Urteil des BPatG vom 19.05.2010

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
20 W (pat) 55/05
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
19. Mai 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2004 005 017.1-55
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2010 durch den Vorsitzenden Richter
Dipl.-Phys. Dr. Mayer, die Richterin Werner sowie die Richter Dipl.-Ing. Gottstein
und Dipl.-Ing. Kleinschmidt
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beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Patentanmeldung 10 2004 005 017.1-55 mit der Bezeichnung „Textilmaterial
mit Antennenkomponenten eines HF-Transponders“ ist im Verfahren vor dem
Deutschen Patent- und Markenamt von der Prüfungsstelle für Klasse H 01 Q
durch Beschluss vom 30. März 2005 zurückgewiesen worden.
Der Zurückweisung lag der am 2. Februar 2005 eingereichte Patentanspruch 1
und im Übrigen die ursprünglich eingereichten Unterlagen zugrunde.
Der Anmeldegegenstand betrifft ein Textilmaterial mit Antennenkomponenten ei-
nes HF-Transponders. Der Anmeldegegenstand geht von Textiletiketten aus, die
mit Transpondern ausgestattet sind und als Antennen Luftspulen enthalten, die in
Form von Leiterbahnen aus Metall auf Folienträgern ausgeführt sind. Diese Folien
haben den Nachteil, dass sie sich stellenweise oder ganz lösen und/oder beschä-
digt werden können und in der Regel erst in die Fertigware eingesetzt werden,
wodurch eine Identifizierung der Rohware nur indirekt möglich und manipulations-
anfällig ist. Diese Nachteile werden nach dem Anmeldegegenstand dadurch be-
seitigt, dass sich die Antennenkomponenten bereits während der Herstellung in-
tegral in eine Rohware einfügen lassen, wodurch eine physikalisch zuverlässige
Nutzung ermöglicht wird.
Die Prüfungsstelle hat ihren Beschluss damit begründet, dass der Gegenstand
des
der
Zurückweisung
zugrunde
liegenden
Patentanspruchs 1
vom
2. Februar 2005 dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens und dem bekann-
ten Stand der Technik
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D1
US 2003/0160732 A1
D2
DE 197 55 792 C2
nahe gelegt sei und damit auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Bezüglich des Wortlauts dieses Anspruchs wird auf die Amtsakte verwiesen.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihre Anmeldung weiter.
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2010 hat die Anmelderin neue Patentansprüche 1 bis
16 eingereicht.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet (mit eingefügter Merkmalsgliederung):
„a)
Textilmaterial
mit
Antennenkomponenten
eines
HF-
Transponders, der durch Anschluss eines Schaltungsmoduls
an die auf eine Arbeitsfrequenz abgestimmten oder ab-
stimmbaren Antennenkomponenten betreibbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
b)
die
Antennenkomponenten
aus
elektrisch
leitfähigen
Bestandteilen des Textilmaterials selbst bestehen und
c)
elektrisch leitfähige Fadenkonstruktionen sind, die maschinell
innerhalb eines textilüblichen industriellen Fertigungsprozes-
ses verarbeitet, vorzugsweise eingewebt, sind und
d)
die als E-Feld-Strahler hinsichtlich ihrer Geometrie auf eine
Arbeitsfrequenz im UHF- oder Mikrowellenbereich durch
Unterbrechung einer leitfähigen Strecke herstellbar sind, wo-
bei
e)
die elektrisch leitfähigen Fäden parallel mit gegenseitigem
Abstand verlaufen und
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f)
die leitfähige Länge in Abschnitte unterteilt ist, die jeweils
λ/4
der Wellenlänge der beabsichtigten Arbeitsfrequenz betra-
gen und
g)
die Abschnitte durch unterbrochene Fäden oder durchgän-
gige Fäden mit unterbrochener elektrisch leitfähiger Kompo-
nente gebildet sind.“
Bezüglich des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 16 wird auf die Gerichtsakte
verwiesen.
Die Anmelderin hält das Textilmaterial mit Antennenkomponenten eines HF-
Transponders nach den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 für patent-
fähig, da dieses durch die Entgegenhaltung D1 weder neuheitsschädlich vorweg-
genommen noch dem Fachmann nahe gelegt sei.
Die ordnungsgemäß geladene Anmelderin ist, wie mit Schriftsatz vom
17. Mai 2010 angekündigt, nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da der Gegenstand des geltenden
Patentanspruchs 1 als nicht mehr neu gilt.
1.
Der Anmeldegegenstand richtet sich seinem sachlichen Inhalt nach an einen
Textiltechniker, der in enger Zusammenarbeit mit einem Fachhochschulingenieur
mit besonderen Kenntnissen der Funkübertragungstechnik Möglichkeiten für die
drahtlose Detektion textiler Komponenten entwickelt.
2.
Die Druckschrift D1 befasst sich mit Gewebeantennen für einen HF-Transpon-
der für die drahtlose Identifikation (vgl. [0002]), die, wie in dem Ausführungsbei-
spiel in Figur 3 gezeigt, in einem Bekleidungsstück eingearbeitet (vgl. Figur 3, 50)
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und betriebsbedingt auf die Arbeitsfrequenz der dazugehörigen Transponder ab-
gestimmt sind (Merkmal a). Bezüglich der technischen Realisierung der Antennen
werden in der D1 verschiedene Ausführungsmöglichkeiten von Gewebeantennen
aufgezeigt, unter anderem auch eine Antennenform, die als elektrisch leitfähiger
Faden in das textile Gewebe des Kleidungsstücks eingewebt - ein typischer ma-
schineller Fertigungsprozess für textile Gewebe - ist (vgl. Patentanspruch 2, Ab-
satz [0023] und Patentansprüche 5 und 14) (Merkmale b und c). Da ein derartiger
Webeprozess üblicherweise unter Anwendung von rechtwinklig zueinander ver-
laufenden parallelen Kett- und Schussfäden abläuft, stellt sich beim Einweben der
elektrisch leitfähigen Fäden in Richtung des Schussfadens ein parallel verlaufen-
des Fadenbild mit gegenseitigem Abstand der Fäden quasi von selbst ein (Merk-
mal e).
Das Textilmaterial nach den Merkmalen a bis c und e ist damit bereits vollumfäng-
lich für den Fachmann beschrieben.
Die noch verbleibenden Merkmale d), f) und g) sind im Gegensatz zu den vorste-
hend abgehandelten Merkmalen nicht mehr auf den konstruktiven Aufbau eines
textilen Gewebes an sich gerichtet, sondern befassen sich ausschließlich mit typi-
schen Konfektionierungsmaßnahmen eines elektrischen Leiters zur Auslegung ei-
ner Antenne für einen bestimmten Frequenzbereich. Diese Merkmale sind, da sie
zum eigentlichen Aufbau des textilen Gewebes offensichtlich keinen Beitrag leis-
ten, als nichtwesentliche Elemente des Anmeldegegenstands im Sinne des § 10
PatG zu werten, (BGHZ 171, 167-180 - Pipettensystem) und können daher bei ei-
ner Beurteilung der Neuheit und des Zugrundeliegens einer erfinderischen Tätig-
keit keine Berücksichtigung finden.
Unabhängig davon sind die verbleibenden Merkmale d), f) und g) des Patentan-
spruchs 1 für den Fachmann aber auch unmittelbar aus dem Gesamtinhalt der D1
herauslesbar, zumal im Hinblick auf die Konfektionierung einer für eine bestimmte
Arbeitsfrequenz auszulegende
λ/2-Dipolantenne, wie sie bereits in der D1 als
mögliche Anwendungsvariante auch angesprochen ist (vgl. Absatz [0007]), in ei-
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nem maschinell hergestellten Gewebe wenigstens ein leitfähiger Faden des texti-
len Gewebes in zwei
λ/4 lange Leiterstücke unterteilt werden muss. Des Weiteren
sind in der Figur 3 Fadenantennen definierter Länge dargestellt (vgl. Bezugszei-
chen 50).
Im Zusammenhang mit dem in der D1 aufgezeigten maschinellen Webprozesses
(vgl. auch vorstehende Ausführungen), einem Produktionsvorgang, der seine Fä-
den im Regelfall von in einem Webstuhl eingesetzten Spulen bezieht, springt dem
Fachmann förmlich ins Auge, dass er im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des
dabei kontinuierlich ablaufenden Produktionsprozesses die geforderten Anten-
nenlängen nur durch Bereitstellung von Fadenmaterial mit entsprechend leitungs-
fähigen Abschnitten bzw. durch Unterbrechung der Fäden im fertigen Gewebe
selbst herzustellen vermag. Für den Fachmann gehen nach Überzeugung des
Senats die technischen Informationen für die Merkmale d), f) und g) aus dem
Sinngehalt der Druckschrift D1 unmittelbar hervor; einer ausdrücklichen Offenba-
rung in der Druckschrift D1 hat es insoweit nicht bedurft (BGHZ 179, 168-186 -
Olanzapin Rdn. 26).
Das Textilmaterial mit Antennenkomponenten nach dem Patentanspruch 1 ist
folglich mit allen seinen Merkmalen aus der D1 bekannt.
3.
Bei dieser Sachlage kann die Frage, inwieweit die vorgenommenen Änderun-
gen im Patentanspruch 1 durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt sind, da-
hingestellt bleiben.
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4.
Da die Anmelderin die Erteilung des Patents im Umfang des vorliegenden An-
spruchssatzes begehrt und sich der Patentanspruch 1 als nicht patentfähig er-
weist, ist die Zurückweisung der Anmeldung zu Recht ergangen (BGH GRUR-
RR 2008, 456 - Installiereinrichtung, Tz. 22, m. w. N.).
Dr. Mayer
Werner
Gottstein
Kleinschmidt
Pr