Urteil des BVerfG vom 22.05.2009

BVerfG: eltern, freibetrag, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, mehrbelastung, verfügbarer teil, haushalt, verfassungsbeschwerde, familie, entlastung, splitting

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 310/07 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn H...
I. unmittelbar gegen:
a) das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Oktober 2006 - III R 4/05 -,
b) das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 8. November 2004 - III 33/2004 -,
c) die Einspruchsentscheidung des Finanzamts Aschaffenburg vom 17. Februar 2004 -
204/226/60764 RB 07 -,
d) den Bescheid des Finanzamts Aschaffenburg vom 5. Februar 2004 - 204/226/60764
G34/GD -
II. mittelbar gegen:
§ 24 b EStG in der für 2004 gültigen Fassung
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Osterloh
und die Richter Mellinghoff,
Gerhardt
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 22. Mai 2009 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Begehren des mit seiner Ehefrau und seinen Kindern zusammenlebenden
Beschwerdeführers, einen Freibetrag in Höhe des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende gewährt zu bekommen.
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1. In der Vergangenheit war in § 32 Abs. 7 EStG ein Haushaltsfreibetrag für Alleinstehende geregelt. Die Vorschrift
lautete in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Einkommensteuergesetzes vom 15. April 1986
(BGBl I S. 441):
3
Ein Haushaltsfreibetrag von 4.536 Deutsche Mark wird bei einem Steuerpflichtigen, für den die Voraussetzungen des
§ 32a Abs. 5 oder 6 nicht erfüllt sind und der nicht nach den §§ 26, 26a getrennt zur Einkommen-steuer zu veranlagen
ist, vom Einkommen abgezogen, wenn er einen Kinderfreibetrag erhält. Ist auch der andere Elternteil unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig, so erhält der Steuerpflichtige den Haushaltsfreibetrag nur, wenn das Kind, für das ein
Kinderfreibetrag abgezogen wird, ihm zuzuordnen ist. Ein Kind eines unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen
Elternpaares, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 nicht vorliegen, ist dem Elternteil zuzuordnen, in
dessen Wohnung es erstmals im Kalenderjahr mit Hauptwohnung gemeldet war. War das Kind nicht in einer Wohnung
eines Elternteils oder war es in einer gemeinsamen Wohnung der Eltern mit Hauptwohnung gemeldet, so ist es der
Mutter zuzuordnen; es wird statt der Mutter dem Vater zugeordnet, wenn dieser durch eine Bescheinigung der
zuständigen Behörde nachweist, daß das Kind zu seinem Haushalt gehört hat.
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Das Bundesverfassungsgericht stellte mit Beschluss vom 10. November 1998 - 2 BvR 1057, 1226, 980/91 -
(BVerfGE 99, 216) fest, dass die Vorschrift mit Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG unvereinbar war, soweit sie die in
ehelicher Gemeinschaft lebenden, unbeschränkt steuerpflichtigen Eltern von der Gewährung des
Haushaltsfreibetrages ausschloss. § 32 Abs. 7 EStG wurde zum 31. Dezember 2003 aufgehoben.
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Vom 1. Januar 2004 an räumt § 24b EStG Alleinerziehenden einen Entlastungsbetrag ein. In der Fassung des
Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1753) lautet die
Vorschrift:
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§ 24b Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
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(1) Allein stehende Steuerpflichtige können einen Entlastungsbetrag in Höhe von 1.308 Euro im Kalenderjahr von der
Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag
nach § 32 Abs. 6 oder Kindergeld zusteht. Die Zugehörigkeit zum Haushalt ist anzunehmen, wenn das Kind in der
Wohnung des allein stehenden Steuerpflichtigen gemeldet ist. Ist das Kind bei mehreren Steuerpflichtigen gemeldet,
steht der Entlastungsbetrag nach Satz 1 demjenigen allein Stehenden zu, der die Voraussetzungen auf Auszahlung
des Kindergeldes nach § 64 Abs. 2 Satz 1 erfüllt oder erfüllen würde in Fällen, in denen nur ein Anspruch auf einen
Freibetrag nach § 32 Abs. 6 besteht.
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(2) Allein stehend im Sinne des Absatzes 1 sind Steuerpflichtige, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung
des Splitting-Verfahrens (§ 26 Abs. 1) erfüllen oder verwitwet sind und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen
volljährigen Person bilden, es sei denn, für diese steht ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 oder Kindergeld zu oder
es handelt sich um ein Kind im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1, das einen Dienst nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2
leistet oder eine Tätigkeit nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ausübt. Ist die andere Person mit Haupt- oder Nebenwohnsitz
in der Wohnung des Steuerpflichtigen gemeldet, wird vermutet, dass sie mit dem Steuerpflichtigen gemeinsam
wirtschaftet (Haushaltsgemeinschaft). Diese Vermutung ist widerlegbar, es sei denn, der Steuerpflichtige und die
andere Person leben in einer eheähnlichen Gemeinschaft oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.
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(3) Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vorgelegen haben, ermäßigt
sich der Entlastungsbetrag um ein Zwölftel.
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2. Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 2004 mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die
unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten haben zwei 1999 und 2002 geborene Kinder, die bei ihnen unter
gemeinsamer Anmeldung mit Hauptwohnsitz lebten und für die sie Anspruch auf Kindergeld hatten.
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3. Der Beschwerdeführer beantragte die Eintragung eines Freibetrages in Höhe von 1.308,- Euro entsprechend § 24b
EStG auf seiner Lohnsteuerkarte. Bei Nichtgewährung des Freibetrages werde er gegenüber alleinstehenden
Steuerpflichtigen diskriminiert.
12
Durch Bescheid vom 5. Februar 2004 lehnte das Finanzamt den Antrag ab, weil der Beschwerdeführer verheiratet
sei. Der Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2004 zurückgewiesen.
13
4. Der Beschwerdeführer erhob Klage. Ehepaare mit Kindern würden in verfassungswidriger Weise benachteiligt,
wenn ihnen - anders als alleinstehenden Steuerpflichtigen - kein Entlastungsbetrag gewährt werde. Entsprechend den
in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 genannten Grundsätzen müsse der durch
§ 24b EStG geschaffene gleichheitswidrige Zustand dadurch ausgeglichen werden, dass der Entlastungsbetrag auch
verheirateten Ehepaaren gewährt werde.
14
Das Finanzgericht wies die Klage durch Urteil vom 8. Dezember 2004 ab. Nach Wortlaut und Sinn der §§ 39 ff. und
24b EStG habe der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Eintragung eines Entlastungsbetrages auf seiner
Lohnsteuerkarte 2004, da er mit seiner Ehefrau zusammenlebe und deshalb nicht alleinstehend im Sinne des
Gesetzes sei. Ein Anspruch auf einen Freibetrag folge auch nicht aus § 31 BVerfGG in Verbindung mit dem
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998. § 24b EStG weise gegenüber § 32 Abs. 7 EStG
und den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde
gelegen hätten, signifikante Unterschiede auf.
15
Die Vorschrift sei dem Bundesverfassungsgericht nicht vorzulegen, weil das Finanzgericht nicht von ihrer
Verfassungswidrigkeit überzeugt und sie nicht entscheidungserheblich sei. Der Gesetzgeber habe die durch den
Erziehungsbedarf verminderte Leistungsfähigkeit aller Eltern durch die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs
berücksichtigt. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende solle der zusätzlichen Mehrbelastung Rechnung tragen, die
sich daraus ergebe, dass ein steuerpflichtiger Elternteil allein mit seinem Kind oder seinen Kindern ohne weitere
erwachsene Person in einem Haushalt lebe. Alleinstehende Personen hätten keine Möglichkeit, sich bei der
Betreuung der Kinder mit anderen abzuwechseln, zu ergänzen oder sich gegenseitig zu unterstützen. Hieraus ergäben
sich in der täglichen Praxis und der persönlichen und beruflichen Lebensführung vielfältige Schwierigkeiten, die
auszugleichen vielfach überhaupt nicht oder nur durch Inkaufnahme finanzieller Mehrbelastungen möglich sei. Es
liege im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens, spezifische Mehrbelastungen aus besonderen
Lebenssituationen auszugleichen. Insofern sei in § 24b EStG auch nicht lediglich der Haushaltsfreibetrag wieder
aufgelebt. Die Vorschrift sei nicht entscheidungserheblich, weil auch dann, wenn das Bundesverfassungsgericht die
Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz feststellen würde, eine für den Beschwerdeführer gün-stigere Regelung nicht zu
erwarten sei. Eine Gewährung des Freibetrages aus Billigkeitsgesichtspunkten komme nicht in Betracht, da
angesichts der Höhe des Einkommens des Beschwerdeführers kein Eingriff in das (Kinder-)Existenzminimum erfolge.
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5. Der Beschwerdeführer legte Revision ein. Der Freibetrag für Alleinerziehende sei nach dem ausdrücklichen Willen
des
Gesetzgebers
an
die
Stelle
des
Haushaltsfreibetrages
getreten.
Haushaltsfreibetrag
und
Alleinerziehendenfreibetrag begünstigten faktisch weitgehend identische Personengruppen; Verheiratete seien
jedenfalls ausgeschlossen. Die Neuregelung verstoße gegen den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
10. November 1998.
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Der Bundesfinanzhof wies die Revision durch Urteil vom 19. Oktober 2006 zurück. Dem Beschwerdeführer stehe ein
Entlastungsbetrag nicht zu. § 24b EStG sei weder unmittelbar noch analog auf den Beschwerdeführer anwendbar. Der
Betreuungs- und Erziehungsbedarf eines Kindes sei zugunsten aller Eltern in § 32 Abs. 6 EStG berücksichtigt und die
zusätzliche Entlastung durch § 24b EStG bewusst auf Alleinstehende beschränkt worden.
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Ein Anspruch auf den Freibetrag folge nicht aus § 31 BVerfGG in Verbindung mit dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998. Ob sich die Bindungswirkung der Entscheidung auf den
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende erstrecke, bedürfe keiner Klärung, denn der Entlastungsbetrag sei nach den
Grundsätzen dieses Beschlusses nicht verfassungswidrig. Die Verfassungswidrigkeit des Haushaltsfreibetrages habe
darauf beruht, dass er zusammenlebenden unverheirateten Eltern gewährt, ehelichen Erziehungsgemeinschaften aber
vorenthalten worden sei. § 24b EStG diskriminiere jedoch nicht eheliche gegenüber nichtehelichen
Erziehungsgemeinschaften, sondern gewähre den Freibetrag nur Alleinstehenden. Nachdem der Gesetzgeber den
Abzug des elterlichen Betreuungsaufwandes durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG sowie Vorschriften über
einen darüber hinausgehenden Abzug von Kinderbetreuungskosten neu geregelt habe, sei in § 24b EStG eine
verfassungsrechtlich nicht gebotene Begünstigung und damit eine Sozialzwecknorm zu sehen, von der
zusammenlebende, miteinander verheiratete Eltern in nicht gegen Art. 6 GG verstoßender Weise ausgeschlossen
würden. Der Entlastungsbetrag werde nicht wegen der Ehe versagt, da auch zusammenlebende, unverheiratete Eltern
ihn nicht erhielten.
19
Es bestünden Zweifel, ob § 24b EStG insoweit der Verfassung entspreche, als Personen, die die Voraussetzungen
für die Anwendung des Splitting-Verfahrens erfüllten, stets von dem Entlastungsbetrag ausgeschlossen seien. Auch
solche Personen könnten sich in einer Situation befinden, in der das Kind wegen besonderer Umstände nur von einem
Ehegatten betreut werden könne. Das könne der Fall sein, wenn eine Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten für einen
Teil des Jahres fehle oder wenn ein tatsächliches Alleinstehen aufgrund von stationärer Behandlung, Haft, doppelter
Haushaltsführung, Auslandsaufenthalt oder Pflegebedürftigkeit gegeben sei. Die Veranlagung nach dem Splittingtarif
kompensiere das nicht. Das müsse aber nicht entschieden werden, weil der Beschwerdeführer und seine Ehefrau
während des ganzen Jahres zusammenlebten und damit auch den verfassungsrechtlich unbedenklichen
Ausschlusstatbestand der Haushaltsgemeinschaft erfüllten.
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Für den Streitfall unerheblich seien Zweifel an der Eignung des § 24b EStG als Sozialzwecknorm. Ebenso
unerheblich sei, dass der Entlastungsbetrag auch dann gewährt werde, wenn keine über die von allen Eltern zu
tragenden hinausgehende Belastungen entstünden. Dem Gesetzgeber stünden bei der steuerlichen Förderung
sachbezogene Differenzierungsgesichtspunkte in weitem Umfang zu Gebote. Der Beschwerdeführer gehöre auch zu
der „Standardgruppe“ zusammenlebender Eltern, die gegenüber Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern
Synergieeffekte erzielen könnten.
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6. Mit der Verfassungsbeschwerde trägt der Beschwerdeführer vor, der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sei,
wie sich aus der Gesetzgebungsgeschichte ergebe, an die Stelle des Haushaltsfreibetrages getreten. Daher gälten
auch für ihn die Ausführungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 zu § 32
Abs. 7 EStG.
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Verheiratete würden weiterhin von der Begünstigung ausgeschlossen. Alleinerziehende würden auch entlastet, wenn
sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen bezögen und nicht Beruf und
Kindererziehung verbinden müssten. Das gleiche gelte, wenn erwachsene Kinder, die studierten oder arbeitslos seien,
noch unter der Heimatadresse gemeldet seien, aber keine Betreuungskosten auslösten. Der Entlastungsbetrag werde,
was auch der Bundesrechnungshof bemängelt habe, allein aufgrund der melderechtlichen Situation gewährt, ohne
dass eine Kontrolle erfolge. Es verstoße gegen das Gebot der Folgerichtigkeit, dass diejenigen, die eine Entlastung
am nötigsten bräuchten, Alleinerziehende ohne Einkommen, am wenigsten begünstigt würden. Wenn beide Ehegatten
berufstätig seien, fielen die gleichen zusätzlichen Betreuungsaufwendungen an wie bei Alleinerziehenden. Der
Beschwerdeführer könne seine halbtags arbeitende Ehefrau aufgrund seiner Tätigkeit nicht von der Kinderbetreuung
entlasten, diese trage die volle Belastung der Kinderbetreuung nicht viel anders als eine Alleinerziehende.
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Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende werde damit gerechtfertigt, dass diesem Personenkreis höhere
Lebenshaltungskosten entstünden, weil sie Synergieeffekte zur Haushaltsersparnis nicht nutzen könnten. Die Frage,
welche Mehrbelastungen das seien, werde nicht beantwortet. Sie könnten allenfalls kindbedingt sein und aus der
Notwendigkeit resultieren, Erziehung und Beruf miteinander zu vereinbaren. Für derartige Belastungen sei aber der
Betreuungsfreibetrag eingeführt worden. Konsequenterweise halte der Bundesfinanzhof den Entlastungsbetrag für eine
Sozialzwecknorm, für die aber das Gebot der Folgerichtigkeit bestehe. Alleinerziehende erhielten regelmäßig
Unterhaltszahlungen, die zum Ausgleich angeblicher zusätzlicher Belastungen dienen könnten und berücksichtigt
werden müssten. Es liege eine mittelbare Diskriminierung Verheirateter vor, weil die Vorschrift auf das
Zusammenleben in einer Haushaltsgemeinschaft abstelle, das bei den meisten Verheirateten vorliege.
II.
24
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt; die Verfassungsbeschwerde hat keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Grundrechte des Beschwerdeführers sind nicht
verletzt.
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1. Dass § 24b EStG auf den Beschwerdeführer keine Anwendung findet, verstößt nicht gegen das Grundrecht auf
Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG.
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a) Art. 6 Abs. 1 GG enthält einen besonderen Gleichheitssatz. Er verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen
Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen (Diskriminierungsverbot, vgl. BVerfGE 76, 1 <72>; 114,
316 <333>). Art. 6 Abs. 1 GG untersagt eine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen (vgl. BVerfGE 28,
324 <347>; 69, 188 <205 f.>) und von ehelichen gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften (vgl. BVerfGE 61,
319 <355>). Dieses Benachteiligungsverbot steht jeder belastenden Differenzierung entgegen, die an die Existenz
einer Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) oder die Wahrnehmung des Elternrechts in ehelicher Erziehungsgemeinschaft (Art. 6
Abs. 1 und Abs. 2 GG) anknüpft (vgl. BVerfGE 99, 216 <232>). Generell unzulässig ist daher eine Benachteiligung
allein wegen des Bestandes der Ehe oder des Vorliegens einer Erziehungsgemeinschaft. Im Übrigen kann die
eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zum Anknüpfungspunkt wirtschaftlicher Rechtsfolgen genommen
werden (vgl. BVerfGE 28, 324 <347>). Insbesondere darf der Gesetzgeber Verheiratete steuerlich anders behandeln
als Ledige (vgl. BVerfGE 32, 260 <268>). Jedoch müssen sich für eine Differenzierung zu Lasten Verheirateter aus
der Natur des geregelten Lebensverhältnisses oder aus den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben für eine
bestimmte Steuerart (vgl. BVerfGE 93, 121 <133 f.>) einleuchtende Sachgründe ergeben (vgl. BVerfGE 114, 316
<333>). Wenn eine Belastung Familienmitglieder nur so trifft wie andere Personen, liegt eine gegen Art. 6 Abs. 1 GG
verstoßende Benachteiligung nicht vor (vgl. Schmitt-Kammler/von Coelln, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 6 Rn. 33).
Dies ist hingegen der Fall, wenn Ehepartner oder Eltern wegen ihrer Ehe oder Familie und deren Gestaltung von
Steuerentlastungen ausgeschlossen werden (vgl. BVerfGE 12, 151 <167>; 99, 216 <232>).
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Art. 6 Abs. 1 GG garantiert zugleich eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist
(stRspr, z.B. BVerfGE 21, 329 <353>; vgl. auch BVerfGE 61, 319 <346 f.> m.w.N.; 99, 216 <231>). Der Gesetzgeber
muss, wenn er dem Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG gerecht werden will, Regelungen vermeiden, die geeignet sind, in die
freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen (vgl. BVerfGE 66, 84 <94>; 87,
234 <258 f.>).
28
b) Eine den Beschwerdeführer betreffende Benachteiligung von Ehe und Familie liegt nicht vor.
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Verheiratete werden nicht wegen ihrer Ehe von der Steuerentlastung ausgeschlossen. Allerdings sind
Steuerpflichtige nicht allein stehend im Sinne des § 24b EStG, wenn sie die Voraussetzungen für die Anwendung des
Splitting-Verfahrens erfüllen. Allein stehend ist aber grundsätzlich auch nicht, wer eine Haushaltsgemeinschaft mit
einer anderen volljährigen Person bildet. Ausgeschlossen sind daher nicht nur Verheiratete, sondern alle
Erziehungsgemeinschaften mit zwei Erwachsenen in einem gemeinsamen Haushalt. Insbesondere scheidet § 24b
Abs. 2 Satz 3 EStG bei Beachtung der melderechtlichen Vorschriften nichteheliche Lebensgemeinschaften und
eingetragene Lebenspartnerschaften im Ergebnis ebenso von der Steuerentlastung aus wie Verheiratete.
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Verheiratete Eltern werden damit grundsätzlich nicht anders betroffen als sonstige Steuerpflichtige. Die steuerliche
Entlastung wird „echten“ Alleinerziehenden vorbehalten, die den Haushalt ohne Unterstützung eines anderen
Erwachsenen zu betreuen haben. Diese Beschränkung begegnet auch nicht deshalb Bedenken, weil die Entscheidung
der Eltern, das Kind in häuslicher Gemeinschaft zu erziehen, zum Entfallen der Steuerentlastung führt.
Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist nicht diese Entscheidung an sich, sondern die besondere Belastung,
die bei Erziehungsgemeinschaften mit nur einem Erwachsenen vorliegt. Wegen der Bestimmung der
Alleinstehendeneigenschaft, die insbesondere nichteheliche Lebensgemeinschaften ausschließt, unterscheidet sich
§ 24b EStG grundlegend von § 32 Abs. 7 EStG, so dass die Ausführungen in dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 auf § 24b EStG nicht entsprechend anzuwenden sind.
31
Soweit der Beschwerdeführer eine mittelbare Diskriminierung rügt (vgl. zum Verbot mittelbarer Diskriminierung
gemäß Art. 3 GG, BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 18. Juni 2008 - 2 BvL 6/07 -, NVwZ 2008, S. 987 <988>
m.w.N.), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Dabei kann unterstellt werden, dass das aus Art. 6 Abs. 1 GG
folgende Benachteiligungsverbot ein Art. 3 GG vergleichbares Verbot mittelbarer Diskriminierung enthält. Dass die
meisten Verheirateten tatsächlich zusammenleben und daher von dem Entlastungsbetrag ausgeschlossen sind,
ändert nichts daran, dass die verheirateten Eltern nur eine Teilmenge der Erziehungsgemeinschaften mit zwei
Erwachsenen bilden. Es sind aber grundsätzlich alle solchen Lebensgemeinschaften von der Entlastung
ausgeschlossen. Weder trifft der vom Gesetzgeber gewählte Anknüpfungspunkt in der gesellschaftlichen Wirklichkeit
weitgehend nur für Verheiratete zu, noch wirkt sich § 24b EStG weitgehend nur auf die Gruppe der Verheirateten aus.
32
2. Eine den Beschwerdeführer betreffende Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
33
a) Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit sind nicht verletzt.
34
aa) Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der
Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 93, 121 <136>; 107, 27
<47>; 117, 1 <30>). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das
Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im
Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt. Durch das
Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der
Folgerichtigkeit (vgl. BVerfGE 105, 73 <125>; 107, 27 <46 f.>; 116, 164 <180>; 117, 1 <30>). Danach muss im
Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit (vgl. BVerfGE 84, 239 <268 ff.>) darauf
abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale
Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der
Steuerbelastung niedriger Einkommen angemessen sein muss (vgl. BVerfGE 82, 60 <89>; 99, 246 <260>; 107, 27
<46 f.>; 116, 164 <180>). Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal
getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von
einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 99, 88 <95>;
99, 280 <290>; 105, 73 <126>; 107, 27 <47>; 116, 164 <180 f.>; 117, 1 <31>).
35
Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung
steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem Typisierungs- und
Vereinfachungserfordernisse anerkannt. Für Entlastungsentscheidungen gilt nichts anderes. Unabhängig davon, ob
mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch Förderungs- und Lenkungsziele verfolgt werden, ist die Befugnis
des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Jede gesetzliche Regelung muss
verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der
Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen
Sachverhalte zutreffend wiedergibt (vgl. BVerfGE 11, 245 <254>; 78, 214 <227>; 84, 348 <359>). Auf dieser
Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein
schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl.
BVerfGE 84, 348 <359>; 113, 167 <236>; stRspr).
36
bb) Die § 24b EStG zugrundeliegende Entlastungsentscheidung des Gesetzgebers ist verfassungsrechtlich
gerechtfertigt. Soweit die Vorschrift typisierend gefasst ist, verstößt auch das nicht gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz.
37
Es kann offen bleiben, ob § 24b EStG einer tatsächlichen Mehrbelastung Rechnung trägt oder allein der sozialen
Förderung dient. Im ersten Fall liegt keine Abweichung von der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vor, im
zweiten Fall rechtfertigt der Förderzweck die dann bestehende Abweichung von der Belastungsgleichheit. Ausweislich
der Gesetzesmaterialien soll der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende die höheren Kosten für die eigene Lebens-
beziehungsweise Haushaltsführung der „echten“ Alleinerziehenden abgelten. Die alleinige Verantwortung für die
alleinerziehende Person und die Kinder enge die Gestaltungsspielräume bei der Alltagsbewältigung ein und führe
insbesondere bei gleichzeitiger Erwerbstätigkeit zu einer besonderen wirtschaftlichen Belastung. Es könnten keine
Synergieeffekte aufgrund einer gemeinsamen Haushaltsführung mit einer anderen erwachsenen Person zur
Haushaltsersparnis genutzt werden. Zum Beispiel könnten wegen mangelnder Mobilität höhere Kosten für den
alltäglichen Einkauf oder erhöhte Kosten zur Deckung von Informations- und Kontaktbedürfnissen sowie für
gelegentliche Dienstleistungen Dritter entstehen (vgl. BTDrucks 15/1751, S. 6; 15/3339, S. 11).
38
Geht man entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers davon aus, dass eine solche die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit mindernde Mehrbelastung bei „echten“ Alleinerziehenden in der Regel besteht, dann war der
Gesetzgeber berechtigt, einen diesbezüglichen Entlastungsbetrag zu gewähren. Dessen Höhe fällt in den dem
Gesetzgeber hier zukommenden Einschätzungsspielraum. Gleiches gilt für die Annahme, die Mehrbelastung entfalle
nicht, wenn zwar eine volljährige Person im Haushalt lebt, dem Steuerpflichtigen aber für diese ein Freibetrag nach
§ 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht oder es sich um ein Kind im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG handelt,
das einen Dienst nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG leistet oder eine Tätigkeit nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3
EStG ausübt. In den gesetzgeberischen Einschätzungsspielraum fällt es ebenso, auch bei beiderseits berufstätigen
zusammenlebenden Eltern von Synergieeffekten, die eine Mehrbelastung nicht eintreten lassen, auszugehen, und bei
kinderlosen Ein-Personen-Haushalten eine erhebliche Mehrbelastung zu verneinen.
39
Betrachtet man dagegen § 24b EStG als eine reine Fördermaßnahme, weil die die Leistungsfähigkeit mindernden
Faktoren bereits durch andere einkommensteuerliche Vorschriften vollständig erfasst seien, so handelt es sich um
eine hinreichend sachlich begründete Ungleichbehandlung. Die bei „echten“ Alleinerziehenden jedenfalls regelmäßig
vorliegende besondere zeitliche und psychosoziale Belastung sowie das erhöhte Armutsrisiko dieser
Bevölkerungsgruppe (vgl. BTDrucks 16/9915, S. 40; Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarktberichterstattung:
Alleinerziehende im SGB II, 2008, S. 5 ff.; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 24b Rn. 3) sind Gründe
von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.
40
Soweit der Beschwerdeführer Fallgruppen anführt, auf die der Gesetzeszweck nicht zutreffe, führt das zu keinem
anderen Ergebnis. Dass in § 24b EStG hierfür keine Sonderregelungen vorgesehen sind, liegt innerhalb der
Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers. Alleinerziehende, die ausschließlich Einkünfte aus Kapitalvermögen oder
Vermietung und Verpachtung in einer zur Erhebung von Einkommensteuer führenden Höhe haben, sind ebenso ein
vernachlässigbarer Sonderfall wie auswärts untergebrachte Kinder, bei denen die Haushaltszugehörigkeit fortbesteht.
41
Der Gesetzgeber war auch nicht verpflichtet, die Unterhaltszahlungen, die nach Ansicht des Beschwerdeführers der
Mehrbelastung von Alleinerziehenden gegenüberzustellen seien, durch eine besondere Regelung zu erfassen. Dabei
kann offen bleiben, ob eine solche Verrechnung im Rahmen des Leistungsfähigkeitsprinzips überhaupt geboten sein
kann. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die von § 24b EStG erfassten Alleinerziehenden im Regelfall
Unterhaltsleistungen erhalten, die in der gesetzlichen Regelung abgebildet werden müssten. Vielmehr gibt es eine
große Zahl denkbarer Fallgestaltungen, bei denen ein etwaiger zur Kompensation der Mehrbelastung verfügbarer Teil
des Unterhaltsbetrages individuell bestimmt werden müsste. Es gibt mehrere denkbare Rechtsgrundlagen für einen
Unterhaltsanspruch (vgl. §§ 1361, 1569 ff., 1615l BGB). Dauer und Höhe etwaiger Unterhaltsansprüche differieren
stark, zudem kann nicht ohne weiteres von ihrer vollständigen und pünktlichen Erfüllung ausgegangen werden. Der
Gesetzgeber durfte daher von seiner Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis dahingehend Gebrauch machen,
dass er den Entlastungsbetrag für Alleinerzeihende ohne Rücksicht auf erhaltene Unterhaltszahlungen gewährt.
42
b) Ein strukturelles Vollzugsdefizit (vgl. BVerfGE 84, 239 <271 ff.>; 110, 94 <112 ff.>) liegt, entgegen der Ansicht
des Beschwerdeführers, nicht vor. Der Gesetzgeber hat das Erhebungsverfahren nicht strukturell gegenläufig zu dem
materiellen Entlastungstatbestand ausgestaltet. Soweit § 24b EStG auf die tatsächlichen Verhältnisse abstellt, ist die
Finanzbehörde nicht durch das Gesetz gehindert, diese Verhältnisse aufzuklären. Sie ist insoweit nicht an den Inhalt
des Melderegisters gebunden. Nimmt sie gleichwohl keine weiteren Ermittlungen vor, so handelt es sich allenfalls um
einen nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung führenden Vollzugsmangel (vgl. BVerfGE 84, 239
<272>).
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Osterloh
Mellinghoff
Gerhardt