Urteil des BSG vom 04.03.2014

BSG: Krankenversicherung, Vereinbarung über ambulante Operationen im Krankenhaus, Schiedsspruch des erweiterten Bundesschiedsamts, Vertragspartner, Anfechtungsklage als zulässige Klageart

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 4.3.2014, B 1 KR 16/13 R
Krankenversicherung - Vereinbarung über ambulante Operationen im Krankenhaus -
Schiedsspruch des erweiterten Bundesschiedsamts - Vertragspartner - Anfechtungsklage als
zulässige Klageart - gerichtliche Überprüfung von Schiedssprüchen - keine Einschränkung
durch Grundsätze für Mitwirkungsobliegenheiten des Vertragsarztes im
Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom
27. März 2013 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2 500 000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Festsetzungen der Vergütung von
Sachkosten bei ambulantem Operieren und stationsersetzenden Eingriffen im
Krankenhaus als Teilregelungen eines Schiedsspruchs des beklagten erweiterten
Bundesschiedsamts für die vertragsärztliche Versorgung.
2 Krankenhäuser sind zur Durchführung ambulanter Operationen und stationsersetzender
Eingriffe - neben den Vertragsärzten - zugelassen (vgl § 115b Abs 2 SGB V; § 115b SGB
V eingefügt durch Art 1 Nr 71 Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der
gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.12.1992, BGBl I 2266; Abs 1 bis 3 hier
anzuwenden idF durch Art 1 Nr 47 Gesetz zur Reform der gesetzlichen
Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626). Hierzu hatten die
zu 1. bis 6. beigeladenen Spitzenverbände der Krankenkassen (KKn) gemeinsam, die
klagende Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der
Krankenhausträger gemeinsam und ua die zu 7. beigeladene Kassenärztliche
Bundesvereinigung ua einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen und sonstiger
stationsersetzender Eingriffe sowie einheitliche Vergütungen für Krankenhäuser und
Vertragsärzte zu vereinbaren (vgl § 115b Abs 1 SGB V). Die Funktion der Beigeladenen
zu 1. bis 6. nimmt inzwischen der GKV-Spitzenverband (Beigeladener zu 8.) wahr. Kommt
eine solche Vereinbarung ganz oder teilweise nicht zu Stande, wird ihr Inhalt auf Antrag
einer Vertragspartei durch den Beklagten festgesetzt. Hierzu wird das Bundesschiedsamt
nach § 89 Abs 4 SGB V um Vertreter der Klägerin in der gleichen Zahl erweitert, wie sie
jeweils für die Vertreter der KKn und der Beigeladenen zu 7. vorgesehen ist (erweitertes
Bundesschiedsamt, § 115b Abs 3 SGB V).
3
Die genannten Vertragspartner vereinbarten ua den bis zum 31.3.2005 geltenden
Vertrag nach § 115b Abs 1 SGB V - Ambulantes Operieren und stationsersetzende
Eingriffe im Krankenhaus (AOP-Vertrag). Da sie sich nicht auf eine
Folgevereinbarung einigten, beantragte die Klägerin beim Beklagten, eine Regelung
entsprechend dem so genannten Grundvertrag zu § 115b Abs 1 S 1 Nr 1 und 2 SGB
V festzusetzen (15.10.2004; geändert am 3. und 16.3.2005). Er sah im Hinblick auf
die Sachkosten eine Einzelvergütung nach dem jeweiligen Einstandspreis vor. Der
für die Krankenhäuser bislang geltende pauschale Aufschlag auf die
Gesamthonorarsumme sei demgegenüber defizitär. Die Beigeladenen zu 1. bis 6.
beriefen sich auf abweichende Entwürfe (vom 31.1., 24.2., 8. und 17.3.2005). Der
Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Vertragsfestsetzung entsprechend
ihrem Entwurf ab, setzte den Vertrag nach § 115b Abs 1 SGB V in einer
modifizierten Fassung des Entwurfs der Beigeladenen zu 1. bis 6. unter
maßgeblicher Berücksichtigung eines Vorschlages der Beigeladenen zu 7. fest und
ordnete die sofortige Vollziehung an (Beschlüsse vom 18.3.2005). Auf dieser
Grundlage regelte ua § 9 AOP-Vertrag 2005 für die Zeit vom 1.4.2005 bis 30.9.2006
die Vergütung von Sachkosten (Arzneimittel, Verbandmittel, Heilmittel,
Verbrauchsmaterialien), dessen Regelung in Abs 2 bis 5 umstritten ist:
"(1) Die Kosten des Praxisbedarfs sind mit den ärztlichen Leistungen des EBM
vergütet und werden vom Krankenhaus zur Verfügung gestellt.
(2) Sachkosten, die im Krankenhaus im Zusammenhang mit ärztlichen
Leistungen dieses Vertrages entstehen und die
- nicht mit den ärztlichen Leistungen (Praxisbedarf),
- nicht mit den vertraglich vereinbarten Sachkostenpauschalen des Kapitels 40
des EBM,
- nicht mit den Vereinbarungen gemäß Abs. 3 und Abs. 4
abgegolten sind, werden durch einen pauschalen Zuschlag auf die gesamte
Honorarsumme in Höhe von 7,0 % vergütet.
(3) Nachfolgende Sachkosten werden zusätzlich zu der Vereinbarung in Abs. 2
nach Einzelaufwand erstattet, soweit sie den Betrag von 15,00 Euro im
Einzelfall überschreiten:
- Im Körper verbleibende Implantate,
- Röntgenkontrastmittel,
- Diagnostische und interventionelle Katheter einschl. Führungsdraht,
Gefäßschleuse und Einführungsbesteck im Zusammenhang mit angiologisch-
diagnostischen und -therapeutischen, gefäßchirurgischen und phlebologischen
Leistungen,
- Iris-Retraktoren und Injektionshalterungen bei opthalmochirurgischen Eingriffen,
- Ophthalmica (Perfluordecaline, Silikonöl, C3F8-Gas) bei ophthalmochirurgischen
Operationen,
- Narkosegase,
- Sauerstoff.
(4) Übersteigt der Preis eines Arzneimittels im Einzelfall einen Betrag von
65,00 Euro und ist er nicht Bestandteil der Vergütungen gemäß Abs. 2 und 3,
erfolgt eine zusätzliche Erstattung. Die Erstattung erfolgt in der Höhe der Hälfte
des rechnerischen Bruttopreises im Einzelfall. Die Berechnung erfolgt auf der
Grundlage einer Einzeldosis, der größten angegebenen Packungseinheit der
Großen Deutschen Spezialitätentaxe (Lauertaxe).
(5) Die Abrechnung der Sachkosten gemäß Abs. 3 und der Arzneimittel gemäß
Abs. 4 erfolgt zwischen dem Krankenhaus und den Krankenkassen gemäß §
18. Das Krankenhaus wählt dabei Materialien, die mit den Sachkosten gemäß
Abs. 3 vergütet werden unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots und der
medizinischen Notwendigkeit aus. Es hat die rechnungsbegründenden
Unterlagen in Form der Originalrechnungen für die Dauer von fünf Jahren
aufzubewahren und vorzuhalten. Aus den Originalrechnungen muss der Name
des Herstellers bzw. des Lieferanten, die Artikelbezeichnung sowie die vom
Hersteller bzw. Lieferanten festgelegte Artikelnummer hervorgehen. Das
Krankenhaus ist verpflichtet, die tatsächlich realisierten Preise in Rechnung zu
stellen und gegebenenfalls die vom Hersteller bzw. vom Lieferanten gewährte
Rückvergütung wie insbesondere Preisnachlässe, Rabatte und andere
geldwerte Vorteile mit Ausnahme von Barzahlungsrabatten bis zu 3 %
weiterzugeben. (…)"
4 Der Beklagte begründete seine Entscheidung damit, der Grundsatz einheitlicher
Vergütungen für Krankenhäuser und Vertragsärzte könne aufgrund der unterschiedlichen
Strukturen nicht undifferenziert auf die Erstattung von Sachkosten angewendet werden.
Ein System der Einzelerstattung sei zu aufwändig und bürokratisch, sachgerecht dagegen
der pauschale Aufschlag von 7 % (§ 9 Abs 2 AOP-Vertrag 2005). Eine notwendige
Individualisierungsmöglichkeit verbleibe (§ 9 Abs 3 AOP-Vertrag 2005). Die
Gesamtregelung gelte nur kurzfristig für eine Übergangszeit (Bescheid vom 30.4.2005).
5 Die Klage gegen die Festsetzungen der Vergütung von Sachkosten (§ 9 Abs 2 bis 5 AOP-
Vertrag 2005) ist beim SG ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 1.9.2010). Das LSG hat - trotz
erneuter Rüge der Klägerin - ebenfalls in der Besetzung der Spruchkörper für
Vertragsarztrecht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Der angefochtene Teil des
Schiedsspruchs sei fehlerfrei zustande gekommen und halte sich in den Grenzen des
rechtlich Zulässigen einer Anfangs- und Erprobungsregelung. Es bedürfe keiner weiteren
Aufklärung, denn die Grundsätze der Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten bei
Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 SGB V seien übertragbar (Urteil vom 27.3.2013).
6 Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 31 Abs 1 S 1 SGG und des §
115b Abs 1 S 1 Nr 2 SGB V. Der zuständige LSG-Senat für Krankenversicherung hätte
entscheiden müssen. Die angegriffene Sachkostenvergütung weiche vom
Vertragsarztrecht ab, ohne dass dies systembedingt unvermeidbar sei.
7 Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. März 2013 und des
Sozialgerichts Berlin vom 1. September 2010 sowie die Beschlüsse des Beklagten vom
18. März 2005 in der Fassung des Bescheides vom 30. April 2005 bezüglich § 9 Abs 2 bis
5 AOP-Vertrag 2005 aufzuheben,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. März 2013 aufzuheben
und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht
zurückzuverweisen.
8 Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9 Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
10 Der Beigeladene zu 1. hat schriftlich beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
11 Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
12 Die Beigeladenen zu 2. bis 8. stellen keine Anträge.
Entscheidungsgründe
13 Die Revision der Klägerin hat iS der Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht Erfolg.
14 1. Der erkennende 1. Senat des BSG ist geschäftsplanmäßig zuständig, den Rechtsstreit
zu entscheiden. Die Sache betrifft eine Angelegenheit der Sozialversicherung (§ 12 Abs 2
S 1 SGG idF durch Art 7 Nr 1 Buchst a Gesetz zur Neuorganisation der
bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur
Änderung anderer Gesetze vom 19.10.2013,
BGBl I 3836, mWv 25.10.2013, § 10 Abs 1, § 31 Abs 1 S 1, § 40 S 1 SGG idF der
Gesamtnorm durch Art 8 Nr 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches
Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze <4. SGB IV-ÄndG> vom 22.12.2011, BGBl I 3057),
nämlich der Krankenversicherung, und nicht eine solche des Vertragsarztrechts (§ 10 Abs
2, § 12 Abs 3, § 31 Abs 2, § 40 S 2 SGG). Entgegen der Auffassung des LSG erfasst § 10
Abs 1 SGG auch Klagen betreffend Leistungserbringerstreitigkeiten über das ambulante
Operieren im Krankenhaus nach § 115b SGB V. Klagen, die die Versorgung auf der
Grundlage der §§ 115a, 115b und 116b SGB V betreffen, sind nämlich nicht der
vertragsärztlichen Versorgung zuzuordnen (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung eines
4. SGB IV-ÄndG, BT-Drucks 17/6764, S 26 rechte Spalte). In Ermangelung einer
Übergangsregelung ist § 10 SGG in der seit dem 1.1.2012 (vgl Art 23 Abs 1 4. SGB IV-
ÄndG) geltenden Fassung nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen
Prozessrechts auch in anhängigen Verfahren zu beachten (vgl zusammenfassender
Standpunkt des 1., 3. und 6. Senats des BSG zu § 10 Abs 2 SGG unter A.I, abgedruckt in
SGb 2012, 495).
15 2. Das Berufungsurteil beruht auf einer Gesetzesverletzung. Nach § 547 Nr 1 ZPO, der
über § 202 SGG auch in sozialgerichtlichen Verfahren gilt, ist eine Entscheidung stets als
auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn das erkennende Gericht
nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Das LSG hätte nach den aufgezeigten Maßstäben in
der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und je einem
ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber entscheiden
müssen (§ 10 Abs 1 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG; § 12 Abs 2 SGG, hier für das LSG
anzuwenden idF durch Art 1 Nr 3 Buchst a Gesetz zur Änderung des SGG und des ArbGG
vom 26.3.2008, BGBl I 444, mWv 1.4.2008; § 31 Abs 1 S 1, § 33 Abs 1 SGG idF durch Art
7 Nr 1 und 2 Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011, BGBl I 2302, nach Maßgabe des Art
23 mWv 3.12.2011). Die Klägerin hat dies mit ihrer Revision zutreffend gerügt (zur
Rügepflicht vgl zB BSGE 72, 238, 239 = SozR 3-2500 § 15 Nr 3 S 24; BSGE 82, 150, 152
= SozR 3-1500 § 60 Nr 4 S 14; BGH, NJW-RR 1993, 1339).
16 3. Die nicht vorschriftsmäßige Besetzung führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits.
Der erkennende Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden - weder nach § 170
Abs 1 S 2 noch nach § 170 Abs 2 S 1 SGG -, denn es fehlt an tragfähigen gerichtlichen
Tatsachenfeststellungen für ein Revisionsurteil. Die Rechtsprechung des BSG hat dies in
der Vergangenheit insbesondere angenommen, wenn die Richterbank weder im LSG-
noch im SG-Verfahren vorschriftsmäßig besetzt war (vgl BSGE 82, 150, 156 f = SozR 3-
1500 § 60 Nr 4 S 19 unter Hinweis auf eine vergleichbare Sachlage in BSGE 64, 209, 210
= SozR 5550 § 18 Nr 1 S 2). Sie zieht auch sonst im Falle eines absoluten
Revisionsgrundes iS des § 547 ZPO ein Absehen von der Zurückverweisung allenfalls in
besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht, so etwa dann, wenn im Falle der
Zurückverweisung ein Erfolg unter keinem denkbaren Gesichtspunkt möglich erscheint
(BSGE 75, 74, 76 bis 78 = SozR 3-2500 § 33 Nr 12 S 44 bis 46; hieran anknüpfend BSGE
76, 59, 67 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1 S 10; vgl zum Ganzen BSGE 82, 150, 156 f = SozR 3-
1500 § 60 Nr 4 S 19). Im Grundsatz ist dagegen bei Vorliegen absoluter Revisionsgründe
eine Zurückverweisung vorzunehmen (vgl zB BSGE 4, 281, 288; BSGE 63, 43, 45 = SozR
2200 § 368a Nr 21 S 75; BSGE 75, 74, 77 = SozR 3-2500 § 33 Nr 12 S 45; s auch zB
BGHZ 105, 270, 276; BSGE 82, 150, 156 f = SozR 3-1500 § 60 Nr 4 S 19; BVerwGE 102,
7, 11 mwN).
17 Nichts anderes gilt, wenn die Rechtslage hinsichtlich der richtigen Besetzung der
Richterbank während des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens in der höchstrichterlichen
Rechtsprechung umstritten war, der Gesetzgeber deshalb die Zuständigkeitsregelungen
präzisierte und danach rückblickend auch die erstinstanzliche Besetzung der Richterbank
als unrichtig erscheint. Wäre nunmehr maßgeblich, wie die frühere Rechtslage
"richtigerweise" zu beurteilen ist, würde die Rechtssicherheit bedroht, die der Gesetzgeber
gerade mit der Gesetzespräzisierung erzielen wollte.
18 So liegt es hier. Der Gesetzgeber änderte § 10 SGG, weil die gesetzliche Definition des
Vertragsarztrechts nicht mehr den geänderten Rahmenbedingungen entsprach. Dies
führte zu Zuständigkeitsstreitigkeiten (vgl zB Rechtsauffassung des erkennenden 1. und
des 3. BSG-Senats BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500
§ 10 Nr 3 RdNr 9 f; abweichend die damalige Rechtsauffassung des 6. BSG-Senats, vgl
BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 19 ff; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 §
116b Nr 2, RdNr 15 ff). Der Gesetzgeber sah dies im Hinblick auf die verfassungsrechtlich
geforderte Regelungsklarheit bei der Bestimmung des gesetzlichen Richters (BVerfG
Plenarbeschluss vom 8.4.1997, BVerfGE 95, 322, 328 f) als nicht hinnehmbar an (vgl BT-
Drucks 17/6764 S 25, zu Art 8 zu Nr 1). Er präzisierte deshalb die
Zuständigkeitsregelungen.
19 4. Es liegt auch kein Ausnahmefall vom Grundsatz der Zurückverweisung in dem Sinne
vor, dass im Falle der Zurückverweisung ein Erfolg unter keinem denkbaren Gesichtspunkt
als möglich erscheint.
20 a) Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig.
21 Klagt eine der Institutionen, die nach § 115b Abs 1 SGB V an der Vereinbarung über
ambulante Operationen mitzuwirken hat, gegen einen Schiedsspruch nach § 115b Abs 3
SGB V, ist allein die Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Fall 1 und 2 SGG), nicht aber eine
hiermit verknüpfte Verpflichtungs- oder Bescheidungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Fall 3 SGG)
statthaft. Denn der Schiedsspruch nach § 115b Abs 3 SGB V hat rechtlich eine
Doppelnatur. Er wirkt, soweit er einen Vertrag ersetzt, wie ein Normenvertrag nach § 115b
Abs 1 SGB V. Gegenüber den an der Normsetzung beteiligten Institutionen nach § 115b
Abs 1 SGB V ist er Verwaltungsakt iS von § 31 SGB X (vgl rechtsähnlich zur Klage gegen
einen Schiedsspruch nach § 114 SGB V BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr
13 mwN; für alle Entscheidungen des Erweiterten Bewertungsausschusses im Bereich der
Normsetzung vgl BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 20 mwN; zur
Qualifikation anderer, ähnlicher Schiedssprüche nach dem SGB XI und der RVO als
Verwaltungsakt vgl auch zB BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSGE 87, 199,
200 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 11; BSGE 105,
126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 20 und 41; zur anders ausgestalteten Konzeption
einer Schiedsperson BSGE 107, 123 = SozR 4-2500 § 132a Nr 5, RdNr 16 ff). Sind die an
der Normsetzung beteiligten Institutionen mit dem Schiedsspruch nicht einverstanden,
steht ihnen lediglich die Anfechtungsklage offen.
22 Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage trägt dem Selbstverwaltungsrecht der
Vertragspartner nach § 115b Abs 1 SGB V und dementsprechend der Kompetenz des
Beklagten nach § 115b Abs 3 SGB V Rechnung (vgl entsprechend BSGE 20, 73, 75 =
SozR Nr 1 zu § 368h RVO; zu § 114 SGB V: BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1,
RdNr 14 mwN; Becker in Becker/Kingreen, SGB V, 3. Aufl 2012, § 114 RdNr 9 mwN). So
kann es im Einzelfall dem erweiterten Bundesschiedsamt für die vertragsärztliche
Versorgung überlassen bleiben, ob es es nach einer gerichtlichen Teilaufhebung eines
Schiedsspruchs bei der danach verbleibenden Restregelung belassen oder eine
abweichende Gesamtregelung treffen will. Bei einer vollständigen gerichtlichen
Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen Missachtung wesentlicher Grundlagen ist es
ohnehin gesetzlich verpflichtet, erneut zu entscheiden. Insoweit bedarf es keiner
zusätzlichen Bescheidungstenorierung iS von § 131 Abs 3 SGG.
23 Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage vermeidet zudem Probleme der
beteiligtenbezogenen Teilrechtskraft bei Bescheidungsurteilen, die für Entscheidungen
über Normenverträge Unzuträglichkeiten und Rechtsunsicherheit verursachen (vgl zur
Teilrechtskraft bei Bescheidungsurteilen zB BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 22 mwN).
Insbesondere ist es mit der gerichtlichen Kontrollfunktion der Schiedssprüche nach § 115b
Abs 3 SGB V wegen ihrer Doppelfunktion als Verwaltungsakt und Normenvertrag nicht
vereinbar, höherrangigem Recht widersprechende Rechtsauffassungen einer Vorinstanz
in Rechtskraft erwachsen zu lassen, wenn nur Teile der Rechtsauffassung im Streit
verbleiben oder durch die Rechtsauffassung der Vorinstanz begünstigte Rechtsmittelführer
lediglich noch darüber hinausgehende Ansprüche verfolgen. Dies wäre aber Folge der
Qualifikation als Bescheidungsbegehren (stRspr bei Bescheidungsbegehren, vgl zB
BSGE 88, 215, 225 = SozR 3-3300 § 9 Nr 1 S 11; ebenso BVerwGE 84, 157, 164 = NJW
1990, 2700, 2702 mwN). Weil die Rechtskraftwirkung auf die Verfahrensbeteiligten
beschränkt wäre, nämlich auf die an der Normsetzung beteiligten Institutionen, könnten
hieraus erwachsende Fehler - etwa aufgrund Unvereinbarkeit der instanzgerichtlichen
Auffassung mit höherrangigem Recht - erst in weiteren Gerichtsverfahren im Rahmen
gerichtlicher Inzidentkontrolle korrigiert werden, welche Beteiligte betreiben, die dem
Normenvertrag unterworfen sind. Im Ergebnis würde das Gerichtsverfahren gegen einen
Schiedsspruch nach § 115b Abs 3 SGB V - funktionswidrig - auf ein Rechtsgutachten zu
Teilaspekten des Rechtsstreits reduziert (vgl entsprechend zu § 114 SGB V BSGE 112,
156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 15 mwN).
24 Ein Rechtsschutzinteresse besteht weiterhin trotz Ablaufs der Geltungsdauer des § 9
AOP-Vertrag 2005 aus den vom LSG dargelegten Gründen.
25 b) Es bedarf für die gerichtliche Entscheidung tragfähiger gerichtlicher
Tatsachenfeststellungen.
26 Die Festsetzungen der Vergütung von Sachkosten bei ambulantem Operieren und
stationsersetzenden Eingriffen im Krankenhaus als Teilregelungen eines Schiedsspruchs
unterliegen in dem Umfang der Kontrolle der Gerichte wie der Vertrag, den sie ersetzen.
Die Festsetzung des Vertragsinhalts durch den Schiedsspruch ist eine Form der
Schlichtung, nicht der Rechtsfindung; der Schiedsspruch hat die Rechtswirkung einer
vertraglichen Vereinbarung iS des § 115b Abs 1 SGB V. Was die Beteiligten in freier
Vereinbarung hätten regeln können, wird im streitschlichtenden Schiedsverfahren durch
den Schiedsspruch ersetzt. Der Beklagte hat bei der Festsetzung des Vertragsinhalts nach
§ 115b Abs 1 SGB V die gleiche Gestaltungsfreiheit, wie sie für die Vertragsparteien bei
der gütlichen Vereinbarung besteht. Soweit nicht zwingendes höherrangiges Recht
Schranken errichtet, besteht für die Vertragsparteien des § 115b Abs 1 SGB V
Vertragsfreiheit und für den Beklagten in diesem Rahmen Gestaltungsermessen. Die
gerichtliche Kontrolle der Festsetzung von Vergütungen durch den Beklagten ist
dementsprechend beschränkt.
27 In formeller Hinsicht ist zu prüfen, ob der Beklagte den von ihm zugrunde gelegten
Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat
und sein Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend
erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, dass der vom Beklagten
zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob er den ihm zustehenden
Gestaltungsspielraum eingehalten, insbesondere die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe
beachtet hat. Das Wesen des Schiedsspruchs des Beklagten entspricht insoweit dem der
Schiedssprüche der Schiedsämter und sonstigen Schiedsstellen im SGB V und SGB XI
(vgl BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h RVO; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 20 S 131;
BSGE 87, 199, 200 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3300 § 89 Nr 1 RdNr 19;
BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 69; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr
13; BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr 26, RdNr 21 mwN; BSGE 112, 156 = SozR 4-
2500 § 114 Nr 1, RdNr 27 mwN, zu § 114 SGB V).
28 Entgegen der Auffassung des LSG ist die inhaltliche Überprüfung nicht weitergehend
durch die Grundsätze eingeschränkt, die die Rechtsprechung des für das Vertragsarztrecht
zuständigen 6. Senats des BSG für Mitwirkungsobliegenheiten des Vertragsarztes
überzeugend entwickelt hat (vgl zB BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 101; BSGE 59, 211,
215 = SozR 2200 § 368n Nr 40 S 133; BSG Urteil vom 9.3.1994 - 6 RKa 16/92 - Juris).
Dieser Ansatz würde hier den gebotenen effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG)
unangemessen verkürzen.
29 5. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, Abs 4, § 47 Abs 1 S 1, Abs
2 S 1 GKG.