rn. 54; Kunig in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 72 Rn. 8;
siehe auch Uhle, in: Kluth, Föderalismusreformgesetz, 1. Aufl. 2007, Art. 72 Rn. 24;
Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 72 Rn. 87, für die
Nichtigkeit aufgrund von Art. 31 GG vgl. Ipsen, Staatsrecht I, 26. Aufl. 2014, Rn. 726;
BVerwG, Urteil vom 27. November 1992 - BVerwG 8 C 9.91 -, juris, Rn. 21).
cc) Da eine erschöpfende Regelung der in Rede stehenden Materie durch den Bund
mithin nicht eindeutig erkennbar ist, steht Art. 72 Abs. 1 GG der Regelung des § 12
ThürLadÖffG nicht entgegen. Das im Sinne einer klaren Kompetenzverteilung strikte
Verständnis der Kompetenzregeln erlaubt es nicht, eine einstmals unter anderen
52
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kompetenziellen Vorzeichen getroffene Regelung nunmehr ohne hinreichende
Anhaltspunkte insbesondere im Wortlaut der Norm als erschöpfend zu verstehen. Das
Land Thüringen durfte folglich in eigener Kompetenz die über § 17 Abs. 4 LadSchlG
hinausgehende Vorgabe machen, dass abhängig Beschäftigte in Verkaufsstellen in
Thüringen an zwei Samstagen im Monat nicht eingesetzt werden dürfen.
2. Die Vorschrift des § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 ThürLadÖffG ist materiell mit der
Verfassung vereinbar. Sie greift zwar in die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte
Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin ein, indem sie den gewünschten
Einsatz der von ihr beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in
Verkaufsstellen für den Samstag und entsprechende arbeitsrechtlich herzuleitende
Befugnisse beschränkt. Dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich zu
rechtfertigen.
a) Regelungen, die die Berufsausübung einschränken, sind verfassungsgemäß,
wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und
verhältnismäßig sind (vgl. BVerfGE 111, 10 <32>; 121, 317 <346>; stRspr). Es ist
vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-,
arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der
Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche
Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (vgl. BVerfGE 103, 293
<307>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. Oktober 2013 - 1 BvR 1842/11,
1 BvR 1843/11 -, juris, Rn. 79 m.w.N.).
Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit muss den Anforderungen an die
Verhältnismäßigkeit der Einschränkung von Freiheitsrechten genügen, die umso
strenger ausfallen, je mehr eine Regelung sich auf die Freiheit der Berufswahl
auswirken kann, während Beschränkungen allein der Berufsausübung eher zu
rechtfertigen sind. Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen
Einschränkungen der Berufsfreiheit stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit.
Daher müssen die Eingriffe zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet sein und dürfen
nicht weiter gehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern. Die Eingriffsmittel
dürfen zudem nicht übermäßig belastend sein, so dass bei einer Gesamtabwägung
zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden
Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 121, 317 <346>
m.w.N.).
b) Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit durch die Beschränkung der
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Möglichkeit der Beschwerdeführerin, nach § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 ThürLadÖffG
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Samstagen nur eingeschränkt einsetzen zu
können, ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
aa) Der Eingriff hat kein besonders hohes Gewicht. Zwar kann die Regelung für ein
Unternehmen, das wie die Beschwerdeführerin insbesondere an Samstagen den
höchsten Umsatz macht und im Verkauf dazu auf den Einsatz von Fachkräften
angewiesen ist, nicht unerhebliche Umstellungen erforderlich werden lassen. Doch
wiegt dies angesichts der vielfältigen verbleibenden Dispositionsmöglichkeiten eines
Arbeitgebers über den Personaleinsatz nicht ausnehmend schwer.
bb) Das Gesetz zielt auf den Arbeitsschutz und den Schutz der Vereinbarkeit von
Erwerbstätigkeit und Familie und damit auf Gemeinwohlbelange, die
Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit zu rechtfertigen vermögen (vgl.
BVerfGE 111, 10 <32>). Der Gesetzgeber will so auf die mit den Ausweitungen der
Ladenöffnungszeiten verbundene Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der
Beschäftigten im Einzelhandel reagieren, die sowohl die Gesundheit wie das
Familienleben beeinträchtigen. Die mit der Liberalisierung des Ladenschlusses
verbundene Zunahme von Wochenendarbeit verlagere Arbeit in Zeiten, die der
physiologischen Erholung und der sozialen Teilhabe dienen; die beschränkte
Einsatzmöglichkeit an Samstagen bezwecke insofern, dem Personal möglichst
weitgehend ein zusammenhängendes arbeitsfreies Wochenende zu sichern und die
Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern (vgl.
ThürLTDrucks 5/3191, S. 9).
cc) Die Beschränkung der Einsatzmöglichkeit von Beschäftigten auf zwei Samstage
im Monat ist verhältnismäßig.
Der auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung weite
Einschätzungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfGE 103, 293 <307>; BVerfG,
Beschluss des Ersten Senats vom 23. Oktober 2013 - 1 BvR 1842/11, 1 BvR 1843/11
-, juris, Rn. 79) erlaubt es dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines
Schutzkonzeptes
auch,
bestimmte
Sachverhalte
herauszugreifen
und
Problemstellungen nicht flächendeckend zu regeln (vgl. BVerfGE 96, 56 <64>; 121,
317 <356>). Hier liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber die
Regelung für die Verfolgung seiner Ziele nicht für erforderlich halten durfte, weil sie
unter verschiedenen gleich geeigneten Möglichkeiten nicht die am wenigsten
belastende sei (vgl. BVerfGE 102, 197 <217>). Nach der weitgehenden Freigabe der
60
Ladenschlusszeiten sichern die ladenschlussrechtlichen Regelungen allein
jedenfalls kein arbeitsfreies Wochenende. Die angegriffene Regelung garantiert
Beschäftigten in regelmäßigen, kürzeren Abständen demgegenüber ein vollständig
freies Wochenende für Erholung, ein gemeinsames Familienleben und soziale
Teilhabe (vgl. BVerfGE 125, 39 <82 f., 85 ff.>). Die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3
BetrVG bestehende Möglichkeit, Arbeitszeit betrieblich zu regeln, ist nicht gleich
geeignet, dieses Ziel für alle zu erreichen; darauf hat der Gesetzgeber keinen Einfluss
und ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht gibt es auch nur in Betrieben, in denen
ein Betriebsrat gebildet ist. Gleiches gilt für tarifvertragliche Regelungen, die eine
Tarifbindung oder Allgemeinverbindlichkeit voraussetzen.
Die Regelung ist angemessen. Die Berufsausübungsfreiheit wird durch § 12 Abs. 3
Satz 1 und 2 ThürLadÖffG nur geringfügig beschränkt. Sie hindert die betroffenen
Unternehmen nicht etwa daran, ihre Geschäfte an umsatzstarken Samstagen zu
öffnen. Allerdings erzwingt sie organisatorische Vorkehrungen in personeller
Hinsicht. Damit entstehen für die Unternehmen voraussichtlich Kosten. Auch können
sich Umsatzeinbußen ergeben, wenn nicht alle erfahrenen Fachkräfte an allen
besonders frequentierten Samstagen als Einkaufstag zur Verfügung stehen. Deren
Einsatz hängt jedoch nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin mit davon ab, dass
die unternehmerische Lohngestaltung den Verdienst bislang in erster Linie an
Verkaufsprovisionen koppelt; wäre mit der Freistellung an zwei Samstagen kein
besonderer Verdienstverlust verbunden, wäre auch eine andere Einsatzmotivation
und Einsatzplanung des Personals zu erwarten. Es ist auch insofern nicht
unverhältnismäßig im engeren Sinne, wenn der Gesetzgeber die erheblichen
Belange des Schutzes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als überwiegend
erachtet. Vor dem Hintergrund der Flexibilisierung der Arbeitszeiten und der
Ausweitung von Ladenöffnungszeiten kann der Gesetzgeber der Möglichkeit zur
Erholung und sozialen Teilhabe für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
entsprechend große Bedeutung beimessen. Insofern müssen sich Regeln zur
Freistellung an Samstagen auch an der aus Art. 6 Abs. 2 GG resultierenden
Schutzpflicht des Gesetzgebers zugunsten von Familien mit Kindern orientieren,
wonach der Gesetzgeber dafür Sorge tragen muss, dass Familientätigkeit und
Erwerbstätigkeit miteinander vereinbar sind (vgl. BVerfGE 88, 203 <260>). Zwar ist
nicht ausgeschlossen, dass die angegriffene Regelung in Familien nicht nur die
erwünschten positiven Wirkungen auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat,
sondern auch negative Effekte, da sie einer flexiblen Aufteilung von
Betreuungsaufgaben im Wege stehen kann. Der Gesetzgeber hat insofern auch
61
62
63
64
mögliche faktische Diskriminierungen zu berücksichtigen, die von Schutzgesetzen
zugunsten von Frauen ausgehen können (vgl. BVerfGE 85, 191 <209>; 109, 64
<90>). Vorliegend überschreitet der Gesetzgeber seinen Ausgestaltungsspielraum
jedoch nicht, wenn er zur Arbeitszeit im Handel an Wochenenden normativ begrenzte
Vorgaben macht.
3. Die angegriffene Regelung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz
des Art. 3 Abs. 1 GG, weil in anderen Bundesländern geringere Beschränkungen der
Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an
Samstagen bestehen. Der Gleichheitssatz wird nicht verletzt, wenn ein
Landesgesetzgeber innerhalb seines Kompetenzbereiches von der Gesetzgebung
anderer Länder abweichende Regelungen trifft, auch wenn dadurch die
Einwohnerinnen und Einwohner seines Landes mehr belastet oder begünstigt
werden (vgl. BVerfGE 32, 346 <360>; 33, 224 <231>; stRspr). Vielmehr sind
unterschiedliche Regelungen in verschiedenen Ländern verfassungsrechtlich nicht
nur möglich, sondern sogar gewollt, denn die Ermöglichung von Vielfalt ist ein
wesentliches Element des Bundesstaats (vgl. BVerfGE 134, 1 <21 Rn. 61>). Daneben
ist eine branchenspezifische Ungleichbehandlung innerhalb des Landes nicht
ersichtlich.
4. Eine Verletzung des Grundrechts der Tarifautonomie aus Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG
liegt nicht vor. Art. 9 Abs. 3 GG schützt koalitionsspezifische Betätigungen (vgl.
BVerfGE 84, 212 <224>) und der Staat überlässt die erforderlichen Regelungen der
Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zum großen Teil den Koalitionen (vgl. BVerfGE
94, 268 <283>). Es ist jedoch weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich,
dass die hier angegriffene Regelung einen Handlungsrahmen stecken würde, der die
Koalitionsfreiheit in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen würde.
Im Ergebnis ist die angegriffene Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar.
C.
Die Entscheidung ist zu B II 1 c und damit im Ergebnis mit 5 : 3 Stimmen ergangen.
Kirchhof
Gaier
Eichberger
Schluckebier
Masing
Paulus
Baer
Britz
1
2
3
4
Abweichende Meinung des Richters Paulus zum Beschluss des
Ersten Senats vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 -
Der Beschluss ist weder mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes noch mit
der dazu bisher ergangenen Rechtsprechung beider Senate (vgl. insbesondere
BVerfGE 98, 265 <300 f.>; 109, 190 <235>) vereinbar. Bedauerlicherweise kann ich
ihm daher größtenteils nicht zustimmen.
Der Senatsbeschluss räumt dem Landesgesetzgeber eine Befugnis zu einer
Arbeitszeitregelung ein, die das Grundgesetz dem Bund zugewiesen und von der der
Bundesgesetzgeber abschließend Gebrauch gemacht hat. Daran hat sich auch durch
die Grundgesetzänderung im Zuge der Föderalismusreform nichts geändert (I).
Darüber hinaus weicht das Gesetz durch die Ersetzung des subjektiven Rechts auf
einen arbeitsfreien Samstag im Monat durch ein absolutes Verbot der Arbeit an zwei
Samstagen von der bundesrechtlichen Regelung ab, ohne dass die dafür
erforderliche Abweichungskompetenz gemäß Art. 72 Abs. 3 GG gegeben ist (II).
Mangels Landeskompetenz kann offen bleiben, ob die Grundrechtsabwägung von
Landesgesetzgeber und Senat mangels Berücksichtigung der Beeinträchtigung des
Rechts auf Berufsausübung auf Seiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den
weiten Spielraum des Gesetzgebers in Fragen der Arbeitszeitregelung überschritten
hat (III).
I.
§
17
Abs.
4
des
Ladenschlussgesetzes
kann
sich
auf
eine
Gesetzgebungskompetenz des Bundes stützen, die durch die Föderalismusreform
nicht entfallen ist (1). Die Bundesregelung ist abschließend, so dass gemäß Art. 72
Abs. 2 GG kein Raum für eine Landesregelung bleibt. Dies geht sowohl aus dem
Wortlaut der Norm als auch aus der Gesetzgebungsgeschichte hervor, die der
Beschluss nur unvollständig rezipiert (2). Daran hat sich durch die
Föderalismusreform nichts geändert. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre,
hätte nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats das rechtsstaatliche Prinzip der
Gesetzesklarheit für eine Öffnung zugunsten der Länder ein ausdrückliches Gesetz
verlangt (vgl. BVerfGE 109, 190 <235>), an dem es hier fehlt (3).
1. Dem Mehrheitsbeschluss ist insoweit zuzustimmen, als er darlegt, dass der
Verfassungsgeber in der Föderalismusreform das „Recht des Ladenschlusses“ aus
der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes herausgenommen
5
6
7
(siehe Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG), es aber bei der konkurrierenden Bundeskompetenz
für die Arbeitszeitregelung auch im Zusammenhang mit dem Ladenschluss belassen
hat. Aus der Subtraktion des „Rechts des Ladenschlusses“ vom Recht der Wirtschaft
in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG kann keine Addition der Arbeitszeitregelung zum Recht
des Ladenschlusses abgeleitet werden.
2. Der Bund hat von seiner Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zur
Arbeitszeitregelung gemäß Art. 72 Abs. 1 GG abschließend Gebrauch gemacht. § 17
Abs. 4 LadSchlG ist abschließend konzipiert. Nach der Rechtsprechung beider
Senate ist für die Frage, ob und inwieweit der Bund von seiner Zuständigkeit
Gebrauch gemacht hat, in erster Linie auf das Bundesgesetz selbst, sodann auf den
hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, auf die Gesetzgebungsgeschichte
und die Gesetzesmaterialien abzustellen (vgl. BVerfGE 98, 265 <300 f.>; 109, 190
<230>).
Der Bund hat den Sachbereich der Samstagsarbeit in § 17 Abs. 4 LadSchlG
vollständig geregelt, indem er Beschäftigten im Einzelhandel einen individuellen
Anspruch auf einen freien Samstag im Monat eingeräumt hat (vgl. Ambs, in:
Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, LadSchlG, Vorbemerkung Rn. 1
; Thüsing/Stiebert, GewArch 2013, S. 425 <430 f.>; Mosbacher,
Sonntagsschutz und Ladenschluß, 2007, S. 250 ff., 267; Neumann, in:
Landmann/Rohmer,
GewO,
LadSchlG,
Vorbemerkung
2007>;
Kämmerer/Thüsing, GewArch 2006, S. 266 <267 f., 727>; Kühling, AuR 2006, S. 384
<385 f.>; Schunder, NJW 2003, S. 2131 <2133>; Rose, DB 2003, S. 1223 <1225>;
a.A. Försterling, ZG 2007, S. 36 <55 ff.>; Horstmann, NZA 2006, S. 1246 <1249 f.>;
Kühn, AuR 2006, S. 418 <420 f.>). Das zeigt schon der abschließende Wortlaut der
Vorschrift, die eine spezialrechtliche Regelung für den sonstigen Werktag Samstag
(siehe zum Beispiel § 3 Abs. 2 BUrlG) enthält. Das Bedürfnis der Wirtschaft und der
Arbeitnehmer nach der Ermöglichung von Samstagsarbeit zu Erwerbszwecken
einerseits und das Bedürfnis der betroffenen Familien nach einem gemeinsamen
Wochenende auf der anderen Seite hat der Bundesgesetzgeber mit der Regelung in
§ 17 Abs. 4 LadSchlG erschöpfend gegeneinander abgewogen.
Ausdrücklichkeit ist für eine abschließende Regelung gerade nicht erforderlich (vgl.
BVerfGE 98, 265 <300 f.>; 109, 190 <234>; Sannwald, in: Schmidt-
Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 72 Rn. 29 m.w.N.). Für einen
bundesrechtlichen Regelungsvorbehalt zugunsten der Länder (vgl. BVerfGE 29, 125
<137>; 98, 265 <300 f.>; 109, 190 <235>) ist nichts ersichtlich. Genau einen solchen
8
9
10
hätte es aber gebraucht, um die Arbeitszeitregelung den Ländern zu öffnen. Der
Beschluss
erweckt
nur
durch
unvollständige
Wiedergabe
der
Gesetzgebungsgeschichte den gegenteiligen Eindruck:
Die Vorschrift wurde im Jahre 2003 auf Vorschlag des Ausschusses für Wirtschaft
und Arbeit vom Bundestag dem Gesetzentwurf der Bundesregierung hinzugefügt, um
den Beschäftigten des Einzelhandels „zumindest einen arbeitsfreien Samstag im
Monat ermöglichen“ (BTDrucks 15/591, S. 2). Dass das „zumindest“ - anders als
dies der Beschluss andeutet - keinen Spielraum für die Länder eröffnen sollte,
sondern - im Hinblick auf die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG - den
Tarifparteien eine andere, auch weitergehende Regelung erlauben wollte, wird
deutlich, wenn die Fraktion der SPD, die den Gesetzentwurf schließlich zusammen
mit der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen verabschiedete (S. 2), in den
Ausschussberatungen ausführte, dass die „vom Bundesrat geforderte
Länderkompetenz <…> nach wie vor abgelehnt“ werde (S. 12). Auch die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen betonte in den Ausschussberatungen, dass der
Gesetzentwurf „einen vernünftigen Ausgleich zwischen den Kunden und den
Beschäftigten im Handel“ herbeiführe und die Regelung des § 17 Abs. 4 LadSchlG
„berechtigte Arbeitnehmerinteressen“ berücksichtige (a.a.O.). Während also eine der
damaligen Mehrheitsfraktionen den Ausschluss der Länderkompetenz hervorhob,
betonte die andere den Charakter der Regelung als (abschließende)
Gesamtabwägung. Für abweichende Regelungen der Länder ist daneben kein Platz,
denn jede abweichende Abwägung würde diejenige des zuständigen
Bundesgesetzgebers überspielen.
3. Die wegen des Grundsatzes der Gesetzesklarheit erforderliche ausdrückliche
Öffnung des Gesetzes für Länderregelungen ist nicht erfolgt, auch nicht durch
Gewohnheitsrecht.
a) Die Änderung des Grundgesetzes kann schwerlich rückwirkend aus der
abschließenden Wahrnehmung einer Bundeskompetenz eine nicht abschließende
machen. Der bloße Verweis auf „geänderte Vorzeichen“, auf die der Beschluss
rekurriert, reicht dafür nicht aus. Hierfür wäre nach der Rechtsprechung des Zweiten
Senats vielmehr eine ausdrückliche Gesetzesänderung durch Einfügung einer
Abweichungsklausel erforderlich, um dem rechtsstaatlichen Prinzip der
Gesetzesklarheit gerecht zu werden (so ausdrücklich BVerfGE 109, 190 <235>).
Warum der Grundsatz der Rechtsklarheit bei einer „umfassenden Reform des Rechts
der Sicherungsverwahrung“, nicht aber bei einer abschließenden Regelung der
11
12
13
Arbeitszeit im Einzelhandel am Samstag gelten soll, wie der Beschluss meint (Rn.
49), bleibt unerfindlich. Für eine Beschränkung des Erfordernisses der
Gesetzesklarheit bei Wahrnehmung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz
auf bestimmte Bereiche oder auf „umfassende Reformen“ ist weder nach der zitierten
Rechtsprechung noch sonst ein Grund ersichtlich.
Das Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, das nicht mit einem
Schreiben der Bundesregierung gleichgesetzt werden kann (vgl. BVerfGE 109, 190
<234>; 132, 1 <21 Rn. 54>), steht einer ausdrücklichen Gesetzesänderung nicht
gleich, zumal es sich nicht um eine gesetzgeberische, sondern eine exekutive
Meinungsäußerung eines einzigen Bundesministeriums mit unverbindlichem
Charakter handelt.
b) Allenfalls könnte man eine gewohnheitsrechtliche Abwandlung am Werke sehen.
Aber auch hierfür fehlt es an allen Voraussetzungen (vgl. BVerfGE 22, 114 <121>):
Die Regelungen bestehen erst relativ kurz. Auch der Beschluss führt nur die
Arbeitszeitregelungen von vier Ländern an (Rn. 49), was für eine allgemeine Praxis
bei weitem nicht ausreicht. Vor allem aber sagen die Existenz und die Hinnahme
weiterer Länderregelungen nichts über deren Verfassungsmäßigkeit oder den
abschließenden Charakter der Bundesregelung aus. Dafür ist allein die
Rechtsüberzeugung des Bundesgesetzgebers, nicht die der Bundesregierung oder
gar eines einzigen Fachministeriums maßgeblich (vgl. erneut BVerfGE 109, 190
<235>). Daran fehlt es jedoch soweit ersichtlich vollständig, und auch der Beschluss
führt dazu nichts an.
c) Dass das Grundgesetz gerade beim Recht der Arbeit auch nach der
Föderalismusreform von einer in der Regel abschließenden Bundesregelung
ausgeht, wird auch darin deutlich, dass die Föderalismusreform dieses von der
Bedürfnisklausel ausdrücklich freigestellt hat (Art. 72 Abs. 2 GG), so dass das
Erfordernis des Nachweises des Bedürfnisses einer Bundesregelung entfällt (vgl.
Deutscher Bundestag/Bundesrat, Dokumentation der Kommission von Bundestag
und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, Berlin 2005, S.
128 ff.). Dem widerspräche es, die Schwelle für eine Bundesregelung auf andere Art
und Weise wieder anzuheben und vom Bundesgesetzgeber eine ausdrückliche
Äußerung zum abschließenden Charakter seiner Regelungen zu verlangen.
Schließlich wurden die Arbeitszeitregelungen erst recht nicht in den Bereich der
Abweichungsgesetzgebung des Art. 72 Abs. 3 GG übernommen, der den Ländern
ausnahmsweise (vgl. Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 3. Aufl. 2008, § 133 Rn.
14
15
16
47) das Abweichen von einem Bundesgesetz erlaubt.
Der Senatsbeschluss führt zu einer Vernebelung der Kompetenzregelung des
Grundgesetzes nach Sachmaterien, die ein Markenzeichen des Föderalismus des
Grundgesetzes im Vergleich zu den finalen Zuständigkeiten der Europäischen Union
darstellt, die zur Kompetenzabgrenzung die nicht trennscharfen, dem
Grundrechtsbereich entnommenen Prinzipien der Subsidiarität und der
Verhältnismäßigkeit heranzieht (vgl. Art. 5 Abs. 2-4 EUV und Art. 115, 114 AEUV).
Als Konsequenz wäre dem Bundesgesetzgeber zu raten, künftig allen Gesetzen im
Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz eine salvatorische Klausel
zur Abschließlichkeit der Regelung hinzuzufügen. Selbst eine solche Klarstellung
liefe aber nach dem Senatsbeschluss Gefahr, von geänderten Umständen überholt zu
werden. Das widerspricht der gesamten bisherigen Rechtsprechung beider Senate
des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 98, 265 <300 f.>; 109, 190 <235>).
Auch der Beschluss verlangt mit zahlreichen Nachweisen „im Sinne einer möglichst
eindeutigen vertikalen Gewaltenteilung eine strikte, dem Sinn der Kompetenznorm
gerecht werdende Auslegung der Art. 70 ff. GG“ (Rn. 28). Allein: er zieht für die
Abgrenzung der Kompetenzbereiche im Ladenschlussrecht keine Konsequenzen
daraus. Der rechtsstaatliche Grundsatz der Gesetzesklarheit (vgl. BVerfGE 109, 190
<235>) bleibt dabei ebenso auf der Strecke wie die Klarheit der
Kompetenzzuordnung im Bundesstaat.
II.
Selbst wenn man aber den abschließenden Charakter von § 17 Abs. 4 LadSchlG als
offen bezeichnen wollte, so weicht die Landesregelung des § 12 Abs. 3 Satz 1
ThürLadÖffG durch die Einführung eines Arbeitsverbots im Einzelhandel an zwei
Samstagen im Monat von der Bundesregelung so eindeutig ab, dass sie wegen
Widerspruchs zur Bundesregelung nichtig ist (Art. 72, 31 GG), jedenfalls aber dem
Verbot
widersprüchlicher
Länderregelungen
unterfällt,
da
keine
Abweichungskompetenz gemäß Art. 72 Abs. 3 GG vorliegt. Konzeptionelle
Entscheidungen des Bundesgesetzgebers dürfen nach der Senatsrechtsprechung
„auch durch auf Spezialzuständigkeiten gründende Einzelentscheidungen eines
Landesgesetzgebers nicht verfälscht werden“ (BVerfGE 98, 265 <301>).
Dem thüringischen Gesetz liegt aber eine solch abweichende Konzeption zugrunde.
Während die Bundesregelung den Arbeitnehmern ein Recht auf Geltendmachung
eines freien Samstags einräumt, schließt die Landesregelung eine Beschäftigung an
zwei Samstagen im Monat auch mit Zustimmung der Arbeitnehmerin oder des
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Arbeitnehmers völlig aus. Es handelt sich also nicht einfach um ein höheres
Schutzniveau zugunsten der Beschäftigten, zum Beispiel ein Recht auf zwei statt
einen arbeitsfreien Samstag, sondern um ein Arbeitsverbot an zwei Samstagen, also
ein - vor dem Hintergrund von Art. 12 Abs. 1 GG problematisches (dazu unten III) -
Arbeitsverbotsgesetz.
Mit Ausnahme der Abweichungsgesetzgebung nach Art. 72 Abs. 3 GG kennt das
Grundgesetz keine Regelungskonkurrenz zwischen Bund und Ländern. Vielmehr gibt
es Wettbewerbsföderalismus nur zwischen mehreren Gesetzgebern auf gleicher
Stufe (vgl. Korte, Standortfaktor Öffentliches Recht, Habil. FU Berlin 2013
Erscheinen>, S. 377 ff.). Dies hat auch freiheitsschützende Funktion, weil so
widersprüchliche Regelungen vermieden (vgl. BVerfGE 98, 83 <97 f.>; 98, 106 <118
f.>; 98, 265 <301>) und vor allem ein politischer „Schönheitswettbewerb“ der Länder
durch einseitiges „Draufsatteln“ auf Bundesregelungen verhindert werden können.
III.
Angesichts
des
Verstoßes
gegen
die
grundgesetzlichen
Gesetzgebungskompetenzen kann im Ergebnis offen bleiben, ob die paternalistische
Landesregelung, welche auch die Tariffreiheit einschränkt (Art. 9 Abs. 3 GG), dem - in
der Tat weiten - Einschätzungs- und Prognosespielraum des Gesetzgebers zum Trotz
materiell die Grundrechte verletzt. Hierfür wäre weiterer Vortrag der Beteiligten
sinnvoll und notwendig gewesen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVerfGG).
Jedenfalls ist die Grundrechtsabwägung des thüringischen Gesetzgebers und auch
diejenige des Senatsbeschlusses unvollständig, weil sie den Wechsel von dem
bundesrechtlichen subjektiven Recht auf das landesgesetzliche objektive
Arbeitsverbot im Einzelhandel an zwei Samstagen im Hinblick auf die Berufsfreiheit
des Art. 12 Abs. 1 GG nicht reflektiert. Die Freiheitsrechte des Grundgesetzes setzen
solch absoluten Regelungen durchaus Grenzen (vgl. zu vergleichbaren
Konstellationen BVerfGE 85, 191 <206 ff.> - Nachtarbeitsverbot; abweichende
Meinung Masing, BVerfGE 121, 317 <381, 388> - Rauchverbot). Durch das
Arbeitsverbot wird das Gewicht, das der thüringische Gesetzgeber der
Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin entgegensetzen kann, erheblich
vermindert. So ist es eben keineswegs notwendigerweise im Interesse vieler
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn sie jeden zweiten Samstag nicht
arbeiten dürfen. Viele Familien verfügen nicht über eine Möglichkeit der externen
Kinderbetreuung, so dass sich die Eltern abstimmen müssen, wenn sie auf den
Doppelverdienst angewiesen sind. Andere hätten lieber am Montag als am Samstag
frei, um selbst in Ruhe einkaufen zu können. Für viele Eltern kleiner Kinder ist nicht
wesentlich, ob sie Samstag oder an einem anderen Wochentag arbeiten. Dass auch
Alleinstehende besondere Verdienstmöglichkeiten am Samstag schätzen können, sei
nur nebenbei erwähnt. Die Provisionsregelungen bestehen im übrigen durchaus auch
im Arbeitnehmerinteresse. Über all dies verliert der Beschluss kaum ein Wort.
Paulus