Urteil des BPatG vom 25.02.2015

Stand der Technik, Form, Patentanspruch, Erfindung

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
9 W (pat) 6/10
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
25. Februar 2015
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 198 19 484
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hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2015 unter Mitwirkung des Vor-
sitzenden Richters Dipl.-Ing. Hilber sowie der Richter Paetzold, Dr.-Ing. Baumgart
und Dr.-Ing. Geier
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Die Patentabteilung 1.56 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat nach Prü-
fung eines Einspruchs das am 30. April 1998 angemeldete Patent 198 19 484,
dessen Erteilung am 14. August 2008 veröffentlicht wurde, mit der Bezeichnung
Karosseriesäule bzw. Verfahren zur Herstellung einer Karosseriesäule
für eine Fahrzeugkarosserie
mit dem in der Anhörung vom 22. Oktober 2009 verkündeten Beschluss wider-
rufen.
Die Patentabteilung begründet ihren Beschluss damit, dass sich bereits der Ge-
genstand des in der Anhörung vom 22. Oktober 2009 zur Aufrechterhaltung über-
reichten, gegenüber der erteilten Fassung geänderten Patentanspruchs 1 für den
Fachmann in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergäbe und dieser
daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Entscheidung der
Patentabteilung ist dabei auf fehlende Patentfähigkeit gegenüber der Druckschrift
DE 43 07 563 A1 (Druckschrift D1) gestützt. Streitpunkte bezüglich des Einwands
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der unzulässigen Erweiterung des Gegenstands der Erfindung könnten aus die-
sem Grund daher unerörtert bleiben.
Die weiteren im vorausgegangenen Einspruchsverfahren, wie auch zum Teil im
Prüfungsverfahren, genannten Druckschriften
D2:
DE 32 29 724 A1
D3:
DE 197 37 969 A1
D4:
DE 196 44 047 A1
D5:
DE 195 24 235 A1
D6:
DE 195 19 353 A1
D7:
DE 44 29 438 A1
D8:
EP 0 040 123 A1
D9:
Ausdruck der Internetseite Wikipedia zum Stichwort „Biegen“
D10: DE 198 129 484 A1 (Offenlegungsschrift des Streitpatents)
D11: Ausdruck der Internetseite Wissen
– Meyers Lexikon online zum
Stichwort „Freiformfläche“
D12: Ausdruck der Internetseite
Wikipedia zum Stichwort „Freiformen“
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D13:
Ausdruck der Internetseite Wikipedia zum Stichwort „Stanzen“
D14:
Ausdruck der Internetseite Wikipedia zum Stichwort „Profilstahl“
sind in dem angegriffenen Beschluss nicht aufgegriffen worden.
Gegen den Widerruf richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie ist sinn-
gemäß der Meinung, dass bereits das in dem erteilten Patentanspruch 1 bean-
spruchte Verfahren, sowie die bereits in dem erteilten Patentanspruch 13 bean-
spruchte Einrichtung, sowohl in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung
gehörig offenbart sind, wie auch gegenüber dem Stand der Technik neu seien und
auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.
In der Verhandlung vom 25. Februar 2015 hat die Patentinhaberin und Beschwer-
deführerin erklärt, dass sie keine weitere Stellungnahme abgeben werde, sondern
hierzu vollumfänglich auf den Vortrag im Schriftsatz vom 11. Mai 2010 verweise.
Sie beantragt in der mündlichen Verhandlung zuletzt,
den Beschluss der Patentabteilung 56 aufzuheben und das Patent
198 19 484 aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin hat mit Schriftsatz vom 18. Fe-
bruar 2015 mitgeteilt, dass sie an der anberaumten Verhandlung nicht erscheinen
werde, und beantragt,
die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen und den Be-
schluss der Patentabteilung 1.56 des DPMA vom 22. Okto-
ber 2009 zu bestätigen.
- 5 -
Der Patentanspruch 1 gemäß Streitpatent lautet:
Verfahren zur Herstellung einer Karosseriesäule (1) für eine Fahr-
zeugkarosserie, insbesondere zur Herstellung einer B- oder C-Säule,
wobei eine Metallplatine (2) zu der die Karosseriesäule (1) im End-
zustand aufweisenden spezifischen Form umgeformt wird, wobei die
noch ungeformte Metallplatine (2) mindestens einen ersten Be-
reich (3) und einen zweiten Bereich (4) aufweist, wobei der erste Be-
reich (3) - im späteren umgeformten Zustand
– aufgrund der herge-
stellten spezifischen Form im Vergleich zum zweiten Bereich (4) un-
terschiedlich verformt ist, und wobei zur Erhöhung der Steifigkeit
bzw. Festigkeit der im Endzustand hergestellten Karosseriesäule (1)
im wesentlichen direkt auf dem ersten Bereich (3) der ungeformten
Metallplatine (2) vor Realisierung des Umformvorganges ein Verstär-
kungsblech (5) angeordnet und befestigt wird, dadurch gekennzeich-
net, dass das Verstärkungsblech (5) so auf der Metallplatine (2) an-
geordnet und befestigt wird, dass das Verstärkungsblech (5) und die
daraus resultierende
„Verstärkung“ im Wesentlichen nur einer Umfor-
mung durch Biegung unterzogen wird, wodurch die auf die zwischen
der Metallplatine (2) und dem Verstärkungsblech (5) existierenden
Fügestellen wirkenden Kräfte minimiert werden.
Rückbezogen schließen sich hieran die Patentansprüche 2 bis 12 gemäß Streitpa-
tent an.
Der Patentanspruch 13 gemäß Streitpatent lautet:
Karosseriesäule für eine Fahrzeugkarosserie, insbesondere B- oder
C-Säule, wobei die Karosseriesäule (1) eine bestimmte Form auf-
weist, aus einer Metallplatine (2) mit Hilfe eines Umformverfahrens
hergestellt ist und - aufgrund ihrer spezifischen Form - unterschiedli-
- 6 -
che Bereiche (3, 4), nämlich mindestens einen ersten Bereich (3)
und mindestens einen - im Vergleich zum ersten Bereich (3) - unter-
schiedlich verformten zweiten Bereich (4) aufweist, und wobei zur Er-
höhung der Steifigkeit bzw. Festigkeit der Karosseriesäule (1) ein vor
Realisierung des Umformvorgangs im wesentlichen direkt auf dem
ersten Bereich (3) angeordnetes und befestigtes Verstärkungs-
blech (5) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Verstär-
kungsblech (5) so auf der Metallplatine (2) angeordnet und befestigt
ist, dass das Verstärkungsblech (5) und die daraus resultierende
„Verstärkung“ nach dem Umformvorgang im Wesentlichen nur einer
Umformung durch Biegung unterzogen ist, wodurch die auf die zwi-
schen der Metallplatine (2) und dem Verstärkungsblech (5) existie-
renden Fügestellen wirkenden Kräfte minimiert sind.
Rückbezogen schließen sich hieran die Patentansprüche 14 bis 24 gemäß Streit-
patent an.
Wegen des Wortlauts der erteilten Unteransprüche wird auf die Streitpatentschrift
DE 198 19 484 B4 und zu weiteren Einzelheiten auf den Akteninhalt verwiesen.
II
1.
im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, denn der Senat
konnte nicht feststellen, dass der patentgemäß beanspruchte Gegenstand des er-
teilten Patentanspruchs 1 Inhalt der ursprünglichen Anmeldung war. Dies erfüllt
den im Einspruchsverfahren geltend gemachten Widerrufsgrund unzulässiger Er-
weiterung im Sinne des § 21 (1) Nr. 4 PatG.
2.
tung Maschinenbau zugrunde, der bei einem Fahrzeughersteller mit der Entwick-
- 7 -
lung und Fertigung insbesondere von mittels Umformverfahren herzustellenden
Karosseriebauteilen befasst ist und auf diesem Gebiet über mehrere Jahre Berufs-
erfahrung verfügt.
3.
der Patentansprüche, deren Sinngehalt im Lichte der Patentbeschreibung zu be-
stimmen ist, wie für die Ermittlung des Offenbarungsgehalts der Unterlagen in der
ursprünglich eingereichten Fassung.
Bei der Beurteilung des Inhalts der Anmeldung haftet der Fachmann nicht am
Wortlaut der Beschreibung. Er orientiert sich vielmehr an dem Sinn, der ihm aus
der Gesamtheit der Unterlagen vermittelt wird. Bei der Auslegung wird sich der
Fachmann daher auch von der Aufgabe, den geschilderten Vor- und Nachteilen,
der behaupteten Wirkungen und dem angestrebten Zweck leiten lassen.
Allerdings gehört zum Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung im Zusammen-
hang mit der Frage, ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, nur das, was den
ursprünglich eingereichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist,
nicht hingegen einer weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann aufgrund
seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre
gelangen kann.
Von daher liegt eine unzulässige Erweiterung dann vor, wenn der Gegenstand des
Patents für den Fachmann in der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennbar ist.
Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen.
4.
eingereichten Fassung, die in Gestalt der Druckschrift D10 veröffentlicht worden
ist, eine Karosseriesäule für eine Fahrzeugkarosserie, sowie ein Verfahren zur
Herstellung einer solchen Karosseriesäule.
- 8 -
Ausweislich Absatz [0002] der Streitpatentschrift bzw. Spalte 1, Zeilen 14 bis 34,
der Druckschrift D10 würden im Stand der Technik, von dem die Erfindung aus-
geht, Karosseriesäulen, insbesondere für das Dach einer Fahrzeugkarosserie
oder für den „Überrollbügel" bei Cabriolets, im Allgemeinen aus einer Metallplatine
hergestellt, wobei die Metallplatine zu der die Karosseriesäule im Endzustand auf-
weisenden spezifischen Form umgeformt wird. Je nachdem, ob nun eine B- oder
C-Säule als Karosseriesäule hergestellt wird, weise die jeweilige spezifische Form
der entsprechend hergestellten Karosseriesäule unterschiedlich verformte Berei-
che auf, die durch eine bestimmte Krafteinwirkung, die insbesondere bei einem
Fahrzeug-Crash hervorgerufen werden kann, auch unterschiedlich stark defor-
miert werden könne.
Die Praxis zeige dabei, dass in Abhängigkeit der spezifischen Form und des ver-
wendeten spezifischen Materials der jeweiligen Karosseriesäule es Bereiche der
Karosseriesäule gibt, die bei bestimmten Krafteinwirkungen anders bzw. stärker
deformiert werden als andere Bereiche.
Der Erfindung liege daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung ei-
ner Karosseriesäule beziehungsweise eine Karosseriesäule selbst anzugeben,
wobei die Karosseriesäule leicht herstellbar sein soll, beziehungsweise so ausge-
bildet sein soll, dass die Sicherheit der Fahrzeuginsassen gewährleistet ist und die
Karosseriesäule auch den heutigen ökonomischen und ökologischen Anforde-
rungen entspricht (vgl. Absatz [0008] der Streitpatentschrift bzw. Spalte 2, Zeilen 4
bis 11 der Druckschrift D10).
Die Lösung dieser Aufgabe sieht die Patentinhaberin gemäß Absatz [0009] der
Streitpatenschrift in dem im Patentanspruch 1 angegebenen Verfahren bzw. in der
im Patentanspruch 13 angegebenen Karosseriesäule.
- 9 -
Zur Erleichterung von Bezugnahmen sind die Merkmale des erteilten Patentan-
spruchs 1 nachstehend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben:
M1.1 Verfahren zur Herstellung einer Karosseriesäule (1) für eine Fahrzeug-
karosserie, insbesondere zur Herstellung einer B- oder C-Säule,
M1.2 wobei eine Metallplatine (2) zu der die Karosseriesäule (1) im Endzustand
aufweisenden spezifischen Form umgeformt wird,
M1.3 wobei die noch ungeformte Metallplatine (2) mindestens einen ersten Be-
reich (3) und einen zweiten Bereich (4) aufweist, wobei der erste Be-
reich (3) - im späteren umgeformten Zustand
– aufgrund der hergestellten
spezifischen Form im Vergleich zum zweiten Bereich (4) unterschiedlich
verformt ist, und
M1.4 wobei zur Erhöhung der Steifigkeit bzw. Festigkeit der im Endzustand her-
gestellten Karosseriesäule (1) im wesentlichen direkt auf dem ersten Be-
reich (3) der ungeformten Metallplatine (2) vor Realisierung des Umform-
vorganges ein Verstärkungsblech (5) angeordnet und
M1.5 befestigt wird,
M1.6 wobei das Verstärkungsblech (5) so auf der Metallplatine (2) angeordnet
und befestigt wird, dass das Verstärkungsblech (5) und die daraus resultie-
rende ,,Verstärkung" im Wesentlichen nur einer Umformung durch Biegung
unterzogen wird, wodurch die auf die zwischen der Metallplatine (2) und
dem Verstärkungsblech (5) existierenden Fügestellen wirkenden Kräfte
minimiert werden.
Dem Fachmann erschließt sich dabei aus dem Anspruchswortlaut des erteilten
Patentanspruchs 1 ein Verfahren zur Herstellung einer Karosseriesäule, bei dem
- 10 -
als wesentlicher Erfindungsgedanke vor dem eigentlichen die spezifische Form
der Karosseriesäule bildenden Umformvorgang zur Erhöhung der Steifigkeit bzw.
Festigkeit der im Endzustand hergestellten Karosseriesäule auf einen ersten Be-
reich einer noch ungeformten Metallplatine ein Verstärkungsblech angeordnet und
befestigt wird, um dort in diesem Bereich
eine „Verstärkung“ zu bewirken.
Dabei hat die Anordnung und die Befestigung des Verstärkungsblechs auf der Me-
tallplatine gemäß Merkmal M1.6 derart gezielt zu erfolgen, dass das Verstärkungs-
blech sowie die daraus resultierende „Verstärkung“ im Wesentlichen nur einer
Umformung durch Biegung unterzogen wird.
Dies umfasst einerseits eine Anordnung und Befestigung des Verstärkungsblechs
in einem speziellen Bereich, bei dem aufgrund seiner Positionierung in dem Um-
formwerkzeug von sich aus im Umformvorgang im Wesentlichen nur eine Biegung
„auftritt“, wobei dies implizit voraussetzt, dass der spezielle Bereich vor der Anord-
nung und Befestigung des Verstärkungsblechs und vor dem Umformvorgang in ei-
nem diesen vorgeordneten separaten Verfahrensschritt erst ermittelt werden
muss.
Andererseits umfasst das Merkmal M1.6 auch eine Anordnung und Befestigung
des Verstärkungsblechs, die aufgrund des Wesens der so gebildeten „Verstär-
kung“ an sich im Wesentlichen nur eine Umformung durch Biegung zulässt.
5.
stimmung mit den Merkmalen M1.1 bis M1.4 des erteilten Patentanspruchs 1 zu-
nächst ein Verfahren zur Herstellung einer Karosseriesäule für eine Fahrzeugka-
rosserie zu entnehmen, welches insbesondere zur Herstellung einer B- oder C-
Säule angewandt wird, wobei eine Metallplatine zu der die Karosseriesäule im
Endzustand aufweisenden spezifischen Form umgeformt wird und wobei die noch
ungeformte Metallplatine mindestens einen ersten Bereich und einen zweiten Be-
reich aufweist, wobei der erste Bereich - im späteren umgeformten Zustand - auf-
- 11 -
grund der hergestellten spezifischen Form im Vergleich zum zweiten Bereich un-
terschiedlich verformt ist. Dabei wird zur Erhöhung der Steifigkeit bzw. Festigkeit
der im Endzustand hergestellten Karosseriesäule im wesentlichen direkt auf dem
ersten Bereich der ungeformten Metallplatine vor Realisierung des Umformvor-
ganges ein Verstärkungsblech angeordnet.
Aufgrund der Ausführungen in Spalte 3, Zeilen 58 bis 67, der Druckschrift D10,
wonach die Anordnung des Verstärkungsbleches auf dem ersten Bereich der un-
geformten Metallplatine mit einem gleichzeitigen Verbinden des Verstärkungs-
blechs auf der Metallplatine durch beispielsweise eine punktuelle Schweiß- oder
Klebeverbindung einher gehen kann, wird dem Fachmann ferner die technische
Lehre vermittelt, dass das Verstärkungsbleches auch auf dem ersten Bereich der
ungeformten Metallplatine nicht nur angeordnet, sondern entsprechend dem Merk-
mal M1.5 vor dem Umformvorgang auch befestigt wird.
Für den Fachmann ist somit den ursprünglichen Unterlagen zunächst ein Verfah-
ren gemäß dem Oberbegriff des erteilten Patentanspruchs 1, welcher die Merk-
male M1.1 bis M1.5 enthält, eindeutig entnehmbar. Dies wurde von der Einspre-
chenden und Beschwerdegegnerin in den bisherigen Verfahren so auch nicht be-
stritten.
Im Weiteren ist in der ursprünglichen Beschreibung in Spalte 4, Zeilen 13 bis 23,
der Druckschrift D10 als zur Erfindung gehörend offenbart, dass dann, wenn das
Verstärkungsblech „vor dem Umformvorgang“ so auf die Metallplatine gepunktet
und/oder geklebt wird, dass sich die hieraus resultierende „Verstärkung“ nach dem
Umformen im inneren Bereich einer U-förmig ausgebildeten Karosseriesäule be-
findet, auf die Fügestellen bzw. die Verbindungsstellen beim Tiefziehen - und so-
mit beim Umformvorgang - nur geringe Kräfte aufgebracht werden, welches sich in
dessen Folge als besonders günstig und belastungsarm für die Fügetechnik aus-
wirkt.
- 12 -
Die Verminderung der auf die Fügestellen wirkenden Kräfte liegt dabei gemäß
Spalte 4, Zeilen 20 bis 21 darin begründet, dass „hier“ und somit bei dieser Anord-
nung „beim Tiefziehen im wesentlichen nur eine Biegung“ „auftritt“.
Für den Fachmann vermag eine funktionelle Betrachtungsweise dieser Textpas-
sagen dabei, wie auch die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin in ihrem
Schriftsatz vom 11. Mai 2010 ausführt, durchaus im Vordergrund stehen, so dass
der Fachmann auch aus Sicht des Senats hier in der Lage ist, eine Anordnung des
Verstärkungsblechs im inneren Bereich der U-förmig ausgebildeten Karosserie-
säule funktionell von der offenbarten Erfindungsidee, der Reduzierung der auf die
Verbindungsstellen wirkenden Kräfte, zu entkoppeln.
Damit kann der Fachmann dieser Textpassage in der Folge jedoch nur die techni-
sche Lehre entnehmen, dass allgemein in Bereichen der Metallplatine mit darauf
angeordneten und befestigtem Verstärkungsblech, an denen während des Tiefzie-
hens im wesentlichen nur eine Biegung „auftritt“, die auf die zwischen Metallplatine
und dem Verstärkungsblech existierenden Fügestellen wirkende Kräfte minimiert
werden.
Eine darüber hinaus gehende Lehre, wonach in der Folge dieser Erkenntnis das
Verstärkungsblech weitergehend jedoch schon bereits „vor“ dem Umformvorgang
„bewusst und gezielt“ in einem wie auch immer gestalteten Auswahlverfahren auf
einen ersten Bereich der Metallplatine angeordnet und befestigt wird, in dem dann
während des Umformvorgangs im Wesentlichen nur eine Umformung durch Bie-
gung auftritt, wie der Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 zu verstehen ist,
findet aus Sicht des Senats in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen ebenso we-
nig eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung, wie eine Anordnung und Befes-
tigung des Verstärkungsblechs, die aufgrund des Wesens der so gebi
ldeten „Ver-
stärkung“ an sich im Wesentlichen nur eine Umformung durch Biegung zulässt.
- 13 -
Mangels anderer einschlägiger Offenbarungsunterlagen wird mit dem Patent erst-
mals ein Verfahren definiert, das nicht Inhalt der ursprünglichen Patentanmeldung
war.
Das Patent ist durch die Formulierung des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber
der Ursprungsoffenbarung daher in unzulässiger Weise erweitert.
Aus diesem Grund hat der erteilte Patentanspruch 1 keinen Bestand.
Mit ihm fallen auch die rückbezogenen erteilten Patentansprüche 2 bis 11.
6.
aufgrund einer unzulässigen Erweiterung nicht bestandsfähig ist, erübrigt sich das
Eingehen auf den nebengeordneten Patentanspruch 13 gemäß Streitpatent sowie
auf die auf diesen rückbezogenen erteilten Patentansprüche 14 bis 24, denn über
einen Antrag kann nur in seiner Gesamtheit entschieden werden (vgl. BGH,
GRUR 1997, 120-122 "Elektrisches Speicherheizgerät").
Rechtsbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn sie auf einen der nachfolgenden Gründe
gestützt wird, nämlich dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis
der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
- 14 -
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.
Hilber
Paetzold
Dr. Baumgart
Dr. Geier
Ko