Urteil des BVerfG vom 22.02.2017

Zulassung als Beistand (§ 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG) im Verfassungsbeschwerdeverfahren

Bundesverfassungsgericht
Sie sind hier:
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1877/15 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Frau O…,
- Beistand:
Herr O… -
hier: Antrag auf Zulassung eines Beistands
1. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 12. Juni 2015 - B 1 KR 26/15 B -,
b) das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Februar 2015 - L 1 KR 393/14 -,
c) den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 18. September 2014 - S 2 KR 811/13 -,
d) den Widerspruchsbescheid der AOK Niedersachsen vom 14. November 2013 - 293- 13 (1106) -,
e) den Bescheid der AOK Niedersachsen vom 14. August 2013 - 310 - 539 792 312 -,
2. mittelbar gegen
a)
§ 28 Abs. 2 Satz 9 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), beschlossen als Art. 1 des Gesetzes vom 20.
Dezember 1988 (BGBl I S. 2477), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 15. April 2015 (BGBl I S. 581),
b)
Teil B Abschnitt VII Nr. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundes- ausschusses für eine ausreichende, zweckmäßige
und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie) vom 4. Juni/ 24. September 2003
(Bundesanzeiger S. 24966), zuletzt geändert am 1. März 2006 (Bundesanzeiger S. 4466)
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof,
den Richter Schluckebier
und die Richterin Ott
am 22. Februar 2017 einstimmig beschlossen:
Der Sohn der Beschwerdeführerin, Herr O..., wird als Beistand der Beschwerdeführerin zugelassen.
G r ü n d e :
1
Nachdem der Sohn der Beschwerdeführerin sie im Verfahren nicht als Bevollmächtigter im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1
BVerfGG vertreten kann, war er auf ihren für diesen Fall hilfsweise gestellten Antrag als Beistand nach § 22 Abs. 1 Satz 4
BVerfGG zuzulassen.
2
Der Sohn der Beschwerdeführerin war Verwaltungsrichter und ist zur Zeit im juristischen Dienst eines Landtags tätig.
Daneben unterrichtet er im Rahmen eines Lehrauftrags an einer wissenschaftlichen Hochschule.
3
Er gehört als Lehrbeauftragter an einer Hochschule nicht zum Kreis der möglichen Bevollmächtigten nach § 22 Abs. 1
Satz 1 BVerfGG. Die Vorschrift verlangt zur Sicherung der fachlichen Qualität eines Bevollmächtigten sowohl die Stellung
als Hochschullehrer als auch die Befähigung zum Richteramt. Letztere soll die Vertrautheit mit dem deutschen Recht
sicherstellen (vgl. BTDrucks 17/3356, S. 19). Mit der vom Gesetz zusätzlich verlangten Stellung eines Hochschullehrers
verbindet sich ersichtlich eine darüber hinausgehende Qualifikationserwartung, so dass der Kreis der Rechtslehrer im Sinne
von § 22 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BVerfGG auf Hochschulprofessoren und ihnen weitgehend vergleichbare Personen zu
beschränken ist. Lehrbeauftragte werden dagegen nicht erfasst, denn sie vermitteln aufgrund eines zeitlich beschränkten
Vertrages allein thematisch von der Hochschule vorgeschriebene Lehrinhalte.
4
Nach dem Hilfsantrag war er aber als Beistand nach § 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG zuzulassen. Eine Zulassung, die in das
pflichtgemäße Ermessen des Bundesverfassungsgerichts gestellt ist, kann erfolgen, wenn sie objektiv sachdienlich und
subjektiv notwendig ist (vgl. BVerfGE 8, 92 <94>; 68, 360 <361>). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt:
Angesichts seiner bisherigen und gegenwärtigen Tätigkeiten kann bei dem Sohn der Beschwerdeführerin davon
ausgegangen werden, dass er ihr juristisch qualifiziert vor dem Bundesverfassungsgericht beistehen kann. Auch besteht für
sie, da es um Gesundheitsfragen geht (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2007 - 1 BvR
2971/06 -, juris), ein nachvollziehbares Bedürfnis, aus familiärer Beziehung gerade auf ihn als Beistand zurückzugreifen.
5
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Kirchhof
Schluckebier
Ott