Urteil des BSG vom 26.03.2014

BSG: berechtigte person, echte rückwirkung, eltern, anfechtungsklage, haushalt, einkünfte, berechtigter, presse, behandlung, gestaltungsspielraum

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 26.3.2014, B 10 EG 13/13 R
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen
vom 22. März 2013 geändert.
Soweit der Beklagte von der Klägerin Erstattung in Höhe von 4444,41 Euro verlangt, wird die
Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht
zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 4. Mai
2012 zurückgewiesen.
Tatbestand
1 Streitig ist die Höhe des der Klägerin zustehenden Elterngeldes nach dem
Bundeselterngeld-und Elternzeitgesetz (BEEG).
2 Die Klägerin ist Mutter des am 10.7.2010 geborenen Kindes M. Der für das Elterngeld
zuständige Landkreis (Beklagter) bewilligte ihr auf der Grundlage ihrer vor der Geburt
erzielten Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit unter Anrechnung von
Mutterschaftsgeld Elterngeld in Höhe von 1124,05 Euro für den ersten, 1189,05 Euro für
den zweiten sowie von 1597,05 Euro für den dritten bis 12. Lebensmonat ihrer Tochter
(Bescheid vom 19.8.2010). Diesen hob er mit auf § 48 SGB X gestütztem Bescheid vom
27.12.2010 hinsichtlich der Elterngeldbewilligung ab dem siebten Lebensmonat auf und
senkte das Elterngeld der Klägerin auf der Grundlage der Neufassung des § 2 Abs 2 S 1
BEEG durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 für den siebten bis zum 12. Lebensmonat
auf 1481,47 Euro ab. Die Klägerin erhob dagegen Widerspruch. Mit weiterem Bescheid
vom 20.1.2011 erklärte der Beklagte seinen Bescheid vom 27.12.2010 für vorläufig, weil die
Einkommensverhältnisse der Klägerin mit Blick auf den ebenfalls zum 1.1.2011 in Kraft
getretenen § 1 Abs 8 BEEG noch geprüft werden müssten. Mit Bescheid vom 14.3.2011
wies er den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 27.12.2010 zurück. Klage
wurde dagegen nicht erhoben.
3 Im März 2011 teilte die Klägerin mit, das Familieneinkommen 2009 habe über der Grenze
von 500 000 Euro gelegen. Der Beklagte setzte daraufhin das Elterngeld der Klägerin für
den ersten bis sechsten Lebensmonat endgültig in der mit Bescheid vom 19.8.2010
bewilligten Höhe fest (Bescheid vom 30.3.2011). Ab dem siebten Lebensmonat stehe der
Klägerin aufgrund der Vorschrift des § 1 Abs 8 S 2 BEEG kein Elterngeld zu, weil das
Familieneinkommen 500 000 Euro überschritten habe. Die für den siebten bis zum neunten
Lebensmonat bereits ausgezahlten Leistungen in Höhe von 4444,41 Euro seien nach § 50
SGB X zurückzuzahlen.
4 Widerspruch und Klage hiergegen blieb ohne Erfolg. Das SG hat ausgeführt, aufgrund der
neu geschaffenen Regelung des § 1 Abs 8 S 2 BEEG stehe der Klägerin kein Elterngeld zu.
Für die Anspruchsberechtigung sei allein entscheidend, dass ihr Ehemann die
Anspruchsvoraussetzung des § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG - Zusammenleben mit der Familie -
erfüllt habe. Anders können die Vorschrift von § 1 Abs 8 S 2 BEEG die bezweckten
Einspareffekte nicht erzielen (Urteil vom 4.5.2012).
5 Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das erstinstanzliche Urteil geändert und den
Bescheid vom 30.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.7.2011 insoweit
aufgehoben, als der Beklagte das Elterngeld abweichend vom Bescheid vom 27.12.2010
festgesetzt und die Erstattung von 4444,41 Euro geltend gemacht hat. Der Beklagte sei
grundsätzlich zur endgültigen Festsetzung der Leistung berechtigt gewesen, weil er die
Festsetzung für vorläufig erklärt habe und diese Festsetzung bestandskräftig geworden sei.
Die Klägerin habe auch im Rahmen der endgültigen Festsetzung einen Anspruch auf
Elterngeld in Höhe von 1481,47 Euro für die Zeit ab dem 10.1.2011. Sie erfülle die
Voraussetzungen von § 1 Abs 1 BEEG. Die hohen Einkünfte ihres Ehemanns führten auch
ab dem 10.1.2011 zu keinem Leistungsausschluss, weil er nicht zu dem von § 1 Abs 8 S 2
BEEG umfassten Personenkreis gehöre. Der Ehemann der Klägerin sei keine "berechtigte
Person" iS des § 1 Abs 1, 3 oder 4 BEEG, weil er nicht sämtliche nach § 1 Abs 1 BEEG
erforderlichen Voraussetzungen erfülle; dies aber setzte der Wortlaut des § 1 Abs 8 S 2
BEEG zwingend voraus (Urteil vom 22.3.2013).
6 Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 1 Abs 8 S 2 BEEG. Die
Auslegung des LSG lasse sich mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbaren und
widerspreche dem Willen des Gesetzgebers. Diesem sei es darum gegangen, solchen
Familien den Elterngeldanspruch zu versagen, denen ein Einkommen von mehr als 500
000 Euro zustehe. Dafür könne aber allein von Bedeutung sein, dass der andere Elternteil
mit dem Rest der Familie in einer häuslichen Gemeinschaft wohne (§ 1 Abs 1 Nr 2 BEEG).
Durch die Auslegung des LSG werde dagegen der Anwendungsbereich der Vorschrift auf
ein absolutes Minimum eingeschränkt und damit ihr Zweck vereitelt, einen Beitrag zur
Haushaltskonsolidierung zu leisten. Zum 1.8.2013 sei § 1 Abs 8 S 2 BEEG neu gefasst
worden. Die Vorschrift lasse jetzt ausdrücklich die Erfüllung der Voraussetzung des § 1 Abs
1 Nr 2 BEEG genügen. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass der Gesetzgeber
damit lediglich den Sinn der Vorschrift klarstellen und nicht ändern wollte. Damit liege auch
schon vor Inkrafttreten der Neufassung eine Berechtigung iS des § 1 Abs 8 S 2 BEEG vor,
wenn der andere Elternteil mit dem Kind in einem Haushalt lebe (§ 1 Abs 1 Nr 2 BEEG).
7 Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2013 zu ändern und
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht
zurückzuverweisen, soweit der Beklagte von der Klägerin Erstattung in Höhe von 4444,41
Euro verlangt und im Übrigen die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des
Sozialgerichts Köln vom 4. Mai 2012 zurückzuweisen.
8 Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Revision zurückzuweisen.
9 Zur Begründung verweist sie auf das LSG-Urteil. Der Wortlaut des § 1 Abs 8 S 2 BEEG sei
eindeutig. Der Hinweis auf die Gesetzesänderung zum 1.8.2013 zeige lediglich, dass die
zugrunde liegende Problematik nicht alleine mit der Auslegung des Gesetzes zu regeln
gewesen sei. Selbst wenn der Senat der Begründung des LSG nicht folgen wolle, sei die
Revision wegen Verletzung des verfassungsrechtlich verbürgten Vertrauensschutzes
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
10 Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Klägerin hatte ab dem 10.1.2011 keinen
Anspruch mehr auf Elterngeld (dazu 2.). Soweit der Beklagte von der Klägerin Erstattung
in Höhe von 4444,41 Euro verlangt, war die Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (dazu 3.).
11 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 30.3.2011 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.7.2011. Dieser trifft drei Regelungen iS von
§ 31 SGB X (vgl BSG SozR 4-7837 § 2 Nr 14).
- Erstens hebt er die Erklärung der Vorläufigkeit auf, die der Beklagte seinem Bescheid
vom 27.12.2010 mit Bescheid vom 20.1.2011 nachträglich gemäß § 32 Abs 1 SGB X iVm
§ 8 Abs 3 BEEG als Nebenbestimmung beigefügt hatte.
- Zweitens setzt der Bescheid vom 30.3.2011 den Elterngeldanspruch der Klägerin für den
siebten bis 12. Lebensmonat endgültig auf Null Euro fest.
- Drittens stellt er die Verpflichtung der Klägerin fest, dass aufgrund der ursprünglichen
höheren Festsetzung überzahlte Elterngeld zurückzuerstatten.
Gegen alle drei Regelungen hatte die Klägerin zu Recht Anfechtungsklage erhoben und
diese nach § 54 Abs 1 S 1 und Abs 4 SGG zulässigerweise mit einer Leistungsklage -
gerichtet auf die Zahlung höheren Elterngelds - kombiniert. Das LSG hat nur ihrer
Anfechtungsklage stattgegeben, den Bescheid des Beklagten vom 30.3.2011 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.7.2011 aufgehoben und damit den Bescheid
vom 27.12.2010 wieder aufleben lassen. Nur in diesem Umfang ist der Beklagte als
alleiniger Revisionsführer beschwert. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist deshalb
nur die Anfechtungsklage der Klägerin geworden.
12 Dieser hat das LSG zu Unrecht stattgegeben, soweit es die Festsetzung des Elterngeldes
der Klägerin auf Null Euro ab dem siebten Lebensmonat ihrer Tochter (dem 10.1.2011)
aufgehoben hat (dazu 2.). Für die Entscheidung der Frage, ob der Beklagte von der
Klägerin die Erstattung des überzahlten Elterngeldes verlangen kann, fehlen dagegen die
erforderlichen tatsächlichen Feststellungen (dazu 3.).
13 2. Der Bescheid des Beklagten vom 30.3.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin
nicht in ihren Rechten, soweit die Beklagte darin ihren Anspruch auf Elterngeld für die Zeit
ab dem 10.1.2011 verneint hat.
14 a) Die Ermächtigung des Beklagten zu einer von der Elterngeldfestsetzung im Bescheid
vom 27.12.2010 abweichenden Regelung ergibt sich aus dem damit verbundenen
Vorbehalt der Vorläufigkeit, den die Beklagte mit Bescheid vom 20.1.2011 nachträglich
nach § 8 Abs 3 BEEG erlassen hat (zu dieser Möglichkeit vgl BSG SozR 4-7837 § 2 Nr
14). Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, kommt es insoweit nicht darauf an, ob dieser
Vorbehalt rechtmäßig ergangen ist, weil der zugrunde liegende Verwaltungsakt vom
20.1.2011 bestandskräftig geworden ist. Anhaltspunkte für schwerwiegende und
offensichtliche Fehler, die nach § 40 SGB X ausnahmsweise zu einer Nichtigkeit dieses
Verwaltungsakts führen könnten, sieht der Senat nicht.
15 b) Der Beklagte ist bei seiner endgültigen Elterngeldfestsetzung zu Recht davon
ausgegangen, dass der Klägerin für den siebten bis 12. Lebensmonat ihrer Tochter, also
ab dem 10.1.2011, kein Elterngeld zusteht.
16 Rechtsgrundlage für den Elterngeldanspruch der Klägerin bilden die §§ 1 ff BEEG in der
Fassung vom 9.12.2010 (BGBl I S 1885). Nach den für den Senat nach § 163 SGG
bindenden Feststellungen des LSG erfüllte die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum die
Grundvoraussetzungen des Elterngeldanspruchs nach § 1 Abs 1 BEEG, weil sie ihren
Wohnsitz in Deutschland hatte, ihre Tochter selbst betreute und erzog und keine volle
Erwerbstätigkeit ausübte.
17 Dem Anspruch der Klägerin auf Elterngeld stand aber vom siebten Lebensmonat ihrer
Tochter an (seit dem 10.1.2011) der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs 8 S 2 BEEG
entgegen (vgl § 4 Abs 4 BEEG). § 1 Abs 8 S 2 BEEG sollte nach dem Willen des
Gesetzgebers - ebenso wie die vom Haushaltsbegleitgesetz 2011 (HBeglG 2011)
vorgenommen Absenkung der Ersatzquote des Elterngeldes - vom 1.1.2011 an auch auf
laufende Leistungsfälle wie denjenigen der Klägerin Anwendung finden, um die damit
verfolgten Einsparziele zu erreichen (vgl BSG SozR 4-7837 § 2 Nr 24). Nach § 1 Abs 8 S 2
BEEG in der hier einschlägigen Fassung entfällt ein Anspruch auf Elterngeld für die
berechtigte Person, wenn auch eine andere Person nach den Absätzen 1, 3 oder 4
berechtigt ist und die Summe des zu versteuernden Einkommens beider berechtigter
Personen mehr als 500 000 Euro beträgt.
18 Berechtigt in diesem Sinn bedeutet zwar nach dem Wortsinn, dass die betreffende Person
anspruchsberechtigt sein muss und berechtigte Person ist nur, wer selber alle
Voraussetzungen für den Anspruch auf Elterngeld erfüllt, also insbesondere sein Kind
auch selber betreut und erzieht und jedenfalls keine volle Erwerbstätigkeit ausübt, § 1 Nr 3
und 4 BEEG. Gleichwohl genügt es für den Anspruchsausschlusstatbestand des § 1 Abs 8
S 2 BEEG, dass der Ehemann der Klägerin nach den für den Senat bindenden
tatrichterlichen Feststellungen mit ihr und dem gemeinsamen Kind in einem Haushalt
lebte, § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG, und die Summe des zu versteuernden Einkommens beider
Eltern zusammen mehr als 500 000 Euro betrug. Nach der systematischen Stellung geht
es bei § 1 BEEG um den Anspruchsgrund als Voraussetzungen für die Gewährung von
Elterngeld (Becker in Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und
Elternzeitgesetz, 8. Aufl 2008, § 1 BEEG RdNr 1; vgl BT-Drucks 16/1889, S 18 ff), während
die nachfolgenden Vorschriften die Höhe des Elterngelds, die Bezugsdauer, die
Anrechnung weiterer Leistungen usw regeln. Die amtliche Überschrift der Vorschrift
bezeichnet die Anspruchsinhaber ausdrücklich als Berechtigte und auch die
nachfolgenden Vorschriften des BEEG sprechen von Anspruchsinhabern jeweils als
berechtigter Person (vgl etwa §§ 2 und 3 BEEG). Dieser Sprachgebrauch des Gesetzes
schließt es indessen nicht aus, den Begriff berechtigte Personen in § 1 Abs 8 S 2 BEEG
anders auszulegen als in §§ 2 ff BEEG, zumal das Gesetz keine gleichzeitige
Anspruchsberechtigung mehrerer Personen für denselben Lebensmonat vorsieht.
19 Bei § 1 Abs 8 S 2 BEEG handelt es sich um ein negatives Tatbestandsmerkmal
(Ausschlusstatbestand), das bezogen auf den Elternteil, der den Anspruch auf Elterngeld
geltend macht, nicht vorliegen darf. Wie sich für den Senat aus der Gesamtschau der
Gesetzesmaterialien ergibt, wollte der Gesetzgeber nach seiner eindeutig erkennbaren
Regelungsabsicht den Anwendungsbereich der Norm des § 1 Abs 8 S 2 BEEG in der hier
anwendbaren Fassung nicht auf Personen beschränken, die sämtliche positiven
Tatbestandsvoraussetzungen selbst erfüllen. Der Wortlaut ist mit "berechtigte Person" zu
eng gefasst und nach Sinn und Zweck auf Elternteile zu erstrecken, die zwar das Kind
nicht selbst erziehen und auch ihre Erwerbstätigkeit wegen Kindererziehung mit
Erwerbseinbußen nicht einschränken, die aber mit der Familie zusammenleben und mit
ihrem Einkommen zur wirtschaftlichen Gesamtsituation der Familie beitragen. Auch wenn
die ursprüngliche schriftliche Begründung des Gesetzentwurfs zur Einfügung des § 1 Abs
8 S 2 BEEG hierzu wenig Aufschluss gibt, ergibt sich dieser Gesetzeszweck mit
hinreichender Klarheit aus der im Anschluss darüber geführten Parlamentsdebatte.
20 § 1 Abs 8 S 2 BEEG in der hier einschlägigen Fassung war im ursprünglichen Entwurf des
Haushaltsbegleitgesetzes noch nicht enthalten (BT-Drucks 17/3030, S 19), sondern wurde
erst auf Antrag der Regierungsfraktionen durch den Haushaltsausschuss in das BEEG
eingefügt. Die schriftliche Begründung im Bericht des 8. Ausschusses (BT-Drucks
17/3452, S 8), auf die das LSG sich gestützt hat, spricht davon, es komme auf Personen
an, die neben der berechtigten Person bezüglich des Kindes die
Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs 1, 3 oder 4 erfüllten. Damit werde bei dem
Anspruch auf Elterngeld erstmals die Einkommenssituation des anderen Elternteils bzw
einer anderen anspruchsberechtigten Person berücksichtigt. Bereits diese Begründung
macht die Absicht des Gesetzgebers deutlich, für den Elterngeldanspruch nunmehr die
gesamte wirtschaftliche Situation beider Eltern in den Blick zu nehmen. Dies wird durch
den weiteren Gang der parlamentarischen Beratungen untermauert. Der von der Regelung
eingeführte Anspruchsausschluss zielt auf Steuerpflichtige mit einem zu versteuernden
Einkommen, für das der Spitzensteuersatz von 45 % anfällt (sog Reichensteuer, vgl § 32a
Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 52 Abs 41 EStG sowie §§ 26, 26b EStG) und orientiert sich deshalb
eng an den steuerrechtlichen Einkommensgrenzen für diesen Steuersatz. Die damaligen
Regierungsfraktionen haben den Anspruchsausschluss nachträglich im
Haushaltsausschuss zu dem Zweck eingefügt, der im Gesetzgebungsverfahren
geäußerten Kritik an der geplanten Anrechnung von Elterngeld auf die Leistungen nach
dem SGB II zu begegnen. Abgeordnete von Regierung und Opposition waren sich - bei
gegensätzlicher politischer Bewertung - während der Debatte in der Feststellung einig,
dass die vom Haushaltsausschuss vorgeschlagene Gesetzesänderung im Kontext der
politischen Gerechtigkeitsdiskussion dazu dienen sollte, den Anspruch auf Elterngeld für
alle Eltern, die der sog Reichensteuer unterfielen, vollständig zu beseitigen (vgl
Plenarprotokoll 17/68, S 7262, 7266; BT-Drucks 17/3548).
21 Wie diese übereinstimmenden Bezugnahmen auf die so genannte Reichensteuer und den
am Spitzensteuersatz orientierten Grenzwert von 500 000 Euro verdeutlichen, hatte der
Gesetzgeber mit der Bezugnahme auf den Begriff "eine andere berechtigte Person" in § 1
Abs 8 S 2 BEEG insbesondere gemeinsam veranlagte, also nicht dauerhaft getrennt
lebende Ehegatten im Blick (vgl §§ 26, 26b EStG). Gerade mit Blick auf diese in der
Rechtswirklichkeit für das Elterngeld besonders relevante Gruppe - nach dem 1.
Elterngeld-bericht der Bundesregierung (BT-Drucks 16/10770) waren rund 70 % der
Elterngeldempfänger verheiratet - wollte es der Gesetzgeber für die Berechtigung der
"anderen Person" iS von § 1 Abs 8 S 2 BEEG genügen lassen, dass diese Person die
Voraussetzung des § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG erfüllt, weil sie mit dem Anspruchsteller und dem
gemeinsamen Kind in einem Haushalt lebt und damit potenziell berechtigt ist.
22 Diese Regelungsabsicht hat der Gesetzgeber nunmehr mit Wirkung vom 1.8.2013 durch
Gesetz zur Einführung eines Betreuungsgeldes vom 15.2.2013 (BGBl I S 254) umgesetzt
und in einer als Klarstellung bezeichneten Neufassung des § 1 Abs 8 S 2 BEEG bekräftigt.
Danach entfällt der Anspruch auf Elterngeld auch, wenn eine andere Person die
Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 2 oder die des Abs 3 oder 4 BEEG erfüllt und die
Summe des zu versteuernden Einkommens beider Personen mehr als 500 000 Euro
beträgt. Zwar ist der Gesetzgeber nicht zu einer rückwirkenden authentischen
Interpretation der von ihm selbst erlassenen Vorschriften befugt (vgl zuletzt BVerfG
Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - Juris mwN). Jedoch liegt ein solcher Fall hier
nicht vor. Vielmehr bestätigt die Neufassung der Vorschrift nach Ansicht des Senats den
von Anfang an bestehenden und in den Gesetzgebungsmaterialien nachweisbaren, wenn
auch zunächst im Gesetzeswortlaut nur unvollkommen umgesetzten Regelungsplan des
Normgebers. Wenn schon in bestimmten Konstellationen eine nachfolgend unterbliebene
Änderung der gesetzlichen Regelung darauf schließen lassen kann, dass der
Gesetzgeber nicht von einer planwidrigen Regelungslücke ausgeht (vgl BSG SozR 4-
7837 § 2 Nr 9 RdNr 24), so kommt hier der tatsächlich vorgenommenen nachträglichen
Klarstellung erst recht und umso mehr Indizcharakter für den zunächst im Wortlaut
unvollständig zum Ausdruck gekommenen Willen der Legislative zu.
23 c) Der nach diesem Verständnis von § 1 Abs 8 S 2 BEEG bewirkte umfassende
Anspruchsausschluss für Ehepaare oder Lebenspartner, die dem Spitzensteuersatz
unterliegen, verletzt zur Überzeugung des Senats keine Grundrechte der Klägerin.
24 Der Wegfall des Elterngeldanspruchs greift nicht in nach Art 14 Abs 1 GG geschützte
Eigentumsrechte ein, weil er anders als echte Lohnersatzleistungen nicht auf
Eigenleistungen des Berechtigten beruht (BSG SozR 4-7837 § 2 Nr 24). Die -
beträchtlichen - vorangegangenen Steuerzahlungen durch die Klägerin und ihren
Ehemann ändern daran nichts. Elterngeld kann nicht als Gegenleistung für die vom
Berechtigten zuvor auf sein Erwerbseinkommen entrichteten Steuern angesehen werden
(Becker in Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und
Elternzeitgesetz, 8. Aufl 2008, Vorbemerkung zu §§ 1 bis 14 BEEG, RdNr 14). Steuern
stellen keine Gegenleistung für eine besondere Leistung dar (vgl § 3 Abs 1 AO); eine
Zweckbindung des Steueraufkommens ist mit dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der
Gesamtdeckung unvereinbar (Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl 2010, § 3 RdNr 15).
25 Ebenso wenig verstößt der Wegfall des Elterngeldanspruchs bei Überschreitung hoher
Einkommensgrenzen auch für laufende Leistungsfälle gegen die rechtsstaatlichen Gebote
der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (Art 20 Abs 3 iVm Art 2 Abs 1 GG). Eine
echte Rückwirkung hat § 1 Abs 8 S 2 BEEG im Fall der Klägerin nicht, weil sich die
Regelung lediglich auf Elterngeldansprüche für Lebensmonate nach der Verkündung des
HBeglG 2011 auswirkt (vgl im einzelnen BSG SozR 4-7837 § 2 Nr 24). Die mit der
Vorschrift verbundene unechte Rückwirkung bzw tatbestandliche Rückanknüpfung verletzt
nicht den Grundsatz des Vertrauensschutzes, weil bei der gebotenen Interessenabwägung
(vgl BSG aaO) die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen das schutzwürdige
Bestandsinteresse der Klägerin überwiegen. Ihr Vertrauen auf den Fortbestand ihres
Elterngeldanspruchs ist nicht als besonders hoch einzuschätzen. Schon allgemein schützt
die Rechtsordnung außerhalb der beitragsfinanzierten Sozialversicherung nicht das
Vertrauen in den dauerhaft unveränderten Fortbestand finanzieller Leistungen des Staates
(BSG aaO). Auch konnte sich die Klägerin nicht auf das Weiterbestehen einer über viele
Jahre gewährten Rechtsposition berufen, da das Elterngeld erst zum 1.1.2007 eingeführt
worden ist. Nach der erkennbaren Gesamtkonzeption des Elterngelds und den damit
verfolgten Zielen durfte die Klägerin schließlich angesichts ihres herausgehobenen
Familieneinkommens ebenfalls nicht zwingend mit dem Fortbestand ihres
Elterngeldanspruchs rechnen. Das Elterngeld soll die soziale Position der Familien durch
finanzielle Unterstützung der Erziehungstätigkeit verbessern (vgl Becker in
Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 8. Aufl
2008, Vorbemerkung zu §§ 1 bis 14 BEEG, RdNr 1). Die Ausgestaltung des Elterngelds
als steuerfinanzierte Lohnersatzleistung weicht damit erheblich von der vorherigen
Ausrichtung familienpolitischer Leistungen ab. Das Elterngeld hat das zuletzt an die
Bedürftigkeit der Empfänger geknüpfte Erziehungsgeld durch eine verstärkt individuelle
Einkommenseinbußen ersetzende Ausgleichsleistung abgelöst (vgl BSG Urteil vom
25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 2). Es zielt darauf ab, die wirtschaftliche
Lebensgrundlage von Familien während der ersten Lebensmonate der Kinderbetreuung
abzusichern (vgl Othmer in Roos/Bieresborn, 2014, § 1 BEEG RdNr 6 mwN). Das
Elterngeld verknüpft zu diesem Zweck die Leistungsgewährung nicht mit der
Verwirklichung eines bestimmten Erwerbsrisikos, sondern mit einer typischen - aber
hinsichtlich individueller Einkommenseinbußen unterschiedlich ausgeprägten -
allgemeinen Bedarfslage (BSG SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 84 mwN). Obwohl das
Elterngeld damit nicht streng an die persönliche Bedürftigkeit anknüpft, bleibt es eine Hilfe
zum Aufbau wie zur Sicherung der Lebensgrundlage junger Familien und somit eine
klassische fürsorgerische Leistung (BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 39).
Dementsprechend fördert das Elterngeld durch die Ausgestaltung der Ersatzquote und der
Höchstbetragsregelung in § 2 BEEG schwerpunktmäßig Eltern, die im Bemessungs-
zeitraum kleinere bis mittlere Einkommen erzielt haben (vgl im einzelnen BSG SozR 4-
7837 § 2 Nr 7).
26 Vor diesem Hintergrund konnte die Klägerin erkennen, dass sie nach den Vorstellungen
des Gesetzgebers einer solchen sozialen Absicherung während der Erziehungsphase
aufgrund ihres hohen Familieneinkommens nicht bedurfte. Bei ihr und vergleichbar gut
situierten Familien fehlte es trotz des Wegfalls von Erwerbseinkommen an der
allgemeinen Bedarfslage, die das vom Gesetz für den Bezug von Elterngeld seit jeher
jedenfalls typisierend voraussetzt. Aufgrund der komfortablen familiären
Einkommenssituation trifft der Wegfall des Elterngeldanspruchs für die Dauer der
möglichen Bezugsmonate die Klägerin auch nicht übermäßig schwer.
27 Auf der anderen Seite verfolgte der Gesetzgeber mit der Reduzierung der Sozialausgaben
eine Konsolidierung des Haushalts und damit wichtige Gemeinwohlinteressen. Ihm stand
dabei eine weite Gestaltungsfreiheit auch im Hinblick darauf zu, dass er mit Blick auf die
erstmals für das Haushaltsjahr 2011 geltende so genannte Schuldenbremse (Art 109 Abs
3, Art 115 Abs 2 GG iVm Art 143d Abs 1 S 1 und 2 sowie S 6 GG idF des Gesetzes zur
Änderung des Grundgesetzes vom 29.7.2009, BGBl I 2248) eine nach seiner
Einschätzung unvertretbar hohe Neuverschuldung vermeiden wollte. Das Ziel der
Sanierung der Staatsfinanzen durch Einsparungen auf der Ausgabenseite ist eine
übergreifende und legitime Aufgabe des Gesetzgebers zu Gunsten des Staatsganzen
(BVerfG Beschluss vom 14.3.2001 - 1 BvR 2402/97 - SozR 3-4100 § 242q Nr 2 S 10 f
mwN). Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umfasst dabei insbesondere
auch seine Absicht, mit der Einführung des § 1 Abs 8 S 2 BEEG die Kürzungen im
Elterngeldrecht sozial auszubalancieren, damit die politische Akzeptanz der
Leistungseinschränkungen insgesamt zu erhöhen und sie damit im politischen Prozess
leichter durchzusetzen. Vor dem Hintergrund der Bedeutung der vom Gesetzgeber mit
dem HBeglG 2011 verfolgten Ziele der Haushaltskonsolidierung sowie unter Abwägung
dieses Anliegens mit der angesichts der Einkommensverhältnisse der Betroffenen
erträglichen Auswirkungen hält es der Senat dabei auch für noch zumutbar, dass der
Gesetzgeber hinsichtlich der laufenden Leistungsfälle auf eine Übergangsregelung
verzichtet hat.
28 Die von der Klägerin herangezogene Rechtsprechung des BSG zur Frage des
Vertrauensschutzes bei der Kürzung beitragsfinanzierter Förderungsleistungen für
laufende Leistungsfälle im Recht der Arbeitsförderung (vgl SozR 3-4100 § 45 Nr 3) lässt
sich dagegen auf die im Streit stehende Änderung des steuerfinanzierten Elterngeldrechts
nicht übertragen. Zum einen hatte die Änderung des Elterngeldrechts, wie ausgeführt,
keine echte Rückwirkung bzw vergleichbare Folgen, anders als diejenige des Rechts der
Arbeitsförderung in der von der Klägerin zitierten Entscheidung. Darüber hinaus durfte der
Gesetzgeber davon ausgehen, dass bei Einkommensverhältnissen wie bei der Klägerin
und ihrem Ehemann der (teilweise) Ersatz des ausfallenden Erwerbseinkommens in der
vom BEEG vorgesehenen beschränkten Höhe keinen nennenswerten wirtschaftlichen
Anreiz für eine familienbedingte berufliche Auszeit liefert. Das Elterngeld konnte deshalb
in ihrem Fall seine Funktion als verhaltenssteuernde Subvention zur Förderung der
Kindererziehung (vgl BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 21/09 R - Juris) ohnehin
schwerlich erfüllen. Das unterscheidet diese Konstellation ebenfalls wesentlich von
derjenigen in der von der Klägerin zur Untermauerung ihres Anspruchs zitierten
Entscheidung. Sie betraf den Schutz bereits durch Umstellung der beruflichen
Lebensgestaltung betätigten Vertrauens auf die weitere Förderung einer beruflichen
Bildungsmaßnahme (vgl BSG SozR 3-4100 § 45 Nr 3).
29 Schließlich liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 iVm
Art 6 Abs 1 GG vor. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem
Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu
behandeln; dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche
Begünstigungen. Der allgemeine Gleichheitssatz untersagt dem Gesetzgeber jedoch nicht
jede Differenzierung. Vielmehr bedürfen Differenzierungen stets einer Rechtfertigung
durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der
Ungleichbehandlung angemessen sind. Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung
erfährt eine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden
Sachbereichs. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegt immer dann vor, wenn eine
Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders
behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und
solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen
können (BVerfG Beschlüsse vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE
126, 400, 416 mwN; vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870; vom
9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215 mwN und vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -
BVerfGE 130, 240, 252 f mwN = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1).
30 Im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten
Abschnitt des BEEG gehören (§ 6, § 25 Abs 2 S 2, § 68 Nr 15a SGB I), hat der
Gesetzgeber insbesondere auch für die Abgrenzung der begünstigten Personengruppen
grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1
BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870; BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R -
ZFSH/SGB 2012, 24, 26). Für die Beurteilung einer Ungleichbehandlung gilt insoweit ein
weiter Maßstab. Hinzu kommt, dass die Regelungen zur Höhe des Elterngeldanspruchs
nicht an Persönlichkeitsmerkmalen anknüpfen, die dem Einzelnen nicht verfügbar sind
(vgl BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215). Im Bereich
staatlicher Maßnahmen, welche die Familie betreffen, muss der Staat allerdings zusätzlich
den Schutz beachten, den er dieser nach Art 6 Abs 1 GG schuldet (vgl BVerfG Beschluss
vom 9.11.2004 - 1 BvR 684/98 - BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55).
31 Nach diesen Maßgaben ist der Senat nicht von einem Verstoß gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG überzeugt. Vielmehr lassen sich für die
unterschiedliche Behandlung von Eltern mit sehr hohem Familieneinkommen und allen
anderen Eltern, die die hohe Einkommensschwelle des § 1 Abs 8 S 2 BEEG
unterschreiten und deshalb Elterngeld beziehen können, nach der Eigenart des zu
regelnden Sachbereichs hinreichende sachliche Rechtfertigungsgründe benennen.
Insbesondere erweist sich § 1 Abs 8 S 2 BEEG nicht als systemwidrig, stellt also keine
Verletzung der vom BEEG selbst statuierten Sachgerechtigkeit dar, was ein Indiz für einen
Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG wäre (vgl BSG SozR 4-7837 § 2 Nr 8 RdNr 51 mwN). Der
Ausschluss einer sehr kleinen Gruppe von Beziehern von Einkommen am obersten Ende
der Einkommensskala vom Bezug des Elterngelds fügt sich vielmehr ohne größere
Verwerfungen ein in die beschriebene Konzeption des Elterngelds als klassische
fürsorgerische Leistung zur Sicherung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage von Familien
insbesondere mit kleinen und mittleren Einkommen während der ersten Lebensmonate
der Kinderbetreuung (s.o.). Zwar stellte das Elterngeld bis zur Neufassung des § 1 Abs 8 S
2 BEEG - anders etwa als vorher das Erziehungsgeld (vgl § 5 Abs 3
Bundeserziehungsgeldgesetz) - nur auf das Einkommen der berechtigten Person und
nicht auf das Haushaltseinkommen ab (Individualisierungsprinzip). Damit verfolgte der
Gesetzgeber ua das Ziel, überkommene Rollenmuster etwa vom Mann als
(Haupt)Ernährer der Familie zu verändern und das wirtschaftliche Risiko einer
kurzzeitigen Erwerbsunterbrechung zur Kindererziehung für Väter und Mütter
gleichermaßen erträglich zu gestalten. § 1 Abs 8 S 2 BEEG durchbricht nunmehr dieses
Individualisierungsprinzip für Bezieher hoher Einkommen (vgl Dau, SGb 2011, 198, 200)
weil solches Einkommen des Elterngeldberechtigten und seines Ehegatten bzw
Lebenspartners den Elterngeldanspruch ausschließen kann. Zugrunde liegt die plausible
Annahme des Gesetzgebers, dass bei mit dem Spitzensteuersatz belasteten
Familieneinkommen trotz des Wegfalls des Erwerbseinkommens des betreuenden
Elternteils für die begrenzte Bezugszeit des Elterngelds überhaupt keine allgemeine
Bedarfslage entstehen kann, die die Zahlung von Elterngeld wirtschaftlich noch zu
rechtfertigen vermag. Es liegt auch für den Senat auf der Hand, dass Eltern wie die
Klägerin und ihr Ehemann über den finanziellen Schonraum, den der Gesetzgeber mit
dem Elterngeld während der ersten Lebensmonate des Kindes schaffen wollte, ohnehin
schon aus eigenen Mitteln verfügen. Angesichts des ihnen möglichen Lebensstandards
dürfte das in der Höhe begrenzte Elterngeld die vom Gesetzgeber beabsichtigten
wirtschaftlichen Anreize zur Familiengründung zudem kaum entfalten können. Im Übrigen
weist die mit dem HBeglG 2011 vorgenommene Absenkung des Ersatzbetrages für das
Elterngeld für Einkommen über 1200 Euro (verbunden mit der Anhebung für darunter
liegende Einkommen) ebenfalls in die Richtung einer stärkeren Orientierung des
Elterngelds am tatsächlichen Bedarf. Darin liegt keine gleichheitswidrige
Systemdurchbrechung, sondern eine zulässig nach Gleichheitskriterien differenzierende
Weiterentwicklung des dem Elterngeld zugrunde liegenden Fürsorgegedankens. Die
damit verbundene Abschwächung des mit dem Individualisierungsprinzip verfolgten
Gleichstellungsgedankens für einen begrenzten, von wirtschaftlichen Zwängen
weitgehend freien Personenkreis erscheint demgegenüber hinnehmbar.
32 3. Nach allem war das stattgebende Urteil des LSG, soweit sich die Klägerin gegen die
endgültige Festsetzung ihres Elterngelds für den siebten bis 12. Lebensmonat ihrer
Tochter auf Null Euro im angefochtenen Bescheid des Beklagten wendet, aufzuheben, die
Berufung der Klägerin zurückzuweisen und damit die Elterngeldfestsetzung des Beklagten
sowie das sie bestätigende SG-Urteil wieder herzustellen.
33 4. Über die Rechtmäßigkeit der im angefochtenen Bescheid darüber hinaus enthaltenen
Feststellung einer Pflicht der Klägerin, den nach Maßgabe der endgültigen Feststellung
überzahlten Elterngeldbetrag für den siebten bis neunten Lebensmonat zu erstatten,
konnte der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend
entscheiden.
34 Wie der Senat bereits entschieden hat (SozR 4-7837 § 2 Nr 14), regelt § 8 Abs 3 BEEG
die Erstattungspflicht überzahlten Elterngelds nicht. Stattdessen ist als
Ermächtigungsgrundlage für die Erstattungsforderung § 42 Abs 2 S 2 SGB I zur
Lückenfüllung heranzuziehen, weil es sich bei der vorläufigen Zahlung von Elterngeld
nach § 8 Abs 3 BEEG praktisch um einen Vorschuss iS des § 42 SGB I handelt. Auf § 42
Abs 2 S 2 SGB I kann eine Rückforderung aber nur dann gestützt werden, wenn bei der
Bewilligung des Geldbetrags deutlich genug auf die an keine weiteren Voraussetzungen
geknüpfte Erstattungspflicht hingewiesen worden ist. Einen solchen Hinweis enthält der
maßgebliche Bescheid vom 20.1.2011 des Beklagten nicht.
35 Die Erstattungspflicht der Klägerin richtet sich daher nach § 50 Abs 2 S 2 SGB I iVm § 45
SGB X. Ein Fall des § 48 SGB X scheidet aus, weil das Haushaltsbegleitgesetz den
Ausschlusstatbestand des § 1 Abs 8 S 2 BEEG nicht inhaltlich verändert, sondern
lediglich klarer gefasst hat (vgl dazu unter 2.). Eine wesentliche Änderung der rechtlichen
Verhältnisse ist insoweit zum 1.1.2011 nicht eingetreten. Ob der Beklagte berechtigt war,
den Bescheid nach § 45 SGB X aufzuheben, kann nicht abschließend beurteilt werden.
Das LSG wird insoweit prüfen müssen, ob dem Bescheid Ermessenserwägungen zu
entnehmen sind (vgl Schütze, in v. Wulffen/Schütze, 8. Aufl 2014, SGB X, § 45 RdNr 88 ff);
dies erscheint fraglich, zumal darin nur ausgeführt wird, bereits erbrachte Leistungen seien
nach § 50 SGB X zu erstatten, ohne die dafür relevanten Gesichtspunkte zu benennen
oder abzuwägen. Falls es an ausreichenden Ermessenserwägungen fehlen sollte, wird
das LSG prüfen müssen, ob ggf Gründe für eine Reduktion des Rücknahmeermessens auf
Null vorliegen (vgl BSG Urteil vom 9.9.1998 - B 13 RJ 41/97 R - Juris).
36 Die Sache war insoweit nach § 170 Abs 2 S 2 SGG zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, dem auch die Kostenentscheidung ua für
das Revisionsverfahren vorbehalten bleibt.