Urteil des BVerfG vom 29.08.2007

ausstrahlung, juristische person, zuschauer, erlass

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Prinz, Neidhardt, Engelschall,
Tesdorpfstraße 16, 20148 Hamburg -
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1225/07 -
- 1 BvR 1226/07 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
der Firma G... GmbH,
vertreten durch die Geschäftsführer
1. gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 10. April 2007 - 7
U 141/06 -
- 1 BvR 1225/07 -,
2. gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 10. April 2007 - 7
U 143/06 -
- 1 BvR 1226/07 -
hier:
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier,
und die Richter Hoffmann-Riem
Gaier
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 29. August 2007
einstimmig beschlossen:
1
2
3
4
Die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen werden abgelehnt.
Gründe:
Verfassungsbeschwerden und Eilanträge der Beschwerdeführerin, einer juristischen
Person des Privatrechts, sind gegen die Versagung eines Verbots der Ausstrahlung
eines Fernsehfilms gerichtet, der an das Geschehen um das Medikament Contergan
anknüpft und dieses in eine Spielfilmhandlung einbindet.
I.
1. Die Beschwerdeführerin betreibt in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ein
pharmazeutisches Unternehmen. Die Beschwerdeführerin brachte zum 1. Oktober
1957 unter ihrer damaligen Firma Chemie Grünenthal GmbH das Schlaf- und
Beruhigungsmittel Contergan auf den Markt. Im Jahre 1961 nahm die Herstellerin das
Medikament vom Markt, als der Verdacht an sie herangetragen worden war, dass die
Einnahme des Medikaments durch Schwangere schwere Missbildungen bei Föten
hervorrufen könne. Nachfolgend wurde seit 1961 gegen mehrere Mitarbeiter der
Beschwerdeführerin ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der
Körperverletzung betrieben, das im März 1967 zur Anklageerhebung führte. Im Jahre
1970 wurde das Verfahren eingestellt, nachdem die Beschwerdeführerin sich bereit
gefunden hatte, einen Betrag von 100 Millionen DM aufzubringen, der im Jahre 1971
in eine zugunsten der Geschädigten errichteten Stiftung eingebracht wurde.
Bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens der Beschwerde 1 BvR 1226/07 handelt
es sich um eine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt. Die Beklagte des
Ausgangsverfahrens der Beschwerde 1 BvR 1225/07 erstellte in ihrem Auftrag einen
Fernsehfilm in zwei Teilen von je 90 Minuten Dauer, der an das historische
Geschehen
um
das Medikament Contergan unter Nennung dieser
Arzneibezeichnung sowie der Herstellerin „Chemie Grünenthal“ anknüpft.
Im Mittelpunkt der Filmhandlung steht hierbei die Figur des Rechtsanwalts Paul
Wegener, der gegen ein in dem Film als „Chemie Grünenthal“ bezeichnetes
Unternehmen mit juristischen Mitteln vorgeht, um es zu Entschädigungszahlungen an
die Geschädigten aus der Einnahme des auch in dem Film als „Contergan“
bezeichneten Arzneimittels zu veranlassen. Die Filmhandlung schildert vielfältige
Bemühungen des Unternehmens, seine Inanspruchnahme auf Zahlung einer solchen
Entschädigung sowie einer Bestrafung von Mitarbeitern zu verhindern.
5
6
7
8
9
Der Film wurde von der beklagten Fernsehanstalt als „historisches Drama über den
spektakulären Contergan-Fall“ angekündigt, das „in Anlehnung an wahre
Begebenheiten die Aufsehen erregenden Ereignisse von damals zum Gegenstand
einer packenden Tele-Fiktion“ mache. Im Vor- und Abspann beider Teile ist jeweils
der folgende Text eingeschaltet:
Dieser Film ist kein Dokumentarfilm! Er ist ein Spiel- und
Unterhaltungsfilm auf der Grundlage eines historischen Stoffes. Die
fürchterliche Schädigung tausender Kinder durch das Arzneimittel
„Contergan“, die Einstellung des Strafprozesses gegen die
Verantwortlichen wegen „geringer Schuld“ und die Zahlung der
höchsten Entschädigungssumme in der deutschen Geschichte durch
die Herstellerfirma sind historische Realität. Die im Film handelnden
Personen und ihre beruflichen und privaten Handlungen und
Konflikte sind dagegen frei erfunden.
Die Ausstrahlung des Films war zunächst für den Herbst 2006 vorgesehen.
2. Die Beschwerdeführerin nahm die Beklagten im Verfügungsverfahren auf
Unterlassung mehrerer Filmszenen in Anspruch. Diese haben im Wesentlichen
Bemühungen des in dem Film dargestellten Unternehmens zum Gegenstand, die
Durchsetzung solcher Entschädigungszahlungen zu vereiteln und durch Verzögerung
des Strafverfahrens auf eine mögliche Verjährung der angeklagten Straftaten seiner
Mitarbeiter hinzuwirken. Eine Filmszene stellt hierbei dar, wie ein zu für die
Geschädigten günstigen Aussagen bereiter Mitarbeiter des Unternehmens von
Verantwortlichen des Unternehmens bedroht wird, um von diesem Vorhaben wieder
Abstand zu nehmen. Die Filmhandlung stellt ferner dar, dass ein von dem
Unternehmen beauftragter Privatdetektiv zu teils unlauteren oder rechtswidrigen
Mitteln greift, um den auf Seiten der Geschädigten stehenden Rechtsanwalt in seinen
Bemühungen um Durchsetzung der Ansprüche möglicher Geschädigter zu behindern
und bei seinen Mandanten sowie seiner Ehefrau in Misskredit zu bringen.
a) Die Beschwerdeführerin erwirkte am 14. Februar 2006 den Erlass von
Beschlussverfügungen gegen die Beklagten auf Unterlassung der beanstandeten
Szenen, die das Landgericht auf Widerspruch der Beklagten jeweils durch
Verfügungsurteil vom 28. Juli 2006 bestätigte (vgl. hierzu das in dem
Ausgangsverfahren der Beschwerde 1 BvR 1225/07 ergangene Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 28. Juli 2006 - 324 O 14/06 -, abgedruckt in ZUM 2007, S.
10
11
12
13
212 ff).
Hiergegen wandten sich die Beklagten mit ihren Berufungen. In der
Berufungsverhandlung übernahmen sie gegenüber der Beschwerdeführerin die
strafbewehrte Verpflichtung, den Film nur auszustrahlen, wenn der bereits oben
wiedergegebene Hinweistext, dass es sich nicht um einen Dokumentarfilm handele,
vor Beginn jedes der Teile angesagt und vor Beginn ihres Abspanns für mindestens
30 Sekunden eingeblendet werde und hierbei dem abschließenden Hinweis, dass
die in dem Film handelnden Personen und ihre privaten und beruflichen Konflikte frei
erfunden seien, der folgende klarstellende Zusatz angefügt werde:
Dies gilt insbesondere für die Figur des Rechtsanwalts Paul
Wegener und seiner Familie sowie die für die Arzneimittelfirma
handelnden Personen einschließlich des Privatdetektivs.
b) Das Oberlandesgericht hat das Verbot mit Berufungsurteil jeweils vom 10. April
2007 hinsichtlich zweier nach seiner Auffassung für die Beschwerdeführerin in
besonderer Weise abträglicher Spielszenen, die unlautere Machenschaften des
eingesetzten Rechtsanwalts und deren mögliche Billigung durch das Unternehmen
schildern, durch Zurückweisung der Berufungen der Beklagten bestätigt und die
weitergehenden Verfügungsanträge der Beschwerdeführerin unter Aufhebung der
ergangenen Beschlussverfügung zurückgewiesen.
Zwar vermittele der Film durch Verwendung der seinerzeitigen Firma der
Beschwerdeführerin und die Benennung des Arzneimittels „Contergan“ den Eindruck,
in Grundzügen das Geschehen um dieses Medikament wiederzugeben. Gleichwohl
gehe der Zuschauer bei Betrachtung des Films nicht davon aus, dass die dargestellte
Handlung der historischen Wirklichkeit gleichsam nach Art eines Dokumentarfilms
nachgestellt sei. Der Film sei deutlich als Spielfilm erkennbar. Er weise zwar die
Besonderheit auf, dass dem Zuschauer durch Anknüpfung an die historischen
Vorgänge im Zusammenhang mit dem Medikament Contergan eine Nähe zur Realität
vermittelt werde. Bezüglich solcher historischer Fakten erwarte der Zuschauer, dass
es sich um eine zumindest im Kern wahrheitsgetreue Wiedergabe handele. Zugleich
werde dem Zuschauer aber für die ausführliche Darstellung privater und persönlicher
Verhältnisse der dargestellten Figuren nahegelegt, dass historische Genauigkeit
insoweit nicht das Hauptanliegen des Films sei. Die Beurteilung der beanstandeten
Passagen hänge daher davon ab, ob der Zuschauer darin eine Wiedergabe realer
Vorgänge sehe oder ihm ihre fiktive Natur deutlich sei. Insoweit liege für den
14
Zuschauer auf der Hand, dass die beanstandete Darstellung interner Besprechungen
der Mitarbeiter des Unternehmens in dem Film im Wesentlichen um der filmischen
Darstellung willen erfunden sei und nicht auf demjenigen Teil des Geschehens
beruhe, für den Faktentreue erwartet werde. Der fiktionale Charakter dieser Szenen
werde durch Verwendung erfundener Namen für die auftretenden Mitarbeiter und
zusätzlich durch die Hinweise aus der Anmoderation unterstrichen, zu deren
Verwendung sich die Beklagten gegenüber der Beschwerdeführerin verpflichtet
hätten.
Das Oberlandesgericht habe den Film in Augenschein genommen. Für eine
Darstellung realer Vorgänge sei den beanstandeten Filmszenen nichts zu
entnehmen. Es handele sich um eine offensichtlich fiktionale Szene, wenn der Film
darstelle, dass ein Mitarbeiter des Unternehmens unter Druck gesetzt worden sei, um
ihn von einer den Geschädigten günstigen Aussage abzuhalten. Der Zuschauer
erwarte nicht, dass solche betriebsinternen Vorgänge bekannt geworden und noch
nach Ablauf von vierzig Jahren dokumentiert seien. Hinsichtlich der übrigen
beanstandeten Szenen hat das Oberlandesgericht teils bereits verneint, dass sich der
Filmhandlung der von der Beschwerdeführerin beanstandete und ihr nachteilige
Eindruck entnehmen lasse, und im Übrigen erwogen, dass sich die
Beschwerdeführerin als juristische Person des Privatrechts lediglich insoweit auf
einen
von Art. 2 Abs. 1 GG vermittelten Schutz ihres allgemeinen
Unternehmerpersönlichkeitsrechts berufen könne, als sie in ihrem sozialen
Geltungsbereich als Wirtschaftsunternehmen betroffen sei. Zwar könne hierbei auch
eine
unzutreffende Darstellung vergangener Geschehnisse für die heutige
Wahrnehmung der Beschwerdeführerin in der Öffentlichkeit bestimmend werden.
Jedoch müsse zugleich in Rechnung gestellt werden, dass die Beschwerdeführerin
durch ihre Stellung innerhalb der Vorgänge um das Medikament Contergan schon
seinerzeit die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen habe und sich
allein auf ein in Art. 2 Abs. 1 GG fundiertes Unternehmenspersönlichkeitsrecht
berufen
könne, dem in der Abwägung ein gleiches Gewicht wie dem
Persönlichkeitsrecht natürlicher Personen nicht zukomme. Hinzu trete, dass die zur
Zeit der Filmhandlung für die Beschwerdeführerin tätig gewesenen Mitarbeiter ihr
heute durchweg nicht mehr angehörig seien, so dass ein durch die Darstellung des
Films
erweckter
nachteiliger
Eindruck jedenfalls nicht die heutigen
Entscheidungsträger der Beschwerdeführerin treffe. Hieran gemessen lasse sich mit
Ausnahme der beanstandeten Szenen um den eingesetzten Privatdetektiv nicht
erkennen, dass die Filmhandlung einen für die Beschwerdeführerin in besonderer
15
16
17
18
Weise nachteiliger Eindruck erwecke. Die Filmhandlung stelle keine ungesetzlichen
Maßnahmen des Unternehmens oder seiner Mitarbeiter dar, sondern bringe nur zum
Ausdruck, dass das Unternehmen die ihm offen stehenden Möglichkeiten zur
Abwendung seiner Inanspruchnahme und einer Verurteilung von Mitarbeitern
ausgeschöpft habe. Soweit in einer - unbeanstandet gebliebenen - Szene die Figur
des Privatdetektivs auftrete, gehe der Zuschauer hierbei anders als für die beiden
beanstandeten Szenen nicht davon aus, dass es sich um von dem dargestellten
Unternehmen gebilligte Maßnahmen handele. Zudem sei unstreitig zutreffend, dass
die Beschwerdeführerin seinerzeit zwar nicht gegen den Anwalt der Geschädigten,
jedoch gegen andere Kritiker gleichfalls einen Privatdetektiv zum Einsatz gebracht
habe.
Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen solche Darstellungen wende, die in der
zur Verbreitung bestimmten Filmfassung gegenüber dem Drehbuch nicht mehr
enthalten seien, fehle es bereits an einer Begehungsgefahr. Es liege fern und sei von
der Beschwerdeführerin auch nicht zureichend glaubhaft gemacht, dass das
Drehbuch veröffentlicht werden könne.
Für weitere Einzelheiten wird auf das in dem Ausgangsverfahren der Beschwerde 1
BvR 1226/07 ergangenen Berufungsurteils Bezug genommen (OLG Hamburg vom
10. April 2007, - 7 U 143/06 -, AfP 2007, S. 146 ff.). Hiermit stimmt das in dem
Beschwerdeverfahren 1 BvR 1225/07 angegriffene Berufungsurteil seinem
wesentlichen Inhalt nach überein.
3.
Die
Beschwerdeführerin
rügt
eine
Verletzung ihres
Unternehmerpersönlichkeitsrechts,
das
einfachrechtlich anerkannt
und
verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG fundiert sei.
Jedenfalls aber sei die von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete berufliche
Betätigungsfreiheit der Beschwerdeführerin verletzt, werde ihre Tätigkeit durch
Verbreitung unzutreffender Aussagen über das Geschehen in ihrem Unternehmen
beeinträchtigt.
Aus Sicht des Zuschauers werde nicht ausreichend erkennbar, dass mit den
beanstandeten Passagen der Filmhandlung ein Anspruch auf wahrheitsgemäße
Darstellung des historischen Geschehensablaufs nicht verbunden sei und es sich bei
den beanstandeten Passagen durchweg um fiktionale Ausschmückungen des
tatsächlichen Geschehensablaufs handele. Es liege daher eine schwer wiegende
Beeinträchtigung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin
19
20
21
22
darin, dass die Filmhandlung den tatsächlichen Geschehensablauf unzutreffend
wiedergebe. Die dargestellten Ereignisse seien zudem entgegen der Einschätzung
d e s Oberlandesgerichts geeignet, die Beschwerdeführerin in den Augen der
Öffentlichkeit erheblich herabzusetzen.
4. Die Beschwerdeführerin beantragt den Erlass einstweiliger Anordnungen, mit
denen den Beklagten eine Verbreitung des Films bis zur Entscheidung über die
Hauptsache verboten werden soll. Der Film entstelle ihr Verhalten im Rahmen der so
genannten Contergan-Katastrophe in schwer wiegender und nachteiliger Weise, so
dass ein nachträglich nicht mehr rückgängig zu machender Imageschaden sowie
erhebliche wirtschaftliche Nachteile zu erwarten stünden, werde die beabsichtigte
Erstausstrahlung nicht durch Erlass einer Eilanordnung verhindert. Hingegen seien
gewichtige Nachteile für die Beklagten aus einer bloßen Verzögerung der jederzeit
nachzuholenden Ausstrahlung des Films nicht zu erwarten.
5. Die Beklagten des Ausgangsverfahrens haben zu den Eilanträgen Stellung
genommen.
Ursprünglich sei beabsichtigt gewesen, den Film zum Oktober 2006 im Vorfeld der
im Jahre 2007 anstehenden 50jährigen Wiederkehr der Markteinführung des
Medikaments Contergan auszustrahlen. Nach Aufhebung des von dem Landgericht
verhängten Verbots durch das im April 2007 erlassene Berufungsurteil sei zunächst
in Aussicht genommen worden, den Film nach Entfernung der beiden von dem
Oberlandesgericht beanstandeten Szenen zum nächstverfügbaren Sendezeitpunkt
auszustrahlen und auf zwei Filmfestivals im Juni und Juli 2007 vorzustellen. Auch mit
Rücksicht
auf
das anhängig gemachte Eilverfahren sei nunmehr als
Ausstrahlungstermin der 7. und 8. November 2007 festgesetzt worden, dem ab Mitte
September 2007 im Zuge der Ankündigung des Films voraussichtlich eine Aufführung
vor Pressepublikum vorausgehen werde.
Die nunmehr erfolgte Verlegung des Sendetermins auf den 7. und 8. November
2007 sei gezielt im Hinblick darauf erfolgt, dass dieser Zeitpunkt sich noch in
zeitlichem Zusammenhang zu der am 1. Oktober 2007 anstehenden 50jährigen
Wiederkehr der Markteinführung des Medikaments Contergan bewege. Es sei
beabsichtigt, im Zusammenhang mit der Ausstrahlung des Films zwei
Fernsehdokumentationen
zu senden, von denen das Schicksal Contergan-
Geschädigter nach Abschluss des in dem Film dargestellten Geschehens behandelt
werde. Mit Blick auf den bevorstehenden Jahrestag sei zudem damit zu rechnen,
23
24
25
26
dass der Film an eine Behandlung der Thematik durch andere Fernsehberichte und
die
übrige Medienberichterstattung anknüpfen könne und daher auf ein
tagesaktuelles Interesse stoße. Zudem seien auch Spielfilme heute auf zeitnahe
Verbreitung angewiesen, wolle ihre Thematik und Gestaltung den raschem Wandel
unterworfenen Publikumsgeschmack treffen.
Ergänzend ist von der im Ausgangsverfahren beklagten Produktionsfirma darauf
hingewiesen worden, dass eine Verzögerung der Ausstrahlung des Films auch
Beeinträchtigungen ihrer wirtschaftlichen Interessen mit sich bringen könne. Sie habe
den Film als mittelständisches Produktionsunternehmen mit erheblichem finanziellem
Aufwand vorfinanziert und erhalte diesen Aufwand frühestens erstattet, wenn der Film
zur Ausstrahlung freigegeben sei. Auch wäre sie durch Erlass der Eilanordnung
gehindert, den Film als Referenzprojekt zur Bewerbung um Folgeaufträge möglichen
Auftraggebern vorzuführen.
6. Dem Bundesverfassungsgericht lag eine Kopie des Films in der auch dem
Berufungsgericht vorliegenden Fassung zur Inaugenscheinnahme vor.
II.
Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnungen
liegen nicht vor. Die erforderliche Folgenabwägung fällt zuungunsten der
Beschwerdeführerin aus.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen
Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr
schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen
wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Wegen der meist weit
tragenden
Folgen,
die
eine einstweilige
Anordnung
in
einem
verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöst, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen
des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 87, 107
<111>; stRspr). Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des
angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu
bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als
unzulässig
oder
offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des
Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen,
die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die
Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die
entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der
27
28
29
Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 71, 158
<161>; 88, 185 <186>; 91, 252 <257 f.>; stRspr).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist weder unzulässig noch offensichtlich
unbegründet. Es ist demnach eine Beurteilung und Abwägung der Folgen geboten,
die im Falle des Erfolgs oder Misserfolgs einer Verfassungsbeschwerde einträten.
Hierbei wird bedeutsam, ob für den Fall, dass die einstweilige Anordnung nicht
ergeht, ein Eingriff in Grundrechte droht, der als solcher nicht mehr rückgängig
gemacht werden kann. Bei der Folgenabwägung ist dieser Gesichtspunkt jedoch
nicht für sich allein ausschlaggebend. Zu berücksichtigen ist vielmehr auch, wie
schwer die tatsächlichen Beeinträchtigungen wiegen, die für das als verletzt
behauptete Grundrecht im Falle des Nichterlasses der Eilanordnung zu erwarten
stünden (vgl. BVerfGE 77, 130 <136>; 80, 360 <366 f.>; 87, 334 <340>). Maßgebend
wird, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Eintritt solcher Beeinträchtigungen zu
erwarten steht und ob Maßnahmen getroffen sind, ihren Eintritt auszuschließen oder
in seinen Folgen abzumildern (vgl. BVerfGE 85, 94 <96>; 87, 334 <340>). Würde in
Belange der obsiegenden Gegenpartei eines fachgerichtlichen Ausgangsverfahrens
eingegriffen, wenn die einstweilige Anordnung ergeht, die Verfassungsbeschwerde
sich jedoch später als unbegründet erweist, so sind auch ihre Belange nach ihrem
tatsächlichen Gewicht und der Bedeutung hiervon betroffener grundrechtlicher
Schutzpositionen in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerfGE 12, 276 <280>; 77, 130
<136>).
Die Abwägung führt im vorliegenden Verfahren nicht zu einem Überwiegen
derjenigen Gründe, die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechen.
a)
Erginge
die
einstweilige
Anordnung
nicht, erwiese
sich
die
Verfassungsbeschwerde später aber als begründet, so bestünde die Gefahr, dass es
zu der von den Beklagten für den November dieses Jahres beabsichtigten
Ausstrahlung des Films kommt und dies eine Verletzung grundrechtlich geschützter
Belange der Beschwerdeführerin bewirkt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht
den Umfang der verfassungsrechtlichen Fundierung der einfachrechtlich als
Unternehmenspersönlichkeitsrecht oder Persönlichkeitsschutz der juristischen
Person umschriebenen Rechtspositionen bislang im Wesentlichen offen gelassen
(vgl. dazu BVerfGE 106, 28 <42>). Es hat jedoch zugleich aufgezeigt, dass auch
einem als juristische Person des Privatrechts organisierten Unternehmen in seiner
beruflichen Betätigung durch Art. 12 Abs. 1 GG ein Schutz vor inhaltlich
unzutreffenden Informationen zukommen kann (vgl. dazu BVerfGE 105, 252 <266 ff.>;
30
31
32
BVerfGK 3, 337 <343>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8.
Mai 2007 - 1 BvR 193/05 -).
Im Zuge der nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gebotenen Folgenabwägung legt das
Bundesverfassungsgericht seiner Entscheidung für die erforderliche Gewichtung der
hieraus
bei
Nichterlass
der
Eilanordnung
und
späterem
Erfolg der
Verfassungsbeschwerde eintretenden Folgen grundsätzlich die in den angegriffenen
Entscheidungen
vorgenommenen Tatsachenfeststellungen
und
Tatsachenwürdigungen zugrunde (vgl. BVerfGE 34, 211 <216>); anderes gilt, wenn
d i e Tatsachenfeststellungen
offensichtlich
fehlsam
sind
oder
die
Tatsachenwürdigung unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtsnorm
offensichtlich nicht trägt (vgl. BVerfGK 3, 97 <99 f.>).
Das Oberlandesgericht geht davon aus, dass ein Zuschauer des zur Ausstrahlung
vorgesehenen Films nicht hinsichtlich aller Bestandteile der Spielhandlung
gleichermaßen eine wahrheitsgetreue Wiedergabe tatsächlicher Ereignisse annimmt.
Er erwarte eine solche Wiedergabe allein für den historisch gesicherten
Geschehenskern um die Markteinführung des Medikaments Contergan, dessen
Folgen für die Geschädigten und für das sich hieran anschließende Strafverfahren.
Hingegen fasse der Zuschauer die an diesen Geschehenskern anknüpfende
unterhaltsam-spannende Spielhandlung um den dargestellten Rechtsanwalt und die
i h m entgegen wirkenden Mitarbeiter des Unternehmens nicht als Nachbildung
tatsächlicher Ereignisse auf. Dies sei dem Zuschauer bereits aus der Aufmachung
des Films als eines fiktionalen Spielfilms erkennbar. Unterstrichen werde dieser
Eindruck durch den in den Vor- und Abspann eingeschalteten Hinweistext.
Die Sachverhaltswürdigung des Oberlandesgerichts kann auch zur Bestimmung des
für die vorliegend vorzunehmende Folgenabwägung maßgebenden Gewichts der zu
erwartenden Beeinträchtigung herangezogen werden. Dieses Gewicht wird davon
beeinflusst,
ob
aus
der verfassungsrechtlich maßgebenden Sicht des
unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums die konkret
beanstandeten Szenen als fiktional oder als Wiedergabe historischer Wirklichkeit
wahrgenommen werden. Bei seiner Sachverhaltswürdigung berücksichtigt das
Oberlandesgericht, dass die hier zu beurteilende Filmhandlung, ungeachtet ihrer
Anknüpfung an ein historisches Geschehen, nach dem Gesamtcharakter des Films
und keineswegs nur aufgrund der Formulierung im Vor- und Abspann nicht den
Eindruck erweckt, nach Art eines Dokumentarspiels (vgl. dazu BVerfGE 35, 202
<226 f.>) das historische Geschehen in sämtlichen Einzelheiten möglichst
33
34
detailgetreu nachzubilden, der Film andererseits aber infolge seiner offenen
Anknüpfung an ein reales historisches Geschehen nicht in jeder Hinsicht einer rein
fiktiven Spielhandlung gleichgestellt werden darf.
In die Folgenabwägung ist einzustellen, dass der verständige Zuschauer das in der
Filmhandlung dargestellte Geschehen um das Unternehmen und dessen
Bemühungen um Abwendung seiner Inanspruchnahme und einer Verurteilung von
Mitarbeitern auch dort nicht als mit umfassendem Wahrheitsanspruch versehene
Verbreitung von Tatsachenbehauptungen auffasst, wo die von der Darstellung
beabsichtigte und offen gelegte Anknüpfung an einen realen Sachverhalt es
ermöglicht, dass der Zuschauer die Beschwerdeführerin anhand ihrer auch in dem
Film verwendeten früheren Firma identifiziert und in den für das Unternehmen
handelnden Filmfiguren seinerzeit an dem zeitgeschichtlichen Geschehen beteiligte
Mitarbeiter der Beschwerdeführerin erkennt. Eine solche Erkennbarkeit ist eine
notwendige
Folge der beabsichtigten und offen gelegten Anknüpfung der
Spielhandlung an einen historischen Sachverhalt. Andererseits wird durch ein Fülle
von Abweichungen von dem seinerzeitigen Verhalten der Beschwerdeführerin und
ihrer damaligen Mitarbeiter zum Ausdruck gebracht, dass die beanstandeten Szenen
nicht den Eindruck einer umfassend tatsachengetreuen Schilderung des
seinerzeitigen Verhaltens der Beschwerdeführerin und ihrer damaligen Mitarbeiter
vermitteln sollen, und der Zuschauer wird hierauf im Vorspann und Abspann des
Films ausdrücklich hingewiesen. Andernfalls hätten die Beklagten im Interesse
historischer Glaubwürdigkeit um möglichste Realitätstreue aller Einzelheiten in den
beteiligten Personen und ihrem Handeln bemüht sein müssen. Damit hätte die von
den Beklagten um der Aufbereitung des Stoffs willen gezielt vorgenommene,
dramaturgisch motivierte Abweichung vom realen Geschehen im Widerspruch
gestanden. Die in dem Film erfolgte Darstellung der internen Besprechungen
zwischen Mitarbeitern über die Abwendung strafrechtlicher und zivilrechtlicher Folgen
für das Unternehmen, erheben nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht
einen Anspruch auf zutreffende Wiedergabe des seinerzeitigen Handelns der
Beschwerdeführerin oder ihrer Mitarbeiter. Die Erkennbarkeit der Beschwerdeführerin
und ihrer damaligen Mitarbeiter hat insbesondere nicht zur Folge, dass sich dem
Inhalt der beanstandeten Szenen der Eindruck einer umfassend tatsachengetreuen
Schilderung ihres seinerzeitigen Verhaltens entnehmen ließe.
Das Oberlandesgericht hat für den überwiegenden Teil der beanstandeten Szenen
im Übrigen bereits verneint, dass sich diesen der von der Beschwerdeführerin
35
36
37
38
beanstandete abträgliche Eindruck entnehmen lasse. Der Zuschauer gehe
insbesondere nicht davon aus, dass in der Spielszene, in der ein Mitarbeiter des
Unternehmens durch Androhung von Nachteilen von einer dem Unternehmen
ungünstigen Aussage abgehalten wird, ein reales Geschehen nachgestellt werden
solle.
Das Oberlandesgericht hat ferner in die Prüfung einbezogen, dass die
Spielhandlung an ein vierzig Jahre zurück liegendes Geschehen anknüpfe und die
seinerzeit verantwortlichen Funktionsträger des Unternehmens diesem heute
sämtlich nicht mehr angehörten. Soweit der Einsatz eines Privatdetektivs geschildert
werde, weiche dies angesichts des im Grundsatz zutreffenden Umstands, dass sich
die Beschwerdeführerin gegenüber ihren damaligen Kritikern auch dieses Mittels
bedient habe, jedenfalls nicht in so gravierender Weise von dem wirklichen
Geschehen ab, dass dies schwer wiegende Nachteile für die Beschwerdeführerin
erwarten lasse.
Auf der Grundlage dieser Würdigung des Oberlandesgerichts lässt sich nicht
feststellen, dass eine Ausstrahlung des Films zu den von der Beschwerdeführerin
befürchteten schwer wiegenden Nachteilen führen kann. Das Verbot zweier
Spielszenen zu von dem Unternehmen gebilligten Machenschaften des
Privatdetektivs wird von den Beklagten hingenommen. Es ist allein die Ausstrahlung
einer Fassung des Films beabsichtigt, die diese Szenen nicht mehr enthalten wird. In
den von dem Oberlandesgericht gebilligten Szenen sind vergleichbar gravierende
Vorkommnisse nicht enthalten.
b) Erginge die einstweilige Anordnung, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde
aber später als unbegründet, so wären die Beklagten bis zu diesem Zeitpunkt an
e i n e r Verbreitung des Films gehindert. Die Beklagten beabsichtigen eine
Ausstrahlung des Films in zeitlichem Zusammenhang mit der im Jahr 2007
anstehenden 50jährigen Wiederkehr der Markteinführung des Medikaments
Contergan.
Die ursprünglich für Oktober 2006 im Vorfeld dieses Jahrestages geplante
Ausstrahlung konnte infolge der Entscheidung des Landgerichts nicht erfolgen und
von einer nach Aufhebung dieses Verbots durch das Oberlandesgericht möglichen
Ausstrahlung und Präsentation des Films haben die Beklagten mit Rücksicht auf die
Eilanträge
der Beschwerdeführerin Abstand genommen. Nunmehr ist die
Ausstrahlung auf den 7. und 8. November 2007 angesetzt worden. Wären die
39
40
Beklagten durch Erlass der Eilanordnung zu einer erneuten Verlegung der
Ausstrahlung gezwungen, so könnte dies das mit diesem Ausstrahlungstermin
verfolgte Anliegen beeinträchtigen, den Film jedenfalls noch in zeitlichem
Zusammenhang zu dem im Oktober 2007 anstehenden und zeitgeschichtlich
bedeutsamen Jahrestag der 50jährigen Wiederkehr der Markteinführung des
Medikaments Contergan auszustrahlen. Dieser Bezug soll dadurch verstärkt werden,
dass als Rahmenprogramm im Zusammenhang mit der Verbreitung des Spielfilms die
Ausstrahlung zweier Dokumentationen vorgesehen ist, die gleichfalls der Thematik
des so genannten Contergan-Skandals und seiner Folgen gewidmet sind. Auch
haben andere Massenmedien diesen anstehenden Jahrestag schon derzeit durch
Beiträge aufgegriffen oder beabsichtigen dies. Eine Ausstrahlung des Films gerade
zu dem vorgesehenen Zeitpunkt kann daher besondere publizistische Wirkungen
erzielen.
Es stellt einen schwer wiegenden Eingriff in die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG
umfasste Freiheit der beklagten Rundfunkanstalt zur Gestaltung und Verbreitung
ihres Programms dar, wird sie durch Erlass der Eilanordnung an der Erstausstrahlung
eines Spielfilms zu einem nach Gesichtspunkten der tagesaktuellen Bedeutsamkeit
gewählten Zeitpunkt und in einem nach medienspezifischen Gesichtspunkten
gewählten Kontext gehindert. An der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten
Freiheit der Rundfunkberichterstattung hat hierbei auch die von der Rundfunkanstalt
beauftragte Produktionsfirma teil. Durch das mit der Eilanordnung begehrte Verbot
wäre zusätzlich die Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 GG betroffen, der als Werk der
Filmkunst auch ein Spielfilm unterfällt.
Die Verbreitung eines unterhaltend aufgemachten Films in Anknüpfung an einen
bedeutsamen zeitgeschichtlichen Jahrestag kann der öffentlichen Meinungsbildung
bedeutsame Anstöße vermitteln, die bei einer Verzögerung der Ausstrahlung des
Films bis zu einem späteren Zeitpunkt wegen des dann geringeren Aktualitätsbezugs
verloren gingen. Der Erlass der einstweiligen Anordnung hätte daher nicht allein
Beeinträchtigungen der grundrechtlich geschützten Belange der Beklagten zur Folge,
sondern wäre zugleich mit gewichtigen Nachteilen für den freien öffentlichen
Kommunikationsprozess verbunden, auf deren Verwirklichung die in Art. 5 Abs. 1 GG
enthaltenen Gewährleistungen zielen. Ob den seitens der beklagten Produktionsfirma
angeführten
Beeinträchtigungen
ihrer wirtschaftlichen Belange aus einer
Verzögerung der Verbreitung des Films zusätzlich maßgebliches Gewicht zukäme,
kann deshalb dahinstehen.
41
42
43
c) Die Abwägung der aufgezeigten Folgen ergibt nicht, dass die der
Beschwerdeführerin bei der Verweigerung einer einstweiligen Anordnung drohenden
Nachteile schwerer wögen als die mit ihrem Erlass verbundenen Beeinträchtigungen
der Belange der Beklagten und des Informationsinteresses der Öffentlichkeit.
Die bei Nichterlass der einstweiligen Anordnung möglichen Beeinträchtigungen,
welche der Beschwerdeführerin in ihrer von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten
beruflichen Betätigungsfreiheit durch Verbreitung des Films erfahren kann, wiegen
nicht schwerer als insbesondere die Nachteile für die von Art. 5 Abs. 1 GG
gewährleisteten publizistischen Belange der Beklagten, die zu erwarten stünden,
würden diese durch Erlass der Eilanordnung gehindert, die besonderen
publizistischen Wirkungen zu erzielen, die mit der Ausstrahlung des Films zu dem
von ihnen gewählten und zeitgeschichtlich bedeutsamen Jahrestag verbunden
wären. Der Beschwerdeführerin kann daher zugemutet werden, die mit einer
Ausstrahlung des Films verbundenen Beeinträchtigungen hinzunehmen, im Übrigen
aber ihre Rechte in dem Hauptsacheverfahren zu verfolgen.
Für die Gewichtung der beiderseitigen Folgen kommt es nicht mehr darauf an, ob
aus dem Erlass der Eilanordnung generell einschüchternde Wirkungen etwa für
andere Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit zu erwarten stünden (vgl. dazu
BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. November 1993 - 1
BvR 1861/93 -, AfP 1993, S. 733 <734>). Bereits hiervon unabhängig lässt sich ein
Überwiegen der Belange der Beschwerdeführerin innerhalb der Folgenabwägung
nicht erkennen.
Papier
Hoffmann-Riem
Gaier