Urteil des BVerfG vom 08.11.2012

BVerfG: ddr, gerichtshof für menschenrechte, enteignung, dingliches recht, erfüllung, grundstück, verfassungsbeschwerde, bereinigung, eingriff, entzug

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2153/08 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn M…,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Rolf Stahmann,
Rosenthaler Straße 46-47, 10178 Berlin -
1. unmittelbar gegen
a) das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Juni 2008 - V ZR 149/07 -,
b) das Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 9. August
2007 - 5 U 211/06 -,
c) das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 3. November 2006 - 3 O
155/06 -,
2. mittelbar gegen
§ 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Bereinigung der
Rechtsverhältnisse an Verkehrsflächen und anderen öffentlich genutzten
privaten Grundstücken (Verkehrsflächenbereinigungsgesetz -
VerkFlBerG)
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof,
den Richter Schluckebier
und die Richterin Baer
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.
August 1993 (BGBl I S. 1473) am 8. November 2012 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen zivilgerichtlichen Streit um das Ankaufsrecht eines
öffentlichen Nutzers an Grundstücken auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen
Demokratischen Republik nach den Bestimmungen des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes
(VerkFlBerG). Sie wirft mittelbar die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der insoweit
maßgeblichen Vorschriften über das Erwerbsrecht öffentlicher Nutzer an Verkehrsflächen sowie
über die Bemessung des Ankaufspreises auf (§ 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 VerkFlBerG).
2
1. In der ehemaligen DDR wurden private Grundstücke in einer sehr großen Zahl von staatlichen
Stellen für öffentliche Zwecke, etwa für öffentliche Gebäude oder für Verkehrswege, in Anspruch
genommen, ohne dass deren Eigentümer jemals förmlich enteignet wurden oder die Nutzung
sonst in rechtsförmiger Weise, etwa durch Vertrag oder förmliche Widmung, geregelt worden
war. Zwar setzte auch in der DDR eine solche Nutzung grundsätzlich einen Rechtstitel voraus.
Die Regelungen zur Inanspruchnahme von Grundstücken, die in Privateigentum standen, waren
jedoch lückenhaft. In der Praxis kam es weitgehend nicht darauf an, ob überhaupt ein
Nutzungsrecht begründet worden war; die bloße staatliche Anordnung der Nutzung genügte für
die Inanspruchnahme. Nach Erhebungen der Bundesregierung waren hiervon mindestens
100.000 Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 12.000 Hektar betroffen (vgl. BTDrucks
14/6204, S. 11).
3
Um Zeit für eine umfassende gesetzliche Sachenrechtsbereinigung zu gewinnen, wurde im Jahr
1994 mit Art. 233 § 2a Abs. 9 EGBGB den jeweiligen Verwaltungsträgern ein befristetes
vorläufiges Besitzrecht, das sogenannte Besitzmoratorium, an den von ihnen weiterhin für
öffentliche Zwecke genutzten Flächen eingeräumt. Diese nach dem Verständnis des
Gesetzgebers „nur als vorläufige Notordnung anzusehende“ Regelung wurde schließlich durch
das am 1. Oktober 2001 in Kraft getretene Verkehrsflächenbereinigungsgesetz ersetzt. Es sieht
bei absehbar andauerndem Verwaltungsgebrauch solcher Verkehrsflächen die
Zusammenführung von verkehrlicher und sonstiger öffentlicher Nutzung mit dem Eigentum unter
Anwendung zivilrechtlicher Mittel vor. Bis zu einer solchen Bereinigung behält der öffentliche
Nutzer sein Besitzrecht und ist dem Eigentümer zur Zahlung eines Nutzungsentgelts verpflichtet
(§ 9 Abs. 1 VerkFlBerG). Zur Durchführung der Bereinigung erhielt der öffentliche Nutzer in
Anlehnung an das Instrumentarium des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, das die
Rechtsverhältnisse unter Privaten neu regelt, ein bis zum Ablauf des 30. Juni 2007 befristetes,
einklagbares Erwerbsrecht: Er konnte vom Eigentümer den Verkauf der Fläche an sich
verlangen (§ 3 Abs. 1 VerkFlBerG). In Fällen einer bloß geringfügigen Inanspruchnahme konnte
statt eines Verkaufs auch die Bestellung einer Grunddienstbarkeit verlangt werden. Soweit
dieses Recht nicht innerhalb der Frist ausgeübt wurde, kann der Eigentümer seinerseits die
Bereinigung durch Verkauf an den Nutzer oder die Bestellung einer entgeltlichen
Grunddienstbarkeit erzwingen (§ 8 Abs. 2 VerkFlBerG). Wird die öffentliche Nutzung nach einem
Ankauf aufgegeben, hat der ursprüngliche Eigentümer ein Wiederkaufsrecht (§ 10 VerkFlBerG).
Der Eigentümer ist allerdings nur dann zur Annahme des Erwerbsangebots des Nutzers
verpflichtet, wenn dieses den Anforderungen des Gesetzes entspricht. Zu diesen Anforderungen
gehören insbesondere die Vorgaben für die Kaufpreisbemessung, die für Verkehrsflächen,
insbesondere für dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straßen, Wege und Plätze (vgl. § 2 Abs. 2
Nr. 1 VerkFlBerG), in § 5 VerkFlBerG geregelt sind.
4
Die hier mittelbar zur Prüfung gestellten Vorschriften des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes
lauten:
5
§ 3 Rechte bei öffentlicher Nutzung
6
(1) Der öffentliche Nutzer kann vom Grundstückseigentümer den Verkauf des Grundstücks an
sich verlangen (Erwerbsrecht). Das Erwerbsrecht wird durch Abgabe eines notariell
beurkundeten Angebots zum Abschluss eines Kaufvertrages nach diesem Gesetz ausgeübt. Der
Grundstückseigentümer ist zur Annahme des Angebots verpflichtet, wenn der Inhalt des
Angebots den Bestimmungen dieses Gesetzes entspricht. (...)
7
§ 5 Ankaufspreis und Bodenwertermittlung bei
Verkehrsflächen; Entgelt für Dienstbarkeit
8
(1) Bei Verkehrsflächen beträgt der Kaufpreis 20 Prozent des Bodenwertes eines in gleicher
Lage belegenen unbebauten Grundstücks im Zeitpunkt der Ausübung des Rechts nach § 3 Abs.
1 oder § 8 Abs. 2, mindestens jedoch 0,10 Euro je Quadratmeter und höchstens 5 Euro je
Quadratmeter in Gemeinden bis zu 10.000 Einwohnern, höchstens 10 Euro je Quadratmeter in
Gemeinden mit mehr als 10.000 bis zu 100.000 Einwohnern und höchstens 15 Euro je
Quadratmeter in Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern. Maßgebend ist die Zahl der
Einwohner am 31. Dezember des Jahres, das der Ausübung des Rechts aus § 3 Abs. 1 oder § 8
Abs. 2 vorausgeht. Bei der Wertermittlung ist derjenige Zustand des Grundstücks (§ 3 Abs. 2 der
Wertermittlungsverordnung) zugrunde zu legen, den dieses vor der tatsächlichen
Inanspruchnahme als Verkehrsfläche hatte. (...)
9
2. Dem Beschwerdeführer gehörten seit dem Tod seines Vaters im Jahr 1980 mehrere
Grundstücke in B., einer Gemeinde mit bis zu 10.000 Einwohnern. Auf den Grundstücken mit
einer Gesamtfläche von 19.788 qm wurde ohne Änderung der Eigentumsverhältnisse oder
Begründung eines Nutzungsrechts im Jahre 1973 ein Teilstück des Berliner Autobahnrings, der
jetzigen Bundesautobahn 10, angelegt. Zuvor wurden die Grundstücke teilweise als Wohn- und
Wochenendgrundstücke und teilweise als Ackerland, Heide- und Gartenland, sowie als
Wegeflächen genutzt. Verhandlungen der Bundesrepublik Deutschland mit dem
Beschwerdeführer über den Ankauf der Flächen in den Jahren 1996 und 1997 scheiterten an
unterschiedlichen Vorstellungen über den Bodenwert. Die Bundesrepublik Deutschland einigte
sich mit dem Beschwerdeführer zunächst darauf, ihm auf der Grundlage eines Bodenwerts von
522.293,45 € ein Nutzungsentgelt von jährlich 4.454,45 € zu zahlen. Ein notariell beurkundetes
Angebot der Bundesrepublik Deutschland vom Mai 2004, ihm die Grundstücke zum Preis von
33.118,25 € abzukaufen, lehnte der Beschwerdeführer ab. Der nach § 5 Abs. 1 VerkFlBerG
ermittelte Kaufpreis wurde, bezogen auf eine 4.534 qm große, früher als Wohn- und
Wochenendgrundstücke genutzten Teilfläche, bei 5 €/qm gekappt. Diese Kappung betraf einen
Teilbetrag in Höhe von 22.670 €.
10
3. Das Landgericht gab der Klage der Bundesrepublik Deutschland auf Annahme dieses
Angebots statt. Die dagegen eingelegte Berufung blieb vor dem Oberlandesgericht erfolglos.
11
4. Die zugelassene Revision des Beschwerdeführers wies der Bundesgerichtshof zurück.
12
a) Der Beschwerdeführer sei nach § 3 Abs. 1 VerkFlBerG zur Annahme des Ankaufsangebots
verpflichtet. Dieses entspreche nach den Feststellungen des Berufungsgerichts den
gesetzlichen Anforderungen. Das sei zutreffend und werde mit der Revision auch nicht
angegriffen.
13
b) Die Verkaufsverpflichtung nach § 3 Abs. 1 VerkFlBerG stehe nicht im Widerspruch zur
Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG. Sie stelle keine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG,
sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung dar, mit der der Gesetzgeber seinen
Regelungsspielraum nicht überschritten habe. Das dem öffentlichen Nutzer eingeräumte
Ankaufsrecht führe im Ergebnis zu einem angemessenen, auch die Belange des
Grundstückseigentümers hinreichend berücksichtigenden Interessenausgleich. Soweit daneben
noch Entschädigungsansprüche nach DDR-Recht für die Inanspruchnahme eines Grundstücks
bestanden hätten, habe deren nachträgliche Erfüllung auf der Grundlage des DDR-
Entschädigungserfüllungsgesetzes verlangt werden können.
14
c) Die Behandlung der Eigentümer von Verkehrsflächen nach dem
Verkehrsflächenbereinigungsgesetz widerspreche auch nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz
des Art. 3 Abs. 1 GG und stehe auch mit den Anforderungen des Art. 1 des Ersten
Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention in Einklang.
II.
15
Mit seiner rechtzeitig eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine
Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20
Abs. 3 GG durch die Regelungen des § 3 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 VerkFlBerG.
16
1. Die Anwendung des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes führe zum Entzug des Eigentums
im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG. Das in § 3 Abs. 1 VerkFlBerG geregelte Erwerbsrecht erfülle alle
Merkmale des klassischen Enteignungsbegriffs. Dieser Einstufung stehe nicht die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Sachenrechtsbereinigung entgegen. Denn
im Unterschied zu dieser sei der Nutzer im Fall der Verkehrsflächenbereinigung die öffentliche
Hand. Es gehe nicht um den Ausgleich der Interessen Privater, sondern um die Verschiebung
von Vermögen in Richtung Staat. Der Einstufung als Inhalts- und Schrankenbestimmung stehe
entgegen, dass eine solche in aller Regel nicht zur vollständigen Eigentumsentziehung führe.
17
Eine Enteignung sei hier zum Wohle der Allgemeinheit nicht erforderlich. Klare rechtliche
Verhältnisse könnten auch über Grunddienstbarkeiten erreicht werden. Auch das
Bundesfernstraßengesetz lasse es zu, dass Straßen über private Grundstücke verliefen.
18
Zudem sei bei der Bestimmung der Entschädigung die gebotene Abwägung der Interessen der
Allgemeinheit und der Beteiligten misslungen. Der Gesetzgeber sei sich schon nicht bewusst
gewesen, ob er eine Inhalts- und Schrankenbestimmung treffe oder eine Enteignung vornehme.
Er gehe zwar davon aus, dass Art. 14 GG betroffen sei, wäge aber nicht ab, weshalb hier die
Enteignung als gesetzgeberische Lösung vorzugswürdig sei. Dies werde der Warn- und
Offenbarungsfunktion der Junktim-Klausel des Art. 14 Abs. 3 GG nicht gerecht.
19
Darüber hinaus berücksichtige die in § 5 VerkFlBerG vorgesehene Entschädigungsregelung den
Wert des Grundstücks ausschließlich aus der Sicht des Nutzers. Es reiche nicht, festzustellen,
dass die Grundstücke für die Eigentümer nicht mehr nutzbar seien. Vielmehr sei auch der Nutzen
für die Allgemeinheit zu beachten. Diese erwerbe Grundstücke mit bereits hergestellten
Verkehrsanlagen und erhalte so erhebliche Vorteile. Ein Abwägungsfehler liege weiter darin,
dass der aktuelle Verkehrswert von Verkehrsflächen höher sei als selbst der volle Wert früheren
Heide- und Ackerlandes, was erst recht für den vorgesehenen Kaufpreis von einem Fünftel des
Bodenwertes gelte. Dieser Mangel werde nicht durch die Mindestbeträge geheilt, da zwischen
0,10 €/qm als Mindestbetrag und 5 €/qm als Höchstbetrag ein nicht zu rechtfertigender
Unterschied bestehe. Dies führe zu einer bloß nominellen Entschädigung. Der Eigentümer
werde weder für die faktische Enteignung in der DDR entschädigt noch dürfe er von deren
Vorteilen in Gestalt der Verkehrsanlagen profitieren. Des Weiteren habe der Gesetzgeber
angenommen, dass Verkehrsflächen auch für den Staat wirtschaftlich nicht verwertbar seien.
Dies treffe jedoch für die Bundesautobahnen nicht zu, die nach Einführung der Autobahnmaut
kommerzialisierbar seien. Die Einnahmen hieraus sollten dem gesamten Verkehrshaushalt zu
Gute kommen und damit auch der Finanzierung anderer Investitionen dienen. Im
Zusammenhang damit gebe es weitergehende konkrete Überlegungen für eine Privatisierung
der Autobahnen nach dem sogenannten Betreibermodell für den mehrstreifigen
Autobahnausbau auf der Grundlage des Verkehrswegeplans. Davon sei auch das hier in Rede
stehende Autobahnteilstück betroffen. Die Überlegungen gingen bis hin zu einer
Vollprivatisierung des Autobahnnetzes. Dass die Grundstücke keineswegs wirtschaftlich wertlos
seien, zeige auch das Nutzungsentgelt, das bisher gezahlt worden sei.
20
2. Die mittelbar angegriffenen Vorschriften verletzten auch Art. 14 in Verbindung mit Art. 20
Abs. 3 GG und Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention.
Sie verstießen zudem gegen sein Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG).
Gleichheitswidrig sei, dass bei Ausgleich nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz der
Eigentümer den halben Bodenwert und damit regelmäßig deutlich mehr als nach dem
Verkehrsflächenbereinigungsgesetz erhalte. Gleiches gelte für die Staffelung der
Kappungsgrenze nach der Einwohnerzahl der Gemeinden. Für die Nutzung als Verkehrsfläche
sei es unerheblich, welche Einwohnerzahl die Gemeinde habe, in der das Grundstück liege.
Art. 3 Abs. 1 GG sei weiter deshalb verletzt, weil das Gesetz keine Anwendung finde, wenn die
öffentliche Nutzung durch ein vor dem Beitritt der DDR entstandenes dingliches Recht gesichert
gewesen sei (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VerkFlBerG), während in Fällen wie dem vorliegenden nur
ein Zwangsverkauf in Betracht komme. Schließlich werde der nach dem
Verkehrsflächenbereinigungsgesetz Betroffene schlechter behandelt als derjenige, der von
einem aktuellen Autobahnneubau betroffen sei.
III.
21
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die
Verfassungsbeschwerde wirft keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Frage auf (vgl. § 93a
Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz und anhand
der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung beantworten ließe (vgl. BVerfGE 90,
22 <24 f.>). Auch ist ihre Annahme nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten
Grundrechte angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
22
Die angewendeten Vorschriften (§ 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 VerkFlBerG) lassen auf der Grundlage
des Vorbringens der Verfassungsbeschwerde keinen Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht
erkennen. Als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums tragen sie dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit hinreichend Rechnung und sind gleichheitsgerecht ausgestaltet. Auf dieser
Grundlage haben die Fachgerichte festgestellt, dass das dem Beschwerdeführer unterbreitete
Angebot den gesetzlichen Voraussetzungen des Erwerbsrechts insbesondere hinsichtlich des
Ankaufspreises genügt und er deshalb zu dessen Annahme verpflichtet ist. Auch das begegnet
keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
23
1. Die Vorschriften über das Erwerbsrecht des öffentlichen Nutzers nach § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1
VerkFlBerG berühren den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Zu den schutzfähigen
Rechtspositionen im Sinne des Art. 14 GG gehören alle vermögenswerten Rechte, die das Recht
Privaten als Eigentum dergestalt zuordnet, dass sie die damit verbundenen Befugnisse nach
eigenverantwortlicher Entscheidung zu ihrem privaten Nutzen ausüben dürfen (vgl. BVerfGE 70,
191 <199>; 97, 350 <371>; 112, 93 <107>). Dies umfasst ohne weiteres das Eigentum an Grund
und Boden nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts. Grundrechtlichen Schutz genießen auch
Eigentumsrechte an Grundstücken auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, die schon vor dem 3.
Oktober 1990 bestanden haben, da diese über Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB in die
gesamtdeutsche Rechtsordnung übernommen wurden (vgl. BVerfGE 91, 294 <307 f.>).
24
Das durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Eigentum ist in seinem rechtlichen Gehalt durch
Privatnützigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den
Eigentumsgegenstand gekennzeichnet. Dem grundrechtlichen Schutz unterliegt danach das
Recht, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen und Dritte von Besitz und Nutzung
auszuschließen, ebenso wie die Freiheit, den Eigentumsgegenstand zu veräußern und aus der
vertraglichen Überlassung zur Nutzung durch andere Ertrag zu ziehen.
25
Die genannten Regelungen des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes begründen einen
Kontrahierungszwang und verpflichten den Beschwerdeführer zur Veräußerung seines
Grundeigentums an die Bundesrepublik Deutschland. Ein derartiger Zugriff auf ein Grundstück
mit der Folge eines endgültigen Verlusts der bisherigen Rechtsstellung berührt das
Eigentumsgrundrecht, auch wenn damit eine Gegenleistung verbunden ist.
26
2. Bei dem durch die mittelbar angegriffenen Vorschriften begründeten Erwerbsrecht handelt es
sich, wovon auch der Bundesgerichtshof zu Recht ausgeht, um eine Inhalts- und
Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 und 2 GG und nicht um eine
Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG.
27
Mit der Enteignung greift der Staat auf das Eigentum des Einzelnen zu. Sie setzt den Entzug
konkreter Rechtspositionen voraus, aber nicht jeder Entzug einer Rechtsposition ist eine
Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG. Diese ist beschränkt auf solche Fälle, in denen
Güter hoheitlich beschafft werden, mit denen ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
dienendes Vorhaben durchgeführt werden soll (vgl. BVerfGE 104, 1 <10>; 114, 1 <59>; 126, 331
<359>). Die Regelungen über das Erwerbsrecht des öffentlichen Nutzers nach dem
Verkehrsflächenbereinigungsgesetz enthalten indessen keine Ermächtigung der Exekutive, ein
bestimmtes Eigentumsobjekt zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben ganz oder teilweise zu
entziehen. Sie setzten vielmehr voraus, dass die betroffenen Grundstücke bereits im Zeitraum
zwischen dem 9. Mai 1945 und dem 3. Oktober 1990 durch eine dem Grundgesetz nicht
unterworfene Staatsgewalt faktisch und fortdauernd zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, hier
als öffentliche Verkehrsfläche, in Anspruch genommen wurden und schon mit dieser faktischen
Vorbelastung in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts gelangt sind. Während des
Bestehens der DDR wie auch danach konnte der Eigentümer mit einem Wegfall dieser
Belastung regelmäßig nicht mehr rechnen. Unter diesen Umständen stellt sich das Erwerbsrecht
nach § 3 Abs. 1 VerkFlBerG nicht als Instrument der Güterbeschaffung dar, durch die die
Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe überhaupt erstmalig möglich gemacht werden soll. Vielmehr
wurde das betreffende vermögenswerte Gut bereits für Verwaltungszwecke genutzt und der
Eigentümer konnte und kann eine gesetzlich angeordnete Fortdauer dieser öffentlichen Nutzung
wegen der geschilderten Vorbelastung, die nicht erst durch die Regelung des Art. 233 § 2a Abs.
9 EGBGB entstanden ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8.
Februar 2001 - 1 BvR 719/99 -, WM 2001, S. 778 <779>), nicht unter Berufung auf sein
Eigentumsgrundrecht verhindern. Zweck der Regelungen des
Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes ist - wie der Bundesgerichtshof zutreffend ausgeführt hat -
die endgültige Anpassung der in der DDR entstandenen, rechtlich nicht gesicherten
Nutzungsverhältnisse an die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland sowie der
Ausgleich der in diesem Zusammenhang betroffenen privaten und öffentlichen Interessen (vgl.
die Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks 14/6204, S. 11 f.).
28
Der Einordnung des Erwerbsrechts des öffentlichen Nutzers nach § 3 Abs. 1 VerkFlBerG als
Inhalts- und Schrankenbestimmung steht nicht entgegen, dass dieses in seinen Auswirkungen
einer Enteignung gleichkommt (vgl. BVerfGE 83, 201 <211 f.>) und eine Verschiebung von
Eigentumsrechten zugunsten des Staates bewirkt (vgl. BVerfGE 126, 331 <359>).
29
3. § 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 VerkFlBerG genügen den Anforderungen, die an eine Inhalts- und
Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 GG und an einen gerechten Interessenausgleich zu
stellen sind.
30
a) Der Gesetzgeber, der Inhalt und Schranken der als Eigentum grundrechtlich geschützten
Rechtspositionen bestimmt, hat dabei sowohl der grundgesetzlichen Anerkennung des
Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als auch der Sozialpflichtigkeit des Eigentums
(Art. 14 Abs. 2 GG) Rechnung zu tragen. Das Wohl der Allgemeinheit, an dem sich der
Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums zu orientieren hat, ist
nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die Beschränkung des Eigentümers (vgl. BVerfGE 25,
112 <118>; 50, 290 <340 f.>; 100, 226 <241>). Der Gesetzgeber hat die schutzwürdigen
Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich
und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen (vgl. BVerfGE 100, 226 <240>) und sich dabei
im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen zu halten. Insbesondere muss jede Inhalts-
und Schrankenbestimmung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten (vgl. BVerfGE 75,
78 <97 f.>; 110, 1 <28>). Die Grenzen der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers sind indessen
nicht für alle Sachbereiche gleich. Die Reichweite des Schutzes der Eigentumsgarantie bemisst
sich zum einen danach, welche Befugnisse einem Eigentümer zum Zeitpunkt der
gesetzgeberischen Maßnahme konkret zustehen. Soweit das Eigentum die persönliche Freiheit
des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich sichert, genießt es einen besonders
ausgeprägten Schutz. Zum anderen ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und
Schrankenbestimmung umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und
in einer sozialen Funktion steht (vgl. nur BVerfGE 50, 290 <340 f.>; 70, 191 <201>; 102, 1
<16 f.>; je mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Der Gestaltungsspielraum des
Gesetzgebers wird darüber hinaus insbesondere durch die wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Verhältnisse geprägt, in denen Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt
werden (vgl. BVerfGE 24, 367 <389>; 52, 1 <30>; 70, 191 <201>; 112, 93 <110>). Darüber
hinaus ist er an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) als Grundrecht und als allgemeines
rechtsstaatliches Prinzip bei der inhaltlichen Festlegung von Eigentümerbefugnissen und -
pflichten gebunden (vgl. BVerfGE 21, 73 <84>; 34, 139 <146>; 37, 132 <143>; 49, 382 <395>;
87, 114 <139>; 102, 1 <16 f.>).
31
b) Die Regelungen in § 3 Abs. 1 und in § 5 Abs. 1 VerkFlBerG genügen diesem Maßstab. Sie
dienen einem legitimen Regelungsziel, das im öffentlichen Interesse liegt. Sie sind auf die
endgültige Anpassung der in der DDR entstandenen, rechtlich nicht gesicherten
Nutzungsverhältnisse und auf eine Bereinigung der Eigentumsverhältnisse gerichtet. Insofern
sind sie Teil des Regelungskonzepts, mit dem auf dem Gebiet des Sachenrechts die
Rechtseinheit in Deutschland wiederhergestellt werden soll. Der Regelungsbedarf, der sich aus
den in der DDR gegebenen Verhältnissen mit einem Zugriff auf fremde Grundstücke vor Klärung
der Eigentumsverhältnisse und ohne rechtliche Absicherung allein aufgrund planerischer
Entscheidungen ergab, ist evident.
32
c) Die Einräumung eines Rechts des öffentlichen Nutzers auf Ankauf des von ihm zu Zwecken
des öffentlichen Verkehrs genutzten Grundstücks zu den in § 5 Abs. 1 VerkFlBerG genannten
Bedingungen führt zu einem angemessenen, auch die Belange des Grundstückseigentümers
hinreichend berücksichtigenden Interessenausgleich.
33
aa) Die Bestimmungen in § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 VerkFlBerG sind ersichtlich geeignet, den
Gesetzeszweck zu erfüllen. Sie sind hierzu auch erforderlich. Die Erforderlichkeit einer
gesetzlichen Regelung kann grundsätzlich nur dann von Verfassungs wegen verneint werden,
wenn von dem als Alternative in Betracht gezogenen Eingriff von geringerer Intensität in jeder
Hinsicht und eindeutig feststeht, dass er den angestrebten Zweck sachlich gleichwertig erreicht
(vgl. BVerfGE 105, 17 <36>). An dieser Erforderlichkeit fehlt es der Veräußerungspflicht des
Betroffenen zur Erreichung des Gesetzeszwecks im hier zu beurteilenden Fall von
Grundstücken, die einer öffentlichen Straße dienen, nicht. Allerdings ist es richtig, dass eine
öffentliche Straße als zweckgebundene öffentliche Sache nicht notwendigerweise das Bestehen
öffentlichen Eigentums am Straßenland voraussetzt. So genügt etwa für die förmliche Widmung
nach § 2 Abs. 2 FStrG, dass der Straßenbaulastträger Inhaber eines dinglichen Rechts zur
Nutzung im widmungsmäßigen Umfang oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ist,
oder, dass der dinglich Berechtigte der Widmung zustimmt. Dennoch führt das Fortbestehen
privaten Wegeeigentums regelmäßig zu Schwierigkeiten bei der Straßenunterhaltung und der
Erhaltung der Verkehrssicherheit. Die Straßengesetze der Länder (z.B. § 13 Abs. 1 BbgStrG)
sehen aus diesem Grund vor, dass der jeweilige Träger der Straßenbaulast das Eigentum an
den der Straße dienenden Grundstücken erwerben soll (vgl. Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-
Westfalen, 3. Aufl., § 11 StrWG Rn. 2 ff. m.w.N.). Bei typisierender Betrachtung durfte der
Gesetzgeber daher für die Flächen, die für öffentliche Straßen genutzt werden, der Einschätzung
folgen, dass eine Bereinigung durch den Erwerb von Eigentum durch den öffentlichen Nutzer
vorzugswürdig ist. Dem steht nicht entgegen, dass das Gesetz nach § 1 Abs. 2 Satz 1
VerkFlBerG dann nicht zur Anwendung kommt, wenn der Fortbestand der öffentlichen Nutzung
schon dinglich gesichert ist, etwa durch eine nach den Landesstraßengesetzen mögliche und
eingeräumte Dienstbarkeit. Denn in diesen Fällen ist der Gesetzeszweck, nämlich die
sachenrechtliche Angleichung an die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, bereits
erreicht. Dies schließt nicht aus, dass der Gesetzgeber dort, wo es zu einer derartigen
endgültigen Angleichung noch nicht gekommen ist, als Mittel hierfür gerade den Erwerb von
Eigentum für erforderlich halten darf.
34
bb) Die Vorschriften in § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 VerkFlBerG führen für den bisherigen Eigentümer
nicht zu einer unzumutbaren Belastung.
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(1) Für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne sind zunächst die Intensität sowie
die Schwere und Tragweite der Eigentumsbeeinträchtigung von Bedeutung. Diese werden in
hohem Maße davon mitbestimmt, ob ein Eingriff in die eigentumsrechtlichen
Zuordnungsverhältnisse und die Substanz des Eigentums vorliegt. Der vollständige Entzug der
geschützten Rechtsposition des betroffenen Eigentümers - hier durch Ausübung des
Erwerbsrechts - stellt einen gravierenden Eingriff dar. Dieser unterliegt einer besonders strengen
Prüfung, da die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich die Erhaltung des
Zuordnungsverhältnisses und der Substanz verlangt (vgl. BVerfGE 84, 382 <385>; siehe auch
BVerfGE 42, 263 <295>; 50, 290 <341>). Gleichwohl kann auch die völlige Beseitigung bisher
bestehender, durch die Eigentumsgarantie geschützter Rechtspositionen zulässig sein (vgl.
BVerfGE 83, 201 <212>).
36
(2) Die öffentlichen Interessen, die für einen solchen Eingriff sprechen, müssen so
schwerwiegend sein, dass sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers auf den
Fortbestand seines Rechts, das durch die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG
gesichert wird. Auch das Ausmaß des zulässigen Eingriffs hängt vom Gewicht des
dahinterstehenden öffentlichen Interesses ab. Selbst wenn Art. 14 Abs. 3 GG als Regelung der
Enteignung nicht unmittelbar eingreift, ist das darin zum Ausdruck kommende Gewicht des
Eigentumsschutzes bei der vorzunehmenden Abwägung zu beachten, da sich der Eingriff für
Betroffene wie eine Teil- oder Vollenteignung auswirkt. Die völlige, übergangs- und ersatzlose
Beseitigung einer Rechtsposition kann daher nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht
kommen (vgl. BVerfGE 83, 201 <212 f.>).
37
Die Überführung der bei der Wiedervereinigung vorgefundenen öffentlich genutzten privaten
Flächen in die gesamtdeutsche Rechtsordnung durch Begründung einer Eigentümerstellung der
öffentlichen Hand ist von erheblichem öffentlichen Interesse. Sie sichert dauerhaft die Erfüllung
öffentlicher Aufgaben durch die Länder und Kommunen im Beitrittsgebiet und die Nutzung der
zwischen 1945 und 1990 errichteten öffentlichen Infrastruktur. Im Zusammenhang mit der
Überführung der Rechts- und Eigentumsordnung der DDR in das Rechts- und Wirtschaftssystem
der Bundesrepublik Deutschland kommt dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und
Schranken des Eigentums ein erweiterter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu (vgl.
BVerfGE 98, 17 <38>; 101, 54 <76>; 126, 331 <364>). Dessen Grenzen sind vorliegend trotz der
völligen Beseitigung der Eigentümerstellung des privaten Betroffenen nicht überschritten.
38
(a) Der Gesetzgeber durfte berücksichtigen, dass das betroffene Grundstückseigentum bereits
durch eine öffentlichrechtliche Sachherrschaft überlagert war, die eine Nutzung für Zwecke des
Eigentümers ausschloss. Diese Überlagerung war unmittelbare Folge der Inanspruchnahme des
jeweiligen Grundstücks durch staatliche Stellen der DDR; das Eigentum war mit dieser
Belastung belegt, als es mit der Wiedervereinigung unter den Schutz des Art. 14 GG gelangte.
Dies reduziert einerseits das Gewicht der Beeinträchtigung, die von dem Erwerbsrecht ausgeht.
Andererseits vergrößert es als Folge des sozialen Bezugs, in dem die betroffenen Grundstücke
kraft ihrer vorgefundenen öffentlichen Nutzung standen, den gesetzgeberischen Spielraum.
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(b) Hinzu kommt, dass die Eingriffsintensität unmittelbar durch den in § 5 VerkFlBerG normierten
finanziellen Ausgleichsanspruch abgemildert wird (vgl. BVerfGE 58, 137 <149 f.>; 79, 174
<192>), der die Interessen des Eigentümers angemessen berücksichtigt. Es ist mit Rücksicht auf
die geschilderte Vorbelastung nicht zu beanstanden, wenn dieser Ausgleichsanspruch auf die
seit der Wiedervereinigung unverändert bestehende Grundstücksqualität als „Verkehrsfläche“
bezogen wird (vgl. BTDrucks 14/6204, S. 18). Denn diese spiegelt den Wert wider, mit dem das
Grundstück in den Geltungsbereich des Eigentumsgrundrechts gelangt ist. Eine weitergehende
Pflicht des Gesetzgebers zur Wiedergutmachung des Unrechts, das sich aus Handlungen einer
nicht grundgesetzgebundenen Staatsgewalt für den Eigentümer ergibt, lässt sich aus einzelnen
Grundrechten nicht entnehmen (vgl. BVerfGE 102, 254 <297 ff.>). Die Anknüpfung an die
Grundstücksqualität „Verkehrsfläche“ führt nicht zu einem unangemessenen Ausgleich der
Interessen des Eigentümers mit denen des öffentlichen Nutzers. Zwar erwirbt Letzterer mit einem
für Zwecke des öffentlichen Verkehrs genutzten Grundstück auch die darauf errichtete, diesem
Zweck dienenden Infrastruktureinrichtungen zu Eigentum. Diese sind jedoch regelmäßig
Ergebnis staatlicher Investitionstätigkeit vor dem 3. Oktober 1990. Andererseits ist der hierin
liegende Vorteil für den öffentlichen Nutzer begrenzt: Zum einen sind in dieser Weise genutzte
Grundstücke - anders als Flächen, die mit anderen öffentlichen Zwecken dienenden Gebäuden
bebaut sind und für deren Ankaufspreis § 6 VerkFlBerG maßgeblich ist - regelmäßig auf
unabsehbare Zeit auf diese eine Nutzungsart festgelegt und insofern in ihrer
Verwendungsfähigkeit für die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben erheblich beschränkt; sie sind
im Übrigen anders als Gebäude deswegen auch nach Ablauf der jeweiligen Zweckbindung
(§ 10 VerkFlBerG) nicht ohne weiteres fiskalisch verwertbar. Zum anderen ist gerade die
Erhaltung der Verkehrsinfrastrukturanlagen für die öffentliche Hand mit einem erheblichen
Vorhalte- und Unterhaltungsaufwand verbunden. Dies gilt nicht zuletzt für die hier in Rede
stehende Bundesautobahn und die übrigen Bundesfernstraßen, für die gegenwärtig auch unter
Berücksichtigung des von dem Beschwerdeführer angesprochenen Gebührenaufkommens aus
der Autobahnmaut nicht von einer Kommerzialisierbarkeit im Sinne eines wirtschaftlichen
Nutzeffekts gesprochen werden kann, der den Aufwand der öffentlichen Hand nur annähernd
kompensieren könnte (vgl. dazu Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr 2010,
Unterrichtung durch die Bundesregierung, BTDrucks 17/8700, S. 15, 21). Die von dem
Beschwerdeführer darüber hinaus erwähnte Möglichkeit einer materiellen Vollprivatisierung des
deutschen Autobahnnetzes und daraus angeblich erzielbarer Einnahmen von bis zu 100 Mrd. €
ist spekulativ.
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Hiervon ausgehend ist es unbedenklich, dass der Wert einer solchen Verkehrsfläche in § 5 Abs.
1 Satz 1 VerkFlBerG mit einem Fünftel des hypothetischen heutigen Bodenwerts bezogen auf
den Zustand, den das Grundstück vor der Inanspruchnahme für öffentliche Zwecke hatte,
bemessen wird. Der Gesetzgeber vermeidet auf diese Weise eine Einheitsbewertung - etwa gar
nur auf der Basis eines symbolischen Betrages -, und knüpft zu Gunsten des Eigentümers mit
der Maßgeblichkeit der ursprünglichen Bodenqualität in Anlehnung an die Grundsätze des
Enteignungsentschädigungsrechts an den jeweils durch die Inanspruchnahme eingetretenen
Wertverlust an, für den es einen Unterschied macht, ob das Grundstück früher als Bauland oder
lediglich als Ackerfläche nutzbar war (vgl. Bischoff, in: Eickmann, Sachenrechtsbereinigung,
VerkFlBerG, Vor §§ 5, 6 Rn. 8). Verfassungsrechtlich unbedenklich ist auch, wenn er den
geringen Wert von Verkehrsflächen mit dem von ihm gewählten prozentualen Abschlag vom
hypothetischen heutigen Bodenwert ansetzt (vgl. auch Bischoff, in: Eickmann,
Sachenrechtsbereinigung, VerkFlBerG, § 5 Rn. 4). Die regelmäßig fehlende Nachfrage nach
solchen Flächen würde zu einem Preis führen, der im Allgemeinen sogar unter dem Preis von
Grünland liegt (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1988 - III ZR 210/87 -, NVwZ-RR 1989, S.
393 <395>). Die gewählte Vorgehensweise liegt im Fall einer Inhalts- und
Schrankenbestimmung gerade im hier in Rede stehenden Kontext der Rechtsbereinigung nach
der Wiedervereinigung innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums und dient
legitimerweise auch der Verwaltungsvereinfachung.
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(c) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist mit Rücksicht auf diese Gesichtspunkte die
vom Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG vorgenommene Kappung der Kaufpreise
einschließlich deren Staffelung nach der Gemeindegröße. Die Kappungsgrenze, die praktisch
vor allem bei früherem Bauland zum Tragen kommen dürfte, trägt einerseits dem Umstand
Rechnung, dass insbesondere der hypothetische heutige Bodenwert früheren Baulandes trotz
des prozentualen Abschlags ohne die Kappung regelmäßig zu einem Ankaufspreis führen
würde, der sich erheblich von dem nach dem Willen des Gesetzgebers maßgeblichen
Anknüpfungspunkt der heutigen Bodenqualität „Verkehrsfläche“ entfernte. Andererseits wirkt die
Kappung einer finanziellen Überforderung gerade der Kommunen entgegen, weil in der DDR in
den kriegszerstörten Städten oftmals früher bebaute oder bebaubare Grundstücke für eine
Neugestaltung des innerstädtischen Straßennetzes oder für die Anlegung von Grünflächen in
Anspruch genommen wurden (vgl. Trimbach/Matthiessen, VIZ 2002, S. 1 <6>). Die Staffelung
der Kappungsgrenze nach der Gemeindegröße orientiert sich daran, dass sich die
Baulandpreise nicht zuletzt in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl der Kommunen entwickeln
(vgl. Bischoff, in: Eickmann, Sachenrechtsbereinigung, VerkFlBerG, § 5 Rn. 5 f.).
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(d) Einem gerechten Interessenausgleich wird darüber hinaus dadurch Rechnung getragen,
dass der Gesetzgeber dem Eigentümer ein Wiederkaufsrecht zum Ankaufspreis an dem
betreffenden Grundstück eingeräumt hat, wenn dessen Nutzung für die Erfüllung von
Verwaltungsaufgaben vor Ablauf von dreißig Jahren endet (§ 10 VerkFlBerG i.V.m. § 456 Abs. 2
BGB). Es kann offen bleiben, ob das Wiederkaufsrecht auch dann entsteht, wenn das
Autobahnnetz unter Wahrung seiner Funktion für den öffentlichen Straßenverkehr tatsächlich
vollständig privatisiert werden sollte, da solches jedenfalls derzeit nicht ernsthaft in Betracht
gezogen wird.
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d) Die in § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 VerkFlBerG enthaltene Inhalts- und Schrankenbestimmung lässt
auf der Grundlage des Vorbringens der Verfassungsbeschwerde keine gleichheitswidrige
Ausgestaltung erkennen (Art. 3 Abs. 1 GG).
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aa) Soweit die Eigentümer der von den genannten Bestimmungen erfassten Grundstücke
gegenüber den Eigentümern von Grundstücken, die dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz
unterliegen, anders behandelt werden, ist dies sachlich hinreichend gerechtfertigt (vgl. zum
Maßstab BVerfGE 101, 54 <101>). Anders als das Eigentum in den zuletzt genannten Fällen
wird das Eigentum an den hier in Rede stehenden Verkehrsflächen durch eine
öffentlichrechtliche Sachherrschaft überlagert, die eine Nutzung des Grundstücks für private
Zwecke ausschließt. Auch sind die Grundsätze der Sachenrechtsbereinigung, die eine
Halbteilung eines durch den Verkehrswert bestimmten Bodenwerts vorsehen, auf die
Verkehrsflächen nicht ohne weiteres übertragbar, weil diese mangels Nachfrage dem
gewöhnlichen Geschäftsverkehr weitgehend entzogen sind. Das sind Unterschiede von solcher
Art und solchem Gewicht, dass sie eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermögen (vgl.
auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. Februar 2001 - 1 BvR 719/99
-, WM 2001, S. 778 <781>). Gleiches gilt für die Unterscheidung zwischen den von § 1 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 VerkFlBerG erfassten Fällen einerseits und denjenigen des Flächenerwerbs für den
Straßenneubau andererseits. Während es in dem einen Fall keiner sachenrechtlichen
Angleichung an die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland mehr bedarf, weil der
Fortbestand der öffentlichen Nutzung bereits vor Inkrafttreten des
Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes dinglich gesichert worden ist, wird in dem anderen Fall
grundrechtlich geschütztes Eigentum in Anspruch genommen, das nicht bereits mit einer
Nutzung für öffentliche Zwecke vorbelastet ist.
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bb) Gerechtfertigt ist auch die Differenzierung, die in der in § 5 Abs. 1 VerkFlBerG enthaltenen
Staffelung der Kappungsgrenzen nach Gemeindegröße liegt. Bei der Ordnung von
Massenerscheinungen wie im vorliegenden Fall ist der Gesetzgeber berechtigt,
generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein
wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl.
BVerfGE 111, 115 <137>). Der von ihm hier gewählte tatsächliche Anknüpfungspunkt der
Gemeindegröße ist - wie bereits dargelegt - im Normzweck angelegt. Die mit der Pauschalierung
verbundenen Härten wären zudem nur unter Schwierigkeiten vermeidbar, da eine Kappung mit
der erwähnten Zielrichtung sonst im Einzelfall an den jeweiligen örtlichen Preisen hätte
ausgerichtet werden müssen; das wiederum hätte aufwändige und kostenträchtige
Wertgutachten erfordert. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass die Pauschalierung für den
Beschwerdeführer Härten mit sich bringt, die besonders schwer wiegen.
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e) Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus einer Auslegung des Art. 14 GG im Lichte der
Europäischen Menschenrechtskonvention. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat
bereits entschieden, dass die hier in Rede stehenden Vorschriften des
Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes mit den Anforderungen des Art. 1 des Ersten
Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention und des Art. 14 EMRK vereinbar
sind (vgl. EGMR, Fünfte Sektion, Entscheidung vom 8. Dezember 2009 - 28092/07 -, juris).
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Kirchhof
Schluckebier
Baer