Urteil des BSG vom 27.04.2016

Sozialgerichtliches Verfahren - Anforderungen an Revisionsbegründung - Anfrage an 5. Senat des BSG wegen Festhaltung an ursprünglicher Rechtsprechung - Rentenversicherung - Versicherungspflicht bzw -freiheit - Synchronsprecher - unständige Beschäftigung

BUNDESSOZIALGERICHT Beschluß vom 27.4.2016, B 12 KR 17/14 R
Sozialgerichtliches Verfahren - Anforderungen an Revisionsbegründung - Anfrage an 5. Senat des
BSG wegen Festhaltung an ursprünglicher Rechtsprechung - Rentenversicherung -
Versicherungspflicht bzw -freiheit - Synchronsprecher - unständige Beschäftigung
Tenor
Bei dem 5. Senat des Bundessozialgerichts wird angefragt, ob dieser an seiner Rechtsprechung festhält, dass die
formgerechte Begründung einer Revision iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG in Bezug auf die Darstellung des
entscheidungserheblichen Sachverhalts
a) die ausdrückliche Angabe erfordert, dass es sich bei den vom Revisionsführer angeführten tatsächlichen
Umständen um den Sachverhalt handelt, den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat, und "an welcher
genauen Stelle" er dem Berufungsurteil die von ihm genannten Tatumstände entnehmen möchte (Beschluss vom
5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7),
b) es erfordert, das Bundessozialgericht in die Lage zu versetzen, "ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten
allein anhand der Revisionsbegründung zu prüfen, ob die im Streit stehenden revisiblen Rechtsvorschriften auf den
festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewendet worden sind" (Beschluss vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14
R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7; vgl auch Beschluss vom
22.7.2015 - B 5 R 16/15 R - BeckRS 2015, 70865 RdNr 8 f).
Gründe
1
I. Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Synchronsprecherin als Beschäftigte
versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) war, sowie, ob sie insoweit als "unständig"
Beschäftigte zu qualifizieren ist. Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Krankenkasse und war ua zwischen dem 8.2.2008
und dem 26.5.2008 an zehn nicht zusammenhängenden Einzeltagen bei den Beigeladenen zu 4., 5. und 6. (=
Synchronisations-unternehmen) als Synchronsprecherin tätig. Die Künstlersozialkasse (Beigeladene zu 7.) stellte eine
Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 KSVG erstmals ab 13.5.2009 fest. Den Antrag der Klägerin, für die genannten
Tage ihre "Versicherungspflicht als unständig Beschäftigter festzustellen" lehnte die Beklagte ab und wies ihre
Widersprüche zurück
(drei Bescheide vom 8.9.2008; Widerspruchsbescheid vom 3.3.2009)
.
2
Das SG hat die auf Feststellung der Versicherungspflicht an den og Tagen als unständig Beschäftigte gerichtete Klage
abgewiesen
(Urteil vom 12.9.2012)
. Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG sowie die angegriffenen
Bescheide der Beklagten geändert und festgestellt, dass die Klägerin aufgrund ihrer an den og Tagen für die Beigeladenen
zu 4. bis 6. jeweils ausgeübten Tätigkeit der Versicherungspflicht in der GRV unterlegen habe und beitragsrechtlich als
unständig Beschäftigte zu behandeln sei: Für die Beurteilung der Versicherungspflicht komme es vorliegend immer nur auf
die einzelnen Einsatztage an. Die Klägerin sei in den Betrieb der Synchronisationsunternehmen eingegliedert gewesen, da
sie in deren Räumen und mit deren Betriebs- und Produktionsmitteln gearbeitet habe, zeitlich in deren Arbeitsabläufe
eingebunden und organisatorisch auf die Zusammenarbeit mit Regisseur, Cutter und Tonmeister angewiesen gewesen sei.
Während der Einsätze habe sie insoweit Weisungen und inhaltlicher Kontrolle unterlegen. Künstlerische Gesichtspunkte
sowie die Kunstfreiheit der Produktionsfirmen stünden dem nicht entgegen. Ein Unternehmerrisiko habe die Klägerin nicht
getragen. Dass die Einsätze auf einzelne Tage beschränkt gewesen seien, habe für die Statusabgrenzung zwischen
Beschäftigung und Selbstständigkeit keine Bedeutung. Eine "geringfügige" Beschäftigung unter dem Blickwinkel der
Entgeltgeringfügigkeit habe nicht vorgelegen. Die Berufung der Klägerin sei auch im Übrigen begründet, weil die
Regelungen über "unständige" Beschäftigung hier zu ihren Gunsten zur Anwendung kämen, weil die dafür erforderliche
"berufsmäßige" Ausübung der Beschäftigung gegeben sei, die erfordere, dass sie Beschäftigung den zeitlichen und
wirtschaftlichen Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit gebildet habe. In ihrem Falle habe bei einer auf das Kalenderjahr
bezogenen retrospektiven Betrachtung der Schwerpunkt im Bereich der Beschäftigungen als Synchronsprecherin
gelegen, weil die Summe der hieraus erzielten Einkünfte die weiteren Einnahmen bei Weitem überstiegen hätten
(Urteil
vom 14.5.2014).
3
Hiergegen richtet sich (nur noch) die Revision der Beklagten, nachdem die Beigeladene zu 6. ihre ebenfalls eingelegte
Revision in der mündlichen Verhandlung bei dem Senat zurückgenommen hat. Die Beklagte rügt eine Verletzung von § 1 S
1 Nr 1 SGB VI, § 7 Abs 1 SGB IV und § 163 Abs 1 SGB VI. Das LSG lasse bei seiner Annahme einer hier vorliegenden
Beschäftigung außer Acht, dass sich verschiedene Umstände, die es als Beleg einer Eingliederung der Klägerin in den
Betrieb der Beigeladenen zu 4. bis 6. interpretiert habe, bereits aus den vertraglichen Vereinbarungen ergäben und daher
nicht Ausfluss eines einseitigen Direktions- oder Weisungsrechts seien. Künstlerisch-fachliche Vorgaben stünden nach der
Rechtsprechung des BSG einer Einordnung als selbstständige Tätigkeit nicht entgegen
(Hinweis auf BSGE 83, 246, 253 =
SozR 3-5425 § 1 Nr 5)
. Gegen eine Eingliederung spreche hier, dass mangels Rahmenvertrag hier lediglich einzelne
projektbezogene Absprachen bestünden. Ausgehend von dem Rundschreiben der Spitzenverbände der
Sozialversicherungsträger vom 30.9.2005, das die Rechtsprechung des BFH aufgenommen habe, sei auch für den
sozialversicherungsrechtlichen Status darauf abzustellen, an wie vielen Tagen ein Synchronsprecher tätig werde bzw ob
ein Rahmenvertrag vorliege. Bezüglich des Merkmals "Unternehmerrisiko" habe das LSG nicht hinreichend berücksichtigt,
dass die Klägerin bei Arbeitsausfall - etwa im Falle der Krankheit oder bei Entfallen des Einsatzes aus Gründen aus der
Sphäre der Synchronfirma - kein Entgelt erhalten habe. Ohnehin seien die geschlossenen Verträge als Werk- und nicht als
Dienstverträge zu qualifizieren. Deshalb habe das LSG zu Unrecht auch eine "unständige" Beschäftigung angenommen.
Selbst wenn man aber "Beschäftigung" statt "Selbstständigkeit" unterstellte, müsste entgegen dem LSG von einem die
Anwendung des § 163 SGB VI ausschließenden Dauerrechtsverhältnis ausgegangen werden. Die Wirksamkeit der
Befristung auf einen Tag erfordere nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) nämlich die Einhaltung von
Schriftform, an der es hier fehle, sodass auch von daher ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis zustande gekommen
sei.
4
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Mai 2014 aufzuheben und die Berufung der Klägerin
gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. September 2012 zurückzuweisen.
5
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
6
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
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Die Beigeladene zu 6. ist der Auffassung, Synchronsprecher übten entgegen der Beurteilung des LSG eine
programmgestaltende Tätigkeit aus; die Tätigkeit der Synchronisation von Filmen sei nach Art 5 Abs 1 S 2 sowie Abs 3 GG
geschützt.
8
Die übrigen Beigeladenen haben weder Stellung genommen noch Anträge gestellt.
9
II. Der Senat ist an einer Entscheidung in der Sache gehindert, weil der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif ist.
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Der Senat würde nach dem Ergebnis seiner auf die mündliche Verhandlung erfolgten Beratung in seinem späteren Urteil in
entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG zu den im Tenor des Beschlusses
genannten Rechtsfragen, die die Anforderungen an eine formgerechte Revisionsbegründung iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG
betreffen, abweichen. Daher muss bei dem 5. Senat angefragt werden, ob dieser an seiner Rechtsprechung festhält, von
der der erkennende 12. Senat abweichen will
(§ 41 Abs 2, Abs 3 S 1 SGG)
.
11
Die Revision der beklagten Krankenkasse ist unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des erkennenden 12. Senats
(noch) zulässig
(dazu im Folgenden 1. bis 4.)
. Bei Anwendung seiner Rechtsauffassung würde der Senat von der
Rechtsprechung des 5. Senats des BSG abweichen
(dazu 5.)
. Die Divergenz wäre auch entscheidungserheblich, da die
Revision der Beklagten in der Sache - zumindest im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und
Zurückverweisung der Sache an das LSG
(§ 170 Abs 2 SGG) -
erfolgreich sein müsste, sodass das (nur noch) von der
Beklagten angefochtene LSG-Urteil im Ergebnis auch nicht aus anderen rechtlichen Gründen - dh unabhängig von der
Klärung der Divergenz zwischen dem 12. und 5. Senat des BSG - Bestand haben könnte
(dazu 6.)
.
12
1. Gemäß § 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG ist eine Revision fristgerecht und unter Einhaltung bestimmter Mindesterfordernisse
zu begründen: Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit
Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. In der Revisionsbegründung muss
nach ständiger Rechtsprechung
(vgl nur: BSG SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 12 S 22; BSG
SozR 1500 § 164 Nr 12 und Urteil des Senats vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - Juris RdNr 10, jeweils mwN)
im Falle
der Rüge der Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts sorgfältig sowie nach Umfang und Zweck zweifelsfrei
dargelegt werden, weshalb diese Vorschrift im angefochtenen Urteil nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Dabei
darf die Revisionsbegründung nicht nur die eigene Meinung wiedergeben, sondern muss sich - zumindest kurz - mit den
Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen sowie erkennen lassen, dass sich der
Revisionsführer mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der dort
angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist
(vgl hierzu zB Urteil des Senats vom 21.9.2005 - B 12 KR 1/05 R
- USK 2005-27, mwN)
. Insbesondere bedarf es der Darlegung des Revisionsführers, in welchen Punkten und aus welchen
Gründen die angefochtene Entscheidung angegriffen wird
(BSG SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 11 mwN)
.
13
2. Um den gesetzlichen Mindesterfordernissen gerecht zu werden, ist es nach der Rechtsprechung des 12. Senats zu §
164 Abs 2 SGG im Falle der - im vorliegenden Revisionsverfahren von der Beklagten erhobenen - Rüge der Verletzung
materiellen Rechts erforderlich, neben der Angabe der durch das LSG vermeintlich verletzten (zumindest sinngemäß
hinreichend klar bezeichneten) Norm in den Blick zu nehmen, dass die eigentliche Rechtsverletzung das Ergebnis der
Anwendung einer fehlerhaft ausgelegten Norm auf den zugrunde liegenden Sachverhalt ist; denn erst das Ergebnis eines
Subsumtionsschlusses kann Rechte des in der Vorinstanz unterlegenen Beteiligten "verletzen"
(vgl Urteil des Senats vom
23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - Juris RdNr 11)
. Deshalb sind in der Revisionsbegründung sowohl Ausführungen zum
rechtlichen Obersatz erforderlich als auch zu den Tatsachen, auf die dieser Obersatz anzuwenden ist. Die
Revisionsbegründung muss aus diesem Grunde insbesondere auch den wesentlichen Lebenssachverhalt darstellen, über
den das LSG entschieden hat.
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3. Ausgehend von Sinn und Zweck des Formerfordernisses
(dazu sogleich)
genügt es nach dem Verständnis des Senats
insoweit, dass der Revisionsführer den für die geltend gemachte Rechtsverletzung entscheidungsrelevanten, also den
maßgebenden vom LSG festgestellten Lebenssachverhalt in eigenen Worten kurz wiedergibt
(ebenso bereits BSG <13.
Senat> Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - zitiert nach BSG-Terminbericht Nr 6/16 vom 25.2.2016 zu Fall 1)
.
Weitergehende Anforderungen in Bezug auf die Sachverhaltsdarstellung sind an den Inhalt der Revisionsbegründung
nicht zu stellen. Das Formerfordernis nach § 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG soll im Interesse der Entlastung des
Revisionsgerichts sicherstellen, dass der Revisionsführer bzw sein Prozessbevollmächtigter das angefochtene Urteil im
Hinblick auf einen Erfolg des Rechtsmittels überprüft und hierzu die Rechtslage genau durchdacht hat, bevor er durch
seine Unterschrift die volle Verantwortung für die Revision übernimmt, und so ggf von der Durchführung aussichtsloser
Revisionen absieht
(BSG SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 11 mwN)
. Von der dazu notwendigen Durchdringung der Sach-
und Rechtslage kann (erst dann) nicht mehr ausgegangen werden, wenn anhand der Revisionsbegründung nicht
erkennbar wird, dass der Revisionsführer auch die - ohne zulässige Verfahrensrügen für das BSG bindenden
(§ 163 SGG)
-
tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils erfasst und seinen rechtlichen Erwägungen zugrunde gelegt hat.
15
4. Eine solche - auch nach Auffassung des erkennenden 12. Senats - zur Unzulässigkeit der Revision führende
Konstellation ist vorliegend nicht gegeben.
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Der Revisionsbegründung der Beklagten vom 12.1.2015 fehlt zwar vorab eine geschlossene Darstellung des Streitstoffes
und der Entscheidung des LSG als Ganzes, ihre Begründung entspricht aber gleichwohl (noch) den gesetzlichen
Anforderungen: Die Beklagte macht ausdrücklich die Verletzung von § 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 7 Abs 1 SGB IV und § 163 Abs
1 SGB VI geltend und kennzeichnet dazu vorab knapp den Streitgegenstand. Sie referiert sodann bezogen auf die
Revisionsrügen jeweils den Kern der Begründung des LSG und stellt dabei - soweit sie zu Einzelpunkten eine vom LSG
abweichende Ansicht vertritt - ausgehend von dessen Feststellungen zu der von der Klägerin für die Beigeladenen zu 4.
bis 6. verrichteten Tätigkeit (teilweise sogar unter Angabe der Seitenzahlen des Urteils) darauf aufbauende zentrale
Erwägungen des LSG dar. Dabei wird für den Senat - auch ohne dass eine geschlossene, ganz präzise Darstellung des
vom LSG festgestellten Sachverhalts in dessen Worten erfolgt - aus dem Text hinreichend deutlich, welches einerseits die
Feststellungen des LSG sind, und in Bezug worauf die Beklagte andererseits eine rechtliche Würdigung befürwortet, die
von der von ihr beanstandeten Würdigung des Berufungsgerichts abweicht. Dass die Beklagte dabei zum Teil
unzulässigerweise mit neuem, im Revisionsverfahren unerheblichem Tatsachenvorbringen operiert
(vgl § 163 SGG)
, ist
insoweit unschädlich; denn schon aus der Art des Vorbringens der Beklagten selbst ist ohne Weiteres erkennbar, welche
Umstände sie in das Verfahren einführt, die nicht auch durch entsprechende Feststellungen im Urteil des LSG gedeckt
sind, sondern von ihr selbst (revisionsrechtlich unzulässig) "zwanglos" in eigener Würdigung des Sachverhalts aus dem
Inhalt eines Sitzungsprotokolls hergeleitet werden. Über alles gesehen erfüllt die Beklagte damit nach dem Verständnis des
Senats (noch) die Darlegungsanforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG. Es liegt kein Fall vor, in dem nur einzelne
Sachverhaltselemente und Feststellungen des LSG in der Revisionsbegründung punktuell angesprochen bzw im
Zusammenhang mit eigenen pointiert vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Wertungen sowie Mutmaßungen des
Revisionsführers behandelt und mit nicht berücksichtigungsfähigem neuem Tatsachenvorbringen vermischt werden
(vgl
dazu Senatsurteil vom 24.3.2016 - B 12 R 5/15 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, s BSG-Terminbericht Nr
12/16 vom 25.2.2016 zu Fall 2)
. Die Revision wäre daher in Bezug auf die gerügte Verletzung materiellen Rechts nach
Ansicht des 12. Senats zulässig.
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5. Der erkennende 12. Senat sieht sich indessen daran gehindert, seine Rechtsprechung im vorstehend dargestellten
Sinne heranzuziehen, weil er dann von der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG in entscheidungserheblicher Weise
abweichen würde. Denn die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung wären unter Zugrundelegung
der Maßstäbe aus der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG
(dazu im Folgenden a)
offensichtlich nicht erfüllt
(dazu b)
,
dh, der 12. Senat würde von der genannten Rechtsprechung im Grundsätzlichen abweichen. Die Erwägungen des 5.
Senats überzeugen den 12. Senat nicht
(dazu c)
. Die Divergenz wäre auch entscheidungserheblich, da die Revision der
Beklagten in der Sache - zumindest teilweise - erfolgreich sein müsste
(dazu im Einzelnen unten 6.)
.
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a) Der 5. Senat des BSG verlangt in seiner Rechtsprechung, dass die formgerechte Begründung einer Revision iS von §
164 Abs 2 S 3 SGG in Bezug auf die Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts im Rahmen der Rüge der
Verletzung materiellen Rechts zum einen
● die ausdrückliche Angabe erfordert, dass es sich bei den vom Revisionsführer angeführten tatsächlichen
Umständen um den Sachverhalt handelt, den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat, und "an
welcher genauen Stelle" er dem Berufungsurteil die von ihm genannten Tatumstände entnehmen möchte
(Beschluss vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R -
Juris RdNr 7)
,
und es zum anderen ermöglichen muss,
● das BSG in die Lage zu versetzen, "ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein anhand der
Revisionsbegründung zu prüfen, ob die im Streit stehenden revisiblen Rechtsvorschriften auf den festgestellten
Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewendet worden sind"
(Beschluss vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R -
BeckRS 2014, 74155 RdNr 8; Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7; vgl auch Beschluss vom
22.7.2015 - B 5 R 16/15 R - BeckRS 2015, 70865 RdNr 8 f)
.
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b) Die Anwendung dieser Rechtsprechung des 5. Senats würde im vorliegenden Fall dazu führen, dass die Revision der
Beklagten als unzulässig verworfen werden müsste. Sie legt nämlich nicht durchgehend explizit oder sinngemäß im
Einzelnen dar, dass es sich bei den von ihr angeführten tatsächlichen Umständen um eben denjenigen Sachverhalt
handelt, den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat und an welcher genauen Stelle sie dem
Berufungsurteil Feststellungen zu den von ihr genannten Tatumständen entnehmen möchte. Infolgedessen versetzt die
Beklagte den erkennenden Senat mit ihrem Vorbringen nicht in die Lage, "allein anhand der Revisionsbegründung" und
"ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten" zu prüfen, ob die als verletzt gerügten Vorschriften des materiellen
Rechts auf den maßgebenden - nämlich vom LSG so festgestellten - Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewendet
worden sind.
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c) Die strengere formale Anforderungen auch an die Rüge der Verletzung materiellen Rechts stellende Rechtsprechung
des 5. Senats des BSG überzeugt den erkennenden 12. Senat nicht.
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Welche inhaltlichen Anforderungen eine den Zulässigkeitsanforderungen genügende Revisionsbegründung bei der Rüge
der Verletzung materiellen Rechts in concreto zu erfüllen hat, ist stets auch abhängig von den Umständen des Einzelfalles
(so ausdrücklich für den Bereich der ZPO zB Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl 2015, § 551 RdNr 5; zur
Nichtzulassungsbeschwerde: Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 299, 303)
, insbesondere von
den Tatbestandsvoraussetzungen der vermeintlich verletzten Norm und der Komplexität des diese Verletzung
begründenden Sachverhalts. Bei der Bestimmung des danach notwendigen Inhalts der Begründung sind zudem Sinn und
Zweck des Begründungserfordernisses
(siehe oben 3.)
in Rechnung zu stellen sowie die verfassungsrechtlichen
Anforderungen an die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes mit in den Blick zu nehmen.
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Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf der Zugang zum jeweils vorgesehenen gerichtlichen Instanzenzug mit
Rücksicht auf Art 19 Abs 4 S 1 GG nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise
erschwert werden; das gilt auch in Bezug auf gesetzlich geregelte Darlegungserfordernisse
(vgl BVerfGE 88, 118, 123 f
; BVerfG Beschluss vom 6.7.2007 - 2 BvR 1824/06 = BVerfGK 11,
383, 385 ; BVerfG Beschluss vom 21.10.2015 - 2 BvR 912/15 - NJW 2016, 44, RdNr
22 mwN )
. Regelungen des Prozessrechts dürfen in der gerichtlichen Praxis nicht dazu
führen, dass ein prozessrechtlich vorgesehenes Rechtsmittel durch eine überstreng-formale Handhabung
verfahrensrechtlicher Vorschriften letztlich ineffektiv gemacht wird und das Rechtsmittel faktisch leerläuft
(vgl BVerfGE
96, 27, 39; BVerfG NJW 2016, 44)
. Formerfordernisse dürfen deshalb nicht weiter gehen als es durch ihren Zweck
geboten ist
(so BVerfGE 88, 118, 126 f)
. Vor diesem Hintergrund dürfen auch Darlegungsanforderungen für Rechtsmittel
nicht derart streng gehandhabt werden, dass sie von einem durchschnittlichen Rechtsanwalt, der kein Spezialist in dem
konkret einschlägigen Rechtsgebiet ist, mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können
(BVerfGE 125, 104,
137; BVerfG Beschluss vom 21.10.2015, aaO; vgl auch BSG SozR 4-1720 § 198 Nr 4 RdNr 12 mwN)
.
23
Nach Auffassung des Senats verbietet es sich, die in der Rechtsprechung des BSG entwickelten strengen Anforderungen
an den Inhalt der Revisionsbegründung im Falle von Verfahrensrügen, an denen sich der 5. Senat des BSG auch für die
Begründung von das materielle Recht betreffenden Revisionsrügen orientiert, auf die Rüge der Verletzung materiellen
Rechts zu übertragen. Bereits der Wortlaut des § 164 Abs 2 S 3 SGG stellt an die Darlegung dieser Rüge geringere
Anforderungen als an die Verfahrensrüge, wenn nur hierfür die Bezeichnung der Tatsachen verlangt wird, die den Mangel
ergeben. Zugleich ist eine solche Übertragung zur Verwirklichung der Zwecke des Begründungserfordernisses bei
Revisionen
(siehe oben 3.)
nicht erforderlich. Auf die notwendige Durchdringung der Sach- und Rechtslage durch den
Revisionsführer bzw seinen Prozessbevollmächtigten lässt sich bereits und gerade dann schließen, wenn in der
Begründung (nur) die im Hinblick auf die gerügte Normverletzung wesentlichen vom LSG festgestellten Tatsachen
zutreffend mitgeteilt werden. Der vom 5. Senat für geboten erachtete Hinweis darauf, dass es sich hierbei um den
Sachverhalt handelt, den die Vorinstanz im angefochtenen Urteil festgestellt hat, und "an welcher genauen Stelle" des
Urteils dies geschehen ist, erweist sich in diesem Fall als entbehrlich.
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Zu bedenken ist auch, dass etwa die in der Sozialgerichtsbarkeit geltenden gesetzlichen Anforderungen an die Darlegung
von Revisionszulassungsgründen im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde
(§ 160a Abs 2 S 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 1
bis Nr 3 SGG - vgl dazu zB Becker, SGb 2007, 261, 264 <"Keine Aktendurchsichtspflicht des BSG"> unter Hinweis auf
BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 21 und Nr 34 S 50; vgl ferner zB BSG Beschluss vom 26.6.2006 - B 13 R 153/06 B - Juris
RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 3.11.1999 - B 7 AL 152/99 B - Juris RdNr 3)
nicht auf § 164 Abs 2 S 3 SGG übertragen
werden dürfen. Zwar hat das BVerfG die Handhabung der Darlegungsanforderungen in einer
Nichtzulassungsbeschwerde durch das BSG - soweit ersichtlich - bislang in seiner umfangreichen einschlägigen
Rechtsprechung durchgehend als verfassungskonform angesehen
(vgl nur BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44, 45, 48;
BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 6, 7, 8, 12, 20, 31; BVerfG SozR 4-1500 § 160a Nr 12, 16, 24; BSG SozR 4-1100 Art 14
Nr 23)
. Allerdings unterscheiden sich die in § 164 Abs 2 S 3 SGG für das Revisionsverfahren geregelten Anforderungen
hiervon in wesentlicher Hinsicht: So kommt es im von streng formgebundenen Anforderungen an die Darlegung eines
Revisionszulassungsgrundes geprägten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf die Frage der materiellen "Richtigkeit"
der vorinstanzlichen Entscheidung als solche nicht an, während in einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung im hier
interessierenden Zusammenhang gerade die "Verletzung" materiellen Rechts darzulegen ist. Einer Übertragung der
Anforderungen steht zugleich die gänzlich unterschiedliche Funktion beider Rechtsmittel entgegen: Während es bei der
Nichtzulassungsbeschwerde überhaupt erst um die bloße Ermöglichung eines Zugangs zur Revisionsinstanz nach einem
von der Vorinstanz ausdrücklich nicht zugelassenen Rechtsmittel geht, hat die Einlegung einer Revision dieses Stadium
bereits durchlaufen und es ist hier zu prüfen, ob und in welcher Weise Rechtsfortbildung, Herstellung von Rechtseinheit
vorzunehmen bzw die Einhaltung des Verfahrensrechts ganz konkret zu überwachen ist. Während das
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von einer bewussten starken Entlastung des BSG als Beschwerdegericht geprägt
ist
(vgl vor allem § 160a Abs 4 S 1 und 2 SGG: kein zwingendes Begründungserfordernis bzw Ausreichen einer "kurzen"
Begründung für die Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde; keine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit
der vorinstanzlichen Entscheidung)
, erfolgt im Revisionsverfahren - unabhängig von der Frage, ob die Revision zu Recht
zugelassen wurde - eine vollumfängliche Rechtskontrolle, wenn auch unter grundsätzlicher Ausklammerung einer
erneuten Tatsachenprüfung.
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6. Die Frage, ob die Revision den gesetzlichen Darlegungsanforderungen entspricht, kann im vorliegenden Fall nicht
offenbleiben, weil das Rechtsmittel der Beklagten nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht (auch) aus
anderen Gründen erfolglos bliebe: Das angefochtene Urteil des LSG kann nicht aus Gründen des materiellen Rechts
Bestand haben. Vielmehr würde der Senat - ginge man von der Zulässigkeit der Revision aus - die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen; die Revision der Beklagten wäre insoweit begründet. Dafür
sind die nachfolgend - für Zwecke des Anfragebeschlusses an den 5. Senat des BSG nur in den wesentlichen Zügen -
dargestellten Gesichtspunkte maßgebend:
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a) Das LSG hat zutreffend die Rentenversicherungspflicht der Klägerin wegen Beschäftigung aufgrund der (noch)
streitigen Tätigkeiten angenommen und die Entscheidung der beklagten Einzugsstelle insoweit als rechtsfehlerhaft
angesehen. In der streitigen Zeit unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der GRV der
Versicherungspflicht
(§ 1 S 1 Nr 1 SGB VI)
. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist §
7 Abs 1 S 1 und 2 SGB IV, wonach diese nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis voraussetzt
und Anhaltspunkte dafür eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des
Weisungsgebers sind. Das LSG ist zutreffend von den in der Rechtsprechung des 12. Senats zum Vorliegen von
Versicherungspflicht begründender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen und hat diese in
revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise umgesetzt.
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Unter Berücksichtigung der in der stRspr des 12. Senats des BSG aufgestellten Grundsätze
(vgl zB BSG SozR 4-2400 § 7
Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; im Einzelnen zuletzt näher Senatsurteile
vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - Juris RdNr 17
vorgesehen> und vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - Juris RdNr 16 ff mwN
2400 § 7 Nr 25 vorgesehen)
unterlag die Klägerin als Synchronsprecherin während der streitigen Einsätze bei den
beigeladenen Produktionsfirmen - abweichend von der Ansicht der Beklagten - als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte
Person der Versicherungspflicht in der GRV nach § 1 S 1 Nr 1 SGB VI. Dabei ist bei der Prüfung der hier konkret streitigen
Tätigkeiten - mit dem LSG - jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Einsatzangebots (dh
hier an einem bestimmten Tag bei einer der beigeladenen Produktionsfirmen eine bestimmte Rolle zu synchronisieren)
bestehen
(vgl zuletzt BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - Juris RdNr 19 mwN
und in SozR 4-2400 § 7 Nr 25 vorgesehen>)
. Nach den für den Senat bindenden - weil insoweit von den Beteiligten nicht
mit zulässigen Revisionsrügen angegriffenen - Feststellungen des LSG
(vgl § 163 SGG)
fehlen Anhaltspunkte dafür, dass
zwischen der Klägerin und den Produktionsfirmen eine Dauerrechtsbeziehung bestand, aufgrund derer die Klägerin vor
Annahme eines der hier noch streitigen Einsätze eine - ggf auch nur latente - Verpflichtung traf, Tätigkeiten für diese
auszuüben, oder dass umgekehrt eine Verpflichtung der Firmen bestand, der Klägerin Arbeit anzubieten oder Entgelt zu
gewähren.
28
Ausgehend von den weiteren für den Senat bindenden Feststellungen des LSG ist dessen Würdigung, dass unter
Gesamtabwägung aller Indizien und Umstände bei den maßgebenden einzelnen Einsätzen im Rechtssinne "Beschäftigung"
vorgelegen hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und verletzt keine Rechte der Beklagten. Die Klägerin war in den
jeweiligen Betrieb der Synchronisationsunternehmen eingegliedert und unterlag unter Vorgabe von Terminen und zeitlicher
Abfolge für die Aufnahmen, von Räumlichkeiten sowie Dialog- bzw Synchronbüchern im Einzelnen den Weisungen der von
den Unternehmen gestellten Regisseure, Cutter und Tonmeister. Gesichtspunkte der Kunstfreiheit gebieten keinerlei
Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen für die Statuseinstufung als Beschäftigte; weder die künstlerische Freiheit
der Sprecher bei der Gestaltung der Synchronisation noch ein möglicher Schutz der Tätigkeit der Synchronisation von
Filmen nach Art 5 Abs 1 S 2 sowie Abs 3 GG (Film- bzw Kunstfreiheit) stehen dem entgegen.
29
Die Klägerin war nach den Feststellungen des LSG verpflichtet, einen Take so oft zu wiederholen, wie dies durch den
Regisseur in Wahrnehmung eines diesbezüglichen Weisungsrechts des Synchronisationsunternehmens angeordnet
wurde. Schon aus diesem Grunde unterlag sie nicht etwa nur künstlerisch-fachlichen Weisungen bezüglich der
künstlerischen Gestaltung der Synchronisation, die für sich genommen einer Einordnung als selbstständige Tätigkeit noch
nicht entgegenstehen. Darüber hinaus wurden nach den bindenden Feststellungen des LSG durch das
Synchronisationsunternehmen ua auch die Reihenfolge für die Abarbeitung der einzelnen Takes sowie Beginn, Ende und
Pausen der Aufnahmen und der verschiedenen Sprecher einseitig vorgegeben.
30
Soweit die Beklagte geltend macht, die Klägerin habe ein relevantes unternehmerisches Risiko zu tragen gehabt, weil ihr
bei Entfallen des Einsatzes kein Entgelt zugestanden habe, kann sie mit diesem Vortrag mangels entsprechender
Tatsachenfeststellungen des LSG und ohne diesbezügliche Tatsachenrügen in der Revisionsinstanz nicht durchdringen
(vgl
§ 163 SGG)
. Vielmehr hat das LSG festgestellt, dass als Teil des Gagensystems Mindesthonorare für Synchronsprecher
vereinbart waren, deren Höhe von dem zunächst disponierten Zeitraum sowie dem Aufnahmeort abhing. Hieraus hat es
den Schluss gezogen, dass ein für Selbstständige typisches Risiko, die eigene Arbeitskraft mit der Ungewissheit einer
Vergütung eingesetzt zu haben, gerade nicht bestanden habe.
31
Die Tätigkeit als Synchronsprecherin erfolgte hier auch nicht aufgrund von Werkverträgen
(zur Abgrenzung von
Werkverträgen zu Dienstverträgen vgl BGHZ 151, 330 zu II 1 der Gründe; BAG AP Nr 126 zu § 611 BGB Abhängigkeit -
Juris RdNr 15 ff)
. Nach den vom BAG
(aaO)
zur Abgrenzung von Werk- und Arbeitsvertrag entwickelten Grundsätzen,
denen sich der Senat für die Prüfung der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung anschließt, kommt es
entscheidend darauf an, ob sich Weisungsrechte des Werkbestellers/Dienstherrn ausschließlich auf die Ausführung des
vereinbarten Werks beziehen (Werkvertrag), oder ob auch Weisungsrechte bezüglich des Arbeitsvorgangs und der
Zeiteinteilung bestehen; wird die Tätigkeit durch den "Besteller" geplant und organisiert und ist der "Werkunternehmer" in
den arbeitsteiligen Prozess in einer Weise eingegliedert, die eine eigenverantwortliche Organisation der Erstellung des
vereinbarten "Werks" faktisch ausschließt, liegt ein Arbeitsvertrag nahe
(BAG, aaO, Juris RdNr 17 mwN)
. Dass hier
Letzteres der Fall war, steht nach den vom LSG insoweit festgestellten Tatsachen zu Umfang und Inhalt der während der
Ausübung der Tätigkeiten der Klägerin als Synchronsprecherin erteilten Weisungen außer Frage.
32
Die von der Beklagten für ihre Position angeführte Verlautbarung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger zur
versicherungsrechtlichen Beurteilung von Synchronsprechern vom 30.9.2005 ist schon vor dem Hintergrund der
Rechtsprechung zur Maßgeblichkeit der Verhältnisse nach Annahme des einzelnen Einsatzangebots ohne Belang.
Entgegen den Ausführungen des Rundschreibens kann das Vorliegen einer Rahmenvereinbarung allein nicht für das
Vorliegen von Beschäftigung ausschlaggebend sein, ebenso wie nur kurzzeitige Einsätze nicht schon für eine
Selbstständigkeit sprechen müssen. Aus der bloßen Kurzzeitigkeit von Tätigkeiten kann - anders als der BFH dies für das
Steuerrecht annimmt
(BFHE 109, 39; 126, 271; 133, 357) -
schon deshalb nichts hergeleitet werden, weil das
Sozialversicherungsrecht mit den Regelungen für unständig Beschäftigte (anders als das Einkommensteuerrecht) gerade
Sondernormen für Personen mit sehr kurzfristigen Beschäftigungen kennt. Die Annahme von Geringfügigkeit iS von § 8
SGB IV scheidet auf der Grundlage der LSG-Feststellungen im Übrigen aus.
33
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten mussten die wiederholten Tätigkeiten der Klägerin für die beigeladenen
Synchronisationsunternehmen auch nicht deshalb als dauerhafte Beschäftigung angesehen werden, weil der
Vereinbarung über die Befristung der Tätigkeiten auf jeweils einen Tag die nach § 14 Abs 4 TzBfG erforderliche Schriftform
fehlte. Denn für die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist, hätte es der
Anrufung des Arbeitsgerichts durch die Klägerin innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten
Arbeitsvertrages bedurft. Ist die Klagefrist - wie es vorliegend der Fall war - ungenutzt verstrichen, gilt das
Arbeitsverhältnis mit materieller Wirkung als aufgrund wirksamer Befristung beendet
(vgl Müller-Glöge in Erfurter
Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl 2014, 605 TzBfG, § 17 RdNr 11)
.
34
Schließlich spricht entgegen dem Vorbringen der Beklagten auch nicht gegen das Vorliegen von Beschäftigung, dass die
Klägerin keine Entgeltzahlungen erhielt, wenn die von ihr den Synchronisationsunternehmen gegenüber geschuldete
Leistung aus Krankheits- oder sonstigen Gründen nicht erbracht werden konnte. Allein der Umstand nämlich, dass
jemand von seinem Vertragspartner keinen für Beschäftigte typischen sozialen Schutz (zB Entgeltzahlung im
Krankheitsfall oder nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre) zur Verfügung gestellt erhält, führt noch nicht zur
Annahme eines unternehmerisches Risikos; einem solchen Risiko müssen vielmehr - um sozialversicherungsrechtliche
Folgen auslösen zu können - auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz
der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen
(vgl zum Ganzen die stRspr des Senats,
zuletzt BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - Juris RdNr 36 mwN - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-
2400 § 7 Nr 25 vorgesehen)
.
35
b) Ob - wie vom LSG angenommen - für diese Beschäftigung zu Gunsten der Klägerin im Ergebnis weitere
Rentenversicherungsbeiträge von den Produktionsfirmen als Arbeitgeber zu erheben sind, weil die Regelungen über die
Beitragsbemessung bei "unständiger" Beschäftigung anzuwenden waren, könnte der Senat wegen dazu weiter
erforderlicher Tatsachenfeststellungen nicht selbst entscheiden; dies müsste zur Zurückverweisung der Sache an das
LSG führen.
36
Nach § 163 Abs 1 S 1 SGB VI
(idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754)
ist für "unständig" Beschäftigte als
beitragspflichtige Einnahmen ohne Rücksicht auf die Beschäftigungsdauer das innerhalb eines Kalendermonats erzielte
Arbeitsentgelt bis zur Höhe der monatlichen (und nicht nach der hier jeweils betragsmäßig eher erreichten täglichen)
Beitragsbemessungsgrenze zugrundezulegen. Deshalb kommt im Falle der Klägerin konkret in Betracht, dass - was die
Beklagte in den von der Klägerin angegriffenen Bescheiden ablehnte, aber das LSG bejaht hat - von den
Produktionsfirmen als Arbeitgeber weitere Beiträge zur GRV zu erheben sind
(vgl § 28e SGB IV)
.
37
"Unständig" ist nach § 163 Abs 1 S 2 SGB VI eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche entweder nach der Natur
der Sache befristet zu sein pflegt oder im Voraus durch den Arbeitsvertrag befristet ist. Im vorliegenden Fall sind die
streitigen Tätigkeiten als Synchronsprecherin ausgehend von den Feststellungen des LSG als wiederholte, im Sinne des §
163 Abs 1 S 2 SGB VI arbeitsvertraglich befristete kurzzeitige Beschäftigungen und nicht - zB wegen auch dazwischen
bestehender Dienstbereitschaft - als durchgehende Beschäftigung zu qualifizieren
(vgl zu einer abweichenden
Konstellation BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19 - als "Gäste" beschäftigte Bühnenkünstler)
. Dem steht auch das wiederholte
Tätigwerden für einzelne Synchronisationsunternehmen nicht entgegen, denn eine bloße Aneinanderreihung unständiger
Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber begründet noch kein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis
(vgl BSGE 16,
158, 163 = SozR Nr 1 zu § 441 RVO mwN; BSG SozR 2200 § 441 Nr 2)
. Letzteres erfordert vielmehr eine - hier nicht
vorliegende - ununterbrochen anhaltende Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die Arbeitskraft des Betroffenen
(vgl
BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 39 f; BSG Urteil vom 31.1.1973 - 12/3 RK 16/70 - USK 7311 S 50; BSGE 36, 262, 265 =
SozR Nr 8 zu § 441 RVO)
.
38
Nach der Rechtsprechung des BSG ist für das Vorliegen "unständiger" Beschäftigung neben der in § 163 Abs 1 S 2 SGB
VI ausdrücklich genannten Befristung der einzelnen Beschäftigungen ein "berufsmäßiges" Tätigwerden des Betroffenen
erforderlich
(BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 40; grundlegend BSGE 36, 262, 265 = SozR Nr 8 zu § 441 RVO S Aa 12)
.
Voraussetzung ist, dass es sich um Personen handelt, deren Hauptberuf zwar die "Lohnarbeit" bildet, die aber ohne
festes Arbeitsverhältnis bald hier, bald dort, heute mit dieser, morgen mit jener Arbeit beschäftigt sind; gerade diese
Beschäftigungen müssen zeitlich oder wirtschaftlich den Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit bilden
(so auch zB BSG Urteil
vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R , Juris RdNr 25 unter Hinweis auf BSGE 36, aaO; im Übrigen schon
Allgemeine Begründung zu § 441 RVO zum Entwurf der RVO, RT-Drucks Nr 340 vom 12.3.1910 S 93).
Ob Letzteres der
Fall ist, könnte der Senat auf Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht entscheiden.
39
Für die Prüfung der "Berufsmäßigkeit" von "unständiger" Beschäftigung muss - ähnlich der Prüfung von
"Hauptberuflichkeit" in anderen rechtlichen Kontexten - festgestellt werden, ob die auf weniger als eine Woche befristeten
Beschäftigungen nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und von ihrem zeitlichen Aufwand her die übrigen
"Erwerbstätigkeiten" zusammen deutlich übersteigen
(vgl dazu zuletzt BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 26 LS 2 und RdNr 16
unter Hinweis auf BSG SozR 3-5420 § 3 Nr 3 S 17 ff)
. Entgelte und Zeiten einer "ständigen" Beschäftigung in demselben
Beruf (hier also als Synchronsprecherin) sind insoweit grundsätzlich nicht mit solchen in kurzzeitig befristeten - potenziell
unständigen - Beschäftigungen im selben Beruf zusammenzuziehen, sondern den übrigen Erwerbstätigkeiten
zuzurechnen. Bezugszeitraum ist dabei stets der jeweilige Kalendermonat
(vgl § 163 Abs 1 SGB VI, § 232 SGB V).
Nur
wenn die auf weniger als eine Woche befristeten Beschäftigungen (gleich in welchem Beruf) die Erwerbstätigkeit im
jeweiligen Monat prägen, ist nämlich die Anwendung der Regelungen über unständige Beschäftigung gerechtfertigt.
40
Bei der Prüfung der Berufsmäßigkeit einer unständigen Beschäftigung sind den betreffenden Tagen und den an diesen
Tagen erzielten Entgelten - anders als nach dem Ansatz des LSG - nicht nur Tage und Einnahmen aus selbstständigen
Tätigkeiten oder anderen Berufsbezeichnungen entsprechenden Beschäftigungen gegenüberzustellen, sondern auch
Entgelte und Tage einer ständigen Beschäftigung in demselben Beruf. Die besondere Schutzbedürftigkeit der unständig
Beschäftigten vermittelt sich nämlich nicht über ein bestimmtes Berufsbild, sondern über die tatsächliche Kurzfristigkeit
der jeweiligen Beschäftigung und die deshalb zu erwartenden Statusunterbrechungen. Nur wenn entsprechend kurze
Beschäftigungen (gleich in welchem Beruf) die Erwerbstätigkeit im jeweiligen Monat prägen, ist die Anwendung der
Regelungen über die unständige Beschäftigung gerechtfertigt. Deshalb können für den anzustellenden Vergleich den auf
weniger als eine Woche begrenzten Beschäftigungen in einem bestimmten Beruf nicht etwa die weiteren, auf
Beschäftigungen mit einer Dauer von einer Woche oder mehr beruhenden Zeiten und Entgelte hinzugerechnet werden.
41
Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass es für den Ausgang des Rechtsstreits darauf ankommen wird
1. wie hoch die von der Klägerin erzielten Einnahmen in den streitigen Monaten waren,
2. wie sich diese auf Beschäftigungen mit einer Befristung von unter einer Woche einerseits und auf Beschäftigungen
von mindestens einer Woche Dauer (ggf zzgl selbstständiger Tätigkeiten) andererseits verteilten und
3. wie sich die Arbeitszeitanteile insoweit jeweils verteilten.
42
Da insoweit Feststellungen des LSG fehlen und es die Einsätze der Klägerin als Synchronsprecherin zu denen aus
sonstiger Tätigkeit nach anderen Grundsätzen als den oben dargelegten in Beziehung gesetzt hat, wären die
maßgebenden Feststellungen nach Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das
LSG nachzuholen. In welcher Weise konkret die - regelmäßig prognostisch und nicht retrospektiv vorzunehmenden
(vgl
zB BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16 ff mwN) -
Ermittlungen zur "Berufsmäßigkeit" praktisch durchzuführen sind,
bedarf im Rahmen des Anfragebeschlusses keiner näheren Darlegung. Bezugszeitraum einer Prognose ist - wie bereits
dargelegt - der jeweilige Kalendermonat der Aufnahme der zu prüfenden Beschäftigung; hierfür spricht schon die
Anknüpfung der Beitragsbemessungsregelungen in § 163 Abs 1 SGB VI und § 232 SGB V an den Kalendermonat.
43
7. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es nach alledem auf die vom erkennenden Senat beabsichtigte
Abweichung von der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG zu den Anforderungen an eine Revisionsbegründung an.
Eine darauf bezogene Vorlage an den Großen Senat des BSG nach § 41 Abs 2 SGG ist gemäß § 41 Abs 3 S 1 SGG nur
zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage erklärt hat, dass er an seiner
Rechtsauffassung festhält.