Urteil des BSG vom 12.11.2015

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BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 12.11.2015, B 14 AS 23/14 R
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1 Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung
eines anteiligen Mehrbedarfs für Alleinerziehende.
2 Der 1950 geborene, auf der Insel F. lebende, seit dem 1.1.2005 Leistungen nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beziehende Kläger ist der Vater der 2003 geborenen
K. W., die nach einer Vereinbarung der getrennt lebenden, die elterliche Sorge gemeinsam
ausübenden Eltern bis zum Beginn der Schulzeit zu 60 % von der Mutter in B.
3 und zu 40 % vom Kläger an dessen Wohnort betreut werden sollte. Die Mutter erhielt
Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen, jedoch keine Leistungen nach dem SGB II. Im
hier zuletzt noch streitbefangenen Zeitraum von Mai bis Oktober 2008 hielt sich die Tochter
vom 2.5.2008 bis 17.5.2008, vom 13.7.2008 bis 31.8.2008 und vom 17.10.2008 bis
31.10.2008 (insgesamt 81 Tage, rund 44 % des streitbefangenen Bewilligungszeitraums von
184 Tagen) beim Kläger auf.
4 Das beklagte Jobcenter bewilligte dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 812 Euro bzw 816 Euro
monatlich (Regelleistung in Höhe von 347 Euro vom 1.5. bis zum 30.6.2008 bzw von 351
Euro vom 1.7. bis 31.10.2008 sowie Kosten für Unterkunft und Heizung unter
Berücksichtigung eines Zwei-Personen-Haushalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen
von 465 Euro), jedoch ohne anteiligen Mehrbedarf für Alleinerziehende und ohne anteiliges
Sozialgeld für die Tochter (Bescheid vom 18.4.2008, zuletzt ersetzt durch Bescheid vom
6.8.2008; Widerspruchsbescheid vom 3.9.2008).
5 Das Sozialgericht (SG) hat die von Kläger und Tochter zunächst als Untätigkeitsklage
erhobene und im Weiteren als Anfechtungs- und Leistungsklage fortgeführte Klage mit dem
Ziel der Gewährung von 40 % des Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 21 Abs 3 SGB II
sowie von anteiligem Sozialgeld für die Tochter in Höhe von monatlich 84,40 Euro jeweils
rückwirkend ab dem 1.1.2005 abgewiesen (Urteil vom 15.9.2011). Das Landessozialgericht
(LSG) hat das Urteil geändert und den Beklagten verurteilt, der Tochter für die Dauer des
Aufenthalts beim Kläger Sozialgeld in Höhe von täglich 6,93 Euro für die Zeit bis zum
30.6.2008 und in Höhe von 7,03 Euro für die Zeit bis zum 31.10.2008 zu zahlen; im Übrigen
hinsichtlich der Gewährung von 40 % des Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung hat es die
Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 17.1.2014). Zur Begründung hat es bezogen auf den
Mehrbedarf ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende.
Nur eine nachhaltige Entlastung in Form eines praktizierten paritätischen Wechselmodells
rechtfertige - in Abweichung vom "Alles-oder-Nichts-Prinzip" - einen hälftigen Mehrbedarf für
Alleinerziehende. Das könne nur angenommen werden, wenn der andere Elternteil bei
monatlicher Betrachtung die Betreuung mindestens für die Hälfte des Monats und in größeren,
mindestens eine Woche umfassenden Intervallen sicherstelle. Eine solche paritätische
Aufteilung lasse sich hier nicht feststellen, und zwar auch nicht im Hinblick auf die Übernahme
der Ferienbetreuung, da sie lediglich eine punktuelle Entlastung der erwerbstätigen
Kindesmutter bewirkt habe.
6 Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 21 Abs 3 SGB
II. Ihm stehe der Mehrbedarf wegen Alleinerziehung für jeden Tag zu, an dem er seine Tochter
allein betreut habe. Damit seien die höheren Kosten auszugleichen, die typischerweise bei
der alleinigen Pflege und Erziehung eines Kindes entstünden. Die hiervon abweichende
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei mit Sinn und Zweck der Regelung nicht
zu vereinbaren. Zudem werde der andere Elternteil an Tagen, an denen sich das Kind nicht
bei ihm aufhalte, gerade vollständig entlastet. Nicht nachvollziehbar sei auch die
wochenweise Betrachtungsweise.
7 Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 und des
Sozialgerichts Lübeck vom 15. September 2011 zu ändern und den Beklagten unter
Änderung seines Bescheids vom 6. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 3. September 2008 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 2. bis zum 17. Mai 2008, vom 13.
Juli bis zum 31. August 2008 sowie vom 17. bis zum 31. Oktober 2008 unter Berücksichtigung
des Alleinerziehendenmehrbedarfs höhere Leistungen nach dem SGB II zu zahlen.
8 Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
9 Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ).
Zutreffend hat das LSG entschieden, dass dem Kläger im streitbefangenen Zeitraum ein
Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II (auch) unter Berücksichtigung des
Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nicht zusteht.
10 1. Gegenstand des Verfahrens ist nach der Rücknahme der Revision der Tochter des
Klägers neben den angefochtenen Entscheidungen nur noch der Anspruch des Klägers auf
höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.5. bis 31.10.2008,
als sie der Beklagte mit dem letzten den ursprünglichen Ausgangsbescheid vom 18.4.2008
ersetzenden Bescheid vom 6.8.2008 sowie des Widerspruchsbescheids vom 3.9.2008
verfügt und damit zugleich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung
abgelehnt hat. Streitig sind auch nur (noch) die Regelleistungen einschließlich der
Mehrbedarfe für den Kläger. Leistungen für Unterkunft und Heizung, die im Übrigen einen
abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R -
SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - BSGE 116, 254 =
SozR 4-4200 § 7 Nr 38; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr
19, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen) und die der Beklagte bezogen auf einen
Zwei-Personen-Haushalt bewilligt hat, macht der Kläger nicht geltend. Leistungen für
Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
(BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr
11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7,
RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff)
und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden.
11 2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht.
Insbesondere ist die vor dem SG zunächst erhobene Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) wirksam
in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG)
geändert worden (§ 99 Abs 1 und 2 SGG) und als solche zulässig. Ebenso lag der Wert des
Beschwerdegegenstands bei Einlegung der Berufung ausgehend von den dabei
angekündigten Anträgen oberhalb der Grenze von 750 Euro (40 % des Mehrbedarfs für
Alleinerziehende sowie 40 % des Anspruchs auf Sozialgeld für Januar 2005 bis Oktober
2008) und war die Berufung deshalb statthaft, ohne dass es insoweit auf die Zulässigkeit der
Anträge ankam (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG).
12 3. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass dem Kläger im streitigen Zeitraum auch unter
Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 21 Abs 3 SGB II (idF des
Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I
2954) kein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II zusteht.
13 Nach den für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des Berufungsgerichts
erfüllte der Kläger zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 Satz 1
SGB II iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen
am Arbeitsmarkt). Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15.
Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und
hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
haben. Als Regelleistung ist dabei zutreffend ein Betrag in Höhe von 347 Euro bzw von 351
Euro bewilligt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende war jedoch nicht zu
berücksichtigen, weil der Kläger seine Tochter über die gesamte Dauer des hier
streitbefangenen Bewilligungsabschnitts (dazu unter d) weder überwiegend allein noch mit
einem etwa hälftigen Anteil im Sinne des so genannten Wechselmodells im
familienrechtlichen Sinne (dazu unter b) betreut hat.
14 a) Anspruch auf Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr
1 Alt 1 SGB II besteht in Höhe von 36 % der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden
Regelleistung ua für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und
allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren
zusammenleben. Eine in diesem Sinne "alleinige Sorge für deren Pflege und Erziehung"
liegt nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende
zuständigen Senate des BSG grundsätzlich ausschließlich dann vor, wenn der
hilfebedürftige Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner
oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von
einer nachhaltigen Entlastung auszugehen. Entscheidend ist danach, ob eine andere
Person in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung mitwirkt (vgl BSG Urteil vom
3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 19; BSG Urteil
vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 15; BSG
Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - juris RdNr 15; BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS
26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 12). Bezug genommen ist damit auf
die besondere Bedarfssituation Alleinerziehender, die dadurch geprägt ist, dass bei diesem
Personenkreis - in gleicher Weise wie bei den weiteren von § 21 SGB II erfassten
Hilfebedürftigen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) -
besondere Lebensumstände vorliegen, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu
bejahen ist (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21
Nr 5, RdNr 15).
15 b) Abweichend hiervon kann ein - dann hälftiger - Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach
der Rechtsprechung des BSG ausnahmsweise ebenfalls anzuerkennen sein, wenn sich
getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in
größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die
anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE
102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R -
BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16; BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14
R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 12). In dieser Konstellation ist es weder
angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu versagen
noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Das BSG hat
deshalb für diese Gestaltung der hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung die
Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch reduziert und den Mehrbedarf auf die Hälfte
der ausdrücklich geregelten Leistung begrenzt (BSG ebenda).
16 Damit ist für das Grundsicherungsrecht der familienrechtlichen Wertung Rechnung getragen,
wonach insbesondere beim Anspruch auf den Barunterhalt ausnahmsweise dann nicht
zwischen einem (überwiegend) betreuenden und einem (überwiegend) auf die Ausübung
des Umgangsrechts beschränkten Elternteil zu unterscheiden ist, wenn ein Kind in etwa
gleichlangen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt
(so genanntes Wechselmodell, hierauf verweisend BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07
R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS
26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 14; vgl dazu nur Bundesgerichtshof
Urteil vom 21.12.2005 - XII ZR 126/03 - NJW 2006, 2258 RdNr 9; BGH Urteil vom
28.2.2007 - XII ZR 161/04 - NJW 2007, 1882, 1883, RdNr 16 f; zuletzt etwa BGH Beschluss
vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331, 333 RdNr 20 ff; Kinderrechtskommission
des Deutschen Familiengerichtstags e.V., Das Wechselmodell im deutschen Familienrecht,
FamRZ 2014, 1157; Harich, jurisPR-SozR 20/2015 Anm 2).
17 c) Für eine anteilige Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung auch bei
anderen, von einer in etwa hälftigen Aufteilung der Pflege- und Erziehungsanteile
abweichenden Gestaltungen, wie von der Revision geltend gemacht, ist dagegen kein
Raum. Das hat bereits der 4. Senat des BSG entschieden und eingehend begründet (BSG
Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 13 ff);
dem schließt sich der erkennende Senat an. Die Rechtsprechung zum hälftigen Mehrbedarf
wegen Alleinerziehung ist lediglich solchen Konstellationen geschuldet, bei denen sich -
ähnlich der Sachlage insbesondere beim Barunterhalt (vgl zuletzt etwa BGH Beschluss vom
5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331, 333 RdNr 20 ff) - bei einer annähernd gleichen
Verteilung der Pflege- und Erziehungsverantwortung zwischen den Elternteilen nicht
feststellen lässt, wer iS von § 21 Abs 3 Halbsatz 1 SGB II "allein" die Sorge für Pflege und
Erziehung trägt, und somit eine Zuordnung des Mehrbedarfs ausschließlich zu einem
Elternteil nicht gerechtfertigt erschiene. Bei allen anderen Gestaltungen gebietet dagegen
schon der Wortlaut, wie im Familienrecht typisierend nur einen Elternteil als "allein"
erziehend anzusehen, nämlich denjenigen, bei dem die Hauptverantwortung für die
Betreuung des oder der minderjährigen Kinder liegt (und der dabei keine rechtlich
wesentliche Entlastung durch andere im Haushalt lebende Personen erfährt
Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - juris RdNr 17 ff>).
18 d) Das schließt es ebenfalls aus, den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung - wie der Kläger
möglicherweise meinen könnte - in Anlehnung an das ansonsten für die
Leistungsbemessung im SGB II maßgebende Monatsprinzip (vgl dazu nur BSG Urteil vom
9.4.2014 - B 14 AS 23/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 75 RdNr 27 mwN sowie BSG Urteil vom
28.10.2014 - B 14 AS 36/13 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 7, auch vorgesehen für BSGE, RdNr
25; jeweils mwN) ausgerichtet an der Dauer des tatsächlichen Aufenthalts des Kindes bei
einem der Elternteile monatsweise zu bestimmen. Mit dem Merkmal der alleinigen Sorge
("allein für deren Pflege und Erziehung sorgen") ist die Anerkennung des Mehrbedarfs
wegen Alleinerziehung nicht an einen besonderen zeitlichen Umfang der Kinderbetreuung
geknüpft, sondern daran ausgerichtet, ob die Verantwortung für die dem Kindeswohl gerecht
werdende Versorgung allein bei einer Person liegt. Dem entsprechend hat das BSG bereits
entschieden, dass der Besuch eines Kindergartens oder anderer Betreuungseinrichtungen
der Annahme einer Alleinerziehung nicht entgegensteht (BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS
167/11 R - juris RdNr 17). Ebenso hat es betont, dass Entlastungen durch Dritte den
Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nur entfallen lassen, wenn sie regelmäßig und
kontinuierlich erfolgen (ebenda), und dass dem die Hauptverantwortung für Pflege und
Erziehung tragenden Elternteil auch während der Abwesenheit des Kindes zahlreiche
Aufgaben, Belastungen und Kosten verbleiben, die damit zusammenhängen, dass das Kind
seinen Lebensmittelpunkt dort hat (BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-
4200 § 21 Nr 20 RdNr 15).
19 Demgemäß kommt der zeitlichen Komponente in etwa gleich langer zeitlicher
Betreuungsphasen nach der Rechtsprechung von BSG und BGH zwar eine wesentliche
Indizwirkung für das Vorliegen eines Wechselmodells im dargelegten Sinne zu (BSG Urteil
vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 14; zum
Familienrecht vgl nur BGH Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13 - NJW 2014, 1958,
1961 RdNr 30 mwN). Bedeutung hat das aber nur für die dahinter liegende Frage, ob die
Eltern die Kindessorge dem Schwerpunkt nach einem Elternteil zugeordnet oder etwa hälftig
unter sich aufgeteilt haben. Ungeachtet der monatsweisen Bemessung des Alg II-Anspruchs
(vgl nur BSG Urteil vom 9.4.2014 - B 14 AS 23/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 75 RdNr 27
mwN) entzieht sich das einer monatsweisen Betrachtung. Schon familienrechtlich bedarf die
Verteilung der Erziehungsverantwortung klarer, regelmäßig auf längere Zeiträume
angelegter Absprachen und Zuordnungen. Nur daran und nicht an die von möglicherweise
zufälligen Schwankungen abhängige Verteilung der tatsächlichen Aufenthaltszeiten knüpft
die Mehrbedarfsregelung des § 21 Abs 3 SGB II mit der Wertung an, dass die hauptsächlich
für die Pflege und Erziehung zuständigen Elternteile typischerweise einem besonderen
Aufwand ausgesetzt sind, der aus dem Regelbedarf allein nicht zu decken und deshalb
durch den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung auszugleichen ist (vgl dazu zuletzt BSG Urteil
vom 11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 16).
20 e) Dass hieran gemessen die Sorge für die gemeinsame Tochter derart hälftig zwischen dem
Kläger und der Kindsmutter aufgeteilt gewesen wäre, dass nicht zu bestimmen sein könnte,
welcher von beiden Elternteilen iS von § 21 Abs 3 Halbsatz 1 SGB II die "alleinige" Sorge
getragen hat, kann nicht festgestellt werden. Dass die Kindsmutter und er ausdrücklich ein
Wechselmodell im Sinne der Rechtsprechung des BGH vereinbart hätten, macht der Kläger
selbst nicht geltend. Nach der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb
bindenden (§ 163 SGG) Feststellung des LSG war zwischen den Elternteilen vielmehr eine
Aufteilung der Aufenthaltszeiten im Verhältnis von 60 % zu 40 % vereinbart. Davon weicht
die Wahrnehmung des Umgangsrechts auch im hier streitbefangenen Bewilligungsabschnitt
mit einem Aufenthaltsanteil der Tochter beim Kläger von rund 44 % bereits zahlenmäßig
nicht in einer Weise ab, dass diese Absprache als überholt anzusehen wäre (vgl zur
vergleichbaren Quote von 43 % BGH Beschluss vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015,
331, 333 RdNr 24 f). Zudem hat dazu als Sonderfaktor ein sechswöchiger Aufenthalt
offenkundig während der Sommerferien beigetragen, der keinen Rückschluss darauf zulässt,
dass die Kindsmutter entgegen der mit dem Kläger getroffenen Absprache die Rolle als
Hauptverantwortliche für die Pflege und Erziehung der Tochter verloren haben könnte.
21 f) Unter dieser Voraussetzung ist es ohne Bedeutung, ob die Betreuung seiner Tochter
während der vom LSG festgestellten Aufenthaltszeiten bei dem Kläger allein ihm oblag oder
ob er dabei zusätzlich Unterstützung von der Kindsmutter erfahren hat. Anderes ist auch den
Ausführungen der Grundsicherungssenate zur Bedeutung der Betreuungszeit für den
Tatbestand von § 21 Abs 3 Halbsatz 1 SGB II nicht zu entnehmen. Soweit danach darauf
abgestellt wird, ob der hilfebedürftige Elternteil entweder "während der Betreuungszeit von
dem anderen Elternteil oder Partner in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von
einer nachhaltigen Entlastung auszugehen oder ob eine derartige Entlastung innerhalb des
Zeitraums, den das Kind sich bei dem anderen Elternteil aufhält, eintritt" (vgl BSG Urteil vom
3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 19; ähnlich BSG
Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - juris RdNr 14 sowie BSG Urteil vom 11.2.2015 - B
4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20 RdNr 12), so kommt dem keine
konstituierende Wirkung für das Merkmal der Alleinerziehung zu. Andernfalls hätte der 4.
Senat des BSG nicht jüngst ausgesprochen, dass die anteilige Zuerkennung des
Mehrbedarfs für Alleinerziehende nicht in Betracht kommt, wenn sich die Eltern die Pflege
und Erziehung des gemeinsamen Kindes nicht in etwa hälftig teilen (BSG Urteil vom
11.2.2015 - B 4 AS 26/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 20). Vielmehr betrifft der Umstand einer
etwaigen Entlastung durch den anderen Elternteil während der Betreuungszeit
ausschließlich die Frage, ob einem wegen seiner überwiegenden Erziehungs- und
Pflegeverantwortung grundsätzlich als alleinerziehend anzusehenden Elternteil deshalb
kein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung zusteht, weil deren Folgen durch die Unterstützung
Dritter wesentlich gemildert sind (vgl etwa BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R -
juris RdNr 18). Hierauf kommt es hier indessen nicht an, nachdem der Kläger wie dargelegt
im streitbefangenen Zeitraum nicht über einen längeren Zeitraum hinweg mit einem
mindestens hälftigen Betreuungsanteil an der Versorgung seiner Tochter beteiligt war.
22 g) Zuletzt ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger aus sonstigen Gründen
von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste, weitere Bedarfe hat,
die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Mit seinem Vorbringen,
es fielen Kosten für die Ernährung der Tochter, für gemeinsame Freizeitveranstaltungen, für
die vermehrte Nutzung der Waschmaschine, für erhöhten Strom- und Wasserverbrauch und
Haushaltskosten einschließlich Geschirrschäden sowie für den Erwerb von Kleidung an,
macht er nur Ausgaben geltend, die unabhängig von der Anzahl der Betreuungspersonen
entstehen und bereits durch das vom Beklagten anteilig anerkannte Sozialgeld für die
Tochter bzw die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für
zwei Personen abgegolten sind (vgl auch zur notwendigen Konkretisierung eines
Härtemehrbedarfsanspruchs BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 =
SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 32).
23 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.