Urteil des BVerfG vom 17.12.2001

BVerfG: staatsangehörigkeit, einreise, verfassungsbeschwerde, eigenschaft, bindungswirkung, erwerb, veröffentlichung, ausstellung, gleichbehandlung, bibliothek

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 563/01 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der russischen Staatsangehörigen
1. H... ,
2. H... ,
3. H... ,
4. H... ,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Robert Stuhr,
Westerwaldstraße 52, 53773 Hennef -
1. unmittelbar gegen
den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. November 2000 -
13 L 3156/00 -,
2. mittelbar gegen §§ 124, 124a VwGO
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter
Sommer,
Broß,
Mellinghoff
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 17. Dezember 2001 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Die
Verfassungsbeschwerde
betrifft
Fragen
der
Berufungszulassung
im
Vertriebenen-
und
Staatsangehörigkeitsrecht.
2
Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG für deren Annahme liegen nicht vor, da ihr weder grundsätzliche
verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt noch ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder
grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführer angezeigt ist. Sie besitzt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg
(BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
3
Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat nicht
in einer dem Gleichheitsgrundsatz widersprechenden Weise die Berufung nicht zugelassen. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet
die Ungleichbehandlung der Betroffenen nur bei vergleichbaren Sachverhalten. Im von den Beschwerdeführern
angeführten "Parallelverfahren" wurde die Berufungszulassung vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht
(Beschluss vom 16. Juni 2000 - 13 L 1267/00 -) damit begründet, dass die Rechtssache besondere rechtliche
Schwierigkeiten im Hinblick auf die Auslegung und Anwendung des § 40a StAG aufweise und insoweit auch von
grundsätzlicher Bedeutung sei. Zwar haben sich auch die Beschwerdeführer des vorliegenden Verfahrens auf § 40a
StAG berufen. Dass es sich jedoch hierbei um unterschiedliche Rechtsfragen handelt, auf die dann auch die
abweichenden Entscheidungen über die Berufungszulassung gestützt wurden, ergibt sich aus den erstinstanzlichen
Urteilen: Während im "Parallelverfahren" das Verwaltungsgericht Braunschweig seine Entscheidung allein darauf
gegründet hat, dass der dortige Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund der Regelung des § 40a Satz 2
StAG nicht erworben haben könne und dann ausführlich zum Regelungsinhalt des § 40a Satz 2 StAG Stellung nimmt,
hat im vorliegenden Fall das Verwaltungsgericht Hannover selbstständig tragend die deutsche Staatsangehörigkeit der
Beschwerdeführer deshalb verneint, weil sie nicht Statusdeutsche seien. Da es daher aufgrund des rechtlichen
Ansatzpunktes des Verwaltungsgerichts Hannover gar nicht auf etwaige Probleme im Rahmen der Auslegung und
Anwendung des § 40a StAG ankam, war das Oberverwaltungsgericht auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung
gehalten, dem Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung stattzugeben.
4
Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG durch die Nichtzulassung der Berufung
rügen, scheidet eine Annahme der Verfassungsbeschwerde deshalb aus, weil jedenfalls deutlich absehbar ist, dass
die Beschwerdeführer auch im Falle einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht bei einer erneuten Entscheidung
über den Zulassungsantrag im Ergebnis keinen Erfolg haben würden (vgl. BVerfGE 90, 22 <26>). Die Frage des
Zusammenhangs zwischen der Spätaussiedlereigenschaft und dem Statuserwerb nach Art. 116 Abs. 1 GG ist
zwischenzeitlich durch das Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich und im Sinne der Rechtsprechung des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteilen vom 19. Juni
2001 - 1 C 26.00 - (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung vorgesehen) und - 1 C 27.00 - entschieden,
dass aufgrund eines Aufnahmebescheids (§ 26 BVFG) eingereiste Personen nur unter den Voraussetzungen des § 4
Abs. 3 Satz 1 BVFG die Eigenschaft als Statusdeutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG erwerben können und die
Zulassung der Einreise im Wege des Aufnahmeverfahrens als solche noch nicht den Erwerb dieser Eigenschaft
bewirkt. Zudem sei bei der Entscheidung über die Eigenschaft als Spätaussiedler im Rahmen einer auf Feststellung
des Deutschenstatus gerichteten Klage das Verwaltungsgericht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BVFG an eine
bestandskräftig gewordene behördliche Versagung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG
gebunden. Wie bereits das Oberverwaltungsgericht hat auch das Bundesverwaltungsgericht angenommen, dass die
Spätaussiedlereigenschaft nicht allein durch die Einreise im Wege des Aufnahmeverfahrens erworben wird, sondern
zusätzlich die Spätaussiedlereigenschaft tatsächlich vorhanden sein muss, insbesondere auch um den
Deutschenstatus im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG erwerben zu können; diese Verfassungsbestimmung wolle nur
diejenigen begünstigen, die bei ihrer Einreise tatsächlich deutsche Volkszugehörige seien (unter Hinweis auf
Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Juli 2000 - 2 BvR 865/00 -, NVwZ-
RR 2000, S. 836). Auch die staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen sieht das Bundesverwaltungsgericht wie das
Oberverwaltungsgericht: Das Staatsangehörigkeitsrecht knüpfe an den Nachweis der Spätaussiedlereigenschaft und
nicht an den Aufnahmebescheid an, wie § 7 Satz 1 StAG zeige, wonach ein Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1
GG, der nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, mit der Ausstellung der Bescheinigung gemäß § 15 Abs. 1
oder 2 BVFG die deutsche Staatsangehörigkeit erwerbe. Dementsprechend bestimme die Überleitungsvorschrift des
§ 40a StAG, dass diejenigen, die bereits am Stichtag 1. August 1999 die Statusdeutscheneigenschaft besessen
hätten, an diesem Tag die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben sollten, wenn sie im Besitze einer
Spätaussiedlerbescheinigung seien. Daraus hat das Bundesverwaltungsgericht gefolgert, dass der Aufnahmebescheid
nicht rechtsverbindlich über den Deutschenstatus entscheiden könne. Diesem gehe typischerweise nur eine
vorläufige, summarische und zentral beim Bundesverwaltungsamt durchgeführte Prüfung voraus, während die
abschließende Prüfung der Spätaussiedlereigenschaft den zuständigen Landesbehörden nach der Einreise
vorbehalten sei. Demgemäß entfalte der Aufnahmebescheid - abgesehen von der Voraussetzung der "Aufnahme" -
keine Bindungswirkung für die Entscheidung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG.
5
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
6
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Sommer
Broß
Mellinghoff