Urteil des BPatG vom 13.05.2015

Energie, Erhaltung, Erfindung, Stillstand

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
9 W (pat) 8/14
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung
hier: Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
13. Mai 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Hilber und der Richter
Paetzold, Dr.-Ing. Baumgart und Dr.-Ing. Geier
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beschlossen:
Die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluss der Patent-
abteilung 1.13 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
12. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Für die in Gestalt der DE
… A1 offengelegte Patentanmeldung mit
der Bezeichnung
„…“
wurde vom Anmelder mit Schreiben vom 26. Dezember 2009 Antrag auf Bewilli-
gung von Verfahrenskostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren und die Bei-
ordnung eines Vertreters beantragt, ergänzend gemäß seiner Eingabe vom
10. Juni2010 auch für die im Erteilungsverfahren fällig werdenden Jahresgebüh-
ren. Ein Patentanwalt wurde trotz Aufforderung hierzu nicht benannt.
Mit dem am 14. Februar 2014 signierten Beschluss vom 12. Februar 2014
– ver-
sandt am 17. Februar
– hat die Patentabteilung 1.13 des Deutschen Patent- und
Markenamts die Verfahrenskostenhilfe verweigert.
Zur Begründung ist darin der Bescheid vom 21. Juni 2013 in Bezug genommen, in
dem ausgeführt wurde, dass der Anmeldungsgegenstand technisch nicht brauch-
bar sei, weil der beanspruchte „gravitationsgetriebene Schwungradmassenantrieb“
entgegen der behaupteten Wirkung nicht mehr Energie
– zur Verrichtung von Ar-
beit
– freisetzen könne als bei der Umwandlung von einer Energieform in die an-
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dere umwandelbar sei. Der Satz von der Erhaltung der Energie gelte auch für die
beim Anmeldungsgegenstand eingesetzten Schwungräder, die Schwerkraft sei
grundsätzlich nicht zur Energiegewinnung über die potentielle Energie im Schwe-
refeld hinaus geeignet. In diesem Bescheid wurde auch darauf hingewiesen, dass
die Unterlagen auch im Übrigen keinen Gegenstand offenbarten, mit dem die An-
meldung zum Patent geführt werden könnte. In dem Beschluss ist ferner die Be-
rücksichtigung der Eingabe des Anmelders vom 25. Juni 2013 herausgestellt.
Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder gemäß dem beim Deutschen Patent-
und Markenamt am 21. Februar 2014 eingegangenen Schriftsatz vom 18. Fe-
bruar 2014 Beschwerde eingelegt. Sinngemäß ist der dahingehende Antrag
gestellt,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Patentabtei-
lung 1.13 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Fe-
bruar 2014 Verfahrenskostenhilfe für das Patenterteilungsverfah-
ren, einschließlich Stundung der Jahresgebühren, zu bewilligen.
Der Anmelder weist hierbei auf den Inhalt seiner weiteren Eingaben hin. Demnach
sei eine Versuchsanordnung gemäß seiner Eingabe vom 25. Juni 2013 nicht ge-
würdigt und auch nicht ausprobiert worden. U. a. führt der Anmelder aus, dass
durch „die Fall-KRAFT“ Arbeit bei der Schwungraddrehung bewirkt werden könne,
weil „die Gravitation unterschiedlich wirkt, je nachdem, ob es sich um ruhiges
gleichmäßiges stetes Hochziehen od. Heben handelt oder ob es sich um fallkine-
tisches Einwirken auf ein sowieso schon schweres Massenstück handelt“. So wir-
ke die Gravitation „bei freiem Fall mit 2ge (mal der Höhe)“.
Aktenkundig sind am 29. März 2014, 22. April 2014 und 26. Mai 2014 weitere
Schriftsätze des Anmelders beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegan-
gen, wobei auch diese entgegen den allgemeinen Bestimmungen per E-Mail zuge-
sandten Eingaben zur elektronischen Akte genommen wurden.
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Mit gerichtlichem Hinweis vom 18. März 2015 ist dem Anmelder nach Überprüfung
der Entscheidung der Patentabteilung unter Berücksichtigung des gesamten ak-
tenkundigen Vorbringens des Anmelders in den Verfahrenszügen bis dahin die
vorläufige Einschätzung des Senats mitgeteilt und auf die Möglichkeit einer Ent-
scheidung nach Aktenlage nach dem 24. April 2015 hingewiesen worden. Hierzu
ist zu den physikalisch-technischen Wirkzusammenhängen beim Betrieb des in
den ursprünglichen
Anmeldungsunterlagen beschriebenen „Schwungradmassen-
antriebs“ aus allgemein anerkannter naturwissenschaftlicher Sicht und zum Of-
fenbarungsgehalt der Anmeldung insgesamt ausgeführt worden.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der elektronischen Akte des Deut-
schen Patent- und Markenamts (Stand der Aktenübersicht 7. Januar 2015) sowie
der Gerichtsakte verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg.
Nach § 130 PatG ist Voraussetzung für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe,
dass der Antragsteller bedürftig ist und dass eine hinreichende Aussicht auf Ertei-
lung eines Patents besteht. Es kann dahinstehen, ob die Bedürftigkeit des Anmel-
ders durch die dem Deutschen Patent- und Markenamt vorgelegten Unterlagen
ausreichend nachgewiesen wurde. Der Antrag des Anmelders auf Bewilligung von
Verfahrenskostenhilfe ist nämlich bereits zurückzuweisen, da keine hinreichende
Aussicht auf Erteilung eines Patents besteht.
Denn es liegt keine Erfindung im Sinne des § 1 (1) PatG vor, weil die vermeintlich
technische Lehre, demnach der in den Anmeldungsunterlagen beschriebene
„Schwungradmassenantrieb“ durch aufschlagende „Gewichtsmassenstücken“
nicht nur angetrieben sein soll, sondern diese Gewichte auch wieder für einen er-
neuten Fall auf größere Fallhöhen zurückfördern können soll, um insoweit dauernd
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nutzbare Energie ohne entsprechende Energiezufuhr allein durch den „energeti-
schen Unterschied zwischen Gewichtshebung und Gewichtsaufschlag nach Fallen
aus gleicher Höhe“ bereitzustellen, objektiv nicht realisierbar ist. Damit ist der An-
meldungsgegenstand wegen der fehlenden Ausführbarkeit
– denn technisch ist er
nicht brauchbar im Sinne der postulierten Energiegewinnung durch die Schwer-
kraftwirkung
– dem Patentschutz nicht zugänglich.
1.
Für die Beurteilung des Anmeldungsgegenstandes sind die ursprünglich ein-
gereichten
Unterlagen
– veröffentlicht in Gestalt der DE … A1 –
maßgeblich. Diesen ist zu entnehmen, dass ein so bezeichneter, nach Art einer
„ägyptischen Sandradmaschine“ ausgeführter „Schwungradmassenantrieb“ (vgl.
Anspruch 1) durch aufp
rallende „Gewichtsmassenstücke“ (vgl. Anspruch 2) ange-
trieben und weiter beschleunigt werden soll. Eine der aufgestellten Behauptungen
im Absatz 0006 lautet hierzu: „Mit diesem Überschuss ist es möglich, z. B. Wasser
nach oben zu pumpen“. Hierfür wird dem anmeldungsgemäßen „Schwungradmas-
senantriebs“ das Wirkprinzip unterstellt: „Gewichte, die nacheinander herunterstür-
zen und aufknallen, haben beträchtlich mehr Kraft (zusammen) durch ihren jewei-
ligen kinetischen Stohs beim Auftreffen, der in Kraftdruck umgesetzt wird, als die
in gleicher Zeit (gesamt) am Aufzug hoch gezogenen Massen gleichen Gewich-
tes!“ (Absatz 0010). Mit einem derart angetriebenen Schwungscheibenrad soll
„Arbeit geleistet werden“ können (vgl. Patentanspruch 1).
Allerdings folgt aus diesen und weiteren Angaben zur beabsichtigten Funktion des
angemeldeten „Schwungradmassenantriebs“, dass genau die Gewichtsmassen-
stücke, deren potentielle und kinetische Energie dem Schwungrad
– mit einherge-
hender Drehimpulserhöhung, die zu einer Erhöhung der im Schwungrad gespei-
cherten kinetischen Energie führen bzw. zur Verrichtung von Arbeit genutzt wer-
den könnte
– zugeführt wird, von dem Schwungrad selbst in eine Ausgangslage
mit sogar höherem potentiellen Energieniveau als ursprünglich zurückgeführt wer-
den sollen (vgl. Absatz 0006, demnach eine „langsam höher mögliche Fallhöhe
genutzt werden soll“, i. V. m. Absatz 0009); dieselben Gewichtsmassenstücke sol-
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len demnach dem System beim erneuten Fallenlassen und Auftreffen nochmals
bzw. mehr Energie zuführen können.
2.
Die insoweit mit dem Anmeldungsgegenstand beabsichtigte dauerhafte Ver-
richtung von Arbeit in einem sich selbst verstärkenden Prozess widerspricht dem
Satz von der Erhaltung der Energie, der inhaltlich zum Ausdruck bringt, dass Ener-
gie, durch welche technisch-physikalischen Maßnahmen auch immer, nicht gleich-
sam aus dem Nichts entstehen kann. Sie kann nur aus einer Energieform in eine
andere umgewandelt werden.
Dieses fundamentale Gesetz gilt für jedes technische System, wie immer es auch
aufgebaut sein mag. Dieser Satz von der Erhaltung der Energie hat sich bei allen
überprüften Fällen immer wieder als richtig erwiesen und wird deshalb von der
Fachwelt allgemein anerkannt.
Eine frei fallende, unter Schwerkrafteinfluss beschleunigte Masse besitzt eine der
jeweiligen Fallgeschwindigkeit entsprechende kinetische Energie, bei demzufolge
verminderter potentieller Energie gegenüber der Ausganghöhe; nur diese Energie-
menge kann auch nur einmal
– ggf. unter Umwandlung – genutzt werden. Um da-
her einem physikalischen System dauerhaft Energie zur Nutzung entziehen zu
können, muss ihm dafür mindestens dieselbe Energiemenge
– gegebenenfalls in
anderer Form
– wieder zugeführt werden. In der Praxis ist wegen der unvermeidli-
chen Verluste bei einer Energieumwandlung mit technischen Mitteln
– wie auf-
grund von Reibungsverlusten
– die dem System zuzuführende Energiemenge so-
gar stets größer als die dem System zur technischen Nutzung wieder entziehbare
Menge. Wird weniger Energie zugeführt, kommt das System nach einiger Zeit
zwangsläufig zum Stillstand.
Im Falle der anmeldungsgemäßen Vorrichtung bedeutet dies, dass dem in den
Anmeldungsunterlagen dargestellten „Schwungradmassenantrieb“ bei stabiler
Funktionalität nicht dauerhaft (insgesamt) eine größere Energiemenge zur Nut-
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zung entnommen werden kann, als anfänglich in dem System enthalten war bzw.
unter Verrichtung von Arbeit in dieses gespeist wurde. „Gravitationsgetrieben“ ist
das beschriebene Schwungrad nur insoweit, als die kinetische und potentielle
Energie der dem System von außen zugeführten Massekörper zwar zunächst eine
beschleunigende Wirkung auf das Schwungrad in dem Sinne haben kann, dass
der Drehimpuls, d. h. die kinetische Energie des Systems zunimmt. Soweit diese
dem System jedoch wieder entzogen wird, indem mit diesem die Gewichte auch
gefördert werden und der Drehimpuls des Schwungrads insoweit zur Verrichtung
von Arbeit oder gegen Reibungswiderstand über die zuvor eingebrachte Energie-
menge hinaus verringert wird, muss das Schwungrad zwangsläufig aus einer an-
fänglichen Drehbewegung heraus zum Stillstand kommen
– bzw. aus einer ur-
sprünglich statischen Gleichgewichtslage heraus im Weiteren lediglich in einer
neuen Gleichgewichtslage ausschwingen. Eine dauerhafte Bewegung trotz Ener-
gieverlusts oder
–entnahme setzt dagegen eine entsprechende Energiezufuhr
durch Verrichtung von (äußerer) Arbeit am System voraus, die für den beschriebe-
nen
„Schwungradmassenantrieb“ gerade ausgeschlossen sein soll.
Eine andere Beurteilung des Sachverhalts war auch nicht durch das insoweit in
seiner Gesamtheit berücksichtigte, aktenkundige Vorbringen des Anmelder veran-
lasst, mit dem der Anmelder sinngemäß weiterhin die Behauptung aufstellt, sein
beschriebener „gravitationsgetriebener Schwungradmassenantrieb“ vermöge
Arbeit zu verrichten. Wie bereits im Prüfungsverfahren konnte von einer Vorfüh-
rung eines konkret ausgeführten „Schwungradmassenantriebs“ keine Aufklärung
der Sache mit Aussicht auf Erfolg erwartet werden.
Bei dieser Sachlage war die nach Aktenlage entscheidungsreife Beschwerde des
Anmelders gegen die versagte Gewährung von Verfahrenskostenhilfe mangels
hinreichender Aussicht auf Erteilung eines Patents wegen eines unbehebbaren
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Patentierungshindernisses
– hier dem Fehlen einer Erfindung im Sinne des § 1
PatG
– zurückzuweisen.
Hilber
Paetzold
Baumgart
Geier
Ko