Urteil des BPatG vom 14.03.2007

BPatG: kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, express, geographische angabe, geographische herkunftsangabe, stadt hamburg, bestandteil, konditorei, handel, brot

BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 128/05
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
14. März 2007
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 303 22 436
BPatG 154
08.05
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hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 15. November 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden gegen den Beschluss der
Markenstelle für die Klasse 29 des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 12. September 2005 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortfolge
Hanse Naturkost
wurde am 3. November 2003 in das Markenregister eingetragen für die folgenden
Waren der Klasse 29, 30 und 31:
"Konfitüren; Zucker; Samenkörner".
Gegen diese Eintragung ist Widerspruch erhoben worden aus den folgenden drei
deutschen Marken der Beschwerdeführerin:
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Nr. 397 21 946
eingetragen am 21. Juli 1997 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 30 und
42:
"Pizza; belegte Brote; Snack-Artikel (auch tiefgefroren) bzw.
Snacks, Aufläufe, Sandwich; Speiseeis; Brot, feine Backwaren
und Konditorwaren; Verpflegung von Gästen, Catering."
Nr. 301 59 500
eingetragen am 8. Februar 2002 für die Waren "Brot, feine Back- und Konditorwa-
ren" der Klasse 30
Nr. 302 63 026
HANSE EXPRESS
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eingetragen am 8. April 2003 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 30 und
43:
"Pizza; belegte Brote; Snacks, hauptsächlich bestehend aus Teig-
waren mit Belägen aus Wurst- und Fleischwaren und/oder Fisch
und/oder Gemüse und/oder Obst; Aufläufe, hauptsächlich beste-
hend aus Teigwaren mit Belägen aus Wurst- und Fleischwaren
und/oder Fisch und/oder Gemüse und/oder Obst; Sandwich; Spei-
seeis; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Verpflegung von
Gästen, Catering."
Diese Widersprüche hat die Markenstelle für Klasse 29 mit zwei Beschlüssen, von
denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, mit der Begründung zurückge-
wiesen, dass selbst bei hoher Warenähnlichkeit zwischen den Vergleichsmarken
keine Verwechslungsgefahr bestehe. So unterscheide sich die angegriffene Marke
in ihrer Gesamtheit deutlich und unverkennbar von den Widerspruchsmarken. Die
bloße Übereinstimmung im Wortbestandteil "Hanse" führe ebenfalls nicht zu Ver-
wechslungen, weil dieser Bestandteil kennzeichnungsschwach sei. Als Name ei-
ner historischen Kaufmannsgilde und des Zusammenschlusses von Handelsstäd-
ten zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen sei "Hanse" auch heute noch als Hin-
weis auf Hansestädte üblich und stelle insoweit zumindest eine die geographische
Herkunft der beanspruchten Waren andeutende Angabe dar. Zwar sei der Aus-
druck "Hanse" in Alleinstellung aufgrund einer gewissen Unbestimmtheit und Alter-
tümlichkeit möglicherweise schutzfähig. Das ändere jedoch nichts an der Beurtei-
lung, dass der Ausdruck in den hier in Rede stehenden Kombinationen kennzeich-
nungsschwach sei. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr hat die Markenstel-
le im Ergebnis abgelehnt.
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Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Hin-
sichtlich der im Streit stehenden Waren geht sie bei den "Konfitüren" aus dem Wa-
renverzeichnis der angegriffenen Marke von Identität mit den Waren der Wider-
spruchsmarken aus und bei "Samenkörnern" und bei "Zucker" von hochgradiger
Ähnlichkeit, weil diese Waren regelmäßig für die Herstellung von Widerspruchs-
Waren verwandt würden. Zwischen den Vergleichsmarken bestünde unmittelbare
Verwechslungsgefahr, weil deren gemeinsamer Bestandteil "Hanse" prägend sei.
"Hanse" sei im Übrigen auch kennzeichnungskräftig und jedenfalls in Alleinstel-
lung keine geographische Herkunftsangabe (BPatG 32 W (pat) 102/97 - "Hanse
Tee Kontor Wismar
./.
Hanse-Kaffee" - und 32 W (pat) 137/99 - "Lübecker
Hanse"), weil dem Städtebund der Hanse eine Vielzahl von Städten angehört hät-
ten und die Bezeichnung "Hanse" daher für eine geographische Angabe zu unge-
nau sei. Im Übrigen gebe es eine Reihe von eingetragenen Marken, die allein aus
dem Wort "Hanse" bestünden, was ebenfalls für die Schutzfähigkeit dieses Wortes
in Alleinstellung spräche. In Wortkombinationen könne "Hanse" nur noch im
Zusammenhang mit Ortsnamen ein geographischer Hinweis sein, nicht dagegen
in den Kombinationen mit sonstigen Hinweisen, zumal wenn diese weiteren Mar-
kenbestandteile - wie vorliegend "…bäcker", "Semmel" und "Express" - ihrerseits
nicht kennzeichnungskräftig seien. Selbst wenn der Wortbestandteil "Hanse" die
Vergleichsmarken nicht prägen sollte, komme ihm jedenfalls eine selbständig
kennzeichnende Stellung innerhalb der jeweiligen Marke zu im Sinne der neueren
Rechtsprechung des EuGH (Thomson Life).
Im Übrigen bestünde zwischen den Vergleichsmarken auch mittelbare Verwechs-
lungsgefahr. Seit über 100 Jahren seien die Kunden der Widersprechenden an die
Verwendung des Wortes "Hansa" oder "Hanse" in der Widerspruchsmarke "Han-
sabäcker" bzw. "Hansebäcker" gewöhnt. Deswegen bestünde die Gefahr, dass
diese Kunden die angegriffene Marke mit den Widerspruchsmarken in Zusammen-
hang bringen würden. Außerdem verwende die Widersprechende den Bestand-
teil "Hanse" als Stammbestandteil in mehreren zusammengesetzten Marken.
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Die Widersprechende beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 8. Oktober 2004 und vom 12. Septem-
ber 2005 aufzuheben und die angegriffene Marke 303 22 436 we-
gen der Widersprüche aus den Marken 397 21 946, 301 59 500
und 302 63 026 zu löschen.
Sie hat außerdem die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hatte im patentamtlichen Verfahren die
Warenähnlichkeit in Frage gestellt und hat sich im Übrigen nicht zur Sache geäu-
ßert. Auch im Beschwerdeverfahren hat sie keine Stellungnahme abgegeben und
auch an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden bleibt in der Sache ohne Erfolg,
weil auch nach Ansicht des Senats zwischen den Vergleichsmarken schon man-
gels relevanter Markenähnlichkeit weder eine unmittelbare noch eine mittelbare
Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unstreitig, dass die Widerspruchsmarken
397 21 946 und 301 59 500, bei denen es sich um Wort-Bild-Marken handelt, je-
weils von ihren Wortbestandteilen geprägt werden. Unstreitig dürfte auch sein,
a) dass sich die angegriffene Wortmarke "Hanse Naturkost" in ihrer Gesamtheit
klar erkennbar von den Wortfolgen "Konditorei Junge HANSEBÄCKER", "HAN-
SE SEMMEL" und "HANSE EXPRESS" unterscheidet,
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b) dass die Wortelemente "-BÄCKER", "SEMMEL" und "EXPRESS" in den Wider-
spruchsmarken mit Rücksicht auf die Waren, für die diese Marken eingetragen
sind, zu der Kennzeichnungskraft dieser Marken nichts beitragen können, und
c) dass es deswegen bei der Prüfung einer möglichen markenrechtlichen Ver-
wechslungsgefahr entscheidend auf die Frage ankommt, ob das in allen Mar-
ken übereinstimmende Wortelement "Hanse" in den Wortfolgen der Wider-
spruchsmarken eine isoliert kollisionsbegründende Stellung hat, sei es, weil die
Widersprechende diesen Wortbestandteil als bekanntes Stammzeichen ihres
Unternehmens etabliert hat, sei es, weil die Marken zumindest von diesem
Wortelement im markenrechtlichen Sinne geprägt werden.
Entgegen der Auffassung der Widersprechenden kann das Wortelement "Hanse"
bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit wie der sich daran anschließenden Ver-
wechslungsgefahr nicht isoliert kollisionsbegründend herangezogen werden. Dem
steht bereits entgegen, dass jedenfalls in Wortkombinationen wie den vorliegen-
den die Kennzeichnungskraft des Wortes "Hanse" von Haus aus schwach ist.
Kennzeichnungskraft ist die Eignung einer Marke, zur Unterscheidung der Waren
und Dienstleistungen ihres Inhabers von solchen anderer Unternehmen zu dienen.
Eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft liegt immer dann vor, wenn das be-
treffende Zeichen diese Herkunftsfunktion uneingeschränkt erfüllt. Diese Voraus-
setzung ist hier nicht erfüllt. Hanse oder Hansa in Alleinstellung ist der Name einer
mittelalterlichen Kaufmannsgilde, deren Mitglieder sich zusammengeschlossen
hatten, um gemeinsam auf Handelsfahrt zu gehen. Der hanseatische Handel war
überwiegend Seehandel, der durch die Entwicklung eines großräumigen, hoch-
seetüchtigen Schiffstyps, der Kogge, möglich geworden war. Deswegen unterhielt
die Hanse ihre Niederlassungen in erster Linie in solchen Städten, die über den
Seehandel erreichbar waren, vor allen Dingen im östlichen England, in den Nie-
derlanden, in Norddeutschland und entlang der Ostsee bis nach Russland. Dieser
geographische Raum wird regelmäßig mit der Hanse assoziiert. Die Hanse gehört
zu den Phänomenen der deutschen Geschichte, die fast ausnahmslos als gut, als
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der Überlieferung wert angesehen werden. Die Erinnerung an sie ist in Deutsch-
land, insbesondere in Norddeutschland und in der norddeutschen Tiefebene, un-
verändert lebendig; spezifische Bezugnahmen auf sie sind ebenso üblich wie ganz
vage. Eine Reihe von Städten führen auch heute noch die Bezeichnung "Hanse-
stadt" offiziell in ihrem Namen, am bekanntesten dürften davon die Freie und Han-
sestadt Hamburg sowie die Hansestädte Bremen, Lübeck, Rostock und Stralsund
sein. Diese und viele andere deutsche Städte haben sich im Übrigen dem Städte-
bund "Die Hanse" angeschlossen, der 1980 in der niederländischen Stadt Zwolle
ins Leben gerufen worden ist. Die Mitglieder der "neuen" Hanse wollen im traditio-
nellen hanseatischen Geist Handel und Tourismus in einem geeinten Europa för-
dern. Hamburg und das Land Schleswig-Holstein nennen ihre gemeinsame Ver-
tretung bei der Europäischen Union in Brüssel "Hanse Office", das Oberlandesge-
richt der Stadt Hamburg heißt unverändert "Hanseatisches Oberlandesgericht",
Hamburg hat ein Hanse-Viertel, der Hamburger Hafen einen Hanse-Port. Lübeck
hat einen Hanseplatz, einen Hansering, eine Hansestraße. Es gibt den Sportver-
ein Lübecker Hanse von 1989 e.V. und den Fußballverein F.C. Hansa Rostock.
Dass die Erinnerung an die Hanse in Deutschland auch über den geographischen
Raum hinausgeht, in dem sie ursprünglich Handel getrieben hat, wird nicht zuletzt
an dem Namen der Lufthansa deutlich.
In den Wortkombinationen der Widerspruchsmarken "HANSEBÄCKER", "HANSE
SEMMEL" und "HANSE EXPRESS" erscheint das Wort "Hanse" nicht in Alleinstel-
lung, sondern als Bestandteil einheitlicher Gesamtbegriffe. Diese sind sprachre-
gelmäßig gebildet wie die konkreten Begriffe "Hansestadt", "Hansekogge" oder
"Hanseroute" und entsprechen im Übrigen daran angelehnten Wortkombinationen
wie "Hanse Office", "Hanseplatz" oder "F.C. Hansa Rostock". Vor dem Hintergrund
der vorstehenden Feststellungen tritt das Wort "Hanse" in den Wortkombinationen
der Widerspruchsmarken als eine allgemeine Bezugnahme auf die Hanse in Er-
scheinung, eine Bezugnahme, die sich im Rahmen einer verbreiteten Tradition be-
wegt, gerade auch für Namensgebungen. Als ein übliches, verbreitetes Namens-
element ist "Hanse" ungeeignet, in einheitlichen Begriffs- und Namensbildungen
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aus sich heraus auf ein bestimmtes Herkunftsunternehmen hinzuweisen und damit
im markenrechtlichen Sinne kennzeichnend zu wirken. Es verhält sich umgekehrt
so, dass der Wortbestandteil "Hanse" eine gebräuchliche Gemeinsamkeit mit den
Namen einer Vielzahl anderer Einrichtungen und Organisationen herstellt und des-
wegen gerade zur Individualisierung eines bestimmten Namensträgers oder Mar-
keninhabers ungeeignet ist. Es kommt im Übrigen hinzu, dass der Ausdruck "Han-
se/Hansa" wegen der beschriebenen geographischen Beschränkung der Tätigkei-
ten der Hanse im deutschen Raum immer auch einen geographischen Anklang
hat, der auf eine Herkunft der angebotenen Waren aus den deutschen Küstenge-
bieten oder aus der norddeutschen Tiefebene hinweist. Das wirkt sich ebenfalls
kennzeichnungsschwächend aus.
Da das Wortelement "Hanse" in den Widerspruchsmarken in einheitliche Gesamt-
begriffe eingebunden ist, kommt es vorliegend nicht auf die Frage an, welche
Kennzeichnungskraft das Wort "Hanse" in Alleinstellung für die Waren entfalten
könnte, für die die Widerspruchsmarken eingetragen sind. Nur zur Klarstellung
wird darauf hingewiesen, dass das Bundespatentgericht über die Frage nach der
Kennzeichnungskraft von "Hanse" in Alleinstellung bisher keine Entscheidung ge-
troffen hat. Der Beschluss vom 2. Februar 2000, 32 W (pat) 137/99 - Lübecker
Hanse - hat diese Frage im Ergebnis offengelassen, der Beschluss vom 18. Fe-
bruar 1998 32 W (pat) 102/97 - Hanse Tee Contor Wismar - hat diese Frage nicht
behandelt.
Unabhängig von der Frage, ob ein einzelnes Element eines einheitlichen Gesamt-
begriffs diesen Begriff im markenrechtlichen Sinne "prägen" kann, scheidet hier ei-
ne solche Prägung der Gesamtbegriffe "HANSEBÄCKER", "HANSE SEMMEL"
UND "HANSE EXPRESS" durch das Wort "Hanse/Hanse-" schon deswegen aus,
weil - wie ausgeführt - das Wort "Hanse" kennzeichnungsschwach ist. Kennzeich-
nungsschwache Elementen ist bereits aus Rechtsgründen die Eignung abzuspre-
chen, den Gesamteindruck einer Marke zu prägen (vgl. BGH GRUR 2003, 880,
882 - City Plus). Daran ändert auch die blickfangartige Herausstellung einer sol-
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chen Angabe nichts (vgl. BGH GRUR 1998, 930, 931 - Fläminger). Die Widerspre-
chende geht mit ihrer Argumentation fehl, wonach die für sie eingetragenen Wort-
kombinationen schon deswegen von dem Wortbestandteil "Hanse" geprägt wer-
den müssten, weil die jeweils anderen Wortbestandteile "-BÄCKER", "SEMMEL"
und "EXPRESS" ihrerseits kennzeichnungsschwach seien. Diese Schlussfolge-
rung könnte nur dann richtig sein, wenn es einen markenrechtlichen Grundsatz
gäbe, wonach Gesamtbegriffe und Wortkombinationen immer von einem ihrer
Wortbestandteile geprägt würden. Einen solchen Grundsatz gibt es aber nicht.
Die ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarken und des
darin enthaltenen Wortbestandteils "Hanse" hätte nur durch eine Steigerung der
Kennzeichnungskraft im Wege der Benutzung überwunden werden können. Dazu
hat die Widersprechende nicht schlüssig vorgetragen. Zwar hat sie behauptet, alle
drei Widerspruchsmarken in einem Umfang benutzt zu haben, der zu einer allge-
meinen Bekanntheit des Markenelements "Hanse" als Stammzeichen der Wider-
sprechenden geführt habe, und die Inhaberin der angegriffenen Marke hat diese
Behauptungen nicht bestritten. Die Beurteilung der Kennzeichnungskraft, ihrer ur-
sprünglichen Stärke oder Schwäche ebenso wie der Entwicklung, die sie durch die
Benutzung nehmen kann, stellt jedoch eine Rechtsfrage dar, über die das Gericht
entscheiden muss und die die Parteien nicht wie eine Tatsachenfrage durch Aner-
kenntnis unstreitig stellen können (vgl. BPatG GRUR 1997, 840, 842 - Lindora/Li-
nola). Eine Partei, die sich auf ein bestimmtes Maß der Kennzeichnungskraft beru-
fen will, muss daher die diese Rechtsbehauptung stützenden Tatsachen darlegen.
Daran fehlt es hier. Zu Art und Umfang der Benutzung der Widerspruchsmar-
ken "HANSE SEMMEL" und "HANSE EXPRESS" hat die Widersprechenden nicht
im Einzelnen vorgetragen. Ihr konkreter Tatsachenvortrag beschränkt sich auf die
Benutzung der Widerspruchsmarke "Konditorei Junge HANSEBÄCKER". Es mag
sein, dass diese Marke bereits seit über hundert Jahren benutzt wird, in letzter Zeit
für Waren, die in Geschäften der Widersprechenden in Bad Schwartau, Hamburg,
Lübeck, Rostock und Travemünde vertrieben werden, und dass eine Geschäfts-
kette der Widersprechenden mit dem Namen "Die Stadtbäckerei/Der Hansebä-
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cker" zu den größten Bäckereigeschäften Norddeutschlands gehört. Dabei geht
der Senat sogar zu Gunsten der Widersprechenden davon aus - was wegen der
festgestellten Kennzeichnungsschwäche des Wortes "HANSEBÄCKER" allerdings
höchst zweifelhaft ist - dass ein Vertrieb von Backwaren in der Kette "Die Stadtbä-
ckerei/Der Hansebäcker" überhaupt eine rechtserhaltende Benutzung der Wider-
spruchsmarke "Konditorei Junge HANSEBÄCKER" sein könnte. Die vorgetrage-
nen Umstände geben aber keinen Aufschluss darüber, welchen Bekanntheitsgrad
diese Widerspruchsmarke bei den angesprochenen Verkehrskreisen tatsächlich
hat. Die allgemein gehaltene Behauptung einer umfangreichen Benutzung führt
hier nicht weiter, weil es eine Erfahrungstatsache ist, dass umsatzstarke Marken
wenig bekannt und andere Marken trotz geringer Umsätze sehr bekannt sein kön-
nen. Die Widersprechende hat weder die im Rahmen der behaupteten Benutzung
erzielten Umsätze dargelegt noch solche Tatsachen vorgetragen, die direkten Auf-
schluss über den tatsächlichen Bekanntheitsgrad dieser Marke bei den angespro-
chenen Verkehrskreisen geben könnten, wie z. B. Umfrageergebnisse oder auch
der konkrete Werbeaufwand für die Marke. Es gibt auch keine Darlegungen darü-
ber, welche besonderen Gründe die hier angesprochenen weitesten Verkehrskrei-
se haben könnten, das Wortelement "Hanse" - entgegen seiner Einbindung in ein-
heitliche Gesamtbegriffe und entgegen der festgestellten allgemeinen Gebräuch-
lichkeit solcher Wortkombinationen - in den Marken der Widersprechenden zu iso-
lieren und als Stammzeichen der Widersprechenden anzusehen.
Daher bleibt es bei der ursprünglichen Kennzeichnungsschwäche des Wortbe-
standteils "Hanse" in den Widerspruchsmarken. Daraus folgt, dass die klar erkenn-
baren Unterschiede zwischen der Wortfolge der angegriffenen Marke "Hanse Na-
turkost" einerseits und den Wortfolgen der Widerspruchsmarken "Konditorei Junge
HANSEBÄCKER", "HANSE SEMMEL" und "HANSE EXPRESS" andererseits aus-
reichen, um eine unmittelbare Verwechslungsgefahr sicher auszuschließen, und
dass auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden kann,
weil die Widersprechende ein Bekanntwerden des Markenbestandteils "Hanse" als
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markenrechtliches Stammzeichen ihres Unternehmens nicht schlüssig dargetan
hat.
Die vom Europäischen Gerichtshof in seiner Entscheidung "Thomson Life" entwi-
ckelten Grundsätze (GRUR 2005, 438 ff.) finden auf den vorliegenden Fall keine
Anwendung. Dort ging es um die Usurpation der gut eingeführten Wortmar-
ke "Life" durch die Kombination dieses Markenwortes mit der Unternehmensbe-
zeichnung eines Dritten ("Thomson"). Diese Konstellation hat keine Parallelen
zum vorliegenden Fall. Keine der Wortfolgen der hiesigen Widerspruchsmarken ist
in der angegriffenen Marke vollständig enthalten. Vielmehr bestehen alle Ver-
gleichsmarken aus einheitlichen Gesamtbegriffen, die sich in ihrer Gesamtheit
deutlich von einander unterscheiden und nur in dem gemeinsamen Bestand-
teil "Hanse" übereinstimmen. Dieser Bestandteil ist von Haus aus kennzeich-
nungsschwach. Dass die Widersprechende dieses Wort durch umfangreiche Be-
nutzung bei den angesprochenen Verkehrskreisen als ihr Stammzeichen etabliert
hätte, hat sie nicht schlüssig vorgetragen. Es sind auch sonst keine Umstände da-
für schlüssig dargetan, dass der Verkehr den Wortbestandteil "Hanse/Hanse-" in
den einheitlichen Gesamtbegriffen der Widerspruchsmarken isolieren und als selb-
ständig kennzeichnendes Markenelement wahrnehmen würde.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung, weil we-
der eine neue Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung an-
stand (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch eine höchstrichterliche Entscheidung zur
Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung er-
forderlich wäre (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Der Senat folgt mit seiner Entschei-
dung den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Soweit es um dem
Begriff der Kennzeichnungskraft geht, steht die Entscheidung im Einklang mit der
vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Linie, wonach nur solche Marken
schutzfähig sind, die ein klarer Herkunftshinweis sind (EuGH GRUR 2003, 604 ff.
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- Libertel; GRUR 2004, 674 ff. - Postkantoor; GRUR 2004, 1027 ff. - DAS PRINZIP
DER BEQUEMLICHKEIT).
gez.
Unterschriften