Urteil des BPatG vom 14.09.2010

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
17 W (pat) 35/06
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
14. September 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 198 54 438.3-53
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 14. September 2010 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Fritsch, des Richters Dipl.-Ing. Prasch sowie
der Richterinnen Eder und Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung
- 2 -
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse G 06 T des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 13. Dezember 2005 aufgehoben und das Patent mit fol-
genden Unterlagen erteilt:
Patentansprüche 1 bis 10 und
Beschreibung Seiten 5 und 6, jeweils überreicht in der mündlichen
Verhandlung,
Beschreibung Seiten 1 bis 4, 6a vom 24. November 1999,
Beschreibung Seiten 7 bis 20 und
6 Blatt Zeichnungen mit 6 Figuren, jeweils vom Anmeldetag.
G r ü n d e
I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist am 25. November 1998 beim Deutschen
Patent- und Markenamt unter der Bezeichnung
„Verfahren zur Bildrekonstruktion für einen Computertomographen“
eingereicht worden.
Die Prüfungsstelle für Klasse G06T hat durch Beschluss vom 13. Dezember 2005
die Anmeldung zurückgewiesen, da der geltende Patentanspruch 1 mangels Neu-
heit seines Gegenstandes nicht gewährbar sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.
- 3 -
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 10 und
Beschreibung Seiten 5 und 6, jeweils überreicht in der mündlichen
Verhandlung,
Beschreibung Seiten 1 bis 4, 6a vom 24. November 1999,
Beschreibung Seiten 7 bis 20 und
6 Blatt Zeichnungen mit 6 Figuren, jeweils vom Anmeldetag.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ist folgende
Druckschrift genannt worden:
D1: EP 0 426 464 A2.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet (Gliederung wurde eingefügt):
„a)
Verfahren zur Bildrekonstruktion für einen Computertomographen,
b)
aus mit Hilfe einer um eine Systemachse um ein ein Untersuchungs-
objekt aufnehmendes Meßfeld bewegbaren Strahlungsquelle in Fächer-
geometrie gemessenen, durch ihren Projektionswinkel
ächer-
winkel
ennzeichneten Meßwerten
c)
bei dem für alle Meßwerte
jeweils gleichen Fächerwin-
kels
für den jeweiligen Fächerwinkel
ögliche Projektions-
winkelbereich
g
- 4 -
ci)
wobei der minimal mögliche Projektionswinkelbereich
g
Gleichung
g
-
gegeben ist,
d)
welches Verfahren außerdem einen der folgenden Verfahrensschritte
umfaßt:
e)
das Untersuchungsobjekt wird vor der Aufnahme der Meßwerte der-
art in dem Meßfeld positioniert, daß ein diagnostisch relevanter Bereich
des Untersuchungsobjekts in einem Bereich des Meßfeldes liegt, in dem
eine gewünschte, höhere Zeitauflösung vorliegt als in anderen Bereichen
des Meßfeldes,
f)
es werden Meßwerte für solche Projektionswinkel aufgenommen,
daß in demjenigen Bereich des Meßfelds, in dem sich ein diagnostisch
relevanter Bereich des Untersuchungsobjekts befindet, eine gewünschte,
höhere Zeitauflösung erreicht wird als in anderen Bereichen des Meßfel-
des,
g)
es werden mehr Meßwerte aufgenommen, als zur Bildrekonstruktion
eines diagnostisch relevanten Bereichs des Untersuchungsobjekts an sich
erforderlich sind, und die Bildrekonstruktion erfolgt auf Basis von derart
ausgewählten Meßwerten, daß in demjenigen Bereich des Meßfelds, in
dem sich der diagnostisch relevante Bereich befindet, eine gewünschte,
höhere Zeitauflösung erreicht wird als in anderen Bereichen des Meßfel-
des.“
- 5 -
Gemäß Seite 5 Absatz 3 der geltenden Beschreibung soll der Anmeldung die Auf-
gabe zugrunde liegen, ein Verfahren zur Bildrekonstruktion für einen Computerto-
mographen anzugeben, das eine Darstellung eines diagnostisch relevanten
Bereiches eines Untersuchungsobjekts mit verbesserter Zeitauflösung ermöglicht.
Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Sie hat Erfolg, da ein Patent
mit den nunmehr geltenden Ansprüchen erteilt wird.
1.
Die Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur Bildrekonstruktion für einen
Computertomographen. Projektionsdaten werden mit einem Computertomogra-
phen aufgenommen, in dem ein Untersuchungsobjekt sich zwischen einer Strah-
lungsquelle und einer Detektoranordnung befindet. Das System Strahlungsquelle -
Detektoranordnung wird mit konstanter Geschwindigkeit gedreht, wobei in jeder
Drehstellung (mit zugehörigem Projektionswinkel
Detektoranord-
nung Projektionsdaten unter verschiedenen Fächerwinkeln
ächerwinkelbe-
reich
fan
) aufgenommen werden, vgl. Fig. 1. Aus diesen Projektionsdaten wird die
Struktur des Untersuchungsobjekts rekonstruiert. Bewegt sich das Untersuchungs-
objekt (z. B. ein schlagendes Herz) während der Aufnahme, so werden die rekon-
struierten Objektdaten umso ungenauer, je länger der Zeitraum ist, in dem die zur
Rekonstruktion verwendeten Daten aufgenommen wurden. Daher wird gemäß
dem in der Anmeldung beschrie
-
Projektionswinkelbereich, sondern lediglich ein maximal erforderlicher Projektions-
winkelbereich
fan
(bzw. ein zur Reduktion von Artefakten um einen Übergangs-
bereich
trans
verlängerter Projektionswinkelbereich
fan
trans
) aufgenommen
und verwendet, vgl. in den Anmeldeunterlagen S. 2 Z. 30 bis 32 und S. 3 Z. 4 bis
21.
- 6 -
Gegenüber bekannten Verfahren soll durch die Erfindung die zeitliche Auflösung
für einen diagnostisch relevanten Bereich verbessert werden.
Gemäß werden für die Rekonstruktion eines (Querschnitts-)Bildes des
Untersuchungsobjekts die Messwerte aus dem für den jeweiligen Fächerwinkel
minimal möglichen Projektionswinkelbereich verwendet. Dieser in
definierte Projektionswinkelbereich ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Betrachtet man einen bestimmten Objektpunkt und eine anfängliche Projektions-
richtung mit dem Fächerwinkel
äuft nach einer Dre-
hung der Anordnung um einen zugehörigen Grenzwinkel
g
(
=
– 2
-
tung des Strahls mit dem Fächerwinkel -
rt zur anfänglichen Pro-
jektionsrichtung
änderten Bedingungen theoretisch wie-
der den anfänglichen Messwert ergäbe). Somit sind für die Rekonstruktion des
Untersuchungsobjekts (in einem Querschnitt) im Prinzip diejenigen Projektionsda-
ten überflüssig, welche über die jeweiligen Grenzwinkelbereiche
g
(
=
– 2
hinaus gemessen wurden, vgl. in den Anmeldeunterlagen S. 2 Z. 1 bis 28 und
S. 10 Z. 22 bis 29.
Abhängig vom Projektionsstartwinkel und der Drehrichtung sind für bestimmte
Messfeldbereiche die Grenzwinkel
g
(
i Drehung mit konstanter
Winkelgeschwindigkeit) das Zeitintervall für die Aufnahme der für die Rekonstruk-
tion verwendeten Messdaten kleiner als für andere Messfeldbereiche, vgl. Fig. 4
und 6. Die für einen diagnostisch relevanten Objektbereich erreichbare Zeitauflö-
sung bzw. das Aufnahmezeitintervall hängt dann davon ab, in welchem Bereich
des Messfelds sich der interessierende Objektbereich befindet.
Die Zeitauflösung für den diagnostisch relevanten Objektbereich kann somit da-
durch erhöht werden,
-
dass (bei vorgegebenem Projektionsstartwinkel und Drehrichtung) dieser
Objektbereich geeignet im Messfeld platziert wird (), oder
- 7 -
-
dass der Bereich der Projektionswinkel für die Aufnahme (insbesondere der
Projektionsstartwinkel) entsprechend dem Ort des diagnostisch relevanten Objekt-
bereichs gewählt wird (), oder
-
dass im Fall der Messwertaufnahme über einen größeren Winkelbereich als
notwendig ein geeigneter (Winkel-)Bereich dieser Messwerte (insbesondere ein
jeweils geeigneter Projektionsstartwinkel) entsprechend dem Ort des diagnostisch
relevanten Objektbereichs für die Rekonstruktion ausgewählt wird ().
Als Fachmann sieht der Senat hier einen Physiker oder Mathematiker an, der
Erfahrung auf dem Gebiet der Computertomographie, insbesondere in der Rekon-
struktion von Bilddaten besitzt.
2.
Das Patentbegehren ist zulässig.
Der geltende Anspruch 1 geht hervor aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 6
bis 8.
Der geltende Anspruch 2 ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 2 sowie
der ursprünglichen Beschreibung S. 11 le. Abs. bis S. 12 Z. 1.
Die geltenden Ansprüche 3 bis 5 und 6 bis 10 greifen die ursprünglichen Ansprü-
che 3 bis 5 und 9 bis 13 auf.
Die Ansprüche 1 bis 10 sind somit in den ursprünglich eingereichten Unterlagen
offenbart.
Zusätzlich zur Änderung der Patentansprüche wurde die Beschreibung entspre-
chend angepasst und der im Verfahren genannte Stand der Technik dargelegt.
Auch diese Änderungen sind zulässig.
3.
Das Verfahren gemäß dem Anspruch 1 ist neu gegenüber dem belegten
Stand der Technik und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- 8 -
Die Druckschrift D1 betrifft ein Rekonstruktionsverfahren für die Computertomo-
graphie mit Spiralabtastung. Fig. 1 zeigt einen Computertomographen der dritten
Generation, in dem ein System Quelle 10 - Detektorarray 18 rotiert, wobei Projek-
tionswerte in Fächergeometrie gemessen werden - . In z-Richtung
(senkrecht zur Projektionsebene) sollen mehrere Querschnitte gemessen werden,
wobei die Zeit für den Erhalt einer Serie von Querschnitten reduziert werden soll,
vgl. S. 2 Z. 31 bis 35. Fig. 4 zeigt die Abtastgeometrie für einen Querschnitt.
Gemäß dieser Figur i. V. m. S. 5 Z. 21 bis 32 verläuft der Projektionsstrahl bei
einem Projektionswinkel
ächerwinkel
umgekehrt wie der Projekti-
onsstrahl beim Fächerwinkel - nach einer Drehung der Anordnung um -2 ; die
zugehörigen Projektionswerte müssten theoretisch (bei Messung in derselben
Querschnittsebene und unveränderten Bedingungen) gleich sein. Daher ist es
ausreichend, Halbabtastungen („half scans“) durchzuführen mit einem Projektions-
winkelbereich von +2
max
, vgl. S. 5 Z. 41 bis 43; dies entspricht dem in der vor-
liegenden Anmeldung beschriebenen Stand der Technik mit 2
max
fan
. Wie Fig. 5
(mit nach rechts aufgetragenem Fächerwinkel und nach oben aufgetragenem Pro-
jektionswinkel) und die Beschreibung auf S. 5 Z. 44 bis 53 zeigen, treten dennoch
redundante Daten auf, etwa die dreieckigen Zonen 1 und 4, deren zugehörige Pro-
jektionsstrahlen in umgekehrter Richtung zueinander verlaufen, vgl. Fig. 4 (siehe
hierzu in der vorliegenden Anmeldung Fig. 3 links). Bei der in D1 behandelten Spi-
ralabtastung werden die Daten zweier aufeinander folgender „half scans“ auf eine
zwischen den beiden Abtastkurven gelegene Schnittebene hin interpoliert, vgl. S. 5
Z. 54 bis 58. Die Zonen (5 bis 8 in Fig. 5) des zweiten „half scans“ auf der gegen-
über liegenden Seite der vermessenen Schnittebene des Untersuchungsobjekts
sind jeweils komplementär zu Zonen des ersten „half scans“, vgl. S. 6 Z. 16 bis 21.
Beim ersten Ausführungsbeispiel werden alle Zonen 1 bis 8 in Fig. 5 für die
Rekonstruktion benutzt und mit unterschiedlichen Gewichtsfaktoren belegt, vgl. die
Gleichungen auf S. 7 unten und S. 8 oben. Gemäß S. 8 Z. 31 bis 35 können auch
andere Gewichtsfaktoren verwendet werden; insbesondere können in einem zwei-
ten Ausführungsbeispiel die Gewichtsfaktoren derart gewählt werden, dass eine
Zone innerhalb jedes Paars redundanter Daten in einem Satz komplementärer Da-
- 9 -
ten das Gewicht „0“ erhält, d. h. die redundanten Daten werden nicht berücksich-
tigt. So werden für zwei aufeinander folgende „half scans“ die Zonen 1 und 8 elimi-
niert und nur die Zonen 2 bis 7 verwendet, d. h. für den ersten „half scan“ tragen
nur die Zonen 2 bis 4 zur Rekonstruktion bei, für den zweiten „half scan“ die
Zonen 5 bis 7. Auf S. 8 Z. 42 bis 48 ist eine reduzierte Aufnahmezeit für die Abtas-
tung angesprochen (abhängig vom maximalen Fächerwinkel), die zur Reduktion
von Bewegungsartefakten führen kann.
Ausgehend von diesem Hinweis mag es für den Fachmann nahegelegen haben,
nach Möglichkeiten für eine weitere Reduktion der Aufnahmezeit und von Bewe-
gungsartefakten zu suchen, etwa für die Rekonstruktion eines Querschnitts nicht
die Daten zweier aufeinander folgender „half scans“ zu verwenden wie aus D1
bekannt, sondern nur die unbedingt erforderlichen, nicht redundanten Daten eines
einzigen „half scans“ (z. B. die Zonen 2 bis 4 gemäß Fig. 5), da die Daten des
zweiten, komplementären „half scans“ im Prinzip überflüssig sind, vgl. Fig. 4 mit
Beschreibung - ; die Ebene des rekonstruierten Querschnitts liegt dann
im Bereich der Abtastkurve des verwendeten „half scans“. Eine solche Zonenkom-
bination weist gemäß Fig. 5 für jeden Fächerwinkel
den minimal möglichen Pro-
jektionswinkelbereich
-2 auf - . Durch diese Auswahl der Messwerte
ergibt sich zwangsläufig (ebenso wie in der vorliegenden Anmeldung) in unter-
schiedlichen Bereichen des Messfelds eine unterschiedliche Zeitauflösung, auch
wenn dies in D1 nicht beschrieben ist.
Jedoch gab D1 dem Fachmann keinen Hinweis darauf, diese in D1 nicht beschrie-
bene variierende Zeitauflösung zur weiteren Reduktion der Aufnahmezeit bzw. der
Zeitauflösung des Verfahrens zu verwenden, indem der diagnostisch relevante
Bereich einem Bereich mit gewünschter, höherer Zeitauflösung als in anderen
Bereichen des Messfelds zugeordnet wird, wie dies gemäß dem Anspruch 1 durch
geeignete Platzierung des Untersuchungsobjekts im Messbereich (),
durch geeignete Wahl des zu messenden Projektionswinkelbereichs ()
- 10 -
oder durch geeignete Auswahl der für die Rekonstruktion verwendeten Messwerte
aus einem größeren aufgenommenen Messwertbereich () erreicht wird.
Die anmeldungsgemäße Lösung liegt auch außerhalb des Bereichs fachüblichen
Handelns.
Den Verfahren gemäß Anspruch 1 kann somit Neuheit und erfinderische Tätigkeit
nicht abgesprochen werden.
4.
Der Anspruch 1 ist somit gewährbar.
Die Unteransprüche 2 bis 10 beinhalten zweckmäßige, nicht selbstverständliche
Ausgestaltungen der Erfindung und sind in Verbindung mit dem Anspruch 1 eben-
falls gewährbar.
Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Patenterteilung sind erfüllt.
Dr. Fritsch
Prasch
Eder
Dr. Thum-Rung
Fa