Urteil des BVerfG vom 13.03.2014

BVerfG: unverletzlichkeit der wohnung, verdacht, durchsuchung, mexiko, bestechung, verfassungsbeschwerde, prokurist, verkehr, straftat, verschluss

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 974/12 -
Bundesadler
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn M...,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt Prof. Dr. Christofer Lenz,
in Sozietät OPPENLÄNDER Rechtsanwälte,
Börsenplatz 1, 70174 Stuttgart -
gegen
a)
den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 29. März 2012 - 17
Qs 14/12 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 7. November 2011 -
28 Gs 1251/11 -
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Gerhardt,
die Richterin Hermanns
und den Richter Müller
am 13. März 2014 einstimmig beschlossen:
Der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 29. März 2012 - 17 Qs 14/12 - und der Beschluss
des Amtsgerichts Stuttgart vom 7. November 2011 - 28 Gs 1251/11 - verletzen den
Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 und Absatz 2 des
Grundgesetzes.
Der Beschluss des Landgerichts Stuttgart wird aufgehoben und die Sache zur erneuten
Entscheidung an das Landgericht Stuttgart zurückverwiesen.
Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu
erstatten.
Gründe:
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung einer Durchsuchung der
Wohnung des Beschwerdeführers, der insbesondere geltend macht, dass ihm gegenüber der
Verdacht einer Straftat nicht vorgelegen habe.
I.
2
1. a) Der Beschwerdeführer ist Prokurist sowie Leiter der Abteilungen
„Recht/Sicherheit/Versicherungen“ der H. GmbH, eines Unternehmens aus dem Bereich der
Rüstungsindustrie.
3
b) Am 16. August 2010 erschien ein Artikel in einem Nachrichtenmagazin, in welchem davon
berichtet wurde, das Unternehmen habe trotz fehlender Ausfuhrgenehmigungen für vier
mexikanische Provinzen möglicherweise wissentlich Waffen in diese Provinzen geliefert und
Mitarbeiter zu Vorführungen dorthin geschickt. Die Staatsanwaltschaft prüfe Verstöße gegen das
Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz. Der Geschäftsführer des
Unternehmens habe darauf hingewiesen, dass man auf die Verteilung der Waffen innerhalb
Mexikos keinen Einfluss habe.
4
c) Mit einer E-Mail vom 18. August 2010 unterrichtete der Beschwerdeführer die
Geschäftsführung, dass ein Unternehmensmitarbeiter seit 2006 insgesamt elf Reisen nach
Mexiko unternommen habe. Sein Büro sei versiegelt. Am 19. August 2010 teilte der
Beschwerdeführer per E-Mail mit, dass die Auswertung der Reiseunterlagen eine Reise dieses
Mitarbeiters in eine der vier in dem Nachrichtenmagazin erwähnten Provinzen im Juni/Juli 2006
ergeben habe. In dieser E-Mail wurde eine Reihe von Fragen aufgelistet, welche aus Sicht des
Beschwerdeführers für die Staatsanwaltschaft klärungsbedürftig sein könnten. In einer weiteren
E-Mail vom 25. August 2010 teilte der Beschwerdeführer mit, dass alle IT-Daten des Mitarbeiters
auf eine Festplatte gezogen und einer beauftragten Rechtsanwaltskanzlei zur Auswertung
ausgehändigt worden seien. Von den Papierunterlagen seien Sicherungskopien gefertigt
worden, welche sich bei der Rechtsabteilung unter Verschluss befänden. Als Vorbereitung auf
einen nächsten Gesprächstermin mit den Anwälten des Unternehmens würden einige typische
Musterfälle erstellt, „die als Vorzeigefälle für die Staatsanwaltschaft dienen“ sollten.
5
d) Ein anderer Mitarbeiter des Unternehmens sagte gegenüber den Ermittlungsbehörden aus,
dass im Zusammenhang mit Waffenverkäufen nach Mexiko in den Jahren 2005 bis 2010
Bestechungsgelder an mexikanische Amtsträger gezahlt worden seien. Am 21. Dezember 2010
fand daraufhin eine Durchsuchung der Räumlichkeiten der H. GmbH statt. Neben den
aufgeführten E-Mails des Beschwerdeführers wurde dabei weiterer E-Mail-Verkehr dreier
Unternehmensmitarbeiter aus dem Jahr 2010 aufgefunden, der zum Gegenstand hatte, dass vor
dem Hintergrund fehlender Ausfuhrgenehmigungen für Waffenverkäufe nach Mexiko
Parteispenden in Höhe von jeweils 10.000 € an die beiden Regierungsparteien
beziehungsweise an einzelne Parteimitglieder, unter denen sich auch ein parlamentarischer
Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirtschaft befand, gezahlt werden sollten. Der
Beschwerdeführer war an diesem E-Mail-Verkehr nicht beteiligt.
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2. Das Amtsgericht Stuttgart erließ am 7. November 2011 den angegriffenen
Durchsuchungsbeschluss, wonach nun auch die Wohnräume des Beschwerdeführers
durchsucht werden sollten. Es bestehe neben dem bereits bekannten Verdacht der Verstöße
gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschaftsgesetz auch der Verdacht der
gemeinschaftlichen Bestechung ausländischer und inländischer Amtsträger. Möglicherweise
seien die Bestechungszahlungen dazu bestimmt gewesen, falsche Endverbleibserklärungen zu
erhalten. Zudem habe die Auswertung des E-Mail-Verkehrs anderer Beteiligter ergeben, dass
das Unternehmen mit Parteispenden Einfluss auf die Staatssekretärsrunde habe nehmen
wollen. Bei der E-Mail des Beschwerdeführers vom 25. August 2010 könne es sich um eine
„normale rechtliche Vorbereitung“ auf eine anhand der damaligen Presseveröffentlichungen zu
erwartende staatsanwaltschaftliche Durchsuchung handeln. Sie könne aber auch ein „Hinweis
auf Beweismittelvernichtung bzw. -verschleierung bzw. -entfernung“ sein.
7
3. Hiergegen wandte sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde, mit welcher er
insbesondere bemängelte, hinsichtlich des Vorwurfs der gemeinschaftlichen Bestechung werde
lediglich auf das Verhalten anderer Mitarbeiter Bezug genommen. Außer der Prokuristenstellung
des Beschwerdeführers werde mit Bezug auf ihn lediglich eine E-Mail erwähnt, welche aber
keineswegs zur „Beweismittelvernichtung bzw. -verschleierung bzw. -entfernung“ habe dienen
können, sondern vielmehr offensichtlich zur Aufarbeitung der im Artikel des
Nachrichtenmagazins genannten Vorwürfe verfasst worden sei. Der Beschwerdeführer habe mit
seinem Vorgehen - etwa der Versiegelung des Büros des für Mexiko zuständigen Mitarbeiters -
gerade eine Beseitigung von Beweisen verhindern wollen. Alleine an seine Position als
Prokurist könne man zur Begründung des Tatverdachts nicht anknüpfen. Der Beschwerdeführer
habe nicht im Entferntesten etwas mit Parteispenden zu tun gehabt. Er habe bei den dazu
geschriebenen E-Mails keine Rolle gespielt und diese nicht einmal in Kopie erhalten.
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4. Mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 29. März 2012 verwarf das Landgericht Stuttgart
die Beschwerde. Es habe der Verdacht der Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Bestechung
inländischer und ausländischer Amtsträger bestanden. Der Beschwerdeführer habe bereits vor
der ersten Durchsuchung - nämlich am 25. August 2010 - Kenntnis von den möglicherweise
verbotenen Waffenlieferungen nach Mexiko gehabt und Handlungsempfehlungen für das weitere
Vorgehen gegenüber der Staatsanwaltschaft gegeben. Auch habe er bereits am 19. August 2010
darauf hingewiesen, dass der für Mexiko zuständige Mitarbeiter des Unternehmens sich im
Juni/Juli 2006 im „Verbotsstaat Guerrero“ aufgehalten habe. Aus der dadurch zum Ausdruck
kommenden „Sachnähe, Sachkenntnis und Sachleitung“ ergebe sich jedenfalls ein
Anfangsverdacht, zumal der Beschwerdeführer als Prokurist handlungsberechtigt gewesen sei.
Die Bezugnahme auf den Artikel des Nachrichtenmagazins in der E-Mail vom 19. August 2010
ändere daran nichts, denn außer durch die Presseberichterstattung habe der Beschwerdeführer
über die Kenntnisse auch aufgrund einer etwaigen eigenen Mitwirkung an den Vorgängen
verfügen können.
II.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer
insbesondere eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Eine etwaige Strafbarkeit
wegen Begünstigung oder Strafvereitelung werde im Durchsuchungsbeschluss nicht behauptet.
Für den Tatvorwurf der Bestechung ergäben sich aus den in der E-Mail vom 25. August 2010
benannten Beweissicherungs- und Aufklärungsmaßnahmen gerade keine Hinweise auf eine
„Beweismittelvernichtung bzw. -verschleierung bzw. -entfernung“. Letztlich sei der Schluss von
den auf Vorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes und des Kriegswaffenkontrollgesetzes
bezogenen Beweissicherungshandlungen des Beschwerdeführers auf eine Beteiligung an in der
Vergangenheit liegenden Korruptionsdelikten eine bloße Vermutung.
III.
10
1. Das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg hat von einer Stellungnahme
abgesehen.
11
2. Der Generalbundesanwalt hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und vertrat die Ansicht, dass
bei der gebotenen Gesamtschau eine hinreichende Verdachtslage gegenüber dem
Beschwerdeführer vorgelegen habe. Die E-Mails des Beschwerdeführers trügen die Folgerung,
dass er über eine besondere Sachnähe, Sachkenntnis und über Sachleitungsmöglichkeiten im
Hinblick auf Bestechungsvorgänge verfügt haben könnte, zumal ein planmäßiges und
abgestimmtes Vorgehen mehrerer Firmenangehöriger sehr wahrscheinlich sei. Dabei habe der
Beschwerdeführer über externe Handlungsbefugnisse als Prokurist verfügt. Die E-Mails des
Beschwerdeführers, in welchen dieser die Erstellung von „Vorzeigefällen“ für die
Staatsanwaltschaft angekündigt habe, habe man so verstehen können, als habe er die in
Verdacht geratenen Firmenangehörigen gegenüber weiteren Ermittlungen abschirmen wollen.
12
3. Der Beschwerdeführer hat darauf repliziert.
13
4. Die Akte des Ausgangsverfahrens hat dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
IV.
14
Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in
Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die
Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen -
insbesondere hinsichtlich des für eine Durchsuchung erforderlichen Tatverdachts - bereits
entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 115, 166 <197 f.>), und die Annahme
der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus
Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die
Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
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1. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus
Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG.
16
a) Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG erfährt die
räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz, in den mit
einer Durchsuchung schwerwiegend eingegriffen wird (vgl. BVerfGE 42, 212 <219 f.>; 96, 27
<40>; 103, 142 <150 f.>). Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit
der Wohnung zum Zwecke der Strafverfolgung ist daher der Verdacht, dass eine Straftat
begangen wurde.
17
Dieser Verdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße
Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 115, 166 <197 f.>). Eine
Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines
Verdachts erforderlich sind; denn sie setzen einen Verdacht bereits voraus (vgl. BVerfGK 8, 332
<336>; 11, 88 <92>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober
2011 - 2 BvR 15/11 -, juris, Rn. 14). Notwendig ist, dass ein auf konkrete Tatsachen gestütztes,
dem Beschwerdeführer angelastetes Verhalten geschildert wird, das den Tatbestand eines
Strafgesetzes erfüllt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26.
Oktober 2011 - 2 BvR 1774/10 -, juris, Rn. 25). Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor,
wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden
lassen (vgl. BVerfGE 59, 95 <97>).
18
Der für die vorherige Gestattung des mit der Durchsuchung verbundenen Eingriffs in die
Unverletzlichkeit der Wohnung oder dessen nachträgliche Kontrolle zuständige Richter hat den
Verdacht eigenverantwortlich zu prüfen und dabei die Interessen des Betroffenen angemessen
zu berücksichtigen (vgl. BVerfG 103, 142 <151>). Ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts
ist nur geboten, wenn die Auslegung und Anwendung der einfach-rechtlichen Bestimmungen
über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts (§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO) als
Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der
Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer
grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Betroffenen beruhen (vgl. BVerfGE
18, 85 <92 ff.>). Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung des von den Fachgerichten
angenommenen Verdachts ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 95, 96
<128>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. April 2004 - 2 BvR
2043/03, 2 BvR 2104/03 -, juris, Rn. 5).
19
b) Nach diesen Maßstäben werden die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts
Stuttgart vom 7. November 2011 und des Landgerichts Stuttgart vom 29. März 2012 den
verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Die Anordnung der Durchsuchung der
Wohnräume gemäß § 102 StPO hätte die Darlegung eines Verhaltens des Beschwerdeführers
erfordert, aus dem sich der hinreichend konkrete Verdacht einer von ihm als Täter oder
Teilnehmer begangenen Straftat ergibt. Dem genügen die angegriffenen Beschlüsse nicht. Die
ihnen zugrunde liegende Annahme des Verdachts einer Beteiligung des Beschwerdeführers an
einer gemeinschaftlichen Bestechung ausländischer oder inländischer Amtsträger gemäß § 334
Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 11 Abs. 1 Nr. 2b, § 25 Abs. 2 StGB in Verbindung mit Art. 2, § 1 Nr. 2a und
Nr. 2b IntBestG beruht nicht auf konkreten Tatsachen, sondern auf allenfalls vagen
Anhaltspunkten und bloßen Vermutungen.
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aa) In seinem Beschluss vom 29. März 2012 hat das Landgericht ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass die Stellung des Beschwerdeführers als Prokurist der H. GmbH für sich
genommen einen Anfangsverdacht nicht zu begründen vermag. Dagegen ist
verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.
21
bb) Für eine Beteiligung des Beschwerdeführers an Bestechungshandlungen gegenüber
ausländischen Amtsträgern im Zusammenhang mit Waffenlieferungen der H. GmbH nach
Mexiko werden sonstige hinreichend konkrete Anhaltspunkte von den Fachgerichten nicht
genannt:
22
(1) Insbesondere ergeben sich solche nicht aus den E-Mails vom 18. und 19. August 2010. Der
Beschwerdeführer teilt in diesen unter Bezugnahme auf den Presseartikel vom 16. August 2010
das vorläufige Ergebnis seiner Recherchen zu Reisen von Unternehmensmitarbeitern nach
Mexiko mit und listet nach seiner Auffassung aus Sicht der Staatsanwaltschaft
klärungsbedürftige Fragen auf. Rückschlüsse auf eine Beteiligung des Beschwerdeführers an
Bestechungsdelikten gegenüber mexikanischen Amtsträgern lassen sich hieraus in keiner
Weise ableiten.
23
(2) Soweit in den angegriffenen Beschlüssen davon ausgegangen wird, der Beschwerdeführer
sei einer Beteiligung an einem Bestechungsdelikt hinreichend verdächtig, da sich aus seiner E-
Mail vom 25. August 2010 Hinweise auf eine Vernichtung, Entfernung oder Verschleierung von
Beweisen ergeben könnten, ist dies nicht nachvollziehbar.
24
Wenn der Beschwerdeführer in dieser E-Mail mitteilt, sämtliche Unterlagen über Mexiko-Reisen
seien erstellt, die IT-Daten des zuständigen Unternehmensmitarbeiters auf Festplatte gezogen
und einem Anwaltsbüro zur Auswertung übergeben sowie die Papierunterlagen des Mitarbeiters
zur Sicherung kopiert und unter Verschluss, spricht dies eher für eine Sicherung, als für eine
Vernichtung oder Entfernung von Beweismitteln. Warum sich hieraus Hinweise auf eine
unzulässige Verschleierung von Sachverhalten zum Zwecke der Vereitelung staatlicher
Sanktionen ergeben sollen, erschließt sich nicht.
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Auch der Hinweis des Beschwerdeführers in der E-Mail vom 25. August 2010, zur Vorbereitung
eines Termins mit den Rechtsanwälten des Unternehmens würden einige Musterfälle erstellt, die
als Vorzeigefälle für die Staatsanwaltschaft dienen sollen, rechtfertigt keine andere
Einschätzung. Es ist sachgerecht, wenn der Beschwerdeführer sich als Leiter der
Rechtsabteilung vor dem Hintergrund der durch den Presseartikel bekanntgewordenen
staatsanwaltlichen Ermittlungen zur Aufarbeitung des Sachverhalts und zur Vorbereitung des
Verteidigungsvorbringens des Unternehmens veranlasst sah. Daraus kann jedoch nicht gefolgert
werden, dass sein Handeln auf eine Verschleierung rechtswidriger Taten abzielte. Erst recht
kann daraus nicht auf eine Beteiligung des Beschwerdeführers an Bestechungshandlungen
geschlossen werden. Auch insoweit beruhen die angegriffenen Beschlüsse auf bloßen
Vermutungen, die nicht auf konkrete tatsächliche Anhaltspunkte gestützt sind.
26
(3) Nichts anderes gilt unter Berücksichtigung der Hinweise, dass bei den in Rede stehenden
Delikten ein abgestimmtes und planmäßiges Vorgehen mehrerer Firmenangehöriger sehr
wahrscheinlich sei und der Beschwerdeführer über Sachnähe, Sachkenntnis und
Sachleitungsbefugnisse verfügt habe. Dies allein vermag die Annahme eines Tatverdachtes
gegenüber dem Beschwerdeführer nicht zu begründen.
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Aufgrund der Presseveröffentlichung vom 16. August 2010 waren die Vorwürfe unzulässiger
Waffenlieferungen in einzelne mexikanische Provinzen bekannt. Die in den E-Mails vom 18., 19.
und 25. August aufgeführten Aktivitäten des Beschwerdeführers erfolgten im unmittelbaren
Anschluss an diese Presseveröffentlichung und sind teilweise ausdrücklich hierauf bezogen.
Weitergehende sonstige Sachkenntnisse des Beschwerdeführers werden in den angegriffenen
Beschlüssen nicht dargelegt. Damit kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die
Kenntnis der erhobenen Vorwürfe und die daraufhin entwickelten Aktivitäten des
Beschwerdeführers als Tatsachen zu werten sind, aus denen sich der Verdacht einer aktiven
Beteiligung des Beschwerdeführers an möglichen Bestechungsdelikten gegenüber
mexikanischen Amtsträgern ableiten lässt.
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cc) Erst recht fehlt es an der Darlegung konkreter Anhaltspunkte für eine Beteiligung des
Beschwerdeführers an der Bestechung inländischer Amtsträger. Selbst wenn der bei der
Durchsuchung der Räumlichkeiten der H. GmbH am 21. Dezember 2010 aufgefundene, auf
Parteispenden bezogene E-Mail-Verkehr grundsätzlich geeignet wäre, einen entsprechenden
Anfangsverdacht zu begründen, fand dieser ohne Beteiligung des Beschwerdeführers zwischen
anderen Unternehmensangehörigen statt. Selbst eine Kenntnis des Beschwerdeführers von
diesem E-Mail-Verkehr wird in den angegriffenen Beschlüssen nicht aufgezeigt. Auch insofern
sind daher keine Tatsachen dargelegt, aus denen sich der Verdacht einer Beteiligung des
Beschwerdeführers an einem Bestechungsdelikt ergeben könnte.
29
dd) Da die Durchsuchung der Wohnräume des Beschwerdeführers aufgrund § 102 StPO
ausschließlich auf den Verdacht einer gemeinschaftlich begangenen Bestechung gemäß § 334,
§ 25 Abs. 2 StGB gestützt wurde, kann vorliegend sowohl dahinstehen, ob ein hinreichender
Anfangsverdacht hinsichtlich sonstiger Delikte in Betracht kam, als auch, ob eine Durchsuchung
der Wohnräume des Beschwerdeführers gemäß § 103 StPO hätte erfolgen können.
30
2. Der Beschluss des Landgerichts Stuttgart ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das
Landgericht Stuttgart zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
31
3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Gerhardt
Hermanns
Müller