Urteil des BPatG vom 24.02.2016

Stand der Technik, Patentanspruch, Breite, Kanal

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
9 W (pat) 31/10
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
24. Februar 2016
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2005 031 958
- 2 -
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 24. Februar 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Hilber, sowie der Richter Paetzold, Dipl.-lng. Sandkämper und
Dr.-Ing. Baumgart
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Prüfung
des von der M
… AG erhobenen Einspruchs das am
8. Juli 2005 angemeldete und am 11. Oktober 2007 veröffentliche Patent mit der
Bezeichnung
"Druckmaschine für Zeitungs- und Tabloid- bzw. Telefonbuchproduktion"
durch Beschluss vom 8. Oktober 2008 aufrechterhalten. Die Patentabteilung hat die
Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des seinerzeit in der erteilten Fassung
verteidigten Patentanspruchs 1 ursprünglich offenbart sei, neu sei gegenüber dem
Stand der Technik und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe; zudem liege kein
Offenbarungsmangel vor.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Sie vertritt
die Auffassung, mit den geltenden Patentansprüchen ginge der Gegenstand des Pa-
- 3 -
tents über den Inhalt der Anmeldung hinaus. Der Gegenstand nach Patentan-
spruch 1 sei im Übrigen auch nicht patentfähig.
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin stellte den Antrag,
den Beschluss der Patentabteilung 27 des DPMA vom 8. Okto-
ber 2008 aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin stellte den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zum Stand der Technik sind von der Einsprechenden die folgenden Druckschriften in
das Verfahren eingeführt worden:
D2: DE 198 03 809 A1
D3: DE 202 21 095 U1
D4: DE 10 2004 002 984 A1
D5: EP 0 557 774 A1
D6: EP 1 145 850 A1
D7: Wolfgang Walenski: Der Rollenoffsetdruck, Fachschriften-Verlag, 1995,
S. 91, Faltblatt 1/3-3/3, 98, 101, 186, 190, 192, 194, 196, 333-334
D8: Projektzeichnungen und Bilder zu UNIMAN 4/2 S, 9 Blatt.
In der Anhörung vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurden noch folgende
Dokumente eingereicht:
D9: DE 10 2006 038 638 A1 (nachveröffentlicht)
D10: Duden: Das Bedeutungswörterbuch, 3. Auflage, Dudenverlag, zum Stichwort
"eigen" im Patentanspruch 4 (ohne Veröffentlichungsdatum).
- 4 -
Im Prüfungsverfahren waren über die von der Einsprechenden genannten Dokumen-
te hinaus noch folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:
D11: DE 10 2004 041 666 A1
D12: DE 10 2004 033 923 A1
D13: DE 101 31 976 A1
D14: DE 100 52 015 A1
D15: DE 43 44 362 A1
D16: DE 42 04 254 A1.
Die Beschwerdeführerin/Einsprechende stützt ihre Argumentation in der Beschwerde
noch auf die
D17: Alexander Braun: Atlas des Zeitungs- und Illustrationsdruckes, Polygraph
Verlag, 1960, S. 13-19 und S. 119-199,
D18: Wolfgang Walenski: Der Rollenoffsetdruck, Fachschriften-Verlag, 1995,
S. 82-83
D19: Helmut Teschner: Offsetdrucktechnik, 10. Auflage, Fachschriften-Verlag, 1997,
S. 10/27, 10/80-10/81 und die
D20: Helmut Kipphan: Handbuch der Printmedien, Springer-Verlag, 2000,
S. 294-295, 301-302, 362.
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin verweist ergänzend zu dem Vorbrin-
gen der Beschwerdeführerin noch auf
D18.1: Wolfgang Walenski: Der Rollenoffsetdruck, Fachschriften-Verlag, 1995,
S. 80-83
D19.1: Helmut Teschner: Offsetdrucktechnik, 10. Auflage, Fachschriften-Verlag,
1997, S. 10/25-10/27 und
D20.1: Helmut Kipphan: Handbuch der Printmedien, Springer-Verlag, 2000,
S. 360-362.
- 5 -
In der mündlichen Verhandlung am 24. Februar 2016 überreichte die Beschwerde-
führerin noch die
D21: DE 101 63 209 A1.
Mit der Ladung vom 14. Oktober 2015 an die Beteiligten hat der Senat mitgeteilt, er
erwäge eine Zurückverweisung der Sache nach § 79 Abs. 3 S. 2 PatG, weil der Be-
schluss der Patentabteilung an einem wesentlichen Mangel leide. Der Beschluss sei
am Ende der Anhörung am 8. Oktober 2008 verkündet worden. Die Beschlussbe-
gründung mit Datum vom 28. Juni 2010 sei offensichtlich aber erst am 30. Juni 2010
an die Beteiligten versandt worden (vgl. Bl. 168 und 169 der Amtsakte). Damit seien
seit Verkündung des Beschlusses bis zum Geschäftsstelleneingang mehr als 20 Mo-
nate vergangen. Hingegen habe die höchstrichterliche Rechtsprechung wiederholt
(u. a. BGH GRUR 2006, 2001) entschieden, dass eine Begründung spätestens fünf
Monate nach Verkündung eines Beschlusses fertiggestellt und an die Geschäftsstelle
übergeben sein müsse. Dieser Mangel führe aber nicht zwingend zur Zurückverwei-
sung. Denn nach § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG stehe dem Patentgericht insoweit ein Er-
messen zu. Bei Ausübung dieses Ermessens seien Instanzenverlust, Entscheidungs-
reife, Verfahrensverzögerung und ausreichende Prüfungsmöglichkeit des Patent-
streitfalls zu berücksichtigen.
Vor einer möglichen Zurückverweisung wurde den Beteiligten Gelegenheit zur Stel-
lungnahme gegeben.
Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 beantragt, das Verfah-
ren vor dem Senat fortzuführen. Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhand-
lung erklärt, sie wünsche die Fortführung des Verfahrens vor dem Senat.
- 6 -
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
Druckmaschine mit mehreren Drucktürmen (T) mit jeweils mehreren Druckwerken
zum Bedrucken von Bahnen sowie mindestens einer Falztrichteranordnung (F1; F2;
F3) zum Längsfalzen von Bahnen, dadurch gekennzeichnet,
- dass die Falztrichteranordnung (F1; F2; F3) in Maschinenlängsrichtung (M) betrach-
tet hintereinander zwei Trichteraufbauten (Fx-A und Fx-B)
aufweist
- dass zumindest ein Teil der Druckwerke mit einem Formzylinder ausgebildet ist,
welcher
- einen über die gesamte nutzbare Ballenlänge reichenden Kanal zur Aufnahme von
Druckformenden aufweist,
- und wahlweise in einer ersten Betriebsweise in axialer Richtung mit vier jeweils eine
stehende Druckseite im Broadsheetformat tragenden Druckformen oder in einer
zweiten Betriebsweise mit einer einzigen, sechs liegende Druckseiten im Tabloidfor-
mat tragenden, oder zwei vollumfänglichen, jeweils drei Tabloidseiten nebeneinander
tragenden Druckformen bestückbar ist,
- und dass ein erster der beiden Trichteraufbauten (Fx-A) nebeneinander drei erste
Falztrichter (A', B' und C') mit je einer Breite, die kleiner als die Hälfte einer maxima-
len Bahnbreite ist, aufweist, und der zweite Trichteraufbau (Fx-B) mindestens eine
Trichterebene mit zwei nebeneinander angeordneten zweiten Trichtern (A, B bzw. C,
D) mit je einer Breite aufweist, welche jeweils im Wesentlichen einer Hälfte einer
maximalen Bahnbreite entspricht.
Zum Wortlaut der geltenden Unteransprüche 2 bis 6 und weiteren Einzelheiten wird
auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Übrigen zulässig. In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.
- 7 -
Beschluss an einem wesentlichen Mangel leidet, hat der Senat abgesehen. Eine Zu-
rückverweisung steht nach § 79 Abs. 3 PatG im Ermessen des Gerichts. Das Gericht
kann, muss aber nicht zurückverweisen. Bei der Ermessensentscheidung sind In-
stanzverlust, Verfahrensverzögerung und ausreichende Prüfung in der Sache gegen-
einander abzuwägen. Bei Entscheidungsreife kommt eine Zurückverweisung nicht in
Betracht. Da die Beteiligten übereinstimmend beantragt haben, das Verfahren vor
dem Senat fortzuführen, erscheint es auch geboten, dem Interesse der Beteiligten an
einer alsbaldigen Erledigung des Beschwerdeverfahrens nachzukommen.
3. Einsprechende war ursprünglich die M
… AG in A….
Nach Namensänderung in m
… AG und Insolvenz der m… AG hat der
Insolvenzverwalter die Beteiligtenstellung an die m
… GmbH ab-
gegeben.
Damit ist auf Seiten der Einsprechenden in zulässiger Weise eine Änderung der
Beteiligtenstellung eingetreten, was in der mündlichen Verhandlung auch ausdrück-
lich nicht in Zweifel gezogen worden ist.
Die Patentinhaberin hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens ihren Namen von
„K… Aktiengesellschaft“ in „K… AG“ geändert.
4. Wie im angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts zutref-
fend festgestellt wurde, ist der Einspruch zulässig.
5. Als Durchschnittsfachmann sieht der Senat einen Maschinenbauingenieur mit
mehrjähriger Berufserfahrung im Anlagenbau an, der mit der Planung und Projektie-
rung von Druckmaschinen insbesondere für den Zeitungsdruck betraut ist.
6. Zulässigkeit der Änderungen des Streitpatents (§ 21 (1) Nr. 4 und § 22 PatG)
- 8 -
Die Merkmale der Verfahren gemäß den erteilten Patentansprüchen sind sämtlich
offenbart. Sie ergeben sich ohne weiteres aus den ursprünglichen Unterlagen.
Der erteilte Patentanspruch 1 geht im Wesentlichen zurück auf die ursprünglichen
Ansprüche 1 bis 4 i. V. m. Seite 1, viertletzter Abs. (Abs. [0006] der A1-Schrift) und
Seite 5, Abs. 1 (Abs. [0025] der A1-Schrift). Die Beschwerdeführerin hat in der münd-
lichen Verhandlung nur noch geltend gemacht, im ursprünglichen Anspruch 3 sei
offenbart, dass ein Formzylinder des Druckwerks in einer zweiten Betriebsweise mit
einer einzigen Druckform in Längsrichtung bestückt sei. Die Streichung der Längs-
richtung führe zu einer unzulässigen Erweiterung. Dem vermag sich der Senat nicht
anzuschließen. Schon durch die Angabe, dass der Formzylinder einen über die ge-
samte nutzbare Ballenlänge reichenden Kanal zur Aufnahme von Druckformenden
aufweist, ist festgelegt, dass auch in der zweiten Betriebsweise der Formzylinder mit
der Druckform in Längsrichtung bestückt ist, der Offenbarung Abs. [0023] in der den
Inhalt
der
Anmeldung
in
der
ursprünglichen
Fassung
wiedergebenden
DE 10 2005 031 958 A1 folgend.
Der auf den Patentanspruch 1 rückbezogene Unteranspruch 2 geht auf den ur-
sprünglichen Anspruch 5 zurück, die Unteransprüche 3 bis 6 folgen unmittelbar aus
der ursprünglichen Beschreibungsseite 3 (Abs. [0019] und [0020] der A1-Schrift).
7. Patentfähigkeit der streitpatentgemäßen Vorrichtung nach dem erteilten Patent-
anspruch 1 (§ 21 (1) Nr. 1 PatG)
Zur Erleichterung von Bezugnahmen ist Patentanspruch 1 nachstehend in Form ei-
ner Merkmalsgliederung wiedergegeben:
1. Druckmaschine mit mehreren Drucktürmen (T)
1.1.
mit jeweils mehreren Druckwerken zum Bedrucken von Bahnen,
1.2.
sowie mindestens einer Falztrichteranordnung (F1; F2; F3) zum Längsfalzen
von Bahnen,
- 9 -
1.3.
wobei die Falztrichteranordnung (F1; F2; F3) in Maschinenlängsrichtung (M)
betrachtet hintereinander zwei Trichteraufbauten (Fx-A und Fx-B) aufweist,
1.4.
wobei zumindest ein Teil der Druckwerke mit einem Formzylinder ausgebildet
ist, welcher
1.4.1.
einen über die gesamte nutzbare Ballenlänge reichenden Kanal zur
Aufnahme von Druckformenden aufweist,
1.4.2.
und wahlweise bestückbar ist
1.4.2.1. in einer ersten Betriebsweise in axialer Richtung mit vier
jeweils eine stehende Druckseite im Broadsheetformat
tragenden Druckformen
1.4.2.2. in einer zweiten Betriebsweise mit einer einzigen, sechs
liegende Druckseiten im Tabloidformat tragenden, oder zwei
vollumfänglichen, jeweils drei Tabloidseiten nebeneinander
tragenden Druckformen
1.5.
und wobei ein erster der beiden Trichteraufbauten (Fx-A) nebeneinander drei
erste Falztrichter (A’, B’ und C’) aufweist
1.5.1.
mit je einer Breite, die kleiner als die Hälfte einer maximalen Bahnbreite
ist
1.6.
und der zweite Trichteraufbau (Fx-B) mindestens eine Trichterebene mit zwei
nebeneinander angeordneten zweiten Trichtern (A, B bzw. C, D) aufweist,
1.6.1.
wobei die Breite jeweils im Wesentlichen einer Hälfte einer maximalen
Bahnbreite entspricht.
Das Patent betrifft eine Druckmaschine mit mehreren Drucktürmen (T) (Merkmal 1)
und ihrerseits mit jeweils mehreren Druckwerken zum Bedrucken von Bahnen (Merk-
mal 1.1). Ein Druckturm ist ausreichend, da lediglich mindestens eine Falztrichter-
anordnung gefordert ist (Merkmal 1.2). Zumindest ein Teil der Druckwerke ist mit
einem Formzylinder ausgebildet (Merkmal 1.4), welcher einen über die gesamte
nutzbare Ballenlänge reichenden Kanal zur Aufnahme von Druckformenden aufweist
(Merkmal 1.4.1). Der Formzylinder (dessen Kanal) ist wahlweise bestückbar (Merk-
mal 1.4.2) in einer ersten Betriebsweise in axialer Richtung mit vier jeweils eine ste-
hende Druckseite im Broadsheetformat tragenden Druckformen (Merkmal 1.4.2.1)
und in einer zweiten Betriebsweise mit einer einzigen, sechs liegende Druckseiten im
- 10 -
Tabloidformat tragenden, oder zwei vollumfänglichen, jeweils drei Tabloidseiten
nebeneinander tragenden Druckformen (Merkmal 1.4.2.2). Der abgerollte Formzy-
linder mit unterschiedliche Druckseitenformate aufweisenden Druckformen ist in den
Fig. 4a) und b) dargestellt.
In einer Druckmaschine ist daher derselbe Formzylinder wahlweise mit verschiede-
nen, unterschiedliche Druckseitenformate aufweisenden Druckformen zu bestücken,
entsprechend der ersten Betriebsweise mit vier Druckformen oder der zweiten Be-
triebsweise mit einer oder zwei Druckformen.
Die Druckmaschine ist mit mindestens einer Falztrichteranordnung (F1; F2; F3) zum
Längsfalzen von Bahnen versehen (Merkmal 1.2), die in Maschinenlängsrichtung (M)
betrachtet hintereinander zwei Trichteraufbauten (Fx-A und Fx-B) aufweist (Merk-
mal 1.3). Der erste der beiden Trichteraufbauten (Fx-A) weist nebeneinander drei
erste Falztrichter (A’, B’ und C’) auf (Merkmal 1.5), mit je einer Breite, die kleiner als
die Hälfte einer maximalen Bahnbreite ist (Merkmal 1.5.1) und der zweite Trichter-
aufbau (Fx-B) weist mindestens eine Trichterebene mit zwei nebeneinander angeord-
neten zweiten Trichtern (A, B bzw. C, D) auf (Merkmal 1.6), wobei die Breite jeweils
im Wesentlichen einer Hälfte einer maximalen Bahnbreite entspricht (Merkmal 1.6.1).
Es sind somit zwei hinsichtlich der Anzahl und der Breite der Falztrichter unterschied-
liche Trichteraufbauten hintereinander vorgesehen.
- 11 -
a) Zur gewerblichen Anwendbarkeit und Neuheit
Die streitpatentgemäße Vorrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 1 ist offen-
sichtlich gewerblich anwendbar.
Sie ist auch neu, denn im Stand der Technik ist keine derartige Vorrichtung mit sämt-
lichen Merkmalen nachgewiesen. Insbesondere zeigt keine der Druckschriften eine
Falztrichteranordnung mit zwei hintereinander angeordneten Trichteraufbauten, um-
fassend drei erste und zwei zweite Trichter (Merkmal 1.3 i. V. m. den Merkmalen 1.5
und 1.6).
b) Zur erfinderischen Tätigkeit
Die Vorrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 1 ist durch den Stand der Tech-
nik auch nicht nahegelegt, denn der zu berücksichtigende Stand der Technik vermit-
telt dem Durchschnittsfachmann keine Anregung, eine Vorrichtung mit den im erteil-
ten Patentanspruch 1 des angegriffenen Patents enthaltenen Merkmalen auszubil-
den.
Die D2 betrifft eine doppeltbreite Zeitungsdruckmaschine mit vier nebeneinander am
Formzylinder angeordneten Druckformen und einem Trichteraufbau mit Doppeltrich-
ter. Die D2 schlägt einen Formzylinder vor, der mit einem Übertragungszylinder zu-
sammen wirkt, dessen Durchmesser ein ganzzahliges Vielfaches des Formzylinders
beträgt, vgl. Spalte 1, Zeilen 26 bis 30. Um mit relativ geringem technischen Aufwand
die rationelle Herstellung vielgestaltiger Produkte zu ermöglichen, ist der Formzylin-
der (1; 2) in Umfangsrichtung mit einer und in Längsrichtung mit mindestens vier
stehenden Druckseiten im Broadsheetformat bestückbar. Wahlweise ist dieser Form-
zylinder (1; 2) auch mit liegenden Druckseiten im Tabloidformat bzw. stehenden oder
liegenden Druckseiten im Buchformat mittels in Umfangsrichtung des Formzylinders
(1; 2) jeweils einer und dessen Längsrichtung mindestens einer auf diesem anordba-
ren flexiblen Druckplatte (12.1 bis 12.4) bestückbar, vgl. Zusammenfassung. Für die
- 12 -
dem Druckvorgang nachfolgende Herstellung von ein- und zweilagigen Produkten
sind zwei Falztrichter 128, 134 vorgesehen, vgl. Fig. 11 bis 28 und zugehörige Be-
schreibung. Der D2 fehlt es zumindest an zwei benachbarten Trichteraufbauten
(Merkmal 1.3), die entsprechend den Merkmalen 1.5 und 1.6 unterschiedlich ausge-
bildet sind, und an der für doppeltbreite Zeitungsmaschinen im betrachteten Stand
der Technik nicht nachgewiesenen Bestückbarkeit des Formzylinders mit lediglich
einer oder zwei Druckformen anstelle von vieren.
Die D21 betrifft eine Vorrichtung zur Herstellung von Falzprodukten. Sie weist einen
Falzaufbau mit einer Trichtergruppe von mindestens drei in einer Richtung quer zu
einer Laufrichtung der Bahn horizontal zueinander versetzt angeordneten Trichtern
mit jeweils mindestens einer Breite von zwei aufrechten Zeitungsseiten oder vier lie-
genden Druckseiten im Tabloidformat auf. In horizontaler Richtung betrachtet, über-
schneiden sich diese in ihrer vertikalen Ausdehnung zumindest teilweise, wobei min-
destens einer der außen liegenden Trichter der Trichtergruppe jedoch in vertikaler
Richtung um eine Höhe versetzt zu einem innen liegenden Trichter angeordnet ist,
vgl. Zusammenfassung. Diese Ausbildung gibt keine Hinweise oder Anregungen zu
einer Falztrichteranordnung im Sinne des angegriffenen Patents.
Die D3 und D4 betreffen dreifachbreite Zeitungsdruckmaschinen mit sechs einseiten-
breiten Druckformen und drei Falztrichtern nebeneinander. Für den Fall, dass die
Druckmaschine doppelbreit (vier Seiten breit) ausgebildet ist, können zwei Trichter
nebeneinander angeordnet sein (Absatz 117 der D3). Dies sind jedoch zwei unter-
schiedliche Ausführungsformen einer Druckmaschine
, jedoch keine „Mischung“.
Auch der D3 bzw. D4 fehlt es schon an dem zweiten, vom ersten Trichteraufbau un-
terschiedlichen Trichteraufbau (Merkmale 1.3 i. V. m. 1.5 und 1.6).
Die D5 zeigt und beschreibt lediglich einen Trichteraufbau mit zwei Trichtern neben-
einander und einem darüber angeordneten dritten Trichter, während die D6 lediglich
einen Trichteraufbau mit zwei schmaleren und einem breiteren Trichter in einer Ma-
schinenebene offenbart. Beide Druckschriften geben damit ebenfalls keine Hinweise
- 13 -
oder Anregungen zu einer Falztrichteranordnung im Sinne des angegriffenen Pa-
tents.
Die Vorrichtung gemäß erteiltem Patentanspruch 1 ergibt sich auch nicht in Verbin-
dung mit dem allgemeinen oder speziellen Fachwissen. Die Beschwerdeführerin hat
hierzu in ihrer Begründung auf die D17 bis 20 abgestellt, die ihrer Auffassung nach
das Fachwissen des hier zuständigen Fachmanns wiedergeben. In den genannten
Fachbüchern sind unterschiedliche Druckmaschinenausbildungen und Falzapparate,
teilweise für den Zeitungsdruck, beschrieben und dargestellt.
Die Übertragung der dort gelehrten Einzelmaßnahmen auf jenen patentgemäßen An-
wendungsfall erfordert eine Abstraktion der Lehre des Fachwissens, die die unter-
schiedliche Anordnung von Druckformen auf einem Formzylinder und die nachfolgen-
de Anordnung und Ausbildung der Falztrichteranordnung betrachtet, die zu berück-
sichtigen sind, wenn eine größere Variabilität einer Druckmaschine ermöglicht wer-
den soll. Eine solche Abstraktion bildet die gedankliche Grundlage der Übertragung
der technischen Lösungsmittel und bedarf wie diese grundsätzlich einer Veranlas-
sung oder eines Anstoßes hierzu in dem mit dem Wissen und Können des Fach-
manns verarbeiteten Stand der Technik; andernfalls wird die Anregung unzulässig
durch die Logik der fertigen technischen Lehre ersetzt (vgl. BGH, Urteil vom
30. April 2009
– Xa ZR 92/05 – BGHZ 182, 1 = GRUR 2009, 746 – Betrieb einer
Sicherheitseinrichtung). Eine solche Anregung ist im Streitfall nicht aufgezeigt und
kann auch nicht durch Erwägung der Beschwerdeführerin ersetzt werden, das
„Auf-
finden des durch den Kunden vergebenen Problems der größeren Variabilität einer
Druckmaschine“ könne keine erfinderische Tätigkeit begründen. Demgegenüber wir-
ken beim Patent die in der Merkmalsgruppe 1.4 offenbarten Maßnahmen, nämlich
der über die gesamte Ballenlänge reichende Kanal des Formzylinders und die
wahlweise Bestückung des Formzylinders mit unterschiedlichen Druckformen so
zusammen, dass sich an sie die in den Merkmalen 1.3 und 1.5 bzw. 1.6 offenbarte
Falztrichteranordnung mit zwei Trichteranordnungen anschließen kann, die
schließlich eine größere Variabilität der Druckmaschine ermöglicht. Hinweise oder
- 14 -
Anregungen, eine Druckmaschine auf diese Weise auszugestalten, sind den
Druckschriften D17 bis D20 nicht zu entnehmen.
Das Naheliegen kann auch nicht damit begründet werden, dass sich die Fachwelt in
einer "Einbahnstraßensituation" befunden habe, die keine anderen Möglichkeiten als
die des Streitpatents zugelassen habe (vgl. dazu BGH, Urt. v. 8.7.2008
– X ZR
189/03
– GRUR 2008, 885 – Schalungsteil). Eine solche "Einbahnstraßensituation"
war hier nämlich nicht gegeben. Dem Fachmann standen auch andere Möglichkeiten
zur Verfügung, die möglichen Unzulänglichkeiten, die sich aus der Lösung in der
deutschen Offenlegungsschrift D2 ergaben, zu beherrschen. Hierzu ist in erster Linie
auf die D5 zu verweisen, die einen Trichteraufbau mit zwei Trichtern nebeneinander
und einen dritten Trichter offenbart, der zuschaltbar ist, wenn aus einer Papierbahn
anstelle von zwei drei Teilbahnen gefalzt werden sollen. Auch die D6 und die von der
Beschwerdeführerin zuletzt genannte D21 offenbaren ähnliche Lösungsmöglichkei-
ten.
Die übrigen Entgegenhaltungen kommen dem Streitpatent jedenfalls nicht näher; sie
haben im Beschwerdeverfahren keine Rolle mehr gespielt. Allen Druckschriften fehlt
es zumindest an zwei benachbarten Trichteraufbauten (Merkmal 1.3), die entspre-
chend den Merkmalen 1.5 und 1.6 ausgebildet sind.
Die Vorrichtung gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 ist daher patentfähig. Mit ihm
sind es die Weiterbildungen der Vorrichtung nach den darauf zurückbezogenen Pa-
tentansprüchen 2 bis 5.
- 15 -
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechts-
mittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelas-
sen hat, ist sie nur statthaft, wenn sie auf einen der nachfolgenden Gründe gestützt
wird, nämlich dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Be-
fangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der
die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind,
oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses
beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.
Hilber
Paetzold
Sandkämper
Baumgart
Ko