Urteil des BSG vom 29.08.2012

BSG: arbeitslohn, eltern, freistellung von der arbeitspflicht, eingriff in grundrechte, einkommen aus erwerbstätigkeit, schutz der familie, bemessungszeitraum, berechtigte person, zwingende bestimmung

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 29.8.2012, B 10 EG 20/11 R
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. Juni
2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht
zurückverwiesen.
Tatbestand
1 Streitig ist die Höhe des Elterngeldanspruchs des Klägers.
2 Der Kläger wurde am 19.6.2007 Vater eines Sohnes und beantragte am 18.9.2007 bei der
beklagten Freien und Hansestadt Hamburg Elterngeld. Dazu legte er eine Bestätigung
seines Arbeitgebers über die vom 1.10.2007 bis 30.11.2007 beantragte Elternzeit vor. Mit
Bescheid vom 20.9.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger Elterngeld für den vierten und
fünften Lebensmonat seines Sohnes. Für den vierten Lebensmonat (19.9.2007 bis
18.10.2007) errechnete sie einen Elterngeldanspruch in Höhe von 848,65 Euro, für den
fünften Lebensmonat (19.10.2007 bis 18.11.2007) in Höhe von 1423,25 Euro. Die
Beklagte legte ihrer Berechnung ein im Zeitraum von Juni 2006 bis Mai 2007 erzieltes,
durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen des Klägers in Höhe von 1931,13
Euro netto zugrunde, wobei sie das dem Kläger von seinem Arbeitgeber im Juni 2006
ausgezahlte Urlaubsgeld in Höhe von 993 Euro sowie das im November 2006
ausgezahlte Weihnachtsgeld in Höhe eines regelmäßigen festen Bruttomonatsgehaltes
von 3236 Euro außer Acht ließ. Für den vierten Lebensmonat des Sohnes berücksichtigte
die Beklagte das vom Kläger in der Zeit vom 19.9. bis 30.9.2007 erzielte Einkommen.
Schließlich erhöhte sie das danach zustehende Elterngeld wegen eines weiteren unter
dreijährigen, im selben Haushalt lebenden Kindes um zehn Prozent.
3 Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung Widerspruch und machte geltend: Die
Bewilligung für den vierten und fünften Lebensmonat entspreche nicht seinem Antrag.
Vielmehr habe er Elterngeld für die beiden Kalendermonate Oktober und November 2007
beantragt. Die davon abweichenden Eintragungen im Vordruck habe die Beklagte gegen
seinen Willen vorgenommen. Die Anknüpfung an die Lebensmonate des Kindes sei
rechtswidrig und verstoße gegen Art 6 Grundgesetz (GG). § 4 Bundeselterngeld- und
Elternzeitgesetz (BEEG) sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ihm
Elterngeld für die Kalendermonate Oktober und November 2007 zu zahlen sei. Ferner
seien die Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen ebenfalls in die Berechnung
miteinzubeziehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.4.2008 wies die Beklagte den
Widerspruch zurück.
4 Die hiergegen beim Sozialgericht Hamburg (SG) erhobene Klage ist mit Urteil vom
5.8.2009 abgewiesen worden. Das Landessozialgericht Hamburg (LSG) hat die Berufung
des Klägers durch Urteil vom 24.6.2011 im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen
zurückgewiesen:
Der Kläger habe keinen Anspruch auf höheres Elterngeld; insbesondere müssten die in
den letzten zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes ausgezahlten Sonderzuwendungen
(Urlaubs- und Weihnachtsgeld) unberücksichtigt bleiben. Denn gemäß § 2 Abs 7 S 2
BEEG seien sonstige Bezüge iS von § 38a Abs 1 S 3 Einkommensteuergesetz (EStG)
nicht als Einnahmen in die Bemessung des Elterngeldanspruchs einzubeziehen, da sie
keinen laufenden Arbeitslohn darstellten. Diese Zahlungen wiesen keinen Bezug zur
laufenden Arbeitsleistung und zu einzelnen Lohnabrechnungszeiträumen auf, sondern
würden für die Arbeit des Jahres geleistet. Die Nichtberücksichtigung eines dreizehnten
und vierzehnten Monatsgehaltes laufe dem Sinn und Zweck des Elterngeldes nicht
zuwider, denn ein vollständiger Ausgleich der mit der Kinderbetreuung einhergehenden
Einkommenseinbußen habe der Gesetzgeber, wie bereits die Begrenzung des
Elterngeldanspruchs auf 1800 Euro monatlich zeige, nicht beabsichtigt. Zudem prägten
diese Zahlungen die maßgeblichen Verhältnisse nicht mit der gleichen Nachhaltigkeit wie
das laufende monatliche Arbeitsentgelt.
5 Dass das Elterngeld für Lebensmonate des Kindes gewährt werde, begegne keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelungen über den Anspruch auf Elternzeit
sollten ebenso wie die Bestimmungen über den Bezug von Elterngeld die Betreuung und
Erziehung eines Kindes in den ersten Lebensjahren durch einen Elternteil fördern. Dazu
schaffe das Gesetz einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit ohne Verlust des
Arbeitsplatzes sowie einen finanziellen Teilausgleich für das entfallende
Erwerbseinkommen. Für die Inanspruchnahme von Elternzeit sei keine Vereinbarung mit
dem Arbeitgeber erforderlich. Eine Benachteiligung, insbesondere ein Eingriff in
Grundrechte, sei mit den bestehenden Regelungen insoweit nicht verbunden. Die
Lebensmonatsregelung knüpfe vielmehr an den einer näheren Begründung nicht
bedürfenden besonderen Betreuungsbedarf des neugeborenen Kindes an.
6 Da eine "Verschiebung des Bezugszeitraums" nicht in Betracht komme, sei das vom
Kläger ab dem 19.9.2007 erwirtschaftete Erwerbseinkommen auf den Elterngeldanspruch
anzurechnen. Die von der Beklagten in der Anlage zum Bewilligungsbescheid
vorgenommene Berechnung nach § 2 Abs 3 BEEG sei nicht zu beanstanden.
7 Mit seiner vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht der
Kläger insbesondere geltend:
Die Nichtberücksichtigung des ihm ausgezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgeldes bei der
Berechnung der Höhe des Elterngeldanspruchs sowie die Auszahlung der Leistung nach
Lebensmonaten verletze materielles Bundesrecht. Weder das BEEG noch das EStG
enthalte eine Definition des Begriffs der sonstigen Bezüge. Er habe arbeitsvertraglich
einen Anspruch auf die beiden zusätzlichen Entgeltzahlungen. Die Zahlungen seien im
Rahmen des Gesamtjahresgehaltes vereinbart worden, wobei er die Wahl gehabt habe,
dieses Gehalt in zwölf oder vierzehn Teilbeträgen ausgezahlt zu bekommen. Beide
Zahlungen stellten daher laufenden Arbeitslohn dar und seien bei der Berechnung des
Elterngeldanspruchs dementsprechend zu berücksichtigen. Da durch das Elterngeld die
wirtschaftliche Existenz während der Kinderbetreuung abgesichert werden solle, müsse
tatsächlich vorhandenes, regelmäßig erzieltes Einkommen berücksichtigt werden.
Andernfalls erfolge eine Schlechterstellung gegenüber Arbeitnehmern, die ihr Entgelt
anteilig auf zwölf Monatsbeträge verteilt erhielten. Zudem prägten diese Zahlungen auch
das Familieneinkommen nachhaltig. Arbeitslohn im Sinne des zu berücksichtigenden
Einkommens nach dem BEEG sei daher dann laufender Arbeitslohn, wenn er auf einen
bestimmten Zeitraum bezogen und regelmäßig wiederkehrend gezahlt werde, wobei es
dem Grunde nach ausreiche, wenn bestimmte Einkommensbestandteile periodisch
wiederkehrten. Die nunmehrige Änderung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG, wonach die im
Lohnsteuerabzugsverfahren als besondere Bezüge behandelten Einnahmen keine
Berücksichtigung mehr fänden, zeige, dass die ursprüngliche Fassung die
Berücksichtigung zusätzlicher, nicht monatlich gezahlter Entgelte zugelassen habe.
8 Ein striktes Lebensmonatsprinzip bei der Leistungsgewährung verkehre den Zweck des
Elterngeldes ins Gegenteil. Denn es stelle einen in den Schutz der Familie eingreifenden
Zwang dar, zur Vermeidung erheblicher finanzieller Nachteile die Elternzeit gerade in
Lebensmonatsabschnitten in Anspruch nehmen zu müssen. Dadurch werde er in seinen
Grundrechten aus Art 6 GG verletzt, wonach der Staat verpflichtet sei, die Kinderbetreuung
in der jeweils von den Eltern gewählten Form zu fördern und dafür Sorge zu tragen, dass
es beiden Elternteilen gleichermaßen möglich sei, Familie und Erwerbstätigkeit
miteinander zu verknüpfen. Der Gesetzgeber müsse die Rahmenbedingungen dafür
schaffen, dass die Eltern dieses Wahlrecht tatsächlich ausüben könnten. § 4 Abs 2 S 1
BEEG regele lediglich die verwaltungstechnische Abwicklung der Auszahlung und stehe
einer Bemessung des Elterngeldes nach Kalendermonaten nicht entgegen. Darüber
hinaus verletze die gegenteilige Auffassung ihn auch in seinen Grundrechten aus Art 3
und Art 12 iVm Art 2 und Art 1 GG.
9 Schließlich beruhe die Entscheidung des LSG auf Verfahrensmängeln. Zum einen hätte
das LSG eine Vorlage zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) veranlassen müssen.
Zum anderen sei sein Anspruch auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren verletzt
worden, da die Entscheidungsgründe des LSG erst unmittelbar vor Ablauf der
Fünfmonatsfrist abgesetzt worden seien, sodass der Inhalt der Beratung des vollständigen
Senats nicht zwingend in die abgefassten Entscheidungsgründe habe mit einfließen
können.
10 Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Hamburg vom 24.6.2011 und des SG Hamburg vom 5.8.2009
aufzuheben und die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 20.9.2007 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 18.4.2008 zu verurteilen, ihm Elterngeld für die Zeit
vom 1.10.2007 bis 30.11.2007 in ungekürzter Form unter Einbeziehung des im Juni 2006
ausgezahlten Urlaubsgeldes sowie des im November 2006 ausgezahlten dreizehnten
Monatsgehalts zu gewähren.
11 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
12 Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
13 Die Beteiligten haben dem Senat gegenüber unstreitig gestellt, dass beim Kläger in den
streitbefangenen Zeiträumen (1.10. bis 30.11.2007 bzw 19.9. bis 18.11.2007) alle
anspruchsberechtigenden Tatsachen nach § 1 BEEG vorlagen. Ferner haben sie ihr
Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§
124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
14 Die Revision des Klägers ist zulässig.
15 Allerdings hat der Kläger die von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler nicht
ausreichend begründet (vgl § 164 Abs 2 SGG). Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG müssen bei
Verfahrensrügen die Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben. Die
maßgeblichen Vorgänge müssen so genau angegeben sein, dass das Revisionsgericht
sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann
(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12 mwN).
Daran fehlt es hier.
16 Mit seiner Behauptung, das zur Überprüfung vorliegende Urteil sei bereits deshalb
verfahrensfehlerhaft ergangen, weil es erst unmittelbar vor Ablauf von fünf Monaten nach
seiner Verkündung abgefasst worden sei, rügt der Kläger sinngemäß das Fehlen von
Tatbestand und Entscheidungsgründen (§ 136 Abs 1 Nr 5 und 6 SGG), also das Vorliegen
des absoluten Revisionsgrundes gemäß § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO (idF der
Bekanntmachung der Neufassung der Zivilprozessordnung vom 5.12.2005, BGBl I 3202).
Sein Vorbringen reicht jedoch nicht aus, um einen solchen Mangel hinreichend darzutun.
17 Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen des Gesetzes nicht mit Gründen
versehen ist. Dem steht es gleich, wenn das Urteil erst so spät schriftlich abgesetzt wird,
dass Zweifel angebracht erscheinen, ob es dem der Verkündung zugrunde liegenden
Beratungsergebnis entspricht (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl
2012, § 134 RdNr 4). Zwar soll gemäß § 134 Abs 2 S 1 SGG (idF durch Art 4 Nr 12 Buchst
a Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz vom
22.3.2005, BGBl I 837) das Urteil vor Ablauf eines Monats, vom Tag der Verkündung an
gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übermittelt werden, jedoch liegt in der
Überschreitung dieser Monatsfrist noch keine Verletzung des § 547 Nr 6 ZPO. Denn es
handelt sich nicht um eine zwingende Bestimmung, sondern um eine Sollvorschrift. Ein
Verstoß hiergegen ist grundsätzlich unschädlich (Keller, aaO, RdNr 3 f).
18 Nach dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes
(GmSOGB) vom 27.4.1993 (BVerwGE 92, 367 = SozR 3-1750 § 551 Nr 4) gilt ein bei
Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil dann als nicht mit Gründen
versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach
Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der
Geschäftsstelle übergeben worden sind. Die vom GmSOGB gezogene Fünfmonatsgrenze
trägt dem Erfordernis Rechnung, dass die abgefassten Entscheidungsgründe auf der
Überzeugung des Gerichts im Zeitpunkt der Entscheidung und Verkündung beruhen
müssen (Keller, aaO, § 134 RdNr 4) und konkretisiert die Anforderungen des
Rechtsstaatsprinzips an das gerichtliche Verfahren in verfassungsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 26.3.2001 - 1 BvR 383/00 -
NJW 2001, 2161, 2162). Denn mit zunehmendem Abstand zwischen Beratung der
Entscheidung und ihrer Begründung wird die Gefahr eines Auseinanderfallens von
Beratungsergebnis und Entscheidungsgründen zwangsläufig ständig größer (BVerfG
aaO). Das Bundessozialgericht (BSG) hat sich dieser Grundsatzentscheidung in ständiger
Rechtsprechung angeschlossen (vgl Urteil vom 22.9.1993 - 12 RK 39/93 - SozR 3-1750 §
551 Nr 5 S 14 f; Urteil vom 3.3.1994 - 1 RK 6/93 - SozR 3-1750 § 551 Nr 7 S 20 f; Urteil
vom 10.3.1994 - 12 RK 47/93 - USK 9405 S 20 = juris RdNr 15; Urteil vom 24.3.1994 - 5
RJ 30/91 - juris RdNr 12; Urteil vom 6.3.1996 - 9 RVg 3/94 - juris RdNr 11; Urteil vom
14.9.1994 - 3/1 RK 36/93 - BSGE 75, 74, 75 = SozR 3-2500 § 33 Nr 12 S 43; Beschluss
vom 6.3.2003 - B 11 AL 129/02 B - juris RdNr 14; Urteil vom 20.11.2003 - B 13 RJ 41/03 R
- BSGE 91, 283 = SozR 4-1500 § 120 Nr 1, RdNr 4; Beschluss vom 18.11.2009 - B 1 KR
74/08 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 16).
19 Wie der Kläger selbst eingeräumt hat, ist das Urteil des LSG kurz vor Ablauf der insoweit
maßgeblichen Fünfmonatsfrist abgefasst worden (und auch mit den Unterschriften der
Richter zur Geschäftsstelle gelangt). Demnach kann er die Rüge eines Fehlens von
Gründen nicht allein auf die zwischen Verkündung und Absetzung des Berufungsurteils
verstrichene Zeit stützen.
20 Ausnahmsweise kann auch bei Einhaltung der maßgeblichen Fünfmonatsgrenze ein
Verfahrensmangel vorliegen, wenn sich aus den Umständen des Falls ergibt, dass infolge
der verzögerten Absetzung der Entscheidungsgründe die zuverlässige Wiedergabe des
Beratungsergebnisses nicht mehr gewährleistet ist (Keller, aaO, § 134 RdNr 4). Dafür
müssen bei summarischer Überprüfung jedoch konkrete fallbezogene Anhaltspunkte
ersichtlich sein, wie etwa die Maßgeblichkeit einer aufwendigen Beweisaufnahme (BSG
Beschluss vom 18.11.2009 - B 1 KR 74/08 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 17).
21 Solche Umstände werden in der klägerischen Revisionsbegründung nicht aufgezeigt.
Insbesondere lässt sich - entgegen der Ansicht des Klägers - allein daraus, dass die an
der Entscheidung beteiligt gewesenen beiden ehrenamtlichen Richter die abgefasste
Entscheidung - wie im Berufungsverfahren üblich - nicht zur Kenntnis erhalten haben,
keine Verpflichtung zu einer zeitnäheren Abfassung der Entscheidungsgründe herleiten.
Anderenfalls wäre die Fünfmonatsfrist bei allen unter Beiziehung ehrenamtlicher Richter
getroffenen erst- und zweitinstanzlichen Hauptsacheentscheidungen praktisch hinfällig.
22 Auch der vom Kläger angenommene Verstoß gegen das sich aus dem GG ergebende
Prinzip des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) ist nicht ausreichend bezeichnet
worden. Zwar kann ein solcher Verfahrensmangel auch in der Nichtvorlage der dem
Rechtsstreit zugrundeliegenden Rechtsnormen im Wege eines konkreten
Normenkontrollverfahrens gemäß Art 100 Abs 1 GG an das BVerfG liegen. Eine
Verpflichtung des LSG, den Rechtsstreit auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen, ergibt
sich jedoch bereits aus dem klägerischen Vortrag nicht.
23 Art 101 Abs 1 S 2 GG garantiert, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen
werden darf. Diese Garantie kann verletzt sein, wenn ein Gericht in willkürlicher Weise
gegen die sich aus Art 100 Abs 1 GG ergebende Vorlagepflicht verstößt (BVerfG
Beschluss vom 16.6.2009 - 1 BvR 2269/07 - juris RdNr 3 mit Verweis auf stRspr). Art 100
Abs 1 S 1 GG verpflichtet die Fachgerichte ua, das Verfahren auszusetzen und die
Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn sie von der Verfassungswidrigkeit eines
Gesetzes, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, überzeugt sind.
24 Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass das LSG von der Verfassungswidrigkeit der
dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsnormen, auf die es für die Entscheidung
maßgeblich ankommt, ausgegangen ist. Eine solche Behauptung wäre angesichts der
Entscheidungsgründe auch nicht ernstlich aufzustellen gewesen. Denn aus den Gründen
der angefochtenen Entscheidung ergibt sich eindeutig, dass das Berufungsgericht keine
Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Vorschriften des BEEG angenommen hat.
25 Mit seiner Rüge einer Verletzung materiellen Rechts hat der Kläger die Anforderungen des
§ 164 Abs 2 S 3 SGG erfüllt, indem er die seiner Ansicht nach verletzten Rechtsnormen in
Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des LSG bezeichnet hat.
26 Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung
der Sache an das LSG begründet. Für eine abschließende Entscheidung reichen die
berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht aus.
27 Der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Elterngeld wegen seines am 19.6.2007 geborenen
Sohnes richtet sich nach dem am 1.1.2007 durch das Gesetz zur Einführung des
Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) in Kraft getretenen BEEG.
28 Der Kläger ist dem Grunde nach berechtigt, Elterngeld für seinen am 19.6.2007 geborenen
Sohn zu beziehen. Gemäß § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen
Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind
in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder
keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Zwar hat das LSG dazu keine konkreten
Tatsachenfeststellungen getroffen. Im Hinblick auf die erfolgte Leistungsbewilligung und
die dem Senat gegenüber abgegebenen übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten
geht der Senat jedoch davon aus, dass der Kläger diese Voraussetzungen erfüllt und
daher anspruchsberechtigt ist.
29 Der angefochtene Verwaltungsakt (Bescheid der Beklagten vom 20.9.2007 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 18.4.2008) ist zunächst insoweit nicht zu beanstanden,
als dem Kläger Elterngeld für zwei Lebensmonate seines am 19.6.2007 geborenen
Sohnes gewährt worden ist. Der Kläger kann keine Leistungsbewilligung nach
Kalendermonaten beanspruchen.
30 Nach § 4 Abs 1 S 1 kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des
vierzehnten Lebensmonats des Kindes bezogen werden. § 4 Abs 2 S 1 BEEG bestimmt
insoweit konkretisierend: "Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des
Kindes gezahlt." Auch wenn der Gesetzgeber die Begriffe Monatsbeträge und
Lebensmonate abwechselnd verwendet, sind hinsichtlich der Anspruchsausgestaltung
stets die Lebensmonate entscheidend (Buchner/Becker, MuSchG/BEEG, 8. Aufl 2008, § 4
BEEG RdNr 7; Lenz in Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit 2. Aufl 2010, § 4 BEEG
RdNr 1). Entgegen der Ansicht des Klägers beinhaltet § 4 BEEG nicht lediglich eine
verwaltungstechnische Berechnungsmodalität, sondern gestaltet den Elterngeldanspruch
selbst aus. Dabei ist das sog Lebensmonatsprinzip festgelegt worden (Urteil vom
15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 3 RdNr 29; Teil-Urteil vom 30.9.2010 -
B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 38; BSG Urteile vom
26.5.2011 - B 10 EG 11/10 R - RdNr 14 und - B 10 EG 12/10 R - RdNr 20, letzteres zur
Veröffentlichung in SozR 4-7837 § 4 Nr 2 vorgesehen). Dazu hat der Senat bereits unter
Hinweis auf die auch in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung ausgeführt,
dass § 4 Abs 2 S 1 BEEG nicht nur die Zahlungsweise, sondern auch die Entstehung
monatlicher Zahlungsansprüche regelt (Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE
107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 38 mwN).
31 Soweit sich der Kläger dadurch in seinen Grundrechten verletzt sieht, dass das Elterngeld
als eine an den Lebensmonaten des Kindes orientierte Leistung ausgestaltet worden ist,
vermag der Senat ihm nicht zu folgen. Er ist insbesondere nicht davon überzeugt, dass ein
Verstoß gegen Art 6 bzw Art 12 GG vorliegt.
32 Nach Art 6 Abs 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der
staatlichen Ordnung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern
und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche
Gemeinschaft (Art 6 Abs 2 GG).
33 Zum Umfang des Schutzbereichs von Art 6 Abs 1 GG hat das BVerfG gerade betreffend
die Förderung durch das Elterngeld ausgeführt (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom
20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - ZFSH/SGB 2011, 337, 338 = juris RdNr 9):
"Zwar garantiert Art. 6 Abs. 1 GG als Abwehrrecht die Freiheit, über die Art und
Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu
entscheiden. Deshalb hat der Staat die Familiengemeinschaft sowohl im
immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich in ihrer
jeweiligen eigenständigen und selbstverantwortlichen Ausgestaltung zu
respektieren. Demgemäß dürfen die Eltern ihr familiäres Leben nach ihren
Vorstellungen planen und verwirklichen und insbesondere in ihrer
Erziehungsverantwortung entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium
das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in
wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll (vgl. BVerfGE
99, 216 <231>). Neben der Pflicht, die von den Eltern im Dienst des Kindeswohls
getroffenen Entscheidungen anzuerkennen und daran keine benachteiligenden
Rechtsfolgen zu knüpfen, ergibt sich aus der Schutzpflicht des Art. 6 Abs. 1 GG auch
die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern
gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu
fördern. Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass es Eltern gleichermaßen möglich
ist, teilweise und zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der
persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit und
Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden (vgl. BVerfGE 99, 216 <234>). Dabei ist
allerdings in Rechnung zu stellen, dass dem Gesetzgeber im Bereich der
gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personengruppen
grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. BVerfGE 99, 165
<178>; 106, 166 <175 f.>). Weit ist der Gestaltungsspielraum auch hinsichtlich der
Ausgestaltung der Familienförderung (vgl. BVerfGE 87, 1 <35 f.>; 103, 242 <260>)."
34 Der Gesetzgeber hat den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum bei der Regelung des
Elterngeldanspruchs nach Lebensmonaten des Kindes eingehalten. Aus der allgemeinen
Verpflichtung des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten
Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern, folgt kein
unbegrenzter Anspruch auf Ausweitung und Individualisierung bestehender
Förderungsinstrumente. Dabei ist für den Bereich des BEEG auch zu beachten, dass der
Gesetzgeber bereits eine beachtliche Förderung der Eigenbetreuung von Kindern durch
die Eltern vorgesehen hat (vgl Senatsurteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - SozR 4-
7837 § 4 Nr 3 RdNr 46; BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011,
2869, 2870). Deshalb können insoweit aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich
keine weitergehenden Verpflichtungen des Gesetzgebers angenommen werden (BVerfG
Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870).
35 Zwar kann die Gewährung von Elterngeld, wie vom Kläger behauptet, durchaus Einfluss
darauf haben, wie Eltern ihre grundrechtlich verankerte Erziehungsverantwortung
wahrnehmen und das Leben in der Familie gestalten (so bereits BVerfG Beschluss vom
20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - juris RdNr 8). Mit Rücksicht auf die durch das Elterngeld
bezweckte Förderung der erziehungsbedingten Unterbrechung bzw Einschränkung der
Erwerbstätigkeit, erweist sich dieser mögliche faktische Einfluss jedoch allenfalls als
"Nebenwirkung" der jeweiligen elterlichen Ausübung des freien Wahlrechts, ob und wie
die Eltern Elterngeld und Elternzeit in Anspruch nehmen wollen.
36 Das dem Bewilligungsanspruch auf Elterngeld zugrundeliegende Lebensmonatsprinzip ist
daher sachlich nicht zu beanstanden und folgerichtig. Denn es trägt nach dem
ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers dem besonderen Betreuungsbedarf des
neugeborenen Kindes Rechnung, wobei die Regelungen zur Elternzeit von dieser
Ausgestaltung unberührt bleiben sollten (BT-Drucks 16/1889 S 23). Dieser besondere
Betreuungsbedarf entsteht mit der Geburt des Kindes und damit unabhängig vom Beginn
eines Kalendermonats. Deshalb ist ein Anknüpfen des Elterngeldanspruchs an die
Lebensmonate des Kindes sachgerecht.
37 Das Lebensmonatsprinzip im Elterngeldrecht steht darüber hinaus im Einklang mit den
Vorschriften zur Elternzeit. Entsprechend der Entscheidungsfreiheit beim Elterngeld (vgl
§§ 4, 5 BEEG) hat der Gesetzgeber durch die Regelungen zur Elternzeit für Eltern
ebenfalls freie Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen. Eltern können selbst bestimmen, ob
und inwieweit sie die zur Betreuung des Kindes vorgesehene Freistellung von der
Arbeitspflicht in Anspruch nehmen wollen.
38 Der Anspruch auf Elternzeit besteht grundsätzlich bis zur Vollendung des dritten
Lebensjahres eines Kindes (§ 15 Abs 2 S 1 BEEG) und kann von den Elternteilen anteilig,
allein oder von beiden gemeinsam genommen werden (§ 15 Abs 3 S 1 BEEG). Zur
tatsächlichen Umsetzung dieses Anspruchs auf Elternzeit sieht das Gesetz vor, dass ein
Ausschluss oder eine Beschränkung durch Vertrag nicht möglich (§ 15 Abs 2 S 6 BEEG)
und die Inanspruchnahme lediglich von einer einseitigen Anzeige und Erklärung
gegenüber dem Arbeitgeber abhängig ist (§ 16 Abs 1 S 1 BEEG). Einer Zustimmung zur
Freistellung seitens des Arbeitgebers bedarf es gerade nicht, worauf die Vorinstanzen
bereits zutreffend hingewiesen haben. Ferner hat der Gesetzgeber den Eltern einen
Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit gegenüber dem Arbeitgeber während der
Elternzeit (§ 15 Abs 6 iVm Abs 7 BEEG) eingeräumt sowie weitgehende
Kündigungsschutzvorschriften geschaffen (§§ 18, 19 BEEG).
39 Der vom Kläger eingewandte Umstand, die "moderne Arbeitswelt" verhindere eine
Inanspruchnahme der Elternzeit nach Lebensmonaten, führt zu keiner anderen
verfassungsrechtlichen Beurteilung. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, vom
Lebensmonatsprinzip des Elterngeldes allein deshalb abzuweichen, weil es
möglicherweise praktische Schwierigkeiten bei der Inanspruchnahme von Elternzeit nach
Lebensmonaten gibt.
40 Die vom Kläger gerügte Verletzung seiner Berufsausübungsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG)
durch das Lebensmonatsprinzip liegt fern. Nach Art 12 Abs 1 S 1 GG haben alle
Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die
Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden (Art
12 Abs 1 S 2 GG). Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im
Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen
Dienstleistungspflicht (Art 12 Abs 2 GG).
41 Dem BEEG kommt keine den Schutzbereich der Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit
berührende Tendenz zu. Die sich aus dem BEEG ergebende Förderung einer frei
wählbaren Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wirkt sich vollständig berufsneutral aus.
Die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Elterngeld obliegt den Eltern. Ebenso
wenig - und darauf hat der Senat bereits hingewiesen (Urteil vom 15.12.2011 - B 10 EG
1/11 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 3 RdNr 45) - wie durch die Gewährung von Elterngeld ein
mittelbarer Zwang zur Aufnahme oder Fortführung einer Erwerbstätigkeit ausgeübt wird,
gibt das BEEG vor, ab und ggf zu welchem bestimmten Zeitpunkt die Erwerbstätigkeit
unterbrochen wird. Vielmehr bietet die Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes vielen
Eltern gerade erst die Möglichkeit, eine Unterbrechung oder Reduzierung der
Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung eines Kindes zu wagen (dazu bereits BSG Urteil
vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - ZFSH/SGB 2012, 24 = juris RdNr 36 mwN; Urteil vom
15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - aaO).
42 Danach hat die Beklagte zwar zu Recht eine Bewilligung des Elterngeldes des Klägers
nach Lebensmonaten des Kindes vorgenommen. Zu prüfen bleibt jedoch, ob sie dabei die
richtigen Lebensmonate erfasst hat. Da der Kläger sein Begehren bislang auf eine
Leistungsgewährung für Kalendermonate beschränkt hat, ist ihm nunmehr - auch im
Hinblick auf Unklarheiten im Antragsformular - Gelegenheit zu geben, sein
Anspruchsbegehren hinsichtlich der Bezugsmonate klarzustellen. Es ist nicht
ausgeschlossen, dass es sich für den Kläger als günstiger erweisen könnte, nicht für den
vierten und fünften, sondern für den fünften und sechsten Lebensmonat seines Sohnes
Elterngeld zu beziehen. Das hängt von der Höhe des jeweiligen gemäß § 2 Abs 3 S 1
BEEG anrechenbaren Einkommens aus Erwerbstätigkeit ab.
43 Die Höhe des dem Kläger zustehenden Anspruchs auf Elterngeld lässt sich ohne weitere
Tatsachenfeststellungen des LSG nicht abschließend bestimmen.
44 Für die Höhe des Elterngeldanspruchs des Klägers bestimmt § 2 Abs 1 S 1 BEEG, dass
Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der
Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus
Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate
gezahlt wird, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit
erzielt. § 2 Abs 3 BEEG regelt die Leistungshöhe, wenn für die Zeit nach der Geburt des
Kindes Erwerbseinkommen zu berücksichtigen ist.
45 Als Bemessungszeitraum hat die Beklagte hier rechtsfehlerfrei die Zeit vom 1.6.2006 bis
31.5.2007 zugrunde gelegt. Da der Sohn des Klägers am 19.6.2007 geboren wurde,
entspricht dieser Zeitraum den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des
Kindes. Die in § 2 Abs 7 S 5 und 6 BEEG geregelten Abweichungen kommen hier nicht in
Betracht.
46 Bei der Ermittlung des für den Bemessungszeitraum zugrunde zu legenden
Bemessungseinkommens ist gemäß § 2 Abs 1 S 2 BEEG zwischen dem Einkommen aus
Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger
Arbeit iS von § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 des EStG zu unterscheiden.
47 Da der Kläger vor der Geburt seines Sohnes eine versicherungspflichtige Beschäftigung
als Einkäufer einer Baumarktkette ausgeübt hat, ist für die Bestimmung des maßgeblichen
Einkommens § 2 Abs 7 BEEG einschlägig. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist als
Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen
entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge
zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person
einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen
in Geld oder Geldeswert über die mit einem Zwölftel des Pauschbetrags nach § 9a Abs 1
S 1 Nr 1 Buchst a EStG anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen. Als auf die
Einnahmen entfallende Steuern gelten die abgeführte Lohnsteuer einschließlich
Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, im Falle einer Steuervorauszahlung der auf die
Einnahmen entfallende monatliche Anteil. Grundlage der Einkommensermittlung sind die
entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (vgl §
2 Abs 7 S 3 und 4 BEEG). § 2 Abs 7 S 2 BEEG bestimmt, dass sonstige Bezüge iS von §
38a Abs 1 S 3 EStG dabei nicht als Einnahmen berücksichtigt werden.
48 Streitig ist hier, ob die vom Kläger bezogenen Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen als
sonstige Bezüge iS von § 38a Abs 1 S 3 EStG anzusehen sind. Bereits die Bezugnahme
auf § 38a Abs 1 S 3 EStG macht deutlich, dass sich die nähere Bestimmung des in § 2
Abs 7 S 2 BEEG gebrauchten Begriffs der sonstigen Bezüge am Steuerrecht auszurichten
hat (so bereits Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-
7837 § 2 Nr 4, RdNr 28).
49 § 38a Abs 1 S 3 EStG (idF vom 19.10.2002, gültig vom 21.9.2002 bis 31.8.2009) regelt für
die Bemessung der Jahreslohnsteuer, dass Arbeitslohn, der nicht als laufender
Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), in dem Kalenderjahr bezogen wird, in dem er
dem Arbeitnehmer zufließt. Sonstige Bezüge iS des § 2 Abs 7 S 2 BEEG sind demnach
Teile des Arbeitslohns, die nicht als laufender Lohn gezahlt werden (so bereits
Senatsurteil vom 3.12.2009, aaO). Die sonstigen Bezüge stellen somit auch Arbeitslohn
dar. Es handelt sich nicht um gegensätzliche Begrifflichkeiten. Entscheidend ist, ob eine
Lohnzahlung dem laufenden Arbeitslohn zuzuordnen ist oder nicht (vgl Krüger in Schmidt,
EStG, 31. Aufl 2012, § 38a RdNr 2).
50 Wie der Senat bereits ausgeführt hat, enthält § 38a Abs 1 S 2 EStG selbst keine Definition
des Arbeitslohnbegriffs. Allerdings ergibt sich aus § 38 Abs 1 S 1 EStG, der als Lohnsteuer
die durch Abzug vom Arbeitslohn zu erhebende Einkommensteuer "bei Einkünften aus
nichtselbstständiger Arbeit" bezeichnet, dass unter dem Begriff des Arbeitslohns Einkünfte
aus nichtselbstständiger Arbeit zu verstehen sind, wozu wiederum § 19 EStG nähere
Bestimmungen enthält (Senatsurteil vom 3.12.2009, aaO).
51 Gemäß § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG gehören insbesondere Gehälter, Löhne, Gratifikationen,
Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder
privaten Dienst zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Dabei müssen solche
Einkünfte nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abstrakt
durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst und im weitesten Sinne die
Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft des Arbeitnehmers sein, mithin
aus dem Dienstverhältnis heraus zufließen (vgl zB BFH Urteil vom 20.5.2010 - VI R 41/09
- BFHE 229, 346, 348 RdNr 9 mwN sowie zuletzt BSG Urteile vom 5.4.2012 - B 10 EG
3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 16 mwN und - B 10 EG 17/11 R - juris RdNr 20
mwN; Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und
Körperschaftsteuergesetz, Stand 11/2010, § 38a RdNr 13).
52 Danach gehören die im Juni bzw November 2006 erfolgten, als Urlaubs- bzw
Weihnachtsgeld deklarierten Zahlungen zum Arbeitslohn des Klägers. Zu prüfen bleibt, ob
diese Zahlungen als laufender Arbeitslohn oder als sonstige Bezüge anzusehen sind.
Nach Auffassung des Senats stellen Arbeitsentgeltbeträge im Rahmen des BEEG dann
keine sonstigen Bezüge, sondern laufenden Arbeitslohn dar, wenn es sich um mindestens
zwei zusammenhängende Zahlungen innerhalb des Bemessungszeitraums handelt, die
nicht anlassgebunden, sondern zeitraumbezogen geleistet werden und eine hinreichende
Beziehung zu der tatsächlich erbrachten Arbeit haben. Das ergibt sich aus folgenden
Erwägungen:
53 Wann Arbeitslöhne laufend sind oder wann sonstige Bezüge iS des § 38a Abs 1 S 3 EStG
vorliegen, definiert das Gesetz nicht. Es findet sich lediglich eine negative Abgrenzung,
wonach jedweder Arbeitslohn, der nicht als laufend geleistet wird, sonstiger Bezug ist (vgl
Eisgruber in Kirchhof, EStG, 10. Aufl 2011, § 38a RdNr 5; Tillmann in
Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand
11/2010, § 38a RdNr 21; Trzaskalik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand 8/2012, §
38a B7). Das Erfordernis einer Abgrenzung der beiden Begriffe ergibt sich nach der
Rechtsprechung des BFH bereits aus § 39b EStG und R 30 Abs 2 S 2 Nr 1 Buchst a
Lohnsteuer-Richtlinien (vgl BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 153
RdNr 13).
54 Der Senat ist im Jahre 2009 davon ausgegangen, dass auch höchstrichterlich nicht näher
bestimmt ist, was laufender Arbeitslohn ist (Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE
105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 30 mwN der bis dahin ergangenen
Entscheidungen). Die bereits in dieser Entscheidung getroffene Feststellung, dass vor
allem einige Entscheidungen des BFH existieren, in denen sich Ausführungen dazu
finden, wann kein laufender Arbeitslohn vorliegt, mithin nur eine Negativabgrenzung
vorgenommen worden ist, trifft weiterhin zu (vgl beispielhaft: BFH Beschluss vom
15.12.2011 - VI R 26/11 - BFHE 236, 127). Jetzt gibt es auch Entscheidungen des BFH, in
denen weitere Konkretisierungen des Begriffs des laufenden Arbeitslohns formuliert
werden. So hat der BFH ausgeführt (vgl BFH Urteil vom 16.12.2010 - VI R 27/10 - BFHE
232, 174, 181 RdNr 12; Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 153 f RdNr
13): "Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende
Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend
gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen
Sachbezügen)". Der laufende Arbeitslohn könne der Höhe nach schwanken, jedoch sei
kein laufender Bezug und damit ein sonstiger Bezug im Falle von einmalig zugewandten
Bezügen "wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendungen, Gratifikationen und
das 13. Monatsgehalt" gegeben (BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150,
154 RdNr 13). Der sonstige Bezug unterscheide sich vom laufenden Arbeitslohn durch die
Einmaligkeit des Bezugs (BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 154
RdNr 15).
55 Das in diesen Entscheidungen hervorgehobene Kriterium des regelmäßigen Bezuges
steht nicht allein für sich, sondern wird im EStG stets auf den Kontext des
Lohnzahlungszeitraums bezogen (vgl zB § 3b Abs 2 S 1; § 38a Abs 1 S 2 Halbs 1; § 38a
Abs 3; § 39b Abs 2 S 1 EStG). Dementsprechend wird auch von Seiten der
steuerrechtlichen Literatur für das Vorliegen eines laufenden Arbeitslohns gefordert, dass
es sich um einen zeitraumbezogenen, fortlaufenden, regelmäßig wiederkehrenden Bezug
handeln muss (vgl Eisgruber in Kirchhof, EStG, 10. Aufl 2011, § 38a RdNr 4). Maßstab
dieser Zeitraumbezogenheit ist insoweit entsprechend der Bemessung der
Einkommensteuer das Kalenderjahr, mit der Folge, dass Zahlungen, die lediglich einmal
jährlich geleistet werden, steuerrechtlich kein Teil des laufenden Arbeitslohns, sondern
vielmehr sonstige Bezüge sind, wobei es unerheblich ist, ob sie jährlich wiederkehrend
geleistet werden (Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und
Körperschaftsteuergesetz, Stand 11/2010, § 38a RdNr 17; Trzaskalik in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand 8/2012, § 38a B3). Für die erforderliche zeitliche
Zuordnung ist bei sonstigen Bezügen steuerrechtlich der tatsächliche Zuflusszeitpunkt
maßgeblich, mithin das Erlangen der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des
Arbeitnehmers über den Arbeitslohn (vgl BFH Urteil vom 3.2.2011 - VI R 66/09 - BFHE
232, 497, 499 RdNr 12, mwN; Heß in Lademann, EStG, Stand 7/2012, § 38a RdNr 16).
56 Demnach kann auch an der bisherigen Auffassung des Senats festgehalten werden, dass
bei dem Begriff des laufenden Arbeitslohnes ein rein zeitliches Verständnis zugrunde zu
legen ist (Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6,
RdNr 22; Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4,
RdNr 31). Den insoweit maßgeblichen Zeitraum gibt das BEEG selbst vor, weshalb nicht
auf das steuerrechtliche Kalenderjahr zurückzugreifen ist. Entsprechend der Regelung des
§ 2 Abs 1 S 1 iVm § 2 Abs 7 S 5 und 6 BEEG ist der gesetzlich vorgesehene
zwölfmonatige Bemessungszeitraum für die Abgrenzung des laufenden Arbeitslohns von
den sonstigen Bezügen maßgeblich.
57 Liegen einmalige, anlassbezogene Zahlungen vor, sind diese als sonstige Bezüge nicht
Teil der Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs. Daran ändert sich auch dann
nichts, wenn mehrere solcher nicht zeitraumbezogen erwirtschafteten, ggf jedoch
arbeitsrechtlich begründeten Zahlungen aus verschiedenen Anlässen im maßgeblichen
Zwölfmonatszeitraum geleistet werden, wie dies in der Regel bei Urlaubs- und
Weihnachtsgeldzahlungen der Fall ist. Denn jede dieser Zahlungen wird einmalig
zugewandt, einmal anlässlich des (bevorstehenden) Urlaubs und einmal anlässlich der
bevorstehenden Advents- und Weihnachtszeit. Beides sind einmalige Ereignisse
innerhalb des zu betrachtenden Bemessungszeitraums (so im Ergebnis für das
Kalenderjahr auch: BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 154 RdNr
13).
58 Aufgrund des in § 2 Abs 7 S 2 BEEG enthaltenen eindeutigen Verweises auf die
steuerrechtliche Vorschrift des § 38a Abs 1 S 3 EStG ergibt sich demnach, dass zu den
sonstige Bezügen, die bei der Bestimmung des für die Berechnung des
Elterngeldanspruchs maßgeblichen Einkommens unberücksichtigt bleiben, grundsätzlich
auch das ausgezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld gehört (so im Ergebnis auch: LSG
Baden-Württemberg Urteil vom 24.10.2011 - L 11 EG 1929/10 - juris RdNr 33 ff;
Jung/Wiegand in Wiegand, BEEG, Stand Februar 2011, § 2 RdNr 27 f; Lenz in Rancke,
Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, 2. Aufl 2010, § 2 BEEG RdNr 18; Fuchsloch/Scheiwe,
Leitfaden Elterngeld, RdNr 176 ff: Wersig, jurisPK, Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
2009, § 2 BEEG RdNr 12; Oyda, Probleme bei der Ermittlung des Elterngeldes, NZS 2010,
194, 195).
59 In Ermangelung von Regelungen des BEEG zum Ausgleich von Härtefällen wird teilweise
angeregt, jedenfalls solches Arbeitsentgelt bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage
des Elterngeldanspruchs zu berücksichtigen, auf das ein Anspruch bestanden habe. Da
sich der Gesetzgeber für eine individuelle Ermittlung des Elterngeldanspruchs
entschieden habe, überzeuge das Argument nicht, mittels eines typisierten und
pauschalierten Verweises auf die steuerrechtlichen Regelungen eine leichtere
Bearbeitung von Massenverfahren zu ermöglichen (so Eberhardt, Berücksichtigung von
Gehaltsnachzahlungen beim Elterngeld, NZS 2011, 575, 577). Auch spreche der
Umstand, dass von den Folgen der Ausklammerung bestimmter Lohnbestandteile primär
abhängig Beschäftigte betroffen seien, wohingegen bei Selbstständigen stets sämtliche
Einnahmen berücksichtigt würden, für eine enge Interpretation des Begriffs der "sonstigen
Bezüge" (so Dau, jurisPR-SozR 21/2009, Anm 5 C).
60 Die Auswirkungen der "steuerrechtlichen" Ausgestaltung der elterngeldlichen
Bemessungsgrundlage mögen im Einzelfall kritisch zu sehen sein, angesichts des
Gesetzeswortlauts, der ins Steuerrecht verweisenden Systematik und des sich in der
Gesetzesentwicklung bereits ausdrücklich bestätigten Willens des Gesetzgebers sieht der
Senat jedoch keinen gangbaren Auslegungsweg, diesen Bedenken Rechnung zu tragen,
zumal auch der Sinn und Zweck des Elterngeldes keine Einbeziehung der während der
vorgeburtlichen zwölf Kalendermonate erzielten sonstigen Bezüge gebietet.
61 Bereits aus den Gesetzesmaterialien zur Einführung des BEEG ergibt sich, dass der
Gesetzgeber bewusst gerade das 13. und 14. Monatsgehalt nicht in das
Bemessungseinkommen mit einfließen lassen wollte (BT-Drucks 16/1889 S 21; BT-
Drucks 16/2785 S 32). Die Bemessung des Elterngeldanspruchs sollte sich nach dem
Willen des Gesetzgebers an dem zuletzt tatsächlich monatlich zur Verfügung stehenden
Einkommen ausrichten (BT-Drucks 16/1889 S 21), um insbesondere auch Reduzierungen
des Elterngeldanspruchs durch den Zufluss einmaliger Bezüge in der Zeit nach der Geburt
des Kindes zu vermeiden (BT-Drucks 16/2785 S 37).
62 Dieser Wille des Gesetzgebers hat zwischenzeitlich in der zum 1.1.2011 erfolgten
Änderung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG durch Art 14 Nr 2 Buchst c bb des
Haushaltsbegleitgesetzes 2011 - HBeglG 2011 - vom 9.12.2010 (BGBl I 1885) seinen
Niederschlag gefunden. Denn der bis dahin geltende Verweis auf § 38a Abs 1 S 3 EStG
wurde durch folgenden Wortlaut ersetzt: "Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige
Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt." Aus den
Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass damit die Auswirkungen der Rechtsprechung des
Senats in seinem Urteil vom 3.12.2009 (B 10 EG 3/09 R) korrigiert werden sollten, mit der
Folge, dass künftig sonstige Bezüge iS des § 38a Abs 1 S 3 und § 39b EStG als
Einnahmen bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs
unberücksichtigt bleiben, um eine verwaltungspraktikable Feststellbarkeit der
maßgeblichen Bezüge sicherzustellen (vgl BT-Drucks 17/3030 S 48; dazu Dau, Das
Elterngeld nach dem Haushaltsbegleitgesetz 2011, SGb 2011, 198, 201).
63 Im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Elterngeldes muss allerdings bei mehrmals, dh
mindestens zweimal, im Bemessungszeitraum erfolgten Zahlungen genau geprüft werden,
ob es sich dabei um sonstige Bezüge oder um laufenden Arbeitslohn handelt. So hat der
Senat bereits entschieden, dass im Bemessungszeitraum fortlaufend wiederkehrende
Einkommensbestandteile, die wegen der in diesem Zeitraum geleisteten Arbeitstätigkeit
gezahlt werden, keine sonstigen Bezüge iS des § 2 Abs 7 S 2 iVm § 38a Abs 1 S 3 EStG
darstellen (vgl Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2
Nr 4, RdNr 34), wobei nicht erforderlich ist, dass diese monatlich ausgezahlt werden.
Sonstige Bezüge liegen danach nicht vor, wenn mit den Zahlungen ein verbindlich
geschuldeter Teil des tatsächlich erwirtschafteten Gesamtarbeitslohnes befriedigt und die
Auszahlungen dieser Lohnanteile zwar unterjährig, jedoch nicht monatlich mit dem
Grundgehalt erfolgen. Zwar können die in der Lohn- und Gehaltsabrechnung enthaltenen
Bezeichnungen solcher Zahlungen als "Urlaubs- bzw Weihnachtsgeld" ein Indiz für im
Bemessungszeitraum jeweils einmalige, anlassbezogene Zahlungen sein, jedoch ist im
Zweifelsfall zu klären, ob sie "Monat für Monat" erwirtschaftet wurden, mithin Teil der
Gesamtvergütung der Arbeitsleistung im Zwölfmonatszeitraum sind.
64 Um sie als laufenden Arbeitslohn einzuordnen, müssen den Zahlungen jeweils
unterjährige Arbeitszeiträume entsprechen. Davon kann im Regelfall ausgegangen
werden, wenn diese zusätzlich zum Monatsentgelt geleisteten Zahlungen ausdrücklich
Teil des Jahresgesamtlohnanspruchs sind und ihre mindestens zwei Fälligkeitszeitpunkte
arbeitsvertraglich einem unterjährigen Intervall zugeordnet werden können (erstes
Kriterium). Je enger die vereinbarten regelmäßigen unterjährigen Zahlungsintervalle
beieinander liegen, desto eher kann von einem laufenden Arbeitslohn ausgegangen
werden. Ferner müssen Vereinbarungen vorliegen, die einen der erbrachten
Arbeitsleistung entsprechenden anteiligen Auszahlungsanspruch begründen (zweites
Kriterium). Besteht ein Anspruch auf anteilsmäßig angemessene Auszahlung der
unterjährigen Lohntantiemen auch etwa für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens aus
dem Beschäftigungsverhältnis bzw einer Unterbrechung der Arbeitstätigkeit, spricht dies
für die anlassunabhängige Zahlung von weiteren laufenden Arbeitslohnbestandteilen.
Ergeben sich solche konkreten "Abfindungsansprüche" arbeitsvertraglich oder aus der
bestehenden betrieblichen Übung nicht, ist im Regelfall von einmaligen, anlassbezogenen
Zuwendungen auszugehen. Gleiches gilt für Regelungen betreffend die Höhe des
Auszahlungsanspruchs bei Eintritt bzw Rückkehr in das Unternehmen nach Ablauf des
letzten Fälligkeitszeitpunkts. Bleibt der auf den (Wieder)eintritt folgende
Auszahlungsanspruch der Höhe nach vom geleisteten Arbeitszeitraum unberührt, ist dies
ein Indiz dafür, dass gerade nicht die bis dahin geleistete Arbeitstätigkeit, sondern ein von
ihr unabhängiger Anlass maßgebend für den Zahlungsanspruch ist.
65 Nach Überzeugung des Senats begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken,
dass sich nach diesen Maßgaben im Bemessungszeitraum geleistete einmalige,
anlassbezogene Zahlungen nicht erhöhend auf den Elterngeldanspruch auswirken.
Insbesondere wird dadurch der sich aus Art 3 Abs 1 GG ergebende Gleichheitssatz nicht
verletzt.
66 Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich
Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; dies gilt sowohl für
ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Der allgemeine
Gleichheitssatz untersagt dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung. Vielmehr
bedürfen Differenzierungen stets einer Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem
Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Eine
Verletzung des Gleichheitssatzes liegt immer dann vor, wenn eine Gruppe von
Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt
wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem
Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten
(BVerfG Beschlüsse vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40 mwN;
vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215 mwN; vom 6.6.2011 - 1 BvR
2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870 und vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 -
BVerfGE 126, 400, 416 mwN).
67 Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem
allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis
zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem
Gesetzgeber werden dabei umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die
Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt und je
weniger der Einzelne nachteilige Folgen durch eigenes Verhalten vermeiden kann (zB
BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - aaO, 418 mwN).
68 Dadurch, dass § 2 Abs 7 S 2 BEEG auf § 38a Abs 1 S 3 EStG verweist und damit
einmalige Einnahmen aus der Bemessungsgrundlage für den Elterngeldanspruch
ausgeschlossen werden, werden Berechtigte je nach Ausgestaltung ihres Arbeitslohns
unterschiedlich behandelt. Bei Arbeitnehmern, die ihre Urlaubs- und
Weihnachtsgeldzahlungen bzw ein 13. bzw 14. Monatsgehalt nicht gesondert, sondern als
regelmäßigen Anteil ihres Monatsgehalts erhalten, fließen diese Zahlungen ohne
Weiteres als Teil des laufenden Arbeitslohns in die Berechnung des Elterngeldanspruchs
erhöhend ein. Anders verhält es sich bei Arbeitnehmern, die Urlaubs- und Weihnachtsgeld
als einmalige, anlassbezogene Zahlungen erhalten.
69 Unter Berücksichtigung des im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit weiten
Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers (vgl BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR
2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870; BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R -
ZFSH/SGB 2012, 24, 26) ist diese Ungleichbehandlung von Verfassungs wegen nicht zu
beanstanden. Die Unterscheidung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen
Bezügen bei der Bemessung des Elterngeldanspruchs lässt sich hinreichend sachlich
rechtfertigen. Beachtlich ist insoweit, dass die Regelungen zur Höhe des
Elterngeldanspruchs nicht an Persönlichkeitsmerkmalen anknüpfen, die dem Einzelnen
nicht verfügbar sind (vgl BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012,
214, 215). Dasselbe gilt für die vertragliche Ausgestaltung der Entgeltansprüche aus
abhängiger Beschäftigung.
70 Gesetzgeberisch formuliertes Ziel der Leistung ist es, jedem betreuenden Elternteil, der
seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, einen an seinem individuellen
Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen im ersten Lebensjahr
des Kindes und eine Unterstützung bei der Sicherung der Lebensgrundlage der Familie zu
gewähren (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2; Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drucks 16/2785 S 2). Die
Orientierung der Leistung am individuellen Einkommen soll dazu beitragen, dass es
Müttern und Vätern auf Dauer besser gelingt, ihre wirtschaftliche Existenz möglichst
unabhängig von staatlichen Fürsorgeleistungen zu sichern (BT-Drucks 16/1889 S 15, 19).
Damit ist das Elterngeld, soweit es über den Mindestbetrag von 300 Euro als
Entgeltersatzleistung ausgestaltet ist (§ 2 Abs 5 S 1 BEEG), eine an die unterschiedlichen
Lebensumstände der jeweiligen Familie anknüpfende Leistung (BT-Drucks 16/1889 S 19),
wobei es jedoch - und das geht aus den Beratungen zum Gesetzentwurf sowie aus der
gesetzgeberischen Ausgestaltung eindeutig hervor - nicht um einen vollständigen
Lohnersatz geht (vgl ausführlich dazu Senatsurteile vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR
4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 25 ff und - B 10 EG 17/11 R - juris RdNr 29 ff).
71 Gemessen daran ist es jedenfalls nicht willkürlich, einmalige Einnahmen und
Entgeltansprüche, die nicht Teil des erwirtschafteten Arbeitslohns sind und lediglich
anlassbezogen gewährt werden, von der Bemessung anhand des individuellen
Einkommens auszunehmen und die Höhe des Elterngeldes an dem Einkommen zu
orientieren, das regelmäßig im vorgeburtlichen Bemessungszeitraum zur Verfügung steht.
Denn der zwölf Kalendermonate umfassende Bemessungszeitraum bildet die familiäre
Lebenssituation, in die das Kind geboren wird, für dessen Betreuung die Erwerbstätigkeit
reduziert bzw unterbrochen wird, zeitraumaktuell und konkret ab. In diesem Zeitrahmen
kann von einem regelmäßigen Einkommenszufluss nur dann im Wortsinne und auch
tatsächlich ausgegangen werden, wenn es sich nicht um lediglich einmalig erfolgende,
sondern um anlassunabhängige, wiederkehrende und verbindlich geschuldete
Lohnzahlungen handelt. Eine Berücksichtigung einmalig zufließender Zahlungen könnte
die Höhe des Elterngeldanspruchs letztlich mehr von der Zufälligkeit des
Zuflusszeitpunkts als von der vorgeburtlich tatsächlich bestehenden Einkommenssituation
abhängig machen.
72 Schließlich ist ebenfalls beachtlich, dass Art und Weise der Zahlungsvereinbarung sowie
die Gesamthöhe des laufenden Arbeitslohns Umstände sind, die nicht vom Gesetzgeber
vorgegeben, sondern in der Regel von den Arbeitsvertragsparteien frei verhandelt werden.
Handelt es sich nach deren eindeutigem und nachweisbarem Willen bei den nicht nur
einmaligen unterjährigen Zahlungen um verbindliche Teile der Gesamtjahresvergütung,
deren Fälligkeit lediglich in mehrmonatigen Intervallen festgelegt wurde und auf deren
anteilige Erbringung der Arbeitnehmer auch im Falle des Nichterreichens des
Zahlungszeitpunkts einen Anspruch hat, prägen sie die individuelle vorgeburtliche
Lebenssituation in gleicher Weise wie das monatliche Grundgehalt. Insofern ist es
sachgerecht, dass sie - anders als anlassbezogene Zahlungen - auch in die
Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs mit einfließen.
73 Ob die vom Kläger im Bemessungszeitraum bezogenen Urlaubs- und
Weihnachtsgeldzahlungen nach den vom Senat für richtig gehaltenen Kriterien von der
Beklagten zu Recht als sonstige Bezüge eingeordnet worden sind, vermag der
erkennende Senat anhand der bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG nicht zu
beurteilen. Es fehlt an genaueren Feststellungen zur Eigenart und Ausgestaltung der
betreffenden Zahlungen. Der Senat kann die erforderlichen Ermittlungen im
Revisionsverfahren nicht selbst durchführen (vgl § 163 SGG). Deshalb ist das
Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).
74 Bei der Bewertung der rechtlichen Ausgestaltung der dem Kläger geleisteten zusätzlichen
Zahlungen wird das LSG auch zu prüfen haben, inwieweit im Einzelfall die auf den
Verdienstabrechnungen für Juni und November 2006 enthaltenen Hinweise einer
arbeitsrechtlichen Anspruchsbegründung entgegenstehen. Dort heißt es:
75 "Soweit der Arbeitgeber freiwillige Sonderzahlungen zum Urlaub leistet, handelt es sich
um einmalige, freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistungen. Sie begründen keinen
rechtlichen Anspruch des/der Arbeitnehmers/in, weder dem Grunde noch der Höhe nach,
weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft und führen auch für den Fall der
wiederholten Leistung ohne ausdrückliche Wiederholung dieses Freiwilligkeitsvorbehaltes
zu keinem Anspruch des/der Arbeitnehmers/in." (Verdienstabrechnung 06.06., Bl 35 der
Verwaltungsakte)
76 Bzw. in der Novemberabrechnung:
"Soweit der Arbeitgeber freiwillige Sonderzahlungen leistet, z. B. im Zusammenhang mit
Weihnachtsgeld oder Altersvorsorge, handelt es sich um einmalige freiwillige, jederzeit
widerrufliche Leistungen. Sie begründen keinen rechtlichen Anspruch des/der
Arbeitnehmers/in, weder dem Grunde noch der Höhe nach.." (Verdienstabrechnung
11.06., Bl 40 der Verwaltungsakte)
77 Darüber hinaus wird das LSG die Eigenart der im November 2006 neben den
regelmäßigen Zahlungen zugeflossenen Zuwendungen ("AG-Zuschuss zur HPK" und
"VWL AG-Zuschuss" sowie "Altersvorsorge AG-An") näher zu ermitteln haben, um darüber
befinden zu können, ob diese Zahlungen zutreffend bei der Bemessung des
Elterngeldanspruchs außer Betracht geblieben sind.
78 Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.