Urteil des BVerfG vom 28.09.2015

Mangels Rechtswegerschöpfung unzulässige Verfassungsbeschwerde

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- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Stefan Krauss, Dr. Frank Wertheimer,
Prof. Dr. Dr. h. c. Manfred Löwisch,
Kaiserstraße 84, 77933 Lahr -
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2656/14 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn Prof. Dr. J…,
gegen
a) den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts
vom 20. August 2014 - 2 AZN 496/14 -,
b) das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg
- Kammern Mannheim -
vom 20. Dezember 2013 - 12 Sa 35/13 -
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof,
den Richter Masing
und die Richterin Baer
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 28. September 2015 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
G r ü n d e :
I.
Der
Beschwerdeführer
wendet
sich
gegen
die
Zurückweisung
einer
Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundesarbeitsgericht und gegen das die Berufung
abweisende Urteil des Landesarbeitsgerichts. Er ist beamteter Professor an der
medizinischen Fakultät einer Hochschule und zugleich ärztlicher Direktor eines
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privatrechtlich organisierten städtischen Klinikums, die eine Zusammenarbeit vereinbart
haben. Der Beschwerdeführer hat einen Arbeitsvertrag mit dem Klinikum, in dem eine
ordentliche Kündigung ausgeschlossen und das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis an
das Ende im aktiven Dienst des Landes geknüpft wurde. Das Klinikum kündigte ihm
außerordentlich fristlos wegen ehrverletzender Äußerungen gegenüber dem Geschäftsführer
des Klinikums; er dürfe das Klinikum nur zu Forschungszwecken weiter aufsuchen. Das
Arbeitsgericht gab seiner Klage statt; das Landesarbeitsgericht entschied, dass das
Arbeitsverhältnis nicht fristlos, sondern nach einer sozialen Auslauffrist endete und ließ die
Revision nicht zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das Bundesarbeitsgericht als
unzulässig, denn es seien keine Fragen aufgeworfen, die sich mit „Ja/Nein“ generell
beantworten ließen. So hänge es vom Einzelfall ab, ob der Beamtenstatus einer Kündigung
des Chefarztvertrags im Wege stehe oder zumindest des Einvernehmens zwischen Klinikum
und Fakultät bedürfe.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts und
den Nichtzulassungsbeschluss des Bundesarbeitsgerichts. Verletzt seien Rechte auf
effektiven Rechtsschutz, die Wissenschaftsfreiheit, Meinungsfreiheit und Berufsfreiheit sowie
Rechte aus Art. 33 Abs. 4 und 5 GG.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die
Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine
Aussicht auf Erfolg, denn sie ist unzulässig.
1. Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg nicht ordnungsgemäß erschöpft. Nach dem
Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG)
muss er alle prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Korrektur der geltend
gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken (vgl. BVerfGE 84, 203 <208>; stRspr). Dazu
gehört es, eine Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben und diese auch ausreichend zu
begründen (vgl. BVerfGE 83, 216 <228>).
Daran fehlt es hier. Die Anforderung des Bundesarbeitsgerichts an die Begründung einer
Nichtzulassungsbeschwerde entspricht der Funktion des Revisionsverfahrens zur Klärung
abstrakter Rechtsfragen. Zwar hat sich das Landesarbeitsgericht nicht mit der
Wissenschaftsfreiheit befasst, der je nach Umständen auch dann Rechnung zu tragen ist,
wenn ein Universitätsklinikum nicht von der Universität selbst betrieben und unmittelbar
geleitet wird, sondern organisatorisch verselbständigt ist (vgl. BVerfGE 136, 338 <363 f., Rn.
58>). Entscheidungen eines Klinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen,
können dann an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin rückgebunden sein (vgl.
BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 1. Februar 2010 - 1 BvR 1165/08
-, juris, Rn. 28, m.w.N.). Doch wirft der Beschwerdeführer mit seiner
Nichtzulassungsbeschwerde keine insoweit klärungsfähige Frage auf, denn ob die hier vom
Klinikum ausgesprochene Kündigung die vorherige Beteiligung der Universität oder einer ihrer
Fakultäten voraussetzt, hängt von den konkreten Umständen wie dem Arbeitsvertrag, dem
Zuschnitt des Professorenamtes und den Vereinbarungen zwischen den Einrichtungen ab.
2. Mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit ist kein schwerer Nachteil im Sinne des § 93a
Abs. 2b BVerfGG ersichtlich, da der Beschwerdeführer eine Zusage erhalten hat, das
Klinikum zu Forschungszwecken weiter aufsuchen zu dürfen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Kirchhof
Masing
Baer