Urteil des BPatG vom 06.07.2010

BPatG: stand der technik, patentanspruch, are, vertreter, neuheit, einlage, eng, erfindungshöhe, most, naheliegen

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
21 W (pat) 323/06
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
6. Juli 2010
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
gegen das Patent 198 42 654
- 2 -
hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf-
grund der mündlichen Verhandlung vom 6. Juli 2010 unter Mitwirkung des Vorsit-
zenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Winterfeldt sowie der Richter Baumgärtner,
Dipl.-Ing. Bernhart und Dipl.-Ing. Veit
beschlossen:
Das Patent DE 198 42 654 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.
G r ü n d e
I
Gegen
das
unter
Inanspruchnahme
der
US-Priorität
932 754
vom
17. September 1997 am 17. September 1998 angemeldete Patent 198 42 654
(Streitpatent), das einen "Verbesserten Verbundisolator" betrifft und dessen Ertei-
lung am 9. Februar 2006 veröffentlicht worden ist, haben die Firmen
L… GmbH & Co. KG in W… und P… AG in
M… (S…), Einspruch eingelegt.
- 3 -
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet, nach Merkmalen gegliedert:
Ma
Verbundisolator,
Mb
und der erste und zweiten Enden aufweist,
Mc
ersten und zweiten Anschlussstücken, die an den ersten und
zweiten Stabenden befestigt sind,
Md
eine Buchse und ein Dach aufweist, das sich radial nach au-
ßen erstreckt,
dadurch gekennzeichnet
Me
dass für die Anwendung bei Spannungen von 66.000 bis
765.000 Volt eine Beschichtung aus Elastomermaterial vor-
gesehen ist,
Mf
die eine Hülle (18, 118) über dem Stab (12, 112) bildet,
Mg
erstreckt,
Mh
der Hülle (18, 118) befestigt sind, und
Mi
dass die Vielzahl der Schirme (20, 120) eine erste und eine
zweite Reihe von Schirmen (20A, 120A; 20B, 120B) umfasst,
Mj
wobei sich die erste Reihe von Schirmen (20A, 120A) neben
dem ersten Anschlussstück (13, 113) befindet und
Mk
mit ihren Buchsen aneinanderstoßend nebeneinander ange-
ordnet sind, und
Ml
die zweite Reihe von Schirmen (20B, 120B) vom ersten An-
schlussstück (13, 113) entfernt vorgesehen ist,
Mm
der entfernt angeordnet sind, der sich bis zur Hülle (18, 118)
erstreckt.
- 4 -
Wegen der Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Patentschrift Bezug genommen.
Die Einsprechende I erachtet den Gegenstand des Streitpatents als nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit beruhend. Die Einsprechende II ist der Auffassung, dass
der Gegenstand des Patentanspruchs 1 mangels Neuheit nicht patentfähig sei, zu-
mindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Beide Einsprechende er-
achten deshalb das Streitpatent als nicht patentfähig.
Zur Begründung verweisen die Einsprechenden auf die Entgegenhaltungen:
D1
DE 32 14 141 C2
D2
DE 27 43 684 A1
D3
DE 28 52 889 A1
D4
DE-GM 1 912 070
D5
US 4,355,200 ("Wheeler I")
D6
US 4,312,123 ("Wheeler II")
sowie auf die bereits im Prüfungsverfahren ermittelten Entgegenhaltungen
E1
DE 30 34 579 C2 und
E2
DE 196 12 196 A1 (die im Wesentlichen inhaltsgenaue
DE 196 12 196 C2 ist nachveröffentlicht).
Die Vertreter der Einsprechenden stellen jeweils den Antrag,
das Patent DE 198 42 654 zu widerrufen.
Der Vertreter der Patentinhaberin stellt den Antrag,
das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
- 5 -
Die Patentinhaberin ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Streitpatents
neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
1.
laufen begonnen hat und die Einsprüche vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden
sind, ist das Bundespatentgerichts für die Entscheidung gem. § 147 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung weiterhin zu-
ständig (vgl. BGH GRUR 2007, 862 ff. - Informationsübermittlungsverfahren II;
BPatG GRUR 2007, 499 f. - Rundsteckverbinder).
III
Die form- und fristgerecht erhobenen Einsprüche sind zulässig, denn die für die
Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen tatsächlichen Um-
stände sind von den Einsprechenden innerhalb der gesetzlichen Frist im Einzel-
nen jeweils so dargelegt worden, dass die Patentinhaberin und der Senat daraus
abschließende Folgerungen für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Wider-
rufsgrundes ohne eigene Ermittlungen ziehen können. Die Zulässigkeit der Ein-
sprüche war von der Patentinhaberin im Übrigen nicht bestritten worden.
Die Einsprüche führen jedoch nicht zum Erfolg, denn der zweifelsohne gewerblich
anwendbare Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist gegenüber den zum
Stand der Technik genannten Druckschriften neu und beruht demgegenüber auch
auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns, der im vorliegen-
den Fall als ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Starkstromtechnik mit einschlä-
giger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Energieübertragung zu definieren ist.
- 6 -
1.
Der Patentanspruch 1 fußt auf dem ursprünglichen Anspruch 1 unter Umstellung
Mm
bis zur Hülle erstreckende Luftspalt, (der die Buchsen voneinander trennt und)
durch den die Buchsen voneinander entfernt angeordnet sind, gründet auf der ur-
spr. Beschreibung, Seite 7, Absatz 3 ("
"); da der Stab 12 von einer Hülle 18 umgeben ist (vgl.
auch Figur 2), ergibt sich die Erstreckung des Luftspalts eben bis zu dieser Hülle.
Die Patentansprüche 2 bis 4 entsprechen den urspr. Ansprüchen 2 bis 4; An-
spruch 5 gründet auf dem Merkmal b) des urspr. Anspruchs 7, Anspruch 6 auf
Merkmal g) des Anspruchs 8 und Anspruch 7 auf dem urspr. Anspruch 9.
Die Zulässigkeit der Patentansprüche ist von den Einsprechenden im Übrigen
auch nicht in Frage gestellt worden.
2.
der die Erfindung nach den Angaben in der Streitpatentschrift ausgeht, beschreibt
Hochspannungs-Freiluft-Kunststoffisolatoren. Das Ausführungsbeispiel der Fi-
gur 1, das von der Einsprechenden I als nächstkommender Stand der Technik er-
achtet wird, zeigt einen Isolator mit einem Isolierstab 1, der aus Glasfasern durch
Imprägnierung mit Epoxydharz hergestellt ist. Auf dem Stab 1 sind aus Silikon-
kautschuk hergestellte Distanzbüchsen dicht mit diesem verbunden mit gleichen
Abständen aufgebracht. In durch die Distanzbüchsen 2 vorgegebenen Abständen
sind außen profilierte dreirippige Isolierbüchsen 4 mit einem größeren mittleren
Isolierteller auf dem Stab 1 angebracht (vgl. Spalte 4, Beispiel 1). Durch die Profi-
lierung sind an jeder Isolierbüchse 4 drei Isolierteller ausgeformt, die die Funktion
von Schirmen übernehmen. Diese aus einer Isolierbüchse 4 einstückig geformten
Schirme sind, wie aus Figur 1 ersichtlich ist, von den Schirmen der jeweils be-
nachbarten Isolierbüchsen 4 durch die Distanzbüchsen 2 getrennt, wobei die äu-
ßersten Isolierbüchsen 4 (Anschlussstücke) ihrerseits durch Distanzbüchsen von
- 7 -
den jeweiligen Isolationsarmaturen 5 beabstandet sind. Damit sind auf dem Stab
in Längsrichtung Isolierbüchsen (mit jeweils drei Tellern - Schirmen) abwechselnd
mit Distanzbüchsen angeordnet. Eine erste Reihe von Schirmen mit aneinander-
stoßenden Buchsen neben dem ersten Anschlussstück und eine zweite vom ers-
ten Anschlussstück entfernte Reihe von Schirmen mit voneinander getrennt ange-
ordneten Buchsen wird damit nicht gebildet.
Es mag zwar sein, dass bei den einstückigen Isolierbüchsen 4 durch ihre dreirippi-
ge Profilierung die dadurch gebildeten drei Isolierteller axial eng aneinander ange-
ordnet sind und mit den über die Länge des Stabes 1 befindlichen Isolierbüch-
sen 4 der Isolator eine Vielzahl von Isoliertellern (Schirmen) aufweist, jedoch er-
Mi
Mm]
Schirmen mit ihren Buchsen aneinanderstoßend neben dem ersten Anschluss-
stück befindet und eine zweite Reihe von Schirmen vom ersten Anschlussstück
entfernt vorgesehen ist, deren Buchsen jeweils durch einen Luftspalt voneinander
entfernt angeordnet sind.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist somit neu gegenüber dem Isolator aus
E1
Die übrigen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen nehmen den Streitge-
genstand ebenfalls nicht neuheitsschädlich vorweg, wie sich aus den nachstehen-
D5
Einsprechende II im Einspruchsschriftsatz als neuheitsschädlich bezeichnet hatte.
In der mündlichen Verhandlung haben die Einsprechenden die Neuheit nicht mehr
in Frage gestellt.
3.
schen Tätigkeit.
- 8 -
3a.
E1
E2
Selbst wenn der Fachmann gemäß dem Vortrag der Einsprechenden I in der
mündlichen Verhandlung in Erwägung ziehen sollte, die Distanzbüchsen 2 und die
E1
Stab 1 zu gestalten, käme er nicht ohne weitere Überlegungen zu der gemäß den
Mi
mit der, wie im Absatz [0008] der Patentschrift dargelegt, ein wesentlich besserer
Schutz gegen Entladungen, die hauptsächlich in der Nähe des Anschlussendes
auftreten, insbesondere in verschmutzter Umgebung, geschaffen wird.
E2
ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen.
Bei dem Verbundwerkstoffisolator gemäß der Figur 2 ist zwar die Kernstange 12
von einer durchgehenden Hülle 14 umgeben, jedoch werden auf dieser die Isolier-
schirme, wie aus Figur 2 ersichtlich ist, in gleichen Abständen voneinander an der
Kernstange montiert und damit ebenfalls nicht in zwei Reihen gemäß den Vorga-
Mi
E2
stand des Patentanspruchs 1 beruht sonach auch gegenüber der Zusammen-
E1
3b.
D6
erfinderische Tätigkeit nicht in Frage zu stellen.
- 9 -
D6
mäß Figur 2 sind die Schirme 5' aus einem Elastomer geformt und auf einer den
Stab 1 umgebenden Hülse 2, diese auf ihrer gesamten Länge umschließend, auf-
gebracht. Gemäß den Figuren 1 und 3 sind die Schirme 5 einzeln (durch Extrudie-
ren; vgl. die Figuren 5 und 6,) geformt und in geeigneten Abständen am
Stab angeordnet (vgl. Sp. 4, Z. 60 ff. "
). Damit sind, wie die Einsprechende II zutreffend ausführt, die Schirme
nicht mehr auf fest vorgegebene Abstände, wie in Figur 2, festgelegt und können
damit auch in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen angeordnet werden;
dennoch sind auch für diesen Fall die einzelnen Schirme voneinander beabstan-
det, was auch die Einsprechende II einräumt.
D5
Stab () voneinander beabstandet angeordneten Schirmen
(wheather sheds 16), in Figur 2 gegenüber dem Stand der Technik Schirme 19 mit
integrierten Kragen (vgl. die Beschreibung zur Figur 2 in Sp. 2, Z. 67 "
), die an den jeweils benachbarten Schirm anstoßen, wobei der das Ab-
schlusssegment bildende Schirm 21 mit einer ihm zugeordneten Kontakthülse
() halbleitend ist. Gemäß dem weiteren Ausführungsbeispiel der
Figur 3 sind die Schirme 19 beabstandet, da deren Kragen kürzer sind als die Kra-
gen 20 gemäß der Ausführungsform nach Figur 2. Da der das Abschlusselement
bildende Schirm 24 mit einem eingelegten leitenden Elastomer (contacting elasto-
mer 23) versehen ist, entfällt die Notwendigkeit, dass die Schirme mit langen Kra-
gen als Isoliermaterial den Stab lückenlos überdecken müssen (Sp. 3, Z. 26 - 33
…"
). Figur 4 schließlich zeigt lediglich ein Abschluss-
D5
guren 2 und 3 zwei voneinander unabhängige Ausführungsbeispiele für Isolatoren
D5
sen sollte, diese beiden Ausführungsbeispiele - Schirme mit aneinanderstoßenden
- 10 -
Kragen - beabstandete Schirme ohne Kragen - miteinander zu kombinieren. Es
besteht dazu auch gar keine Notwendigkeit, da, wie dargelegt, bei dem Ausfüh-
rungsbeispiel der Figur 3 der das Abschlusselement bildende Schirm 24 mit einer
halbleitenden Einlage 23 versehen ist, die bereits das Entstehen partieller Entla-
dungen verhindert; Schirme mit aneinanderstoßenden Kragen, den Stab ganz um-
hüllend, erübrigen sich damit.
D5
Segment bildenden Wetterschirm (Figur 2) und der ihm zugeordneten Kontakthül-
se, die beide halbleitend sind, eine Reduzierung der Corona-Intensität erzielt wird
(…"
…). Diese Wirksamkeit sei auch gegeben, wenn eine Vielzahl
der Wetterschirme (mit Kragen) und eine Kontakthülse sämtliche halbleitend sind
(…"
.") Sofern diese aufgezeigte Variante vorgesehen wird, so ergibt
sich daraus entgegen der von der Einsprechenden II vertretenen Sichtweise we-
der eine Anordnung von Schirmen mit aneinanderstoßenden Kragen in einer ers-
ten Reihe und von Schirmen mit voneinander beabstandeten Kragen, noch erge-
ben sich Anregungen dazu, denn auch die Vielzahl von halbleitenden Schirmen 21
ist ebenfalls mit langen Kragen 20 versehen, die jeweils an den benachbarten
(halbleitenden) Schirm anstoßen und damit nicht durch einen Luftspalt voneinan-
der getrennt sind; lediglich dem Abschluss-Segment-Schirm ist auch hier eine
Kontakthülse 22 zugeordnet.
D5
toren, die jeweils für sich genommen die dem Streitgegenstand zugrundeliegende
Aufgabe auf unterschiedliche Weise lösen. Wenn die Einsprechende II in der
mündlichen Verhandlung argumentiert, es spreche nichts dagegen, die Lehren der
D5
men, so verkennt sie, dass die Tatsache, dass nichts gegen eine bestimmte Lö-
schung spricht, für ein Naheliegen nicht ausreicht. Um das Begehen eines von
- 11 -
den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als mög-
lich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es - abgesehen von
den Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist - in der
Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausrei-
chender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lö-
sung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen, so wört-
lich der Leitsatz der BGH-Entscheidung "Betrieb einer Sicherheitseinrichtung" (ver-
öffentlicht in BGHZ 182, 1 = Mitt. 2009, 322 = GRUR 2009, 746-749).
4.
die im Prüfungsverfahren noch ermittelte US 3,898,372 vom Streitpatentgegen-
stand noch weiter ab. Sie haben dementsprechend in der mündlichen Verhand-
lung den Patentanspruch 1 betreffend keine Rolle gespielt.
5.
mit Patentanspruch 1 Bestand.
Dr. Winterfeldt
Baumgärtner
Bernhart
Veit