Urteil des BSG vom 22.05.2002

BSG (Formelle Beschwer, Altersrente, Verwaltungsakt, Nachzahlung, Erlass, Rkg, Beiladung, Unfallversicherung, Trennung, Rechtsgrundlage)

Bundessozialgericht
Urteil vom 22.05.2002
Sozialgericht Gelsenkirchen
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Bundessozialgericht B 8 KN 11/00 R
Auf die Revisionen der Klägerin und der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen
vom 8. Juni 2000 und das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16. April 1997 sowie der Bescheid der
Beklagten vom 24. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1996 und des Bescheides
vom 8. Juni 2000 in vollem Umfang aufgehoben. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die
Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten aller Instanzen zu erstatten.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und in welchem Umfang eine von der Bergbau-Berufsgenossenschaft (BG)
rückwirkend gewährte Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine Altersrente aus der
knappschaftlichen Rentenversicherung für den Leistungszeitraum Oktober 1991 bis Oktober 1993 angerechnet werden
darf.
Die Klägerin ist die Witwe des im Oktober 1923 geborenen und am 3. Oktober 1993 verstorbenen, bei der Beklagten
versicherten W. R (im Folgenden: Versicherter). Dieser hatte seit November 1983 Rente von der Beklagten bezogen
(Bescheid vom 23. September 1983), zuletzt seit dem 1. Januar 1992 Regelaltersrente. Nach dem Tod des
Versicherten erkannte die BG - gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin - eine "Asbestose" als Berufskrankheit
an und bewilligte rückwirkend Verletztenrente nach einer MdE um 100 vH für den Zeitraum Oktober 1991 bis zum
Todestag (Bescheid vom 17. Juli 1995). Die Rentennachzahlung in Höhe von DM 54.986,66 hatte sie - laut Bescheid -
bis zur Abklärung etwaiger Erstattungsansprüche der Beklagten einbehalten und die Beklagte über die
Rentengewährung unterrichtet.
Nach Anhörung der Klägerin berechnete die Beklagte, gestützt auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), die
Altersrente des Versicherten mit Bescheid vom 24. August 1995 für die Zeit von Oktober 1991 bis Oktober 1993 unter
Anrechnung der Verletztenrente neu und stellte gleichzeitig eine Erstattungspflicht der Klägerin nach § 50 Abs 1 SGB
X in Höhe der errechneten Überzahlung (DM 34.851,92) fest. Sie kündigte an, die Überzahlung mit der bei der BG
aufgelaufenen Nachzahlung zu verrechnen.
Obwohl sich die Klägerin bereits mit einem Schreiben an die Beklagte vom 9. August 1995 ua gegen die angekündigte
Verrechnung gewandt und gebeten hatte, der BG mitzuteilen, dass Erstattungsansprüche nicht bestünden, machte die
Beklagte mit Schreiben vom 24. August 1995 eine Erstattungsforderung in Höhe von DM 34.851,92 gegenüber der BG
geltend. Diese überwies der Beklagten aus der Rentennachzahlung einen entsprechenden Betrag und setzte mit
Schreiben vom 4. September 1995 die Klägerin hierüber in Kenntnis. Den Widerspruch der Klägerin gegen den
Bescheid vom 24. August 1995 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 1996 zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 16. April 1997 die Klage gegen den Neuberechnungs- und
Rückforderungsbescheid der Beklagten abgewiesen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung der
Klägerin hat die Beklagte nach Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteil vom 29.
April 1997 - 8 RKn 29/95 - SozR 3-1300 § 107 Nr 10) die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als darin die
Neufeststellung auf § 48 SGB X gestützt und eine Erstattungspflicht der Klägerin nach § 50 Abs 1 SGB X angeordnet
worden war. Mit Urteil vom 8. Juni 2000 hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte in Abänderung des
angefochtenen Bescheides vom 24. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1996
sowie des Urteils des SG verpflichtet, "den Bescheid vom 23.09.1983 in der Fassung der hierzu ergangenen
Anpassungsbescheide ab 01.02.1992 mit der Maßgabe abzuändern, dass sie bei der Anrechnung der Verletztenrente
Freibeträge gemäß § 93 Abs 3 Nr 1b und Nr 2a SGB VI ausspart"; im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin
zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, nach der mit Rücksicht auf die Erfüllungsfiktion des §
107 Abs 1 SGB X im Termin abgegebenen Erklärung der Beklagten sei die Klägerin nur noch durch die in den
angefochtenen Bescheiden enthaltene Feststellung beschwert, die Verletztenrente sei teilweise auf die Altersrente
anzurechnen und insoweit bestehe kein Rentenzahlbetrag. Soweit die Klägerin gleichwohl weiterhin die vollständige
Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehre, sei ihre Berufung schon deshalb unbegründet, weil die Klage
unzulässig geworden sei. Die angefochtenen Bescheide seien nicht formell rechtswidrig, insbesondere sei die Klägerin
vor ihrem Erlass ordnungsgemäß angehört worden. Zu Recht habe die Beklagte die Verletztenrente auf die Altersrente
angerechnet. Für den Leistungszeitraum von Oktober 1991 bis einschließlich Januar 1992 folge die Anrechenbarkeit
aus § 75 Reichsknappschaftsgesetz (RKG). Für den Leistungszeitraum ab Februar 1992 bis Oktober 1993 richte sich
die Anrechnung nach § 311 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Insoweit habe es allerdings die Beklagte bei
der Ermittlung der Rentensummen des § 311 Abs 2 Nr 1 SGB VI versäumt, die Schonbeträge des § 266 SGB VI
abzuziehen. Eine solche erweiternde Auslegung des § 311 Abs 2 Nr 1 SGB VI sei auch für die Bestandsrentner
geboten, weil diese wegen der Identität der Leistungszwecke in gewissem - reduzierten - Umfang durch die
Erweiterung der Rentenkumulation, wie sie für Zugangsrentner ab dem 1. Januar 1992 in § 93 Abs 2 SGB VI geregelt
sei, ebenfalls begünstigt werden müssten. Der Senat schließe sich ausdrücklich der Rechtsprechung des 4. Senats
des BSG (Urteil vom 31. März 1998 - B 4 RA 118/95 R - SozR 3-2600 § 311 Nr 2) an.
Gegen das Urteil des LSG haben Klägerin und Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.
Die Klägerin beruft sich weiterhin auf einen Anhörungsfehler und damit die Verletzung des § 24 SGB X, weil im
Anhörungsschreiben nur die Rechtsvorschrift des § 93 SGB VI (und nicht § 75 RKG und § 311 SGB VI) genannt
worden sei. Im Übrigen hätte sie auch vor Erlass des im Termin zur mündlichen Verhandlung am 8. Juni 2000
ergangenen Bescheides der Beklagten, der nach dem Urteil des LSG gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
Gegenstand des Verfahrens geworden sei, angehört werden müssen. Materiell-rechtlich bleibe sie bei ihrem bisherigen
Vortrag, wonach jedenfalls seit Inkrafttreten des SGB VI die Regelung des § 93 Abs 5 Nr 1 SGB VI uneingeschränkt
anzuwenden sei und im vorliegenden Fall dazu führe, dass die Verletztenrente nicht anzurechnen sei.
Die Klägerin beantragt,
1. die Revision der Beklagten zurückzuweisen, 2. unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-
Westfalen vom 8. Juni 2000 und unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16. April 1997
den Bescheid der Beklagten vom 24. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1996
sowie in der Fassung des Bescheides vom 8. Juni 2000 in vollem Umfang aufzuheben, soweit eine Anrechnung der
Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
vorgenommen wird.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Juni 2000 insoweit aufzuheben, als die Beklagte
verpflichtet worden ist, den Bescheid vom 23. September 1983 in der Gestalt der hierzu ergangenen
Anpassungsbescheide ab 1. Februar 1992 mit der Maßgabe abzuändern, dass sie bei der Anrechnung der
Verletztenrente Freibeträge gemäß § 93 Abs 2 Nr 1b und Nr 2a SGB VI ausspart, und die Berufung der Klägerin gegen
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16. April 1997 in diesem Umfang zurückzuweisen, sowie im Übrigen
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie trägt vor, entsprechend den Ausführungen der Vorinstanzen sei die Klägerin ordnungsgemäß angehört worden. Mit
der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2000 abgegebenen Erklärung seien die angefochtenen
Bescheide in ihren Verfügungssätzen - nämlich Neufeststellung nach § 48 SGB X und Feststellung einer
Erstattungspflicht nach § 50 Abs 1 SGB X - geändert worden. Gegenstand der Bescheide sei nunmehr die
Feststellung der Höhe der Erstattungsforderung (gegenüber der BG) auf der Grundlage des dargelegten
Rechenwerkes. Diese Abänderung stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG, die allerdings erst nach
Erlass des Bescheides vom 24. August 1995 und des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1996 ergangen sei,
sodass sie auch noch im laufenden Berufungsverfahren in zulässiger Weise hierauf habe reagieren können. Die
Vorschrift des § 93 Abs 5 SGB VI sei, wie das LSG zutreffend ausgeführt habe, in dem hier zu entscheidenden Fall
nicht einschlägig. Im Gegensatz zur Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 31. März 1998 (aaO), auf die sich
das LSG gestützt habe, sei es nicht geboten, in den Bestandsfällen die Freibeträge des § 93 Abs 2 Nr 1b und Nr 2a
SGB VI im Wege der Ergänzung des § 311 Abs 2 Nr 1a SGB VI durch § 266 SGB VI zu gewähren. Vielmehr habe mit
§ 311 SGB VI in den Bestandsfällen nach dem gesetzgeberischen Willen, der auch in den Materialien seinen
Niederschlag gefunden habe, das bis zum 31. Dezember 1991 geltende Recht über das Zusammentreffen mit
Unfallrenten weiterhin Geltung.
II
Die Revision der Beklagten und die Revision der Klägerin sind zulässig. Beide sind durch das Urteil des LSG -
wenigstens im formellen Sinn (dazu mwN Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl, Vor § 143 RdNr 5a) - beschwert. Eine
formelle Beschwer besteht aus der Sicht der Klägerin auch hinsichtlich des Urteils des SG und des angefochtenen
Bescheides vom 24. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1996, da diese
Bescheide durch die Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vom 8. Juni 2000 nicht in
vollem Umfang aufgehoben worden sind. Mit dieser Erklärung ist - wie ihr Wortlaut andeutet und wie die Beklagte im
Termin zur mündlichen Verhandlung gegenüber dem Senat bestätigt hat - der Verfügungssatz der Bescheide ersetzt
worden. Es sollten nunmehr in Form einer Feststellung lediglich die Berechnungsmodalitäten des Bescheides vom 24.
August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1996 aufrechterhalten werden.
A. Die Revision der Klägerin ist begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten in der Gestalt des
feststellenden Verwaltungsaktes vom 8. Juni 2000 sind rechtswidrig, weil die Beklagte wegen der Erfüllungsfiktion des
§ 107 Abs 1 SGB X nicht mehr die Kompetenz hat, durch Verwaltungsakt mit unmittelbarer Rechtswirkung nach
außen (vgl § 31 SGB X) die rentenrechtlichen Verhältnisse des vor Bewilligung der Verletztenrente verstorbenen
Versicherten - hier die Anrechnung einer nachträglich bewilligten Verletztenrente auf eine Rente wegen Alters - zu
regeln. Die Bescheide sind zwar nicht wegen offensichtlicher Fehler (vgl § 40 Abs 1 SGB X) nichtig, jedoch
rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Die Änderung dieser rechtswidrigen Bescheide durch das LSG geht ins Leere
(dazu im Folgenden unter 1). Eine Korrektur der prozessualen Situation ist im Revisionsverfahren nicht mehr möglich
(dazu unter 2).
1. Soweit - was im vorliegenden Verfahren keiner weiteren Ausführungen bedarf - die Beklagte dem Versicherten
wegen der ihm rückwirkend bewilligten Verletztenrente zu viel Altersrente gezahlt hat, steht ihr gegenüber der BG ein
Erstattungsanspruch nach § 104 Abs 1 SGB X zu; insoweit ist die Überzahlung wegen der Erfüllungsfiktion des § 107
Abs 1 SGB X als - rechtmäßige - Zahlung der Verletztenrente anzusehen. Nach dieser Vorschrift gilt der Anspruch
des Berechtigten, hier des Versicherten, gegen den zur Leistung verpflichteten Unfallversicherungsträger als erfüllt,
soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl Urteile vom 29. April
1997 - 8 RKn 29/95 - SozR 3-1300 § 107 Nr 10 sowie 30. Juni 1997 - 8 RKn 28/95 - SozR 3-2600 § 93 Nr 4), soll die
Erfüllungsfiktion die Rückabwicklung zwischen vorleistendem Träger und Berechtigtem ausschließen. Damit hat der
Gesetzgeber aus Gründen der Rechtsklarheit und der Verwaltungsökonomie eine unkomplizierte und im Rahmen des
Sozialleistungsrechts einheitliche Form des Ausgleichs von Leistungsbewilligungen geschaffen.
Dies hat zum einen zur Folge, dass die Beklagte die (geltend gemachte) Überzahlung nicht gemäß § 48 Abs 1, § 50
Abs 1 SGB X von dem Versicherten - hier, der Klägerin als dessen Rechtsnachfolgerin - zurückfordern kann; auch ein
Wahlrecht des erstattungsberechtigten Trägers, auf den Erstattungsanspruch und damit die Erfüllungsfiktion zu
verzichten und sich stattdessen nach den §§ 45, 48, 50 SGB X an den Versicherten zu halten, besteht nicht (dazu im
Einzelnen Senatsurteil vom 29. April 1997 - aaO). Zum anderen hat dies aber auch zur Konsequenz, dass die Klägerin
die ihr nach ihrer Überzeugung zusätzlich zustehenden Teile der Nachzahlung der Verletztenrente nicht von der
Beklagten, sondern lediglich von der BG verlangen kann. Nur in einem Verfahren der Klägerin gegen die BG könnte
dann geltend gemacht werden, dass die BG einen zu großen Teil der Nachzahlung einbehalten und an die Beklagte
gezahlt habe oder - aus einer anderen Perspektive - dass der Versicherte nur einen kleineren Teil der Verletztenrente
als von der BG angenommen bereits (kraft der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X) von der Beklagten erhalten habe.
Dieser dargestellten Rechtslage hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 8. Juni
2000 Rechnung getragen und den angefochtenen Bescheid "insoweit aufgehoben, als darin der Rentenbescheid nach
§ 48 SGB X aufgehoben und eine Erstattungspflicht der Klägerin angeordnet worden ist". Allerdings hat die Beklagte
mit dieser Erklärung den angefochtenen Bescheid nicht in vollem Umfang aufgehoben, sondern ("insoweit
aufgehoben") nach ihrem erklärten Regelungswillen den Verfügungssatz des angefochtenen Bescheides ausgetauscht
und gegenüber der Klägerin die Höhe des Erstattungsanspruchs auf der Basis des Rechenwerkes des Bescheides
festgestellt, obwohl dieser allein gegenüber der BG geltend zu machen wäre. Für einen solchen feststellenden
Verwaltungsakt fehlt es jedoch an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage. Denn jeder Verwaltungsakt setzt die
Befugnis der Verwaltung voraus, auf diese Weise zu handeln, dh Regelungen bestimmten Inhalts zu treffen, die
andere Rechtsträger binden (vgl BSG Urteil vom 17. Dezember 1997 - 11 RAr 103/96 - SozR 3-4100 § 128 Nr 4 mwN,
stRspr). Eine entsprechende Rechtsgrundlage lässt sich hier auch nicht aus der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1
SGB X entnehmen. Im Gegenteil würde dies Wortlaut, Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechen. Wie eingangs
ausgeführt, sollte damit auf einfache und wirtschaftliche Weise erreicht werden, dass zum einen der
Leistungsberechtigte nicht herauszugeben braucht, was er (vom anderen Träger) ohnehin verlangen könnte, zum
anderen der vorleistende Träger von Risiko und Last der Durchsetzung eines Anspruchs nach §§ 45, 48 iVm § 50
SGB X befreit wird und schließlich der Ausgleich nur im Verhältnis der beteiligten Leistungsträger erfolgt (vgl Kater in
Kasseler Komm, § 107 SGB X RdNr 3, Stand März 2001, mwN). Die Berechnung der Rentenüberzahlung und des
Erstattungsbetrages hat deshalb (zunächst) nur verwaltungsinterne Bedeutung - und zwar im Verhältnis der Beklagten
zur BG. Eine "Regelung" durch Verwaltungsakt - mit Bindungswirkung für die Klägerin oder für die BG - erfolgt
dagegen nicht.
107 Abs 1 SGB X dient entgegen der Meinung der Beklagten nicht nur dem finanziellen Ausgleich zwischen den
Trägern: Tatsächlich verlagert diese Vorschrift auch die verwaltungsverfahrensrechtliche Kompetenz zur Feststellung
des Sozialrechtsverhältnisses auf die BG - und die allein maßgeblichen verfahrensrechtlichen Normen sind die §§ 102
ff SGB X. Es mag zutreffen, dass die BG nicht die entsprechende Fachkompetenz (zB Rechenprogramme) besitzt,
um die dem Erstattungsanspruch (und damit der Erfüllungsfiktion) zu Grunde liegende Regelung des § 93 SGB VI im
Falle der Klägerin anzuwenden. Dies berechtigt die Beklagte jedoch nicht dazu, die Entscheidung über die Höhe ihres
Erstattungsanspruchs gegenüber der Klägerin verbindlich festzustellen. Um verwaltungstechnischen Schwierigkeiten
zu begegnen, besteht eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit der Träger (§ 86 SGB X), was aber nicht bedeutet, dass
die BG nicht die Interessen des Versicherten zu beachten hätte (§ 2 Abs 2, § 17 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
I)); sie hat mit Wirkung für beide Seiten in eigener Verantwortung zu entscheiden. Streitigkeiten zwischen dem
erstattungsberechtigten und dem erstattungsverpflichteten Träger können im Gleichordnungsverhältnis (zB im
Rahmen einer Leistungsklage; die Klägerin wäre wegen der Erfüllungsfiktion notwendig beizuladen - vgl BSG Urteil
vom 23. Februar 1999 - B 1 KR 6/97 R - SozR 3-1300 § 111 Nr 7) ausgetragen werden. Im Übrigen ist die
Konstellation letztlich keine andere als bei einem Verrechnungsersuchen nach § 52 SGB I. Auch hier entscheidet im
Außenverhältnis in alleiniger Verantwortung nur der ersuchte Träger mittels Verwaltungsakt gegenüber dem
betroffenen Versicherten (vgl BSG Urteil vom 25. März 1982 - 10 RKg 2/81 - BSGE 53, 208 = SozR 1200 § 52 Nr 6;
von Maydell in GemeinschaftsKomm, 3. Aufl, § 52 SGB I, RdNr 15 - der ermächtigende Leistungsträger ist
beizuladen). Es ist durchaus möglich, dass ein auf § 93 SGB VI gestützter Erstattungsanspruch für Leistungen in der
Vergangenheit die Erfüllungsfiktion auslöst, wogegen eine ebenfalls auf § 93 SGB VI gestützte Neufeststellung
laufender Leistungen an verfahrensrechtlichen Hindernissen scheitert (zB mangelnde Anhörung, Vertrauensschutz
nach § 48 SGB X). Gerade deshalb ist die verfahrensrechtliche Trennung geboten und nicht, wie die Beklagte im
Termin vorgetragen hat, die Vermengung beider Verfahren.
Auch die weiteren im Termin geäußerten Bedenken sprechen eher für eine strikte Trennung. Denn wenn bestimmte
Regelungen (zB der Beitrags- oder Zuschusszahlung zur Krankenversicherung der Rentner oder privaten
Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung, Ausgleichszahlungen für Wanderversicherte, Zahlungen des
Bundes und der Länder nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz) an den "Zahlbetrag der Rente"
anknüpfen, greifen diese nicht bzw machen keine Neuberechnung erforderlich, wenn sich am individuellen Zahlbetrag
der Rente (wie im vorliegenden Fall) nichts ändert und stattdessen nur ein Erstattungsanspruch gegenüber der BG
besteht und deren Leistungen als erfüllt gelten. Soweit sich die Beklagte schließlich als Rechtsgrundlage für ihren
feststellenden Verwaltungsakt auf § 107 Abs 2 SGB X bezieht, betrifft diese Regelung nur den - hier nicht
vorliegenden - Fall, dass dem erstattungsberechtigten "vorleistenden" Leistungsträger wegen derselben Leistung
mehrere Erstattungsansprüche zustehen (vgl Hauck-Haines, SGB X, § 107 RdNr 14, Stand Januar 2000, Kater in
Kasseler Komm, § 107 SGB X, RdNr 21, 25, Stand Dezember 1998; vgl auch zur Problematik der Regelung allgemein
Eichenhofer in Wannagat, Komm zum SGB, § 107 SGB X, RdNr 8 ff, Stand März 2001). In diesem Falle gilt nur
derjenige Anspruch als erfüllt, den der vorleistende Träger gegenüber dem "Berechtigten" (hier dem Versicherten bzw
seiner Rechtsnachfolgerin) bestimmt. Damit wird lediglich vorab eine Weichenstellung hinsichtlich des möglichen
Eintritts der Erfüllungsfiktion getroffen, keinesfalls aber über den Erstattungsanspruch oder den Eintritt der
Erfüllungsfiktion selbst entschieden. Der "Berechtigte" weiß dann, gegenüber welchem Träger Ansprüche als erfüllt
gelten könnten und kann seine Rechte wahrnehmen. Die gleichzeitig vorgeschriebene Information des betroffenen
Trägers legt die nach wie vor nur mögliche Erstattungspflicht auf diesen Träger fest. § 107 Abs 2 SGB X verlagert
deshalb auch nicht im Falle des Bestehens mehrerer (möglicher) Erstattungsansprüche die Entscheidungskompetenz
auf den vorleistenden Träger.
2. Die Klägerin hat ihre Klage sowohl in den Vorinstanzen als auch in der Revisionsinstanz - sachgerecht - auf eine
Anfechtung der genannten Bescheide beschränkt. Die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iS des § 55 Abs 1 Nr 1
SGG hat sie nie begehrt. Sie mag zwar ein rechtliches Interesse daran haben, einen höheren Teil der Nachzahlung
der Verletztenrente des Versicherten zu erhalten. Insoweit besteht jedoch kein Anspruch - und damit auch kein
Rechtsverhältnis iS des § 55 SGG - gegenüber der Beklagten, sondern nur gegenüber der Schuldnerin der
Verletztenrente, der BG. Diese muss prüfen, zu welchem Teil der Versicherte die Verletztenrente bereits (über § 107
SGB X) von der Beklagten erhalten hat, dh in welcher Höhe ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die BG
besteht. Deshalb verbietet sich im vorliegenden Verfahren auch eine Auslegung oder Umdeutung des Klagantrags in
einen Feststellungsantrag gegenüber der Beklagten. Eine solche Feststellung, egal wie sie ausfällt, hätte im
Verhältnis der Klägerin zur BG keine Auswirkungen. Die Klägerin kann von der Beklagten auch unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt eine höhere Rentenzahlung für den streitigen Zeitraum beanspruchen, denn die ursprünglich
gezahlte Rente blieb unangetastet. Schließlich besteht auch kein Anspruch auf "Weiterreichung" des von der BG an
die Beklagte bereits gezahlten Erstattungsbetrags.
Eine Korrektur dieser Situation unter dem Aspekt der Prozessökonomie und des effektiven Rechtsschutzes ist im
Revisionsverfahren nicht mehr möglich. Nach § 168 Satz 1 SGG sind Klageänderungen (hier im Sinne eines
Parteiwechsels, vgl § 99 SGG) und Beiladungen (vgl § 75 SGG) im Revisionsverfahren unzulässig. Nach § 168 Satz
2 SGG kann zwar eine versäumte notwendige Beiladung nach § 75 Abs 2 SGG nachgeholt werden, wenn der
Beizuladende zustimmt. Eine Beiladung nach § 75 Abs 2 Alternative 2 SGG scheitert hier jedoch bereits daran, dass
keine Ansprüche auf Leistung im Raum stehen; eine Beiladung nach § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG scheitert an der
notwendigen Identität des Streitgegenstandes und ermöglicht keine Korrektur der prozessualen Situation.
B. Die Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als das LSG sie - aus materiell-rechtlichen Gründen - zur
Abänderung des Bescheids vom 23. September 1983 in der Fassung der hierzu ergangenen Anpassungsbescheide ab
1. Februar 1992 verpflichtet hat. Stattdessen waren - wie dargestellt - die angefochtenen Bescheide bereits aus
formellen Gründen in vollem Umfang aufzuheben, sodass sich die im Rechtsstreit aufgeworfenen materiell-rechtlichen
Fragen nicht mehr stellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Anfechtungsklage in vollem
Umfang Erfolg hatte und es die Beklagte war, welche mit ihren Bescheiden und deren nur teilweiser Aufhebung den
Anlass für die Klage und deren Fortführung geschaffen hatte.