Urteil des BVerfG vom 04.05.2011

körperliche unversehrtheit, verfassungsbeschwerde, eingriff in grundrechte, schutz der gesundheit

- Bevollmächtigte:
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1502/08 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1.
des Herrn H...,
2.
des Herrn G...,
3.
des Herrn L...,
4.
des Herrn Dr. Sch...,
5.
des Herrn S...,
6.
der Frau Dr. W...,
7.
des Herrn K...,
8.
des Herrn J...,
gegen das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in der seit dem 7. Juni 2007
geltenden Fassung gemäß der Bekanntmachung der Neufassung des
Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm vom 31. Oktober 2007 ( BGBl I S.
2550 )
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof
und die Richter Eichberger,
Masing
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung
vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473 ) am 4. Mai 2011 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen verschiedene Regelungen des im
Jahr 2007 grundlegend novellierten Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (im
Folgenden: Fluglärmschutzgesetz - FluglSchG -) und macht darüber hinaus eine
Verletzung gesetzgeberischer Pflichten im Zusammenhang mit dem Schutz der
Beschwerdeführer vor Fluglärm geltend.
I.
Am 14. Dezember 2006 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur
Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen, das
nach Zustimmung des Bundesrates am 7. Juni 2007 in Kraft trat ( BGBl I S. 986 ).
Art. 1 des Gesetzes enthält eine grundlegende Novellierung des bereits seit 1971 - im
Wesentlichen unverändert - geltenden Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm. Das
Fluglärmschutzgesetz wurde am 9. November 2007 in seiner Neufassung bekannt
gemacht ( BGBl I S. 2550 ).
Zweck des Fluglärmschutzgesetzes ist es, in der Umgebung von Flugplätzen
bauliche Nutzungsbeschränkungen und baulichen Schallschutz zum Schutz der
Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und
erheblichen Belästigungen durch Fluglärm sicherzustellen (§ 1 FluglSchG).
Hierzu sind nach § 2 Abs. 1 FluglSchG Lärmschutzbereiche einzurichten, deren
Ausdehnung sich gemäß § 2 Abs. 2 FluglSchG anhand der (errechneten)
Lärmbelastung nach Maßgabe von Lärmgrenzwerten bestimmt. Dabei werden drei -
statt wie bisher zwei - Schutzzonen, nämlich zwei Tag-Schutzzonen für den Zeitraum
von 6 bis 22 Uhr und eine Nacht-Schutzzone für den Zeitraum von 22 bis 6 Uhr,
eingerichtet. Maßgebend für den Umfang der Tag-Schutzzonen ist allein der
äquivalente Dauerschallpegel. Bei Festlegung der Nacht-Schutzzone wird zusätzlich
ein Häufigkeits-Maximalpegelkriterium herangezogen, das sich danach richtet, wie oft
ein
bestimmter
Lärmgrenzwert
in
der Nacht überschritten wird. Die
Lärmschutzbereiche werden durch Rechtsverordnung der Landesregierung nach
einem bestimmten Berechnungsverfahren festgesetzt, das seine Grundlage im
Fluglärmschutzgesetz und einer darauf beruhenden Rechtsverordnung findet.
Für den Umfang der Lärmschutzbereiche ist zunächst entscheidend, ob die
Festsetzung für einen zivilen oder militärischen Flugplatz erfolgt. Innerhalb dieser
Kategorien kommt es weiterhin maßgeblich darauf an, ob es sich um einen neuen
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oder wesentlich baulich erweiterten oder um einen bestehenden zivilen
beziehungsweise militärischen Flugplatz handelt. Die Schutzzonen fallen an
bestehenden zivilen und militärischen Flugplätzen und auch generell an militärischen
Flugplätzen im Vergleich zu zivilen Flugplätzen kleiner aus, weil höhere
Lärmgrenzwerte für die Bemessung des Umfangs der Lärmschutzbereiche zugrunde
gelegt werden.
Liegt ein Grundstück in einem Lärmschutzbereich, kann dies insbesondere
Bauverbote, sonstige Beschränkungen der baulichen Nutzung in Form der Einhaltung
bestimmter Schallschutzanforderungen, die Erstattung von Aufwendungen für passive
Schallschutzmaßnahmen und Entschädigungsleistungen zur Folge haben.
Einzelheiten hierzu werden vor allem in den §§ 5, 8 und 9 FluglSchG geregelt.
Im Unterschied zur vormaligen Rechtslage erhalten die im novellierten
Fluglärmschutzgesetz geregelten Grenzwerte nunmehr auch erstmals Bedeutung für
luftverkehrsrechtliche Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren.
Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung
von Flugplätzen vom 1. Juni 2007 (BGBl I S. 986 ) hat insoweit § 8 Abs. 1
Luftverkehrsgesetz - LuftVG - dahingehend geändert, dass nunmehr bei
luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren die
jeweils anwendbaren Werte des § 2 Abs. 2 FluglSchG „zu beachten“ sind. Eine
abschließende höchstrichterliche Klärung der Bedeutung dieser Vorschrift ist bislang
nicht erfolgt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof geht in seinen Entscheidungen
zum Ausbau des Flughafens Frankfurt/Main davon aus, dass der Gesetzgeber mit der
Festlegung der Grenzwerte in § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglSchG die abstrakt-generelle
Frage nach der fachplanerischen Zumutbarkeit von Fluglärm definitiv entschieden
habe und die Grenzwerte auch im Rahmen der planerischen Abwägung bei
luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren gelten würden, soweit es auf die
Zumutbarkeit des Lärms ankomme (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 21. August 2009 - 11
C 227/08.T u.a. -, juris Rn. 615). Demgegenüber wird in der Literatur vertreten, die
Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG verschaffe gegenüber der bisherigen
Rechtslage keine gesteigerte Klarheit bezüglich der maßgeblichen Lärmgrenzwerte.
D e r höchstrichterlichen Rechtsprechung bleibe es nach wie vor überlassen,
Maßstäbe für die Zumutbarkeit bestimmter Fluglärmeinwirkungen zu entwickeln (vgl.
Mechel, Der Fluglärmschutz nach der Gesetzesnovelle 2007, in: ZUR 2007, S. 561
<566>).
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§ 13 Abs. 1 Satz 1 FluglSchG bestimmt darüber hinaus, dass das
Fluglärmschutzgesetz für die Umgebung von Flugplätzen mit Wirkung für das
Genehmigungsverfahren nach § 6 LuftVG sowie das Planfeststellungs- und
Plangenehmigungsverfahren nach § 8 LuftVG die Erstattung von Aufwendungen für
bauliche Schallschutzmaßnahmen und die Entschädigung für Beeinträchtigungen der
Außenwohnbereiche in der Umgebung neuer und wesentlich erweiterter Flugplätze
regelt.
II.
Die Beschwerdeführer sind Anwohner in der Nähe von verschiedenen zivil oder
militärisch genutzten Flugplätzen in Deutschland. Sie halten den auf ihre
Grundstücke einwirkenden Fluglärm für unerträglich und machen insbesondere eine
Beeinträchtigung ihrer Gesundheit geltend. Sie rügen eine Verletzung ihrer
Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Abs. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 11 und Art. 14 GG durch § 2
Abs. 2 Satz 2, § 5 Abs. 3 und § 8 FluglSchG.
Dabei wenden sie sich vornehmlich gegen die in § 2 Abs. 2 FluglSchG aus ihrer
Sicht zu hoch angesetzten Lärmgrenzwerte und werfen dem Gesetzgeber
insbesondere vor, die neuesten Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung nicht
berücksichtigt zu haben. Daneben kritisieren sie weitere aus ihrer Sicht bestehende
Unzulänglichkeiten des Fluglärmschutzgesetzes wie fehlende Regelungen zum
aktiven Schallschutz, beispielsweise in Form von Betriebsbeschränkungen und
Maßnahmen der konkreten Flugbetriebssteuerung am jeweiligen Flughafen, sowie
zur Gesamtlärmbelastung.
Zum Beleg ihrer Behauptung unzureichender Grenzwertfestlegung in § 2 Abs. 2
FluglSchG beziehen sie sich auf eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen, die
sich teilweise ausdrücklich auch mit der vom Gesetzgeber als maßgeblich für die
Grenzwertfestlegung der Tag-Schutzzonen bei zivil genutzten Flugplätzen
herangezogenen Untersuchung auseinandersetzen und deren Unzulänglichkeit
belegen sollen.
Die Beschwerdeführer machen weiterhin einen signifikant gesunkenen Wert ihrer
Immobilien infolge der Fluglärmbelastung geltend und sehen sich dadurch und durch
eine - nach ihrem Vortrag - nur noch eingeschränkt mögliche Nutzbarkeit der
Außenwohnbereiche ihrer Grundstücke in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG verletzt.
Einen weiteren Verstoß gegen das Eigentumsrecht sehen sie darin, dass § 5 Abs. 3
FluglSchG nur bestimmte Wohnungen vom Bauverbot des § 5 Abs. 2 FluglSchG
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ausnimmt
und
damit
dem
jeweiligen Grundstückseigentümer
eine
Nutzungsmöglichkeit versagt.
Darüber hinaus rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen
Gleichheitssatzes durch die unterschiedlich festgesetzten Grenzwerte für zivil und
militärisch genutzte Flugplätze einerseits sowie bestehende und neu angelegte
beziehungsweise wesentlich erweiterte Flugplätze andererseits. Sie sind der
Meinung, dass es hierfür keine sachliche Rechtfertigung gibt.
Neben diesen gegen verschiedene Regelungen des Fluglärmschutzgesetzes
gerichteten Rügen werfen sie dem Gesetzgeber allgemein eine Verletzung seiner
verfassungsrechtlichen Pflichten im Hinblick auf ihren Schutz vor Fluglärm vor. Sie
fordern in diesem Zusammenhang unter anderem die normative Verankerung eines
Vorrangs des aktiven vor dem passiven Schallschutz.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie erweist
sich insgesamt als unzulässig.
1. Soweit sich die Beschwerdeführer gegen bestimmte Normen des
Fluglärmschutzgesetzes
wenden,
aber
auch soweit sie allgemein eine
g e se tzg e b e ri sch e Schutzpflichtverletzung
geltend
machen,
ist
die
Verfassungsbeschwerde bei nahezu allen Beschwerdeführern unzulässig, weil sie
nicht den an sie zu stellenden Begründungserfordernissen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2,
§ 92 BVerfGG genügt.
a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG muss sich die Verfassungsbeschwerde
mit dem zugrunde liegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen
Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend
substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl.
BVerfGE 89, 155 <171> ). Der Beschwerdeführer muss darlegen, mit welchen
verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert (vgl.
BVerfGE 108, 370 <386> ). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte
Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser
Maßstäbe aufgezeigt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffene
Maßnahme verletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 101, 331 <346>; 102, 147
<164> ). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Verletzung des Grundrechts nicht auf der
Hand liegt (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August
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2010 - 1 BvR 1584/10 -, juris Rn. 3).
b) Diesen Anforderungen entspricht die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der
Rügen sämtlicher Beschwerdeführer nicht, soweit sie sich direkt gegen § 2 Abs. 2
Satz 2, § 5 Abs. 3 und § 8 FluglSchG richtet.
aa) Eine mögliche Verletzung des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden
Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit wird aus dem Vortrag der
Beschwerdeführer zur Verfassungswidrigkeit der Regelungen des novellierten
Fluglärmschutzgesetzes nicht erkennbar.
Aus ihrem Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, inwiefern § 2 Abs. 2 Satz 2, § 5
Abs. 3 und § 8 FluglSchG in ihre Grundrechte eingreifen sollten. Dazu wäre eine
nähere Auseinandersetzung mit den angefochtenen Vorschriften und ihren
Auswirkungen auf die Beschwerdeführer bei der konkreten Rechtsanwendung unter
Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Fluglärmschutzgesetzes erforderlich
gewesen.
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Fluglärmschutzgesetz
ausweislich seines in § 1 FluglSchG zum Ausdruck kommenden Gesetzeszweckes
nicht den Anspruch erhebt, die Problematik des Schutzes der Bevölkerung vor
Fluglärm umfassend und abschließend zu regeln. Der Gesetzgeber hat vielmehr die
Systematik des bereits seit 1971 bestehenden Fluglärmschutzgesetzes im Grundsatz
beibehalten. Seiner Konzeption nach war das Fluglärmschutzgesetz von 1971 ein
Baubeschränkungs- und Entschädigungsgesetz und sollte insbesondere das weitere
Heranwachsen von Wohnsiedlungen an bestimmte Flugplätze verhindern. Die im
Gesetz festgelegten Lärmgrenzwerte waren weder zur Beurteilung von individuellen
Lärmbeeinträchtigungen noch zur Festlegung von fachplanungsrechtlichen
Zumutbarkeitsgrenzen vorgesehen und geeignet (vgl. Giemulla/Rathgeb, Das neue
Fluglärmgesetz, in: DVBl 2008, S. 669 <670 m. w. N.>). Selbst wenn mit der
Neuregelung über § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG die im Fluglärmschutzgesetz normierten
Grenzwerte erstmals auch für das luftverkehrsrechtliche Planfeststellungsverfahren
Bedeutung erlangen und § 13 FluglSchG darüber hinaus bestimmt, dass das
Fluglärmschutzgesetz für das Genehmigungsverfahren nach § 6 LuftVG sowie das
Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren nach § 8 LuftVG die Erstattung
von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen einschließlich der
zugrunde
liegenden Schallschutzanforderungen und die Entschädigung für
Beeinträchtigungen der Außenwohnbereiche in der Umgebung neuer und wesentlich
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baulich erweiterter Flugplätze regelt, hat sich an dieser Grundkonzeption nichts
geändert. Insbesondere der aktive Schallschutz richtet sich nicht nach dem
Fluglärmschutzgesetz. Maßgebend hierfür sind vielmehr vor allem die Regelungen
des Luftverkehrsgesetzes.
Ein Eingriff in Grundrechte der Beschwerdeführer durch die in § 2 Abs. 2 Satz 2
FluglSchG festgelegten Grenzwerte kommt daher von vornherein nur im
unmittelbaren Anwendungsbereich des Fluglärmschutzgesetzes oder in der
dargestellten „Verzahnung“ mit Regelungen des Luftverkehrsgesetzes über § 8 Abs. 1
Satz 3 LuftVG oder auch § 13 FluglSchG in Frage.
Soweit eine Grundrechtsverletzung im unmittelbaren Anwendungsbereich des
Fluglärmschutzgesetzes geltend gemacht wird, erscheint eine solche - ausgehend
von der Konzeption des Fluglärmschutzgesetzes - danach nur dann möglich, wenn
hinreichend konkret vorgetragen wird, dass das Gesetz den Beschwerdeführern
aufgrund der in § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglSchG aus ihrer Sicht zu hoch angesetzten
Grenzwerte in verfassungswidriger Weise baulichen Schallschutz oder eine
Entschädigung vorenthält.
Hierzu verhalten sich die Beschwerdeführer an keiner Stelle ihrer umfangreichen
Beschwerdeschrift. So lässt sich ihrem Vorbringen schon nicht entnehmen, von
welchen konkreten Lärmbelastungen auf ihre Grundstücke bei Anwendung des
novellierten Fluglärmschutzgesetzes auszugehen ist. Soweit vereinzelt konkrete
Lärmwerte vorgetragen werden, ist nicht ersichtlich, dass deren Ermittlung den nach
§ 3 Abs. 1 FluglSchG einzuhaltenden Anforderungen entspricht. Es lässt sich daher
auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht feststellen, ob das novellierte
Fluglärmschutzgesetz den Beschwerdeführern wegen der aus ihrer Sicht zu hoch
angesetzten Lärmgrenzwerte überhaupt keinen oder nur einen eingeschränkten
Lärmschutz bietet oder ob sie nicht vielmehr in den Genuss der gesetzlich
vorgesehenen
„Maximalleistung“, nämlich einen sofort mit Festsetzung des
Lärmschutzbereichs fälligen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für
baulichen Schallschutz für Wohn- und Schlafräume nebst Belüftungseinrichtungen
sowie einer Entschädigung für Beeinträchtigungen des Außenwohnbereichs,
kommen.
Soweit
sie Einwendungen direkt gegen die Grenzwerte des
Fluglärmschutzgesetzes erheben, machen sie nämlich nicht geltend, dass die im
Fluglärmschutzgesetz vorgesehenen Maßnahmen des passiven Schallschutzes und
der Entschädigung von vornherein ungeeignet seien, der Schutzpflicht des Staates
aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu genügen, sondern dass sie wegen der zu hohen
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Lärmgrenzwerte „zu spät“ einsetzen.
Im Hinblick auf die sich aus § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG beziehungsweise § 13 Abs. 1
FluglSchG ergebende Bedeutung der in § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglSchG festgelegten
Grenzwerte auf luftverkehrsrechtliche Genehmigungs-, Planfeststellungs- oder
Plangenehmigungsverfahren lässt sich dem Vortrag der Beschwerdeführer nicht
entnehmen, dass sie insoweit von der Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglSchG
betroffen wären. Das würde ein aktuell laufendes Verfahren nach § 6 LuftVG oder § 8
LuftVG voraussetzen. Hierzu ist nichts vorgetragen. Abgesehen davon wäre in
diesem Fall vorrangig fachgerichtlicher Rechtsschutz durch Überprüfung der in einem
der genannten Verfahren zu treffenden Entscheidung vor den Verwaltungsgerichten
nachzusuchen.
bb) Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt.
Soweit die Beschwerdeführer deshalb eine Eigentumsverletzung in der
Festlegung der Lärmgrenzwerte des § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglSchG sehen, weil der
dadurch „eröffnete“ Flugverkehr eine Nutzung ihrer Grundstücke unzumutbar mache,
unterliegen sie der Fehlvorstellung, der Gesetzgeber habe mit der Normierung der
Grenzwerte in § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglSchG die Ausnutzung der Kapazitäten eines
Flugplatzes bis zur Erreichung der in der Vorschrift genannten Grenzwerte
unbeschränkt
zugelassen.
Sie verkennen dabei Sinn und Zweck des
Fluglärmschutzgesetzes, das
ausschließlich
die
Gewährung
passiven
Schallschutzes und Entschädigungsfragen regelt. Ein rechtswidriger Eingriff in
grundrechtlich geschützte Positionen durch das Fluglärmschutzgesetz kommt daher
nur dann in Betracht, wenn es ihnen in verfassungswidriger Weise Rechte vorenthält
oder über seinen § 13 oder § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG im Rahmen laufender
Genehmigungs-, Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren Eingriffe
aufgrund der in § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglSchG normierten Grenzwerte vorgenommen
werden. Da nach dem Vortrag der Beschwerdeführer - wie dargelegt - unklar bleibt,
ob und inwieweit sie von der Novellierung des Fluglärmschutzgesetzes im Hinblick
auf die Gewährung passiven Schallschutzes oder von Entschädigungsleistungen
profitieren und zu anhängigen Verwaltungsverfahren, bei denen die angegriffenen
Regelungen des Fluglärmschutzgesetzes eine Rolle spielen können, nichts
vorgetragen ist, erscheint auch insoweit ein Verfassungsverstoß auf der Grundlage
des Beschwerdevorbringens nicht möglich.
Soweit sich die Beschwerdeführer gegen die Bauverbote in § 5 FluglSchG wenden
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und in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG rügen, ist die
Verfassungsbeschwerde ebenfalls unzulässig.
Zwar greift § 5 FluglSchG, wie die Beschwerdeführer im Ausgangspunkt zutreffend
geltend machen, durch die dort normierten Bauverbote in das Eigentumsgrundrecht
ein. Ihr Vortrag zu diesem Punkt ist allerdings allgemein gehalten und nicht auf ihre
eigene Situation bezogen. Daraus lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass
einem der Beschwerdeführer eine konkrete Möglichkeit zur Bebauung seines
Grundstücks aufgrund der Novellierung des Fluglärmschutzgesetzes genommen
würde. Für eine eigene Betroffenheit der Beschwerdeführer ist daher insoweit nichts
ersichtlich.
Auch im Hinblick auf § 8 FluglSchG, der die Entschädigung bei Bauverboten regelt,
wird aus dem Vortrag der Beschwerdeführer nicht erkennbar, dass sie infolge der
Novellierung des Fluglärmschutzgesetzes hierdurch betroffen wären. Es liegen keine
Anhaltspunkte dafür vor, dass ihnen eine Entschädigung vorenthalten würde, die
i h n e n bei einer - aus ihrer Sicht - verfassungsgemäßen Ausgestaltung des
Fluglärmschutzgesetzes zustehen müsste.
cc) Aus dem Vortrag der Beschwerdeführer lässt sich auch keine Verletzung ihres
Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG durch die Lärmgrenzwertregelung in § 2 Abs. 2
Satz 2 FluglSchG entnehmen. Zwar trifft es zu, dass der Gesetzgeber teilweise
unterschiedliche Lärmgrenzwerte für zivile und militärische Flugplätze vorgesehen
hat und innerhalb dieser Kategorien noch einmal zwischen bestehenden und neu
anzulegenden oder wesentlich geänderten Flugplätzen differenziert. Das Vorbringen
der Beschwerdeführer macht allerdings nicht deutlich, ob und inwieweit sie selbst im
Hinblick auf die sich aus dem Fluglärmschutzgesetz ergebenden Folgen unmittelbar
von dieser Differenzierung betroffen wären, etwa im Rahmen der Festsetzung der
Lärmschutzbereiche und der daraus gegebenenfalls resultierenden Gewährung der
Erstattung von Aufwendungen für passiven Schallschutz oder Entschädigung für die
Beeinträchtigung der Außenwohnbereiche beziehungsweise anlässlich laufender
Genehmigungs-, Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren. Hierzu wäre
Vortrag dahingehend erforderlich gewesen, dass gerade aufgrund der
unterschiedlichen
Grenzwertfestlegungen
den hiervon
betroffenen
Beschwerdeführern Aufwendungsersatz für passive Schallschutzmaßnahmen oder
Entschädigung nicht zugute kommt oder sich diese Unterscheidung im Rahmen eines
laufenden Verwaltungsverfahrens zu ihrem Nachteil auswirkt. Wie bereits dargelegt,
lässt sich eine Auswirkung dieser Differenzierung auf die Beschwerdeführer auf der
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Grundlage der Novellierung des Fluglärmschutzgesetzes in Ermangelung eines
hierzu ausreichenden Vortrags nicht entnehmen.
dd) Eine Verletzung von Art. 11 GG durch § 2 Abs. 2 FluglSchG ist ebenfalls nicht
hinreichend dargelegt.
Unabhängig von der Frage, ob der Schutzbereich des Grundrechts auf Freizügigkeit
durch zu geringe Lärmschutzvorkehrungen gegen Fluglärm überhaupt betroffen sein
kann, erweist sich die diesbezüglich erhobene Rüge bereits deshalb als unzulässig,
weil die Beschwerdeführer auch insoweit von der Fehlvorstellung geleitet werden,
durch § 2 Abs. 2 FluglSchG werde im Rahmen der dort normierten Grenzwerte ein
unbeschränkter Flugverkehr zugelassen. Dass dies nicht der Intention des Gesetzes
entspricht, wurde bereits dargelegt. Vor diesem Hintergrund ist ein Eingriff in das
Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 11 GG nicht ersichtlich.
c)
Die
Verfassungsbeschwerde
ist
weiterhin unzulässig, soweit die
Beschwerdeführer ganz allgemein behaupten, der Gesetzgeber sei seiner aus dem
Grundgesetz folgenden Pflicht, das Leben und die Gesundheit zu schützen, im
Rahmen der Regelung der Fluglärmproblematik nicht nachgekommen. Das
Vorbringen entspricht auch insoweit nicht den Anforderungen an einen hinreichend
substantiierten Vortrag.
aa) Das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schützt
den Einzelnen nicht nur als subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Es
enthält auch die staatliche Pflicht, sich schützend und fördernd vor die in ihm
genannten Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit zu stellen und sie vor
rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren. Die sich aus Art. 2 Abs. 2
Satz 1 GG ergebende Schutzpflicht erfordert auch Maßnahmen zum Schutz vor
gesundheitsschädigenden
und
gesundheitsgefährdenden Auswirkungen von
Fluglärm (vgl. BVerfGE 56, 54 <73 ff.> ; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten
Senats vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 -, NVwZ 2008, S. 780 <784>;
Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2009
- 1 BvR 1606/08 -, NVwZ 2009, S. 1494 <1495>; Beschluss der 3. Kammer des
Ersten Senats vom 15. Oktober 2009 - 1 BvR 3474/08 -, NVwZ 2009, S. 1489 <1489>;
Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 15. Oktober 2009
- 1 BvR 3522/08 -, juris, Rn. 26). Dass auch eine auf Grundrechtsgefährdungen
bezogene Risikovorsorge von der Schutzpflicht der staatlichen Organe umfasst
werden kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits
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mehrfach zum Ausdruck gekommen (vgl. BVerfGE 49, 89 <140 ff.>; 53, 30 <57>; 56,
54 <78> ). Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht kann eine solche Ausgestaltung
der
rechtlichen Regelungen
gebieten,
die
auch
die
Gefahr
von
Grundrechtsverletzungen eindämmt; ob, wann und mit welchem Inhalt eine solche
Ausgestaltung von Verfassungs wegen geboten ist, hängt von der Art, der Nähe und
dem Ausmaß möglicher Gefahren, der Art und dem Rang des verfassungsrechtlich
geschützten Rechtsguts sowie von den schon vorhandenen Regelungen ab (vgl.
BVerfGE 49, 89 <140 ff.>; 56,
54 <78>). Dabei ist zu beachten, dass
Grundrechtsschutz nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch durch die Gestaltung von
Verfahren zu bewirken ist; die Grundrechte beeinflussen demgemäß nicht nur das
gesamte materielle Recht, sondern auch das Verfahrensrecht, soweit dies für einen
effektiven Grundrechtsschutz Bedeutung hat (vgl. BVerfGE 53, 30 <65 ff.>; 84, 34
<45 f.>; 113, 29 <57>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 15.
Oktober 2009 - 1 BvR 3474/08 -, NVwZ 2009, S. 1489 <1489>; Beschluss der
3. Kammer des Ersten Senats vom 15. Oktober 2009 - 1 BvR 3522/08 -, juris, Rn. 26).
Grundsätzlich kommt dem Gesetzgeber bei der Erfüllung von Schutzpflichten ein
weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der auch Raum
lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen (vgl.
zum Nichtraucherschutz: BVerfGE 121, 317 <360> ; zu Mobilfunksendeanlagen:
BVerfGK 10, 208 <211>). Die Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, kann
vom Bundesverfassungsgericht deshalb nur begrenzt nachgeprüft werden. Es kann
hier erst dann eingreifen, wenn der Gesetzgeber die Schutzpflicht evident verletzt hat.
Nur unter besonderen Umständen kann sich diese Gestaltungsfreiheit in der Weise
verengen, dass allein durch eine bestimmte Maßnahme der Schutzpflicht Genüge
getan werden kann (vgl. BVerfGE 56, 54 <80 f.>; 77, 170 <214 f.>; 79, 174 <202>;
BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. Februar 2008 - 1 BvR
2722/06 -, NVwZ 2008, S. 780 <784>). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber das
Untermaßverbot zu beachten. Die Vorkehrungen des Gesetzgebers müssen für einen
- unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter - angemessenen und
wirksamen
Schutz
ausreichend
sein
und
zudem
auf sorgfältigen
Tatsachenermittlungen und vertretbaren Einschätzungen beruhen. Die Verfassung
gibt den Schutz als Ziel vor, nicht jedoch seine Ausgestaltung im Einzelnen. Das
Bundesverfassungsgericht prüft, ob der Gesetzgeber seinen Einschätzungsspielraum
vertretbar gehandhabt hat (vgl. BVerfGE 88, 203 <254, 262 f.>; BVerfG, Beschluss der
3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2009 - 1 BvR 1606/08 -, NVwZ 2009,
S. 1494 <1495>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 15. Oktober 2009
39
- 1 BvR 3522/08 -, juris, Rn. 27). Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht gebietet
nicht, alle nur denkbaren Schutzmaßnahmen zu treffen. Deren Verletzung kann
vielmehr nur festgestellt werden, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen
überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet
oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich
dahinter zurückbleiben. Es ist in erster Linie Aufgabe des Normgebers, den
Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu
beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen
treffen zu können. Eine Verletzung seiner Nachbesserungspflicht kann gerichtlich erst
festgestellt werden, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung
zum Schutz der Gesundheit aufgrund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten
Situation untragbar geworden ist (vgl. BVerfGK 10, 208 <211 f.> m. w. N.).
bb) Aus den dargestellten spezifischen Anforderungen an die Feststellung einer
gesetzgeberischen Schutzpflichtverletzung folgen in Verbindung mit den
aufgezeigten
Maßstäben
für
die
ordnungsgemäße
Begründung einer
Verfassungsbeschwerde entsprechende Darlegungslasten der Beschwerdeführer.
Sie müssen schlüssig dartun, dass staatliche Schutzvorkehrungen nach Lage der
Dinge geboten sind und von der öffentlichen Gewalt entweder überhaupt nicht
getroffen worden sind oder dass die getroffenen Regelungen und Maßnahmen
offensichtlich gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das Schutzziel zu
erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18.
Februar 2010 - 2 BvR 2502/08 -, NVwZ 2010, S. 702 <704>). Eine mögliche
Grundrechtsverletzung der Beschwerdeführer geht aus dem danach gebotenen
Vortrag regelmäßig nur dann hervor, wenn sich dieser nicht in pauschalen
Behauptungen und punktuell herausgegriffenen, angeblichen Unzulänglichkeiten der
Rechtslage erschöpft. Erforderlich ist vielmehr, das Regelungskonzept des
Gesetzgebers zu einem bestimmten Punkt insgesamt zu erfassen, wozu - je nach
Fallgestaltung - zumindest gehört, dass die einschlägigen Regelungen des als
unzureichend beanstandeten Normkomplexes jedenfalls in Grundzügen dargestellt,
die Verwaltungspraxis hierzu wiedergegeben und die einschlägige fachgerichtliche
Rechtsprechung aufgearbeitet wird. In einem zweiten Schritt bedarf es dann der
Darstellung, ob und gegebenenfalls welche Schutzmaßnahmen zu Gunsten der
Beschwerdeführer in ihrer jeweiligen Situation unternommen wurden, und aus
welchen konkreten Gründen - aus Sicht der Beschwerdeführer - vom Versagen der
gesetzgeberischen Konzeption auszugehen ist. Dazu gehört auch die Darlegung,
weshalb Verbesserungen auf das für notwendig erachtete Maß durch die Einleitung
40
41
von Verwaltungs- und gegebenenfalls gerichtlichen Verfahren nicht erreicht werden
können.
cc) Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Beschwerdeführer zur Verletzung
staatlicher Schutzpflichten bei Regelung der Fluglärmproblematik in keiner Weise
gerecht. Die pauschal gerügte Schutzpflichtverletzung ist nicht zu erkennen.
Hierzu
wäre
erforderlich
gewesen,
dass
die Beschwerdeführer das
Regelungssystem des Luftverkehrsrechts insgesamt jedenfalls in seinen Grundzügen
darstellen und vor dem Hintergrund der hierzu ergangenen Rechtsprechung der
Fachgerichte - insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts - substantiiert
aufzeigen, dass es evident nicht geeignet ist, ausreichenden Schutz gegen
schädlichen Fluglärm zu gewährleisten. Der Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm
wird nämlich keineswegs allein durch das Fluglärmschutzgesetz bewirkt. Dieses
beschränkt sich - wie ausgeführt - lediglich auf den Aspekt des passiven
Schallschutzes, während sich insbesondere der aktive Schallschutz nach dem
Luftverkehrsgesetz richtet. So bestimmt § 29b Abs. 1 Satz 1 LuftVG, dass
Flugplatzunternehmer, Luftfahrzeughalter und Luftfahrzeugführer verpflichtet sind,
beim Betrieb von Luftfahrzeugen in der Luft und am Boden vermeidbare Geräusche
zu verhindern und die Ausbreitung unvermeidbarer Geräusche auf ein Mindestmaß
zu beschränken, wenn dies erforderlich ist, um die Bevölkerung vor Gefahren,
erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Lärm zu schützen.
N a c h § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG ist auf die Nachtruhe der Bevölkerung in
besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. § 9 Abs. 2 LuftVG eröffnet im Rahmen von
luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren die Möglichkeit, Schutzauflagen zu
Gunsten der benachbarten Grundstücke zu verfügen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 4 LuftVG
können auch außerhalb von Planfeststellungsverfahren im Rahmen der
luftverkehrsrechtlichen Genehmigung - beispielsweise für militärisch genutzte
Flugplätze
-
Auflagen
verfügt
werden. Nach
den
allgemeinen
verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften
ist
zudem
die
Verfügung
nachträglicher Schutzauflagen oder auch der (Teil-)Widerruf erteilter Genehmigungen
oder Planfeststellungsbeschlüsse grundsätzlich möglich (vgl. dazu BVerwG,
Beschluss vom 26. Februar 2004 - BVerwG 4 B 95.03 -, NVwZ 2004, S. 869 <869>).
Schließlich besteht generell die Möglichkeit, sich auch unmittelbar gegen die
konkrete Festlegung von Flugrouten, die maßgeblich für die Lärmbelastung der
Anwohner sein kann, gerichtlich zur Wehr zu setzen (vgl. dazu insbesondere
BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 -, BVerwGE 111, 276
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44
45
46
<277 ff.>).
Zu all diesen Möglichkeiten und ihren Umsetzungen im Hinblick auf die konkreten
Betroffenheiten
der Beschwerdeführer,
beispielsweise
in
Form
von
Betriebsbeschränkungen an den Flugplätzen, deren Anrainer die Beschwerdeführer
sind, verhält sich ihr Vortrag an keiner Stelle. Die individuelle Genehmigungssituation
an den einzelnen Flugplätzen lässt die Verfassungsbeschwerde vielmehr ebenso im
Unklaren wie die allgemeine Gestattungspraxis und die in der Rechtsprechung
formulierten Anforderungen an den Fluglärmschutz. Daran ändert auch das
punktuelle Eingehen auf die Genehmigungssituation einzelner Flughäfen in
Deutschland und auf hierzu ergangene Gerichtsentscheidungen nichts.
d) Schließlich ist die Rüge, der Gesetzgeber habe trotz der Grundrechtsrelevanz der
Fluglärmbelastung Wesentliches ungeregelt gelassen, indem er keine verbindlichen
Grenzwerte festgeschrieben habe, ebenfalls nicht hinreichend substantiiert.
In
diesem
Zusammenhang
berücksichtigen
die Beschwerdeführer die
Verschränkungen zwischen Luftverkehrsgesetz und Fluglärmschutzgesetz nicht und
setzen sich mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für luftverkehrsrechtliche
Planungs- oder Genehmigungsverfahren nicht auseinander. Das gilt insbesondere für
die neue Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG, der die Beachtung der Grenzwerte
des § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglSchG im Rahmen von luftverkehrsrechtlichen
Planfeststellungsverfahren vorschreibt. Die einfachrechtliche Bedeutung dieser
Vorschrift, insbesondere als mögliche Beschreibung der fachplanerischen
Zumutbarkeitsgrenze,
und ihre etwaigen Auswirkungen auf (künftige)
Planfeststellungsverfahren werden von den Beschwerdeführern nicht dargestellt.
Die
Beschwerdeführer
mögen
weitergehende Regelungen zum aktiven
Schallschutz und die Benennung von konkreten Lärmgrenzwerten auch in diesem
Zusammenhang
für wünschenswert
halten.
Die
Möglichkeit
eines
verfassungsrechtlich erheblichen Unterlassens des Gesetzgebers oder auch die
Überlassung
verfassungsrechtlich unzulässig
weit
gehender
Entscheidungsspielräume der Exekutive in dieser Frage lässt sich ihrem pauschal
gehaltenen Vortrag nicht entnehmen. Angesichts der beschriebenen Anforderungen
an die Darlegung einer gesetzgeberischen Schutzpflichtverletzung hätte es hierzu
einer Beschreibung der vom Gesetzgeber getroffenen Maßnahmen und deren
Umsetzung in der Praxis bedurft.
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unabhängig von den vorstehenden
47
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Ausführungen deshalb insgesamt unzulässig, weil sich ihr nicht entnehmen lässt,
dass der aus § 90 Abs. 2 BVerfGG folgende Grundsatz der Subsidiarität eingehalten
worden ist.
a) § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG bestimmt, dass der Rechtsweg vor Erhebung der
Verfassungsbeschwerde erschöpft werden muss. Das setzt voraus, dass ein
Rechtsweg gegeben ist. „Rechtsweg“ in diesem Sinne ist jede gesetzlich normierte
Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts (vgl. BVerfGE 67, 157 <170> ). Wer
behauptet, durch die Auswirkungen des Fluglärms in seinen Grundrechten verletzt zu
werden,
ist
grundsätzlich
gehalten,
vor
einer
Inanspruchnahme des
Bundesverfassungsgerichts
den
Rechtsweg
zu
beschreiten. Vor einer
verfassungsgerichtlichen Entscheidung ist es erforderlich, dass die Fachgerichte die
konkreten
Umstände, insbesondere das Ausmaß der Fluglärmbelastungen
einschließlich der Grundstücksvorbelastungen, die zur Bekämpfung des Fluglärms
getroffenen oder möglichen Maßnahmen und auch dessen Auswirkungen auf die
menschliche Gesundheit näher aufgeklärt und rechtlich beurteilt haben (vgl. BVerfGE
56, 54 <68 f.> ).
Auch wenn es unmittelbar gegen Parlamentsgesetze keinen fachgerichtlichen
Rechtsschutz gibt, folgt aus dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck
kommenden Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde weiterhin, dass
der Beschwerdeführer vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz
nach Möglichkeit die Fachgerichte mit seinem Anliegen befassen muss. Er muss
deshalb grundsätzlich den Vollzug des Gesetzes abwarten oder einen Vollzugsakt
herbeiführen und hiergegen dann den fachgerichtlichen Rechtsweg beschreiten (vgl.
z.B. BVerfGE 74, 69 <74 f.>). Das gilt unabhängig davon, ob das Gesetz einen
Auslegungs- oder Entscheidungsspielraum offen lässt oder ob ein solcher Spielraum
fehlt (vgl. BVerfGE 58, 81 <104 f.>; 72, 39 <43 ff.> ). Damit soll neben einer Entlastung
des Bundesverfassungsgerichts erreicht werden, dass das Bundesverfassungsgericht
nicht
auf
ungesicherter
Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende
Entscheidungen trifft (vgl. BVerfGE 79, 1 <20>; 97, 157 <165>; 102, 197 <207> ). Bei
der Rechtsanwendung durch die sachnäheren Fachgerichte können - aufgrund
besonderen Sachverstands - für die verfassungsrechtliche Prüfung erhebliche
Tatsachen zutage gefördert werden (vgl. BVerfGE 56, 54 <69>; 79, 1 <20>). Nach
Maßgabe der Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG ist dabei von diesen zur
Frage der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Vorschriften gegebenenfalls eine
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen (vgl. BVerfGE 58, 81
49
50
51
<105>; 72, 39 <44>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2.
August 2010 - 1 BvR 2393/08 u.a. -, ZFSH/SGB 2010, S. 591 <594>).
Die Pflicht zur Anrufung der Fachgerichte besteht ausnahmsweise dann nicht, wenn
die angegriffene Regelung den Beschwerdeführer zu Dispositionen zwingt, die später
nicht mehr korrigiert werden können (vgl. BVerfGE 43, 291 <387>; 60, 360 <372>),
oder wenn die Anrufung der Fachgerichte dem Beschwerdeführer nicht zuzumuten
ist, etwa weil das offensichtlich sinn- und aussichtslos wäre (vgl. BVerfGE 55, 154
<157>; 65, 1 <38>; 102, 197 <208> ). Dabei sind grundsätzlich auch diejenigen
Rechtsbehelfe zu ergreifen, deren Zulässigkeit in der bisherigen fachgerichtlichen
Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt ist (vgl. BVerfGE 70, 180 <185>). Kann der
mit dem Subsidiaritätsgrundsatz insbesondere verfolgte Zweck, eine fachgerichtliche
Klärung der verfassungsrechtlich relevanten Sach- und Rechtsfragen herbeizuführen,
ni cht erreicht werden, ist die vorherige Anrufung der Fachgerichte gleichfalls
entbehrlich (vgl. BVerfGE 65, 1 <38>; 79, 1 <20> ; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer
des Ersten Senats vom 2. August 2010 - 1 BvR 2393/08 u.a. -, ZFSH/SGB 2010,
S. 591 <594>).
b) Bei Anlegung dieser Maßstäbe, die auch im Falle der Rüge gesetzgeberischer
Schutzpflichtverletzungen Geltung beanspruchen, kann im Hinblick auf keine der in
Betracht kommenden Zielrichtungen der Verfassungsbeschwerde von einer Wahrung
des Subsidiaritätsgebots ausgegangen werden.
aa) Soweit die Beschwerdeführer § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglSchG in seinem
unmittelbaren Anwendungsbereich angreifen, berücksichtigen sie den Charakter des
Fluglärmschutzgesetzes als Gesetz zur Regelung des passiven Schallschutzes und
für
Entschädigung
nicht.
Das
Gesetz vermittelt im Rahmen seines
Anwendungsbereichs Ansprüche auf Erstattung von Aufwendungen für bauliche
Schallschutzmaßnahmen sowie Entschädigungen für Bauverbote und die
Beeinträchtigung von Außenwohnbereichen, die gegenüber der zuständigen
Behörde gegebenenfalls im Verwaltungsrechtsweg geltend gemacht werden können.
Es ist nicht ersichtlich, dass sich auch nur einer der Beschwerdeführer mit einem
darauf gerichteten Antrag an die zuständige Behörde gewandt und nach dessen
Erfolglosigkeit den Rechtsweg beschritten hätte. Dabei wäre ein solches Vorgehen
selbst dann nicht von vornherein offensichtlich zum Scheitern verurteilt, wenn - was
sich hier nicht zuverlässig feststellen lässt - das betreffende Grundstück des
jeweiligen Beschwerdeführers nicht in einer der nach dem Fluglärmschutzgesetz
einzurichtenden Schutzzonen liegt. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird
52
53
54
nämlich
die Auffassung vertreten, dass die im Fluglärmschutzgesetz
festgeschriebenen Grenzwerte lediglich Mindeststandards des (auch) passiven
Schallschutzes regelten, die nicht unterschritten werden dürften und über die
hinausgegangen werden könne, unter Umständen sogar müsse (vgl.
Ekardt/Schmidtke, Die Reichweite des neuen Fluglärmrechts, in: DÖV 2009,
S. 187 ff.). Zwar ist der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung
zum Ausbau des Verkehrsflughafens Frankfurt/Main dieser Ansicht ausdrücklich nicht
gefolgt (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 21. August 2009 - 11 C 227/08.T u.a. -, juris, Rn.
603). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zu dieser Frage jedoch bislang - soweit
ersichtlich - noch nicht geäußert. In einer Entscheidung im Zusammenhang mit dem
Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld hat es jedenfalls ausgeführt, keine
Anhaltspunkte dafür zu sehen, dass es der zuständigen Behörde bei Festsetzung der
Lärmschutzbereiche verwehrt sei, die Lärmgrenzwerte zum Schutz bestimmter
Gruppen besonders schutzwürdiger Lärmbetroffener oder Einrichtungen zu
unterschreiten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. September 2007 - BVerwG 4 A
1007.07 u.a. -, juris, Rn. 29). Damit erscheint diese Frage bislang nicht abschließend
geklärt. Vielmehr wäre die Geltendmachung von Rechtsschutz im fachgerichtlichen
Verfahren,
gerichtet
auf die Erfüllung von Ansprüchen nach dem
Fluglärmschutzgesetz, auf der Grundlage der in der Literatur geäußerten Auffassung
nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos.
Den Beschwerdeführern wäre es daher zuzumuten gewesen, zunächst
fachgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen mit dem Ziel, Ansprüche auf
der Grundlage des Fluglärmschutzgesetzes durchzusetzen.
bb) Auch soweit die Beschwerdeführer weitergehend eine allgemeine
gesetzgeberische Schutzpflichtverletzung im Hinblick auf den Schutz vor Fluglärm,
insbesondere die fehlende gesetzliche Verhinderung von Fluglärmeinwirkungen in
bestimmter Pegelhöhe, rügen, ist die Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des
Subsidiaritätsgrundsatzes unzulässig.
Zwar
sind
die
Anwohner
eines
auf
der
Grundlage eines
Planfeststellungsbeschlusses angelegten Flughafens unter den in § 9 Abs. 3 LuftVG
bezeichneten Voraussetzungen mit Beseitigungs- oder Änderungsansprüchen
gegenüber festgestellten Anlagen ausgeschlossen. Diese Duldungspflicht hat nach
der
Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts indes gegebenenfalls
zurückzutreten, wenn die mit dem Anlagenbetrieb verbundenen Fluglärmimmissionen
ein Ausmaß erreichen, durch das der Gewährleistungsgehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 1
55
56
oder des Art. 14 Abs. 1 GG angetastet wird. Den staatlichen Organen obliegt die
Verpflichtung, sich schützend und fördernd vor Rechtsgüter zu stellen, die
Verfassungsrang genießen. Sie dürfen nicht an der Entstehung oder
Aufrechterhaltung verfassungswidriger Umstände mitwirken. Eine Möglichkeit,
Rechtsschutz gegenüber dem von einem bestandskräftig planfestgestellten Flugplatz
a u s g e h e n d e n Fluglärm
zu
erlangen,
ist
der
(Teil-)Widerruf
des
Planfeststellungsbeschlusses. Hiervon darf unter Berücksichtigung der Rechte der
Flugplatzbetreiber allerdings nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn sich der
Grundrechtsverstoß nicht unter Einsatz schonenderer Mittel beseitigen lässt. Als
weniger belastender Eingriff kommen nachträgliche Lärmschutzauflagen in
Anwendung des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG in Betracht. Erst wenn
Lärmschutzvorkehrungen auf Grundlage dieser Vorschrift nicht ausreichen, um dem
aus der Verfassung ableitbaren Schutzanspruch gerecht zu werden, darf sich die
Luftfahrtbehörde des (Teil-)Widerrufs als letzten Mittels bedienen (zum Ganzen vgl.
BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2004 - BVerwG 4 B 95.03 -, NVwZ 2004, S. 869
<869>).
Unabhängig von der Frage der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens
dürfen Flugplätze nach § 6 LuftVG nur mit einer luftverkehrsrechtlichen Genehmigung
angelegt werden. Das gilt grundsätzlich auch für Militärflugplätze, die nach § 30 Abs.
1 Satz 2 LuftVG nicht der Planfeststellungspflicht unterliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom
3. Mai 1988 - BVerwG 4 C 11.85 und 12.85 -, NVwZ 1988, S. 1122 <1122>). Eine
Abweichung hiervon ist nach § 30 Abs. 1 Satz 1 LuftVG nur zulässig, soweit dies zur
Erfüllung der besonderen Aufgaben der Bundeswehr unter Berücksichtigung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. Auch in diesen Fällen besteht für
Anwohner die Möglichkeit, nachträgliche Modifikationen der Genehmigung zur
Verbesserung des Lärmschutzes zu erlangen (vgl. Schiller, in: Grabherr/Reidt/Wysk,
Luftverkehrsgesetz, Stand: September 2009, § 6 Rn. 512). Letzteres kann
insbesondere im Wege des (Teil-)Widerrufs der Genehmigung oder in Vollzug eines
in der Genehmigung festgeschriebenen Auflagenvorbehalts erfolgen.
Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beschwerdeführer eine der
dargestellten Möglichkeiten, Rechtsschutz gegen die Fluglärmbelastung im Hinblick
auf die von ihnen als unerträglich empfundene Situation zu erlangen, wahrgenommen
hätten - beispielsweise durch Klagen auf (Teil-)Widerruf eines luftverkehrsrechtlichen
Planfeststellungsbeschlusses, einer luftverkehrsrechtlichen Genehmigung oder auf
V e rfü g u n g nachträglicher Schutzmaßnahmen. Andererseits gibt es keine
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58
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Anhaltspunkte dafür, dass ihnen die verschiedenen Varianten möglichen
Rechtsschutzes von vornherein verschlossen gewesen wären. Die Beschwerdeführer
tragen zur konkreten Gestattungssituation an den jeweiligen Flugplätzen nichts vor.
Damit lässt sich nicht feststellen, ob ihr Ziel, die Festlegung geringerer Grenzwerte für
ihre Grundstücke zu erreichen, als sie das Fluglärmschutzgesetz - allerdings
ausschließlich für den passiven Schallschutz - vorsieht, nicht mittels fachgerichtlichen
Rechtsschutzes zu erlangen gewesen wäre oder immer noch ist.
Dem steht nicht entgegen, dass in der Fluglärmentscheidung des
Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1981 jedenfalls für die Rüge, der
Gesetzgeber habe eine Nachbesserung gesetzlicher Schutzpflichten unterlassen, die
Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde angenommen wurde (vgl. BVerfGE 56, 54
<6 8 > ). Die Entscheidung verhält sich schon nicht ausdrücklich dazu, ob die
entsprechende Rüge tatsächlich zulässig erhoben war, sondern unterstellt insoweit
lediglich die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde.
Die vorliegende Verfassungsbeschwerde ist, unabhängig hiervon, jedoch auch nicht
unter dem Aspekt der Verletzung gesetzgeberischer Schutzpflichten zulässig. Zwar
ist gegen die Verletzung gesetzgeberischer Schutzpflichten fachgerichtlicher
Rechtsschutz nur schwer vorstellbar, weil dies voraussetzte, dass die jeweils
angerufenen Fachgerichte gewissermaßen als Ersatzgesetzgeber tätig würden.
Andererseits wird sich eine Lücke in der gesetzgeberischen Konzeption zur
Regelung einer bestimmten Problematik regelmäßig nur dann zuverlässig feststellen
lassen, wenn zuvor die Fachgerichte den zugrunde liegenden Sachverhalt und die
einfachrechtliche Rechtslage auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher
Vorgaben umfassend aufgearbeitet haben. Nur so wird auch in den Fällen
b e h a u p t e t e n gesetzgeberischen
Unterlassens
vermieden,
dass
das
Bundesverfassungsgericht auf tatsächlich und einfachrechtlich ungeklärter Basis
entscheiden muss. Das gilt jedenfalls in solchen Fällen, in denen - wie hier -
vielfältige konkrete Möglichkeiten bestehen, gerichtlichen Rechtsschutz gegen die
zunehmende Fluglärmbelastung zu erlangen.
Entsprechendes gilt, soweit die Verfassungsbeschwerde darauf zielt, den
Gesetzgeber zu verpflichten, generell dafür Sorge zu tragen, dass niedrigere als die
dem § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglSchG zugrunde liegenden Lärmgrenzwerte auf die
Gründstücke der Beschwerdeführer einwirken. Auch diesbezüglich lässt sich erst
nach Durchführung eines fachgerichtlichen Verfahrens beurteilen, ob der
Gesetzgeber seinen Schutzpflichten tatsächlich nicht nachgekommen ist. Erst dann
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steht fest, welche Lärmbelastung den Beschwerdeführern - unter Berücksichtigung
gegebenenfalls
nachträglich
angeordneter Schutzmaßnahmen - tatsächlich
zugemutet wird.
Deshalb kommt auch eine Vorabentscheidung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG
nicht in Betracht, da die Tatsachengrundlage in Bezug auf die verschiedenen
Beschwerdeführer nicht geklärt ist und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass ihnen
eine Verweisung auf den Rechtsweg nicht zugemutet werden könnte.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Kirchhof
Eichberger
Masing