Urteil des BVerfG vom 13.03.2014

BVerfG: verfassungsbeschwerde, kraftwerk, konkretisierung, betreiber, produktion, einfluss, vergütung, anforderung, verminderung, unterbrechung

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 3570/13 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der V… GmbH & Co. KG,
vertreten durch die V… GmbH,
diese vertreten durch die Geschäftsführer L…, S…, S… und W…
- Bevollmächtigte:
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH,
Gänsemarkt 45, 20354 Hamburg -
gegen § 13 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG)
in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Neuregelung
energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2012
(BGBl I S. 2730)
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Gaier,
Schluckebier,
Paulus
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.
August 1993 (BGBl I S. 1473) am 13. März 2014 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
1
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist § 13 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und
Gasversorgung (EnWG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Neuregelung
energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2012 (BGBl I S. 2730).
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1. Die Beschwerdeführerin stellt Papier, Karton und Pappe her. Zu ihrer Fabrik V. gehört ein
kraft-wärme-gekoppeltes Kraftwerk mit einer Feuerungswärmeleistung von insgesamt 283,7
Megawatt.
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Das Kraftwerk versetzt die Beschwerdeführerin in die Lage, den gesamten Eigenbedarf an Strom
und Wärme für ihre Produktion selbst zu erzeugen. Ihre Stromerzeugung erfolgt ausschließlich in
Abhängigkeit von der Dampferzeugung zur Deckung des Wärmebedarfs im Rahmen des
Produktionsprozesses („wärmegeführte Fahrweise“). Den verbleibenden Überschuss aus der
Stromerzeugung speist die Beschwerdeführerin in das Elektrizitätsversorgungsnetz mit einer
Spannung von 20 Kilovolt ein.
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Nach § 13 Abs. 1a EnWG sind insbesondere die Betreiber bestimmter Anlagen zur Erzeugung
von elektrischer Energie auf Anforderung durch die Betreiber von Übertragungsnetzen
verpflichtet, „ ... gegen angemessene Vergütung die Wirkleistungs- oder
Blindleistungseinspeisung anzupassen“. Durch das Dritte Gesetz zur Neuregelung
energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2012 (BGBl I S. 2730) wurde die
Leistungsgrenze zur Bestimmung der betroffenen Kraftwerke von 50 auf 10 Megawatt gesenkt
und das Mindesterfordernis der Anbindung an Elektrizitätsversorgungsnetze mit einer Spannung
von mindestens 110 Kilovolt gestrichen. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BTDrucks
17/11705, S. 50) hätten die Erfahrungen im Umgang mit Versorgungsengpässen gezeigt, dass
auch diese Kraftwerke mit geringerer Leistung entscheidenden Einfluss auf den Erhalt der
Systemstabilität haben könnten. Vor diesem Hintergrund erschienen eine Absenkung des
Schwellenwertes und damit eine Ausweitung des Kreises der potentiell Verpflichteten
zielführend.
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2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 14
Abs. 1 GG, auch in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG, hilfsweise von Art. 3 Abs. 1 GG.
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Da die Vorschrift jetzt auch das von ihr betriebene Kraftwerk erfasse, sei sie durch die
angegriffene Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Durch die Anordnung von
Maßnahmen nach § 13 Abs. 1a EnWG könne es zu erheblichen Produktionsausfällen kommen,
weil durch die wärmegeführte, nicht disponible Fahrweise der Anlage eine Erhöhung oder
Absenkung der Einspeiseleistung stets zu einer Verminderung oder gar Unterbrechung der
Produktion führe. Das Gesetz sei unverhältnismäßig und somit eine verfassungswidrige Inhalts-
und Schrankenbestimmung. Es verletze den Grundsatz des Vertrauensschutzes und den im
Rahmen von Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigenden Gleichheitsgrundsatz. Art. 3 Abs. 1 GG
werde verletzt, weil ihr nicht disponibles Kraftwerk mit disponiblen Kraftwerken gleichbehandelt
werde.
II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Sie erfüllt nicht die
Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG. Ihr kommt weder grundsätzliche
Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin
geboten. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg; sie ist nicht in einer den
Anforderungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG entsprechenden Weise
begründet.
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1. Die Beschwerdeführerin hat nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass sie durch die
angegriffene Norm gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist.
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Von einer gegenwärtigen Betroffenheit geht das Bundesverfassungsgericht zwar auch dann aus,
wenn klar abzusehen ist, dass und wie der Beschwerdeführer in der Zukunft von der Regelung
betroffen sein wird (vgl. BVerfGE 74, 297 <320>; 97, 157 <164>; 101, 54 <73 f.>). Eine solche
Absehbarkeit ergibt sich aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin aber nicht. Nach § 13 Abs. 1a
Satz 3 EnWG ist die Regulierungsbehörde unter anderem ermächtigt, nach § 29 Abs. 1 EnWG
Festlegungen zur Konkretisierung des Adressatenkreises nach § 13 Abs. 1a Satz 1 EnWG zu
treffen. Die Beschwerdeführerin hat nichts dazu vorgetragen, ob eine solche Konkretisierung
erfolgt ist und ob sie in diesem Fall weiterhin von der Regelung erfasst wird. Insbesondere
verhält sie sich nicht zu der Festlegung der Bundesnetzagentur vom 30. Oktober 2012 zur
Standardisierung vertraglicher Rahmenbedingungen für Eingriffsmöglichkeiten der
Übertragungsnetzbetreiber in die Fahrweise von Erzeugungsanlagen.
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2. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht dargelegt, dass sie durch die Vorschrift des § 13 Abs.
1a EnWG unmittelbar betroffen ist. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt
eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz dann nicht zu, wenn zu seiner
Durchführung noch ein besonderer Vollziehungsakt der Verwaltung erforderlich ist (vgl. BVerfGE
109, 279 <306>). Auch insoweit setzt sich die Beschwerdeführerin nicht mit der Frage
auseinander, welche Auswirkungen die Festlegung der Bundesnetzagentur für sie hat.
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3. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin auch nicht dargetan, dass sie den Rechtsweg
erschöpft hat. Soweit sie Adressatin der Festlegung der Bundesnetzagentur ist und durch diese
beschwert wird oder § 13 Abs. 1a Satz 3 EnWG drittschützende Wirkung zukommt, hätte sie die
entsprechenden Rechtsmittel in Anspruch nehmen können.
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4. Zweifelhaft ist zudem, ob die Beschwerdeführerin den Grundsatz der Subsidiarität der
Verfassungsbeschwerde beachtet hat. Es ist aus ihrem Vorbringen jedenfalls nicht ersichtlich, ob
sie mit der Bundesnetzagentur Kontakt aufgenommen hat, um unter Darlegung der besonderen
Umstände ihres nicht disponiblen Kraftwerks zu erreichen, dass sie - wenn dies nicht bereits der
Fall sein sollte - aus dem Adressatenkreis des § 13 Abs. 1a EnWG ausgenommen wird.
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5. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer
Grundrechtsverletzung hinreichend deutlich gemacht hat (vgl. zu diesem Maßstab BVerfGE 108,
370 <386 f.> m.w.N.).
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Gaier
Schluckebier
Paulus