Urteil des BPatG vom 10.06.2015

Stand der Technik, Patentanspruch, Fahrzeug, Geschwindigkeit

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
9 W (pat) 9/10
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 103 54 983.8-56
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
10. Juni 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie
der Richter Dipl.-Ing. Bork, Paetzold und Dr.-Ing. Geier
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
- 2 -
G r ü n d e
I
Das Deutsche Patent- und Markenamt, Prüfungsstelle für Klasse B 60 K, hat die
am 20. November 2003 unter Inanspruchnahme der Priorität US 10/305709 vom
27. November 2002 eingegangene Patentanmeldung 103 54 983.8 durch Be-
schluss vom 3. September 2009 zurückgewiesen, weil in der Anmeldung keine
Erfindung so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausfüh-
ren könnte, wie dies nach PatG § 34, Abs. (4) erforderlich wäre.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie verfolgt die Patenter-
teilung weiter mit neuen Patentansprüchen 1 bis 5. Nach ihrer Auffassung ist das
Verfahren gemäß den neuen Patentansprüchen ausführbar offenbart sowie pa-
tentfähig gegenüber dem im Prüfungsverfahren ermittelten Stand der Technik.
Auf die telefonische Mitteilung des Berichterstatters vom 27. April 2015, der Senat
könne in den Anmeldungsunterlagen keine ausführbare Erfindung erkennen und
beabsichtige daher die Beschwerde zurückzuweisen, hat die Beschwerdeführerin
mit Fax vom 18. Mai 2015 um Entscheidung nach Aktenlage gebeten.
Nach Aktenlage hat die Beschwerdeführerin mit Eingabe der Beschwerdebegrün-
dung vom 29. Januar 2009 sinngemäß beantragt (Bl. 11 Gerichtsakte),
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent zu ertei-
len mit folgenden Unterlagen:
- Patentansprüche 1 bis 5, eingegangen beim Bundespatentge-
richt am 30. Januar 2010,
- Beschreibung Seiten 1 bis 8 sowie Zeichnung, Figuren 1 bis 3,
jeweils vom Anmeldetag 20. November 2003.
- 3 -
Der geltende Patentanspruch 1 lautet demnach:
Verfahren zur Bestimmung eines Verzögerungsbetrags für ein ei-
nem vorausfahrenden Fahrzeug folgendes Wirtsfahrzeug mit ei-
nem adaptiven Geschwindigkeitsregelsystem,
die Schritte umfassend:
- Ermittlung einer Geschwindigkeit des Wirtsfahrzeugs,
- Ermittlung eines Abstands zwischen Wirtsfahrzeug und voraus-
fahrendem Fahrzeug,
- Ermittlung einer Relativgeschwindigkeit zwischen Wirtsfahrzeug
und vorausfahrendem Fahrzeug,
- Ermittlung einer Geschwindigkeit und einer Verzögerung des
vorausfahrenden Fahrzeugs sowie
- Ermittlung einer Verzögerung des Wirtsfahrzeugs,
- Berechnung einer zur Anpassung der Geschwindigkeit des
Wirtsfahrzeugs an die Geschwindigkeit des vorausfahrenden
Fahrzeugs bei einem zukünftigen Sollabstand zwischen dem
Wirtsfahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug momentan
erforderlichen Optimalverzögerung,
- Ermittlung einer Allgemeinverzögerung des Wirtsfahrzeugs,
- Ermittlung einer Maximalverzögerung des Wirtsfahrzeugs,
- selektive Änderung der Verzögerung des Wirtsfahrzeugs in
Reaktion auf die berechnete momentane Optimalverzögerung,
die Allgemeinverzögerung und die Maximalverzögerung, wobei
die Änderung die Schritte umfasst:
- Vergleich der Optimalverzögerung mit der Allgemeinverzöge-
rung,
- Vergleich der Optimalverzögerung mit der Maximalverzögerung
und
- 4 -
- Vergleich der Allgemeinverzögerung mit der Maximalverzöge-
rung sowie
- Änderung der Wirtsfahrzeugverzögerung auf die geringste der
verglichenen Verzögerungen.
An den geltenden Patentanspruch 1 schließen sich vier Unteransprüche an, in de-
nen Schritte des Verfahrens nach Patentanspruch 1 und darin genannte Begriffe
konkretisiert werden.
II
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, denn der Senat konnte nicht feststel-
len, dass in der Anmeldung eine Erfindung so deutlich und vollständig offenbart
ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann, PatG § 34 Abs. 4.
Eine Lehre ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dann
ausführbar offenbart, wenn der zuständige Fachmann ohne erfinderisches Zutun
und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentan-
spruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem
allgemeinen Fachwissen zu verwirklichen, sodass der angestrebte Erfolg erreicht
wird (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2011 - X ZR 1/09 - Dentalgerätesatz; BGH,
Beschluss vom 11. Mai 2010 - X ZR 51/06
– Polymerisierbare Zementmischung;
BGH, Beschluss vom 13. Juli 2010
– Xa ZR 126/07 - Klammernahtgerät). Sofern
ungebräuchliche Fachbegriffe verwendet werden, sind diese in der Anmeldung
klar zu definieren, vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 34 Rn. 115 m. w. N.
Bezüglich der im Patentanspruch 1 genannten technischen Begriffe
„“ und „“
- 5 -
ist den Ursprungsunterlagen der vorliegenden Patentanmeldung eine ausführbare
Lehre nicht zu entnehmen, weil diese Begriffe nicht bzw. nicht eindeutig definiert
sind.
Als durchschnittlichen Fachmann für Fahrerassistenzsysteme legt der Senat sei-
nen nachfolgenden Ausführungen einen Maschinenbauingenieur der Fachrichtung
Fahrzeugtechnik mit besonderen Kenntnissen auf dem Gebiet der Regelungstech-
nik zugrunde.
1. Dieser Fachmann entnimmt Abs. 1 der Anmeldungsunterlagen i. V. m. dem
geltenden Patentanspruch 1, dass Erfindungsgegenstand ein Verfahren zur Be-
stimmung eines Verzögerungsbetrags für ein einem vorausfahrenden Fahrzeug
folgendes Wirtsfahrzeug mit einem adaptiven Geschwindigkeitsregelsystem sein
soll, wobei das Verfahren mehrere Verfahrensschritte umfasst, darunter die Be-
rechnung einer .
Aus dem geltenden sowie aus dem ursprünglichen Patentanspruch 1 erfährt der
Fachmann übereinstimmend, dass die anmeldungsgemäße
als diejenige Verzögerung definiert sein soll, die zur Anpassung der Geschwindig-
keit eines Wirtsfahrzeugs an die Geschwindigkeit eines vorausfahrenden Fahr-
zeugs bei einem zukünftigen Sollabstand zwischen dem Wirtsfahrzeug und dem
vorausfahrenden Fahrzeug momentan erforderlich ist. Die Berechnung der
soll erfolgen nachdem zuvor verschiedene Daten (Geschwindig-
keit, Verzögerung und Abstand) von zwei Fahrzeugen (Wirtsfahrzeug, vorausfah-
rendes Fahrzeug) ermittelt worden sind. Eine Berechnungsanweisung oder
–for-
mel für die enthält der Patentanspruch 1 nicht.
Allerdings offenbart S. 6, Abs. [0024] der Beschreibung, dass die Berechnung der
in einer Optimalverzögerungsermittlungseinheit 42 auf Basis
- 6 -
von mathematischen Annahmen und Gleichungen vorgenommen werden soll. So
soll die Verzögerung des Wirtsfahrzeugs
𝐴𝑎 angenähert werden als
(0)
𝐴𝑎 = 𝐴𝑐 + (𝐴𝑟 − 𝐴𝑐) ∗ 𝑡,
für
0 < 𝑡 ≤ 𝑇
und
𝐴𝑎 = 𝐴𝑟,
für
𝑡 ≥ 𝑇
Daraus abgeleitet sind auf S. 7, Abs. [0025] jeweils folgende zwei Gleichungen (1)
und (2) für eine zeitabhängige Relativgeschwindigkeit und jeweils folgende
zwei Gleichungen (3) und (4) für einen zeitabhängigen Abstand zwischen dem
Wirtsfahrzeug 10 und dem vorausfahrenden Fahrzeug 20a offenbart:
(1)
𝑈(𝑡) = 𝑈𝑜 + 𝐴𝑙 ∗ 𝑡 − 𝐴𝑐 ∗ 𝑡 − (𝐴𝑟 − 𝐴𝑐) ∗ (
𝑡
2
2
),
für
0 < 𝑡 ≤ 𝑇
(2)
𝑈(𝑡) = 𝑈𝑜 + (𝐴𝑙 − 𝐴𝑟) ∗ 𝑡 − (
𝑇
2
) ∗ (2 − 𝑇) ∗ (𝐴𝑐 − 𝐴𝑟),
für
𝑡 ≥ 𝑇
(3)
𝑅(𝑡) = 𝑈𝑜 ∗ 𝑡 + 𝐴𝑙 ∗ (
𝑡
2
2
) − 𝐴𝑐 ∗ (
𝑡
2
2
) − (𝐴𝑟 − 𝐴𝑐) ∗ (
𝑡
3
6
) + 𝑅𝑜,
für 0 < 𝑡 ≤ 𝑇
(4)
𝑅(𝑡) = 𝑈𝑜 ∗ 𝑡 + (𝐴𝑙 − 𝐴𝑟) ∗ (
𝑡
2
2
) − (
𝑇
2
) ∗ (2 − 𝑇) ∗ (𝐴𝑐 − 𝐴𝑟) ∗ 𝑡 + (
𝑇
2
6
) ∗ (3 − 2 ∗ 𝑇) ∗ (𝐴𝑐 − 𝐴𝑟) + 𝑅𝑜,
für 𝑡 ≥ 𝑇
Laut S. 6, Abs. [0024] sind mit dem Buchstaben
𝐴
verschiedene Verzögerungen
bezeichnet, für welche der Fachmann die Einheit
[
𝑚
𝑠
2
]
kennt. Für die Relativge-
schwindigkeit
𝑈(𝑡) ist die Einheit
[
𝑚
𝑠
]
geläufig und für den Abstand
𝑅(𝑡) selbstver-
ständlich die Einheit
[𝑚]
. Die Gleichungen (0) bis (4) enthalten außerdem eine
Tiefpassfilterzeitkonstante
𝜏, für die auf S. 6, Abs. [0024] „𝑇 gleich 2 ∗ 𝜏“ offenbart
ist. Daraus folgt die Tiefpassfilterzeitkonstante als
𝜏 =
𝑇
2
. Für die Tiefpassfilterzeit-
konstante
𝜏 ist zwar in den Ursprungsunterlagen keine Einheit konkret angegeben,
jedoch stimmt der Senat den Ausführungen der schriftlichen Beschwerdebegrün-
dung auf S. 7 Abs. 1 zu, dass der Fachmann diese selbstverständlich als
[𝑠] mit-
liest, weil es sich eben um eine Zeitkonstante handelt.
Unter diesen Annahmen muss der Fachmann bei einer einfachen Dimensionsbe-
trachtung feststellen, dass die Gleichungen nicht berechenbar sind, denn die Glei-
- 7 -
chungen (0), (1) und (3) enthalten physikalische Größen mit unterschiedlichen Ein-
heiten und die Gleichungen (2) und (4) jeweils ein Summenglied, bei dem eine
Zeiteinheit von einer dimensionslosen Zahl abgezogen werden soll:
(0) Dimensionen:
[
𝑚
𝑠
2
] = [
𝑚
𝑠
2
] + ([
𝑚
𝑠
2
] − [
𝑚
𝑠
2
]) ∗ [𝑠]
(1) Dimensionen:
[
𝑚
𝑠
] = [
𝑚
𝑠
] + [
𝑚
𝑠
2
] ∗ [𝑠] − [
𝑚
𝑠
2
] ∗ [𝑠] − ([
𝑚
𝑠
2
] − [
𝑚
𝑠
2
]) ∗ ([
𝑠
2
2
])
(2) Dimensionen:
[
𝑚
𝑠
] = [
𝑚
𝑠
] + ([
𝑚
𝑠
2
] − [
𝑚
𝑠
2
]) ∗ [𝑠] − ([
𝑠
2
]) ∗ ([2] − [𝑠]) ∗ ([
𝑚
𝑠
2
] − [
𝑚
𝑠
2
])
(3) Dimensionen:
[𝑚] = [
𝑚
𝑠
] ∗ [𝑠] + [
𝑚
𝑠
2
] ∗ ([
𝑠
2
2
]) − [
𝑚
𝑠
2
] ∗ ([
𝑠
2
2
]) − ([
𝑚
𝑠
2
] − [
𝑚
𝑠
2
]) ∗ [
𝑠
3
6
] + [𝑚]
(4) Dimensionen:
[𝑚] = [
𝑚
𝑠
] ∗ [𝑠] + ([
𝑚
𝑠
2
] − [
𝑚
𝑠
2
]) ∗ [
𝑠
2
2
] − [
𝑠
2
] ∗ (2 − [𝑠]) ∗ ([
𝑚
𝑠
2
] − [
𝑚
𝑠
2
]) ∗ [𝑠] + [
𝑠
2
6
] ∗ ([3] − 2 ∗ [𝑠]) ∗ ([
𝑚
𝑠
2
] − [
𝑚
𝑠
2
]) + [𝑚]
Die Verzögerung des Wirtsfahrzeugs
𝐴𝑎, die Relativgeschwindigkeit 𝑈(𝑡) sowie
der zeitabhängige Abstand
𝑅(𝑡) lassen sich mit den offenbarten Formeln nicht be-
rechnen, weil sich aus den vorstehenden Gleichungen beispielsweise Summen-
formeln der Dimension
[
𝑚
𝑠
2
] + [
𝑚
𝑠
] und [𝐾𝑜𝑛𝑠𝑡𝑎𝑛𝑡𝑒 𝑜ℎ𝑛𝑒 𝐷𝑖𝑚𝑒𝑛𝑠𝑖𝑜𝑛] − [𝑠] sowie
[𝑚 ∗ 𝑠] + [𝑚] ergeben. Da auch die übrigen Unterlagen keine plausible Erklärung
für diesen Offenbarungsmangel liefern, kann folglich die anmeldungsgemäße
mit den ursprungsoffenbarten Angaben nicht ermittelt werden.
Deshalb ist die Offenbarung unvollständig im Sinne von PatG § 34, Abs. (4).
Dagegen wendet die Beschwerdeführerin ein, der Fachmann lese selbstverständ-
lich mit, dass die Zeitkonstante innerhalb der Gleichungen mit
𝒕/𝜏 eingesetzt wer-
de. Von dieser Auffassung konnte sie den Senat jedoch nicht überzeugen. Denn
die
übereinstimmende Offenbarung des „Tiefpassfilters mit der Zeitkonstante
𝜏“
auf S. 6, Abs. [0024] sowie in den ursprünglichen Ansprüchen 6 und 8, wobei
𝑇 gleich 2 ∗ 𝜏" (a. a. O.) sein soll, schließt einen einmaligen Schreibfehler oder ein
Versehen aus. Insoweit ist die Ursprungsoffenbarung eindeutig. Angesichts dieser
Tatsache bleibt für eine Uminterpretation im Sinne der Beschwerdeführerin kein
Raum.
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Außerdem meint die Beschwerdeführerin, die Konstante sei einheitslos offen-
bart. Sie verkörpere den Wert der über der Zeit exponentiell ablaufenden Vorgän-
ge, nach dem der jeweilige Endwert erreicht sei. Dies ergebe sich aus der Be-
reichsangabe der Gleichungen. Diese Annahme findet in den Ursprungsunterla-
gen allerdings keine Stütze und dafür, dass sie für den Fachmann offensichtlich
ist, hat der Senat keinen Anhalt finden können. Denn auch hier gilt die vorstehend
zitierte Textstelle, wonach offenbart ist: „ gleich 2*
𝜏“ (a. a. O.). Daraus entnimmt
der Fachmann ohne jeden Zweifel, dass T dieselbe Einheit hat wie
𝜏 , nämlich [s].
2. Die ebenfalls im geltenden Patentanspruch 1 genannte
wird in einer Gesamtsteuerung (Block
44) „berechnet auf der Basis eines einfa-
chen Steuergesetzes und einer Zuordnungstabelle“. Dies sei mit dem Fachgebiet
vertrauten Personen allgemein bekannt, vgl. S. 5, Abs. [0021]. Im anmeldungsge-
mäßen Verfahrensschritt
72 „wird eine Allgemeinverzögerung mithilfe einer kon-
ventionellen Zuordnungstabelle, einer festgelegten unveränderlichen Verstärkung
oder bei Bedar
f anderer konventioneller Mittel bestimmt.“, vgl. S. 8, Abs. [0029].
Welches einfache Steuergesetz für die Berechnung zur Anwendung kommen soll,
welchen Inhalt die Zuordnungstabellen haben sollen oder welche anderen Mittel
zur Anwendung kommen sollen, überlässt die Ursprungsoffenbarung somit voll-
ständig dem Fachmann.
Für das anmeldungsgemäße Verfahren ist die Berechnung der
allerdings von wesentlicher Bedeutung, denn beim abschließenden Vergleich
der Verzögerungen soll die geringste der verglichenen Verzögerungen ausgewählt
werden, vgl. geltender Patentanspruch 1. Der berechnete Wert der
beeinflusst somit unmittelbar den zu ermittelnden Verzögerungsbetrag.
Deshalb ist es für die Ausführbarkeit des beanspruchten Verfahrens und insbe-
sondere für die Qualität des von dem Verfahren ermittelten Verzögerungsbetrages
unverzichtbar zu wissen, wie die Berechnung der zu erfol-
gen hat, um das mit der Erfindung beabsichtigte Ziel zu erreichen. Mangels jegli-
- 9 -
cher diesbezüglicher Offenbarung ist das Verfahren für den eingangs definierten
Fachmann unvollständig offenbart im Sinne von PatG § 34, Abs. (4).
Dagegen wendet die Beschwerdeführerin ein, die Verwendung eines einfachen
Steuergesetzes und/oder einer Zuordnungstabelle seien als zwei mögliche Verfah-
rensweisen angegeben, die im Fachgebiet allgemein bekannt seien. Bei der Zu-
ordnungstabelle handele es sich bekanntlich um eine Tabelle mit Werten der Soll-
verzögerung bei einem bestimmten Abstand zwischen dem Wirtsfahrzeug und
dem vorausfahrenden Fahrzeug einerseits sowie der Relativgeschwindigkeit zwi-
schen den Fahrzeugen andererseits. Das einfache Steuergesetz weise nach den
Ausführungen der Beschwerdeführerin eine Summe linearer Terme auf, die als
mögliche Variablen zur Berechnung einer Sollverzögerung z. B. die Relativge-
schwindigkeit oder den Abstand mit jeweiligen Faktoren beinhalteten.
Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Selbst wenn aber eine derart spezielle Ta-
belle allgemein bekannt wäre, woran der Senat Zweifel hat, würde sie nach dem
Vortrag der Beschwerdeführerin bereits eine Sollverzögerung beinhalten, von der
sich die anmeldungsgemäße in nicht offenbarter Weise
unterscheidet. Und selbst wenn eine Sollverzögerung mit dem in der Beschwer-
debegründung genannten einfachen Steuergesetz
„Sollverzögerung“ = K1 * „Relativgeschwindigkeit“ + K2 * „Abstand“
berechnet werden sollte, hinge das Ergebnis maßgeblich von den (nicht offenbar-
ten) Gewichtungsfaktoren K1 in der Dimension
[
1
𝑠
] und K2 in der Dimension [
1
𝑠
2
]
ab, und es wäre auch in diesem Fall nichts dazu ursprungsoffenbart, wie sich die
anmeldungsgemäße von der berechneten Sollverzögerung
unterscheidet.
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Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn sie auf einen der nachfolgenden Gründe
gestützt wird, nämlich dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind,
oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.
Hilber
Bork
Paetzold
Dr. Geier
Ko